Es ist nicht das beste Wetter an diesem Samstag in Hannover, aber trotzdem zieht sich eine lange Schlange schwarz gekleideter Fans die Straße hinauf zur Swiss-Life-Hall. Die Karawane könnte einem schon Angst und Bange machen, würden ihre Mitglieder nicht doch, trotz der langen Haare, Tattoos und einige mit Kriegsbemalung, lachen und Späße machen. Aus ganz Europa scheinen Fans an diesem Abend angereist zu sein. Ich höre Wiener-Schmäh, skandinavische, italienische und spanische Sprache.
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Die norwegischen Black Metaller von Dimmu Borgir sind in der Stadt und laden zusammen mit den Finnen Amorphis zur finalen gemeinsamen Schlacht. Und mit dem Kraftausdruck habe ich es nicht übertrieben. Das gesamte Line-Up des Abends wird alles andere als eine Happy Hour. Zusätzlich werden beide Headliner von der Metalformation Wolves in the Throne Room (WITTR) unterstützt.
Alleine bei den beiden Headlinern war ich überrascht, dass dieser Abend nicht ausverkauft war. Das zeigte sich dann auch dadurch, dass die Halle sich nur langsam füllte. Somit mussten WITTR dann auch vor einer halb gefüllten Halle ihr Set beginnen. Da Dark Metal jetzt nicht unbedingt für mich durch melodiöse Klänge hervorsticht, ging leider zu viel laute Musik in einem unschönen Brei aus Hall unter, bei dem ich im Laufe das Sets das Gefühl hatte, dass die Tontechnik gewaltig zu schrauben hatte, damit der Klang erträglich wurde. Zur Mitte des Sets füllte sich die Halle immer mehr, und so wurde der Resonanzraum auch besser, was wiederum den Klang in der Halle deutlich erträglicher machte. Aber trotzdem hatte ich arge Befürchtungen, dass der Klang akustisch nach hinten losgehen könnte.
Aber so schnell geben wir den Abend zum Glück nicht verloren. Als nach einer kurzen Umbaupause das Saallicht erlosch und Amorphis auf die Bühne kamen, war alles anders. Ein satter Sound, tolles Licht, und ich vernahm tatsächlich Frauenstimmen, die vor Glück schrien, als Frontmann Tomi Joutsen ans Mikro stürmte und seine Mähne nur so schüttelte. Da dieses eigentlich nicht ganz mein Genre ist, hatte ich erwartet, dass bei Metalbands eigentlich auch der Sänger immer eine Gitarre um den Hals trägt. Tomi Joutsen war aber ein richtiger Frontman, der das Publikum für sich beansprucht, ohne dabei arrogante Starallüren raushängen zu lassen. Interessant finde ich bei ihm, dass er mal tief und böse das Rollin‘ beherrscht, also dieses düstere Brüllen oder Grollen, und innerhalb von zwei Takten eine wirklich phänomenale Gesangsstimme rausholt. Lustige Randerscheinung war zwischendurch, dass der gute Tomi wohl nicht immer genau wusste, wo er denn heute ist. Sein „Come on Hamburg“ und „Thank you Hamburg“ war dann recht amüsant. Sehr angetan war ich auch von dem Gitarristen Esa Holopainen. Seine Spielfreude und Lässigkeit haben mir schon imponiert. Und was soll ich sagen, Amorphis haben mich echt verdammt gut unterhalten. Ihre Mischung aus dem düsteren und dann wieder butterweichen melodiösen Metal hat schon ihre Reize. Und dass Amorphis in diesem Jahr auch schon auf eine stattliche dreißigjährige Karriere zurückblicken können, spricht für sie. Ich war fast schon enttäuscht, dass nach 14 Stücken und keiner Zugabe dieses Set ein so abruptes Ende nahm. Aber der Abend war ja noch nicht vorbei.
Setlist Amorphis @ Swiss Live hall, Hannover, 01.02.2020:
01. The Bee
02. Heart of the Giant
03. Bad Blood
04. Silver Bride
05. The Four Wise Ones
06. Thousand Lakes
07. Into Hiding
08. Against Widows
09. Sampo
10. Wrong Direction
11. The Golden Elk
12. Sign From the North Side
13. House of Sleep
14. Black Winter Day
Nach einer weiteren kurzen Umbaupause sollte dann zur größten Schlacht geblasen werden, seitdem Tolkien in Mordor einmarschiert ist. Zumindest hatte ich den Eindruck, als ich mich auf den Abend vorbereitet hatte. Und ja, es war ein Brett, was Dimmu Borgir da auf die Bühne schmetterten. Frontmann Shagrath ist ein Fabelwesen auf der Bühne. Die Kapuze tief im Gesicht und ein langer wallender Umhang lassen nicht erahnen, was für eine Persönlichkeit hinter der Fassade steckt. Er bewegt sich wie ein Dämon auf der Bühne, der sein Volk wahrlich beherrscht und dirigiert. Gepackt ist das Ganze in eine der düstersten Musikrichtungen, die ich bisher gehört habe. Angst und Schrecken werden mit einem hohen Unterhaltungsfaktor zelebriert. Die Musik von Dimmu Borgir ist für mich kein einfaches Metalgedonner. Nein, sie hat gewaltige Arrangements, die zeigen, dass neben Shagrath auch weitere verdammt gute Musiker auf der Bühne stehen, die ihr Handwerk mehr als beherrschen. Hier ist nichts improvisiert. Jede Note schlägt auf den harten Takt der Drums und es ist eine apokalyptische Atmosphäre, die Dimmu Borgir hier heraufbeschwören. Wenn man jetzt noch den Opferstein auf die Bühne rollt, würde es mich nicht mehr überraschen. Da das letzte Studioalbum Eonian bereits zwei Jahre alt ist, freut man sich in der Halle besonders, als Shagrath die Arbeiten an einem neuen Album ankündigt und verspricht, bald wiederzukommen.
Und die Fans? Es war entgegen meiner Befürchtung ein Fest für alle. Ich konnte nur feierwütige, gutgelaunte Personen erblicken. Es wurde stellenweise lauthals mitgesungen und die Mähne so sehr geschüttelt, dass jeder Chiropraktiker im Umkreis seine Freude haben wird. Es war ein toller Abend mit einer tollen Show, welche mir auch gezeigt hat, dass es auch im Metal tolle Bands gibt. Der Showfaktor ist garantiert.
Setlist Dimmu Borgir @ Swiss Live Hall, Hannover 01.02.2020:
01. The Unveiling
02. Interdimensional Summit
03. The Chosen Legacy
04. The Serpentine Offering
05. Gateways
06. Dimmu Borgir
07. Puritania
08. Ætheric
09. Council of Wolves and Snakes
10. Kings of Carnival Creation
11. Progenies of the Great Apocalypse
12. Mouning Palace
13. Rite of Passage