“Mit Danger Dan und ner Tasse Kaffe durch einen verregneten Sonntag”
Um eins vorweg klipp und klar zu sagen: Ich hab keine Ahnung von Danger Dan! Und ich hab noch nie ein Album oder auch nur einen kompletten Song der Antilopen Gang gehört. Überhaupt, Hip Hop ist nicht so mein Ding. Ist das überhaupt Hip Hop? Oder Punk? Keine Ahnung, ist auch egal.
Ich bin jedenfalls einer dieser weniger hippen Dudes, die nur deshalb auf Danger Dan und sein neues Album, „das unerwartete Klavieralbum“ aufmerksam wurden, weil er kürzlich bei Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royal aufgetreten ist.
Da saß neben besagtem Danger Dan auch Igor Levitt am Klavier uns sie spielten gemeinsam den Titelsong des Albums: Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.
Jetzt sitzt dieser Danger Dan bei mir im Wohnzimmer am Klavier, spielt süß melancholisches Klavierklimpern und singt einen Schwank aus seiner Jugend nach dem anderen. Vieles davon soll wohl tatsächlich autobiografisch sein. Verrät der Pressetext, den es zusammen mit der Platte gab. So zum Beispiel die Episode, wie der junge Danger versuchte, ohne Ticket in ein Lou Reed Konzert zu kommen, was ihm auch gelang, aber damit endete, dass er ganz alleine tanzen musste. Denn alle seine Freunde hatten es nicht über den Zaun geschafft, waren von der Security oder der Polizei aufgegriffen worden. Und so endet das erste Stück der Platte bei genauem Zuhören doch eher nachdenklich und der anfänglich kämpferische Ton verhallt beim Gedanken an einen jungen Mann, der betrunken und alleine zur Musik seines Idols tanzt.
Bei Jan Böhmermann (im Interview nach der Sendung, das es nur auf Youtube zu sehen gibt) sagte Danger Dan noch, dass er überrascht sei von der Reaktion, die seine Musik auslöst, wenn er sich ans Klavier setzt. Gröle die Antilopen Gang Atombombe auf Deutschland, würde es im Grunde niemanden interessieren, aber bei ihm, alleine am Klavier, würden plötzlich Menschen aufschreien, die ihm sonst gar nicht zuhören würden.
So richtig viel zum Aufschreien ist auf dem Album aber gar nicht zu finden. Die größte Provokation: sicherlich der titelgebende Song Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt, den die meisten, so wie ich, wohl schon lange vor dem Rest des Albums gehört haben. Der Song ist super. Ich mag das Klavier, die Stimme und ja, der Text hat mich dazu gebracht, mir das Stück noch einmal ganz genau anzuhören, weil ich doch wissen wollte, an welcher Stelle da jetzt Konjunktiv steht und wo nicht. Aber man muss auch sagen, das Stöckchen, das Danger Dan da den von ihm angegriffenen Personen hinhält, ist so provokant niedrig hingehalten, dass es schon sehr sehr peinlich wäre, wenn einer von denen drüber springen würde.
Die Highlights des Albums liegen, meiner Meinung nach, dann auch woanders. In zwei sehr schönen Liebesliedern, die zum Träumen einladen, zum Beispiel. Trotzdem und Eine gute Nachricht sind wunderbare Musik für verregnete Sonntage, an denen man mit ‘ner Tasse Kaffee in der Hand aus dem Fenster schaut. Ob das die Street Credibility erhöht? Keine Ahnung. Da müsst ihr einen Hip Hop-Fachmann fragen. Ich find’s gut. Und wenn es dazu führt, dass auf der einen Seite harte Hip Hop Fans aufschreien, weil es viel zu gefühlsduselig sei und auf der anderen Seite gleichzeitig Menschen wie ich mal schauen, was diese Antilopen Gang eigentlich sonst für Musik so macht, dann ist am Ende vielleicht mehr erreicht, als es eine Klage von Gauland könnte.
Vielleicht ist das Ganze also auch einfach ein Gateway-Album und wir treffen uns beim nächsten Rap-Konzert. Ich bin ja bereit, an mir zu arbeiten.
Und dann gibt es noch ein paar Songs auf dem Album, die einen herrlichen schwarzen Humor versprühen. Was hätte ich als Jugendlicher gefeiert, wenn jemand über meine Schule eine Abrechnung wie Ingloria Victoria geschrieben hätte. Und wie gerne wüsste ich, was die Schülerinnen und Schüler des Victoria Gymnasiums jetzt denken. Also auf meiner Schule wäre es damals ein Fest gewesen, zu erleben, wie sich zwischen Möchtegern-Sturm-und-Drang-Rebellen und spießigen Aber-Abi-ist-nur-einmal-im-Leben-Lernenden Gräben auftun. Ich kann einfach nicht anders, als bei dem Song zu schmunzeln. Da holt Danger Dan mich ganau an der richtigen Stelle ab. Was mich dann auch durch die beiden nächsten Songs trägt.
Ode an den Mord ist vielleicht keine große Überraschung, der Song liefert, was der Titel verspricht, aber dafür kommt am Ende des Albums mit Tesafilm noch ein Stück, das einen nochmal so richtig reinzieht in die Melancholie des verregneten Sonntags. Da packt Danger Dan dann auch das große Besteck aus. Zum Klavier gesellen sich opulente Streicher. Das kann schon was. Das hat Kraft.
Nur eine Frage habe ich am Ende doch: Lieber Danger Dan, warum dieser letzte Song? Warum so ‘ne billige Nummer? Dieses Kirchenliedmelodie hat tatsächlich besseres verdient. Und warum verdammt nochmal reißt du mich mit dem Gegröle aus meiner grade so lieb gewonnen Melancholie? Es war doch so schön, mit der Kaffeetasse am Fenster, wo Klavier und Regen gleichzeitig plätschern. Okay. Vielleicht war dieses Stöckchen auch speziell für mich hingehalten. Vielleicht ist das Punk, das raff ich nie.
Tracklist DANGER DAN – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt:
01. Lauf davon
02. Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt
03. Trotzdem
04. Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok
05. Das schreckliche Buch
06. Ingloria Victoria
07. Topf und Deckel
08. Ode an den Mord
09. Eine gute Nachricht
10. Tesafilm
11. Beginne jeden Tag mit einem Lächeln
Weblink DANGER DAN:
Facebook: www.facebook.com/dangerdan666