Auch wenn Dirk Maassen bereits einige Alben veröffentlicht hat, so ist das neue Album Ocean doch ein besonderes, ist es doch das erste Album, das der klassische Pianist über Sony Music veröffentlicht. Bereits vor der Veröffentlichung des Albums gab es einige ausgewählte Konzerte dazu, eines davon fand am 14. Dezember in München statt. Wir haben den Auftritt in der Philharmonie für ein ausführliches Gespräch mit dem Künstler genutzt und uns mit ihm über das Album, die bisherigen und die kommenden Konzerte, den Wechsel zu Sony Music und vieles mehr unterhalten.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Es ist das fünfte Konzert zu Ocean. Wie war es bisher?
Wahnsinnig gut! Wir haben in Berlin begonnen, einer für mich ganz besonderen Stadt, weil ich da aufgenommen habe und auch sehr gerne da bin. Ich habe viele musikalische Freunde dort. Wir haben in Berlin, Hamburg und Ulm gespielt und dann noch ein sehr besonderes Konzert in der Kulturkirche in Herzogenrath. Ein sehr kleines Dörfchen, das gar nicht so in die Sequenz passt. Aber da bin ich aufgewachsen, in der Kirche habe ich das Orgelspielen gelernt und zum Konzert waren auch meine Eltern da – insofern war das ein für mich sehr bewegendes Konzert. Das war eine sehr intensive Zeit.
Das Album ist noch nicht draußen, sodass das Publikum die Stücke vermutlich noch gar nicht kennt. Wie war es, unter dieser Voraussetzung zu spielen?
Das ist zum einen natürlich für die Leute auch ein Anreiz gewesen, diese Premieren erleben zu können. Für mich war es spannend, die Reaktionen der Leute zu erleben. Ich spreche ja auch viel mit den Leuten, meistens nach den Konzerten. Das war sehr interessant, wie sich das im Gesamtplot mit den anderen Stücken anfühlt, ob das für mich stimmig ist. Man kann das zwar im Proberaum alles im Kopf durchspielen, aber wie sich das dann anfühlt, ist eine andere Sache. Aber ich bin der Meinung, das war alles sehr konsistent, hat sehr gut funktioniert und ich habe auch sehr gutes Feedback bekommen.
Es gab vorher auch schon einige Veröffentlichungen. Ich habe gelesen, dass dies jetzt die erste auf Sony ist. Wie kam es dazu?
In der Tat hat Sony Music mich angesprochen. Die waren in Berlin auf einem Konzert von mir und waren da wohl sehr angetan von dem ganzen Abend. Sicherlich von der Musik, deswegen sind sie ja gekommen (lacht), aber sie haben sich auch live ein Bild gemacht. Wir hatten ein volles Haus, einen sehr sehr stimmungsvollen Abend und sehr berührte Menschen – und ich glaube, auch sehr berührte Manager von Sony Music, die mich zu weiteren Gesprächen eingeladen haben. Wir haben einige Gespräche geführt und ich war auch lange nicht sicher, ob ich diesen Schritt überhaupt machen will, da ich bis dahin mehr oder weniger Self-made-Musiker war. Ich habe natürlich auch mehrere kleine Deals gehabt, ich habe ja unter anderem auch ein Album mit 1631 Recordings über Decca veröffentlicht, habe auch mit einem Warner-Ableger was gemacht und war zum Schluss bei Cargo Records, die für mich den Vertrieb gemacht haben. Aber dieser große Schritt zu einem Major Label war für mich erst einmal nicht selbstverständlich. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht. Mir war es wichtig, und das habe ich letztlich auch so verhandelt, dass ich ich bleiben darf. Ich bin jetzt fast 50 und mache das nicht, weil ich noch berühmt werden will. Ich habe das eigentlich für mich gemacht. Die ganze Story ist ja etwas eher Zufälliges, dass ich jetzt so in die Öffentlichkeit gegangen bin. Ich will ich bleiben können und ich will mich da nicht mehr promoten lassen. Ich finde das aber natürlich schön, wenn ich einen Partner habe, der mir hilft, gewisse Träume und Ziele umzusetzen. Ich würde gerne auch internationale Konzerte geben – mehr internationale Konzerte. Ein paar internationale Konzerte habe ich ja schon gegeben und gebe ich auch jetzt wieder. Das würde ich gerne ausbauen.
Du machst das ja nicht hauptberuflich. Du hast bisher auch immer gesagt, du willst das so beibehalten. Bleibt das auch mit Sony im Hintergrund so?
Durch Sony ist sogar einiges leichter geworden, weil mir vieles, was ich früher selbst gemacht habe, jetzt ein wenig abgenommen wird. Grafik, Layout, Gestaltung, Filmchen – das macht jetzt alles Sony für mich. Das ist aber natürlich künstlerisch mit mir abgesprochen. Da entfällt jetzt einiges, das ich früher selbst gemacht habe. Eigentlich ist es für mich jetzt weniger Arbeit als vorher. Was jetzt wird, wie sich das mittelfristig entwickelt, das muss man schauen. Wenn das gewisse Dimensionen annimmt, die noch größer werden, dass ich noch mehr Konzerte gebe, dann muss man schauen. Das weiß man nie im Leben. Aber erstmal habe ich keine Pläne, etwas zu ändern.
Erst einmal kommt jetzt das neue Album. Wie würdest du Unterschiede und Neuerungen gegenüber dem Vorgänger beschreiben?
Ocean ist nicht unbedingt in der Sequenz entstanden, dass alle Lieder davon nach Avalanche entstanden sind. Ocean ist eigentlich mehr oder weniger eine Sammlung, die ich am Meer und im Urlaub komponiert habe. Deswegen muss man da unterscheiden zwischen Stücken, die vielleicht schon etwas älter sind und den neueren Stücken. Die große neue Erfahrung für mich ist bei Ocean, dass ich das erste Mal ein Album mit einem Produzenten gemacht habe, mit Francesco Donadello. Vorher habe ich die Alben immer selbst im Studio abgenommen. Das war für mich eine tolle neue Erfahrung, das mit jemandem zu machen, der der Klaviermusik wirklich sehr zugetan ist und schon mit großen Leuten wie Ludovico Einaudi gearbeitet hat. Der hatte ein unvoreingenommenes Hörerlebnis und konnte mit mir in den Dialog über die Musik gehen. Er hat hier und da Hinweise gegeben, wie es auf ihn wirkt, sodass ich noch einmal selbst über die Musik reflektieren konnte. Ich denke, vom Ergebnis ist Ocean sicherlich ausgereifter. Es ist sicherlich ein Ergebnis dessen, dass ich hier mit einem Produzenten gearbeitet habe, der aber mehr als Coach, als Spiegel fungiert hat und mir geholfen hat, die Aufnahmen noch einmal besser zu reflektieren. Ich denke, hier ist es ganz gut gelungen, bei den Aufnahmen die Idee, die ich bei der Komposition hatte, festzuhalten. Die Aufnahme ist ja im Grunde nur die Konserve der kompositorischen Idee. Auch klanglich ist das noch einmal auf einem anderen Niveau, als ich das vorher gemacht habe.
Hattest du da noch einmal Überarbeitungen vorgenommen? Du meintest gerade ja, dass die Stücke aus verschiedenen Zeiten „gesammelt“ sind.
Es ist natürlich so: Je älter ein Stück ist, desto mehr Veränderungen widerfahren ihm. Eine Komposition ist irgendwann abgeschlossen, aber wenn man die Stücke immer wieder spielt und immer wieder aufgreift, nimmt man schon mal Veränderungen vor. Das ist auch jetzt noch so. Stücke, die ich live spiele, sind teilweise nicht mehr die Original-Fassungen. Man findet da immer noch eine kleine Variation, die man einbauen kann. Die Stücke reifen noch ein bisschen nach.
Hast du die Stücke vorher teilweise schon live gespielt oder sind das jetzt die ersten Male?
Das ist jetzt das erste Mal. Acht aus den elf Stücken spiele ich – und zwar die, die nicht für Orchester arrangiert sind.
Wie zählst du denn die Stücke? Ich frage wegen Eternal, da das zweigeteilt ist.
Das sind zwei Stücke.
Wie kam es zu der Zweiteilung?
Im Grunde ergeben Eternal I und II einen schönen Fluss, aber sie können für sich alleine stehen. Deswegen habe ich die Stücke aufgeteilt. Das ist so ähnlich wie jeweils ein Satz. Das eine ist eher sehr ruhig, sehr introspektiv, fast ein bisschen glockenhaft von den offenen Akkorden her, was man aus Glockenspielen kennt. Eternal II ist dann ein bisschen bewegter. Deswegen fand ich, dass es zwei eigene Stücke sind und wollte nicht das eine nur als Intro zum anderen missbrauchen.
Ein Stück, das ich ebenfalls interessant fand, schon durch den Titel, war To Fly. Was bedeutet dir das Fliegen?
Ich fliege ehrlich gesagt gar nicht so gerne, aber es ist hier eher übertragen gemeint. Die Idee von dem Titel kam mir im Wesentlichen durch die Arpeggien am Ende des Stücks, weil ich da irgendwie selbst das Gefühl hatte, dass ich wegschwebe. Ich hatte noch gar keinen Namen für das Stück und am Anfang waren da nur diese zwei Akkorde. Das Stück hat im Wesentlichen ja nur zwei Akkorde, was ungewöhnlich für meine Stücke ist und zum Schluss kamen eben diese Arpeggien, die sich immer weiter nach oben entwickelt haben. Ich hatte das Gefühl, damit wegzufliegen.
Ein anderer Titel war The Pursuit of Happiness. Hier ist Steingrímur Þórhallsson mit dabei. Wie kam die Zusammenarbeit zustande? Und wie hat sie sich entwickelt? Hast du es alleine geschrieben, habt ihr es zusammen geschrieben?
Die Zusammenarbeit geht auf meine Zeit 2010 zurück, als ich sehr aktiv auf SoundCloud war. Die Initialzündung war ja mein Upload auf SoundCloud, der über Nacht auf Platz 1 der Klassikcharts hoch gevotet wurde und für mich diesen ganzen Prozess in Gang gesetzt hat. Ich hab damit wirklich nicht gerechnet, das kann man auch gar nicht. Das war mein erster Upload, der direkt viral ging. Im Folgenden habe ich dann auch Kooperationen mit anderen Musikern gesucht und auch Steingrímur Þórhallsson kennengelernt, mit dem ich schon einige Stücke zusammen gemacht habe. Ich verstehe mich nicht so gut auf Orchester-Arrangements, aber ich finde, dass das ein wichtiger Teil des Ausdrucks ist. Man kann mit dem Klavier viele Gefühle und Emotionen transportieren, aber das Bild von Weite ist schwer herzustellen. Da braucht man Streicher, flächige Instrumente. Das finde ich mit dem Klavier sehr schwierig. Deswegen habe ich schon immer, wenn ich in diese Richtung was machen wollte, Kooperationen gemacht. Da habe ich mich an ihn erinnert und hab ihn gefragt, ob wir nicht wieder etwas zusammen machen wollen. The Pursuit of Happiness heißt ja „Das Streben nach Glück“, das ist jetzt mehr eine große Lebensfrage. Was macht glücklich? Was ist Glück? Das ist natürlich etwas, wenn man mit sich alleine ist, am Meer – da kann man sehr schön über das Leben philosophieren. Da kann man sich gut fragen, was wichtig ist im Leben. Da denkt man nicht nur an diese Szene, dass man da gerade am Meer steht und sinniert, sondern auch an alles, was man mal für wichtig gehalten hat, was andere für wichtig halten und kommt dann auch auf die ganz großen Fragen der Gesellschaft. Was glauben wir in unserer Gesellschaft, was glücklich macht? All diese Gedanken habe ich in dem Stück verarbeitet. Zunächst war die Piano-Version da, die habe ich ihm dann geschickt. Wir haben uns nicht persönlich gesprochen, sondern viel per Skype zusammen ausgearbeitet. Das Orchester-Arrangement stammt von ihm.
Dann habe ich noch Dirk Mallwitz als Gast gesehen. Wie kam es hier zu der Zusammenarbeit?
Dirk Mallwitz ist mein Ton-Ingenieur, mit dem ich schon sehr viel zusammengearbeitet und klangtechnischer Natur experimentiert habe. Ich wollte mit ihm wieder etwas zusammen machen. Er schreibt eben auch Filmmusik und versteht sich auch gut auf das Arrangement von Orchester-Stücken. Und da wir hier nicht die Möglichkeit hatten, zusammenzuarbeiten, da Francesco Donadello das Album gemacht hat, habe ich ihn gefragt, ob wir was anderes machen. Keine Kollaboration auf der technischen Ebene, sondern ob er auf der kreativen Ebene etwas machen möchte. So ist Ocean, das Titelstück, mit ihm entstanden. Das war mir auch wichtig, dass ich ihm einen Part zukommen lasse. Ich finde, es ist sehr gut geworden.
Das Album ist jetzt noch nicht draußen, es kommt dann im Januar raus. Wie ist denn deine Erwartungshaltung damit? Hast du Wünsche und Ziele, was oder wen du mit dem Album erreichen willst?
Ich habe ehrlich gesagt keine gesteigerten Erwartungshaltungen. Ich möchte natürlich die Menschen erreichen, ich möchte den Menschen damit Momente der Ruhe bringen. Ich denke, in der heutigen Zeit der Digitalisierung, in der wir immer schnellere und kurzlebigere Informationen und immer mehr Reizen ausgesetzt sind, brauchen wir das auch. Ich habe jetzt ehrlich keine gesteigerten Erwartungen, dass das durch die Decke geht, weil es auf Sony raus kommt. Natürlich wäre das schön, aber das ist nicht das Ziel. Es wäre schön, wenn das Album international großen Anklang findet, weil ich gerne international mehr machen würde. Ich habe ja auf der ganzen Welt Hörer und werde auch aus der ganzen Welt von Hörern angeschrieben, die gerne Konzerte sehen würden. Das geht von Russland über den Iran bis hin zu Kanada, USA, natürlich auch Europa, viel aus Spanien… Da würde ich gerne mehr machen und da würde es mir natürlich sehr helfen, wenn das Album international gut ankommt. Dann hätte ich da einen leichteren Zugang.
Es folgt ein weiterer Schwung Konzerte, wenn das Album dann draußen ist. Was würdest du dem unbedarften Leser sagen: Warum sollte man deine Konzerte besuchen? Was macht sie besonders?
Dass man mal zwei Stunden zu sich kommt. Dass man zwei Stunden in sich selbst eintauchen kann, weil man die ganze Hektik hinter sich lassen kann und einen Moment der Ruhe findet. Weil man etwas über mich als Künstler erfährt, da ich viel erzähle auf den Konzerten. Und weil ganz viele Besucher, die schon da waren, mir sehr sehr nettes und berührendes Feedback gegeben haben, woraus ich einfach schließe, dass sich das für die bisherigen Besucher sehr gelohnt hat.
Wie würdest du denn dein Publikum selbst sehen? Gibt es einen bestimmten Dirk Maassen-Zuschauer?
Interessanterweise gibt es den eben nicht. Es ist wirklich ein guter Querschnitt durch die Bevölkerung. Es kommen Kinder, es kommen alte Leute, es kommen viele junge Leute. Das liegt sicherlich daran, dass ich die Popularität im Wesentlichen über Online-Dienste gewonnen habe. Das fällt zumindest den Konzertveranstaltern und den Häusern, in denen wir gastieren, immer auf, dass wir ein sehr junges Publikum haben. Aber es ist ein wirklicher Querschnitt. Ich habe neulich in Berlin einen Seemann aus Italien im Publikum gehabt, das war auch interessant. Mit dem habe ich mich lange unterhalten, wie er auf meine Musik gekommen ist, was er dabei empfindet usw. Es sind aber auch Anästhesie-Ärzte, Restaurantbesitzer, Leute die bei der Stadt arbeiten… Es ist eigentlich alles dabei. Es gibt nicht den typischen Dirk Maassen-Hörer. Es ist Musik für Menschen, die hilft, die Sicht nach innen zu bekommen und dann ist es vielleicht auch ein Soundtrack für das eigene Leben.
Das war es soweit mit meinen Fragen. Zum Schluss würde ich gerne wissen: Wir haben über das Album und die Konzerte gesprochen. Gibt es schon Pläne, für das, was danach kommt bei dir?
Geplant ist, dass ich 2020 nach Island reise und dort schon die ersten Aufnahmen für das nächste Album mache, das ich in groben Zügen gerade bereits entwickele. Da sind schon einige neue Stücke fertig, die ich aber vielleicht auch in Island erst komplett fertig machen möchte. Ich habe nächstes Jahr auf jeden Fall vor, nach Abschluss der Ocean-Tour stärker international was zu machen. Ich bin gerade mit einem russischen Tourveranstalter im Gespräch. Es könnte sein, dass wir eine kleine Russland-Tour machen. In Deutschland will ich ein paar ausgewählte kleine Konzerte spielen. Das ist die Idee, dass ich sage: Fokus nach der Ocean-Tour erst einmal international und in Deutschland das Kontrastprogramm – kleine, schöne, ausgefallene Orte, mit vielleicht so 50 bis 60 Zuschauern. Da müssen wir mal gucken, wie wir das mit den Tickets machen, ob wir die vielleicht verlosen. Da ist gar nicht so das Kommerzielle im Vordergrund, ich möchte da wieder mehr Dialog mit meinen Zuhörern. Im kleineren Rahmen, sodass ich mich mit jedem Einzelnen unterhalten kann.
Weblinks DIRK MAASSEN:
Homepage: www.dirkmaassen.com
Facebook: www.facebook.com/Dirk.Maassen.Music
Bilder: Markus Werner (1, 2, 3), Niko Hudak (4)