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CHRISTIN NICHOLS – I’m Fine

CHRISTIN NICHOLS - I'm Fine

Christin Nichols - I'm Fine

Wahrscheinlich haben viele von uns Christin Nichols schon mal irgendwo gesehen. Entweder im Fernsehen oder in den gängigen Mediatheken, in einer ihrer Schauspiel-Rollen in Sendungen wie “Soko Wismar”, “Tatort” oder “All You Need”. Vielleicht aber auch auf den Bühnen des Landes mit ihrem alten Projekt Prada Meinhoff, das leider nach nur einem Album wieder beendet wurde. Nun legt die Deutsch-Britin ihr erstes Soloalbum vor. Und I’m Fine, soviel vorweg, lässt den Schmerz über den Verlust der alten Band verblassen. Bei der zwölf Songs starken LP handelt es sich um ein dunkelbuntes Potpourri, weit weg vom typischen “Ein Mädel, eine Gitarre”-Prinzip, dass Singer/Songwriterinnen wie Julien Baker oder Ilgen-Nur in den vergangenen Jahren populär(er) machten. Stattdessen haben wir es mit einer Platte zu tun, mit der Nichols auf Indie-, aber auch auf Gothic-Festivals auftreten könnte. Wer I’m Fine hört, kommt eigentlich kaum darum herum, an The Cure oder insbesondere Siouxsie and the Banshees zu denken. Wenig verwunderlich, dass die Frontfrau eben besagter Band es im Song Koma sogar in den Refrain geschafft hat.

Es brummeln die Bässe, stoisch rattern die Drums und immer wieder verzieren flächige Synthies das Soundbild, das harmonisch aus den frühen 80ern ins Hier und Jetzt transportiert wurde und nostalgisch, aber nicht angestaubt klingt. Mal sehr tanzbar (Neon), mal getragener (Sieben Euro Vier), mal stockduster (Kein Grund zu schreien) und in Malibu kommen gar leichte Slowdive-Showgaze-Vibes auf. Was aber neben den meist Batcave-ähnlichen Klängen und den durchweg ohrwurmtauglichen Refrains der zwölf Songs vor allem hängen bleibt, sind die Texte, die verschiedenste wichtige Themengebiete abdecken. Auffällig: Wo andere sich beim Schreiben deutscher oder englischer Texte teilweise höchst schwer tun, nutzt die gebürtige Bündenerin ihre Von-klein-auf-Prägung perfekt aus und wechselt mühelos zwischen den Sprachen hin und her, manchmal auch mehrfach pro Song.

Am prägnantesten funktioniert das bei der Single Today I Choose Violence. Im Spoken-Word-Stil bespricht Nichols sexistische und übergriffige Sprüche sowie Vorurteile auf Deutsch – im Refrain heißt es dann, gesungen: “I take a deep breath and I count to 10 and then … I make a fist in my pocket with my hand – today I choose violence“. Ungewohnt, solche Zeilen zu melodiösen Postpunk-Sounds zu hören, vielleicht wurde es genau dafür aber mal höchste Zeit. Wie ernst und biografisch hingegen Sieben Euro Vier gemeint ist, kann die Hörerschaft für sich selbst interpretieren. Mit Zeilen wie “Ich möchte, dass es euch schlecht geht – so schlecht wie mir” gibt der balladeske Song jedenfalls eine wunderbare Narzissten-Hymne ab. Es folgt Kritik an den gängigen Social-Media-Präsenzzwängen der Zeit (Fame), ein Self-Empowerment-Mutmach-Stück (Take A Risk) und am Ende gar eine Hassliebe(?)-Ode an die Stadt, die es definitiv doch gibt (“Es regnet jeden Tag in Bielefeld – selbst wenn die Sonne scheint, regnet es …in Bielefeld”).

Von der Kompromisslosigkeit Prada Meinhoffs ist hier zumindest musikalisch fast nichts mehr übrig geblieben. Allerdings stört das wohl nur diejenigen, die das Duo nur wegen Electropunk-Brechern wie Cocktail, Stress oder Maske mochten. Christin Nichols hat sich mit I’m Fine jedenfalls neu erfunden und einen absoluten Volltreffer gelandet. Ein ausgereiftes Album von einer Frau, die – mindestens gemäß der Single – die Faust in der Tasche, aber ganz viel Samt in der Stimme hat. Und das wir nicht nur Fans der eingangs erwähnten “Haarspray und Patchouli”-Fraktion, sondern auch den coolen Indie-Kids da draußen unbedingt empfehlen können.

Tracklist CHRISTIN NICHOLS – I’m Fine

01. I’m Fine
02. Today I Choose Violence
03. Malibu
04. Sieben Euro Vier
05. Fame
06. Neon
07. Take A Risk
08. Phoenix
09. I See You
10. Kein Grund zu schreien
11. Koma
12. Bielefeld

Weblinks CHRISTIN NICHOLS

Instagram: www.instagram.com/christin.nichols
Facebook: www.facebook.com/Christin.Nichols.Official

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