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CASPER – Alles war schön und nichts tat weh

CASPER - Alles war schön und nichts tat weh
Der schwarze Hund

Wohin mit allem? Mit der Welthaltigkeit, das Pandemiedasein, dem Alltag und dem Internet? Wir sitzen vor diesem Flimmern der Zeit und blicken auf die Gegenwartsguckkasten. Währenddessen schweift der Blick über verträumte Eindrücke, taumelt hier und da über einprasselnde Aufnahmen aus mangelnder Weitsicht, gefolgt von News und Diskussionen zwischen unerreichbarer Nähe und erreichbaren Weiten. Zwischen all den gezeigten Positionen ist der unaufhaltsame Anspruch, die eigene Geschichte zu finden, zu erzählen. Casper versucht sich vielversprechend. Mit der feinen Produktion von Max Rieger und den stimmlichen Zugewinnen von Provinz, Lena Meyer-Landrut, Tua (längst nicht mehr nur für sein Schaffen bei der Gruppe Die Orsons bekannt), Haiyti, Kummer (Kraftklub) und Teute (Beatsteaks) zeichnen die zwölf Tracks der neuen Platte Alles war schön und nichts tat weh Gegenwartsbilder.

Postmoderne Herzen

Voraussichtlich wird der klangvolle, ausschweifende Albumtitel flink von einem sperrigen Akronym ersetzt. Bis dahin schwelgt die Auffassungsgabe über die Worte, die dem Slaughterhouse-Five, or, The Children’s Crusade: A Duty-Dance with Death des US-Schriftstellers Klaus Vonnegut entlehnt sind. Das Repetitive und die Analogien Vonneguts beeinflussen nicht nur den Autor Palahniuk und seinen Fight Club nachhaltig, auch Casper reizen Fiktion, Nähe und die Bedeutungsebenen dazwischen.

Laut von Innen

Alles war schön und nichts tat weh betitelt ebenso den Startsong des Albums. Mit dem Spiel um Räumlichkeiten in der Musik erklingen die Zeilen “ich hab’ heute wieder daran gedacht, dass ich mir zu viel Gedanke mach'” tonvoll unmittelbar, wohingegen “ich explodier’…” textimmanent im Schweifen, in suggerierter Weite verhallt. Knall auf Fall folgt eine Hymne der Präsenz, des Lebenshungers: Lass es Rosen regnen – im Club – ordnet beatdominiert Tanzlustbarkeiten an. TNT – im Kopf – treibt radiotauglich über feine Höhen zu dem Gefühlsabgleich, ob die Karriereleiter bloß ein Hamsterrad sei. Vom Kriegstrauma erzählt Billie Jo, der als musikgewordenes Sinnbild im Tod und Wahnsinn scheitert. Angeleitet vom Prelude-Spannungsaufbrausen, plätschern die gebrochenen Tonfolgen zum tragischen Songbeginn. Die Rhythmen wuseln unterschwellig, beinahe jazzig, mit düsteren Melodien über die besungenen Kriegsfolgen und der Wirkmacht posttraumatischer Belastungsstörungen hinweg. Die vielgestellte Frage nach (der?) Heimat verklingt lediglich in Verbindung mit Modalverben und Möglichkeitsträumen. Der “mit Amalgam gefüllte Zahn der Zeit” hält den aufleuchtenden Gitarren des folgenden Songs Zwiebel & Mett stand.

Recht auf Kummer

Im Swimmingpool der Melancholie ist das bisschen Regen das Highlight für Zwischendurch. Das jazzige Zusammenspiel von Klavier und Bass türmt sich mit nebelverhangenen Gitarrendissonanzen auf, bis das anhaltende Tropfen zur Flut wird. Hoffnung verschwimmt und Casper singt vom Vergessen. Verloren in der Beathöhle von Wo warst Du? fragt das erzählerische Herz als Bowlingkugel von zwischenmenschlicher Kälte ohne passende Kleidung und von Elefantenhorden in Problemräumen. Die Wortjonglage kommt an. Klarer drängt Haiytis Stimme vor die reduzierten Klänge, die Caspers alarmierendes, derbes Musikdrängen ablöst, bevor sich der Song Mieses Leben / Wolken im tröstenden Nieselregeln verliert. Au contraire, es folgt eine Adrenalinhymne und repetitive Gitarren, die Gefahr fordern. Zwischen den Gedanken der modernden Moderne, blättert Euphoria als Beatsteaksfeature verträumt zwischen Seiten eines österreichischen Bilderbuchs, das mehr als den immerwährenden Sommer zeigt. Nachdem es im Rauschen und Klavier verläuft, versteckt sich hinter dem männlich gelesenen Namen des Schlusssongs die Erfahrung und Verarbeitung eines Krankheitsfalls. Es handelt von Reflexion und Kampf, die sich im erzählerischen Klavier und kontinuierlichen Stimmensäuseln widerspiegeln. Letztere zeigen den Willen, gegen die scheinbare Einsamkeit und Hilflosigkeit zu wirken, mit denen das Schicksal konfrontiert. Das musikgewordene Kribbeln von Unsicherheit und Machtlosigkeit trotzt anfangs allen Zusammenhalt, löst sich in Dankbarkeit, aber ebenso neuen Fragen statt Antworten auf. Verheißungsvoll stimmt der von Gitarren getragene Coming Home Singsang versöhnlich, feierlich. Unruhe und Wille bewegen das Album – sowohl der erste als auch der letzte Track gehen sich im Summengewirr aus. Fabian, Fin.

Wie Nick Cave, nur anders traurig

Das zugängliche Album aus Zeitgeist kitschelt kaum in den großen Diskursen der Gegenwart. Der Künstler nähert sich Traumata, Krankheit, Zaudern und Zorn in wohlgewählten Worten und Selbstreferenzen. Als Ganzes wirken die geschichtegewordenen Stimmungen auf einem Rhythmus aus Sommerregen – unaufhaltsam in seinen Melodieräumen, die feinen Gitarrenspielereien und Klavierträume, die von zumeist eingängigen Beats überstülpt werden. Das gleicht Verdrängungsmomenten zum Tanzvergnügen, die bei all der angestauten Feierwut bestimmt Anklang finden.

Casper, der seid 2011 und seinem Album XOXO nicht mehr aus der Vielfalt deutscher Popkultur wegzudenken ist, wird sein fünftes Studioalbum Alles war schön und nichts tat weh am 25.02.2022 veröffentlichen.

Tracklist:

01. Alles war schön und nichts tat weh
02. Lass es Rosen für mich regnen (feat. Provinz & Lena)
03. TNT (feat. Tua)
04. Billie Jo (Prelude)
05. Billie Jo
06. Zwiebel & Mett (Die Vergessenen Pt. 3)
07. Das bisschen Regen (Die Vergessenen Pt. 4)
08. Wo warst Du?
09. Mieses Leben / Wolken (feat. Haiyti)
10. Gib mir Gefahr (feat. Kummer)
11. Euphoria (feat. Teute)
12. Fabian

Weblinks CASPER:

Homepage: casperxo.com
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