Die Fankultur in Deutschland nimmt gerade in Zeiten von Social Media ganz neue Züge an. Viele Fanclubs von Künstlern und Bands gründen sich heute aus Facebook-Gruppen und mutieren irgendwann zu einem richtigen Fanclub, mit Treffen, Konzertreisen und anderen liebevoll organisierten Veranstaltungen. Einige wenige Fanclubs oder Supporters haben dann auch irgendwann einmal das Glück, dass die Künstler oder die Bands Wind davon bekommen, ein paar Aufkleber springen lassen oder du vielleicht einmal ein Video schicken kannst. Ganz wenige Fanclubs sind aber über viele Jahre so engagiert dabei, dass Aufkleber nicht mehr reichen und eine gute Freundschaft zwischen Fanclub und Künstler entsteht.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
So eine gute Freundschaft ist entstanden zwischen dem Fanclub Shadowplay, inzwischen ein eingetragener Verein, und den Bands/Projekten Dreadful Shadows, Zeraphine und Solar Fake. Alle drei Projekte haben gemeinsam, dass Sven Friedrich das visuelle Aushängeschild ist bzw. war und sie seine musikalische Handschrift tragen.
Im September 2019 lud der Shadowplay e. V. zu seinem mittlerweile elften Event, und das Line-Up an diesem Abend im Berliner „Bi Nuu“ war für mich schon eine interessante Mischung. Aus Wien sind die Herren von Sharon Next angereist, dazu gesellten sich Sebastian Lohse (ehemals Letzte Instanz) sowie Zeraphine und Solar Fake. Sven Friedrich hatte sich für den Abend viel vorgenommen, schließlich musste er ja ein Doppelkonzert auf die Bretter legen. Ich war insbesondere hinsichtlich der musikalischen Spannbreite des Abends sehr gespannt, wie das Konzept funktionieren wird.
Fannähe wird großgeschrieben
Als sich gegen 16.30 Uhr die Türen zum „Bi Nuu“ öffneten, konnten sich die Organisatoren theoretisch schon zurücklehnen, schließlich war das Event mit rund 500 Tickets ausverkauft. Alle Bands waren gut drauf und frohen Mutes, einen tollen Abend miteinander zu verbringen. Solar Fake und Zeraphine erwarteten ihre Gäste bereits in der Bar des „Bi Nuu“ zu einer Matinee, bei der es Autogramme, Fotos und das eine oder andere kleine Präsent für die Band gab. Hier wird Fannähe großgeschrieben.
Bereits gegen 18.15 Uhr war es dann aber auch schon so weit, dass der Abend musikalisch eröffnet werden sollte. Sharon Next aus Österreich waren im internen Kreis des Shadowplay e. V. keine Unbekannten. Man kannte sich bereits seit längerem, und so war es natürlich keine Frage, dass sie zusagen würden, in Berlin dabei zu sein. Der Band bot sich ein warmer Empfang, und sie konnten das Publikum sehr schnell auf ihre Seite holen. Frontmann Helmut suchte konstant den Augenkontakt zum Publikum und schenkte immer wieder ein Lächeln an die überwiegend weibliche Gesellschaft vor der Bühne. Angesichts des Line-Ups war es sehr positiv, dass Sharon Next nicht nur aus Keyboarder Michael Ruin und Frontmann Helmut Prixs bestehen, sondern dass sich die beiden mit Schlagzeuger Maximilian Schachner und dem Bassisten Clemens Haipl verstärkt haben. So boten Sharon Next schon fast ein klassisches Band-Line-Up, welches wirklich Spaß auf die Bühne gebracht hat. Das war keine einfache Electropop-Show – Sharon Next boten einen Streifzug durch ihr mittlerweile auch schon zwanzigjähriges Schaffen. Um mich herum nahm ich so einige Frauen im Publikum wahr, die nicht nur ein bisschen tanzen wollten, sondern auch sehr textsicher waren und Lied für Lied mitsingen konnten. Bei einem Track lud Helmut ein Mitglied von Shadowplay e. V. auf die Bühne ein, um als Backgroundsängerin auszuhelfen, was das Mädel wirklich gut absolvierte. Partystimmung war garantiert, besonders als endlich der Fast-schon-Hit „Der Hase“ gespielt wurde, von vielen schon früher eingefordert. Als Opening-Act wirklich keine schlechte Wahl.
Setlist SHARON NEXT:
- In my sphere
- Feuerzeichen
- Fairytale Romance
- Sweet and tender lovely
- Realität
- Your embrace
- Trying to stop
- First man
- Holyhead
- Der Hase (Z)
Eine verdammt kurze Umbaupause war nötig, um die Bühne für Sebastian Lohse bereit zu machen. Ich war zunächst etwas irritiert. Ich kannte Sebastian natürlich durch sein Schaffen bei Letzte Instanz, wusste aber sonst nicht viel über ihn. Und so kam der Mann auf die Bühne, nichts weiter als eine Gitarre um den Hals, um gleich mit dem Camouflage-Cover Love is a shield zu starten. Das war im Vergleich zu Sharon Next ein gewaltiger Stilbruch, der sich hier vollzog. Die Stücke von Sebastian waren gespickt von Sarkasmus, Ironie und schwarzem Humor. Ich fand das Set recht unterhaltsam, aber auch irgendwie befremdlich. Egal, das Publikum konnte den Stilwandel nachvollziehen, und es wurde zum Teil auch mitgesungen. Besonders der Letzte Instanz-Track Rapunzel wurde gefeiert. Klar, wer so einen Track im Repertoire hat, kann sich auf eine sichere Bank setzen. Der Auftritt war kurz, aber sehr unterhaltsam, und man hat gemerkt, dass Sebastian Lohse genügend Erfahrung hat, sich alleine mit der Gitarre auf die Bühne zu stellen, um ein eher fremdes Publikum für sich zu begeistern.
Setlist SEBASTIAN LOHSE:
- Love is a shield
- Jeden Morgen
- Schaukellied
- Zwei Wege
- Oh Fortuna
- Ich und Du
- Exodus
- Rapunzel
- So ein Wind
- Liebeslied
- Und wieder…
Nach einer weiteren Pause sollte es dann an die Highlights des Abends gehen. Zeraphine, deren letztes Studioalbum mittlerweile auch schon neun Jahre her ist, haben extra für dieses Event ein Album mit Covertracks aufgenommen, welches exklusiv über Shadowplay zu beziehen ist. Tributes ist eine Mischung aus fast schon szenetypischen Stücken, aber auch einigen Überraschungen. Wer hätte gedacht, dass P!nks Try oder gar Tokio Hotels Durch den Monsun hier die Ehre bekommen, interpretiert zu werden. Und so war es eigentlich mehr als verständlich, dass Zeraphine ihr Set mit selbigem beginnen. Ich hatte zwar das Glück, die CD ein paar Tage vor dem Event hören zu können, war aber doch etwas irritiert, Sven Friedrich jetzt eingerahmt zwischen Norman, Manuel, Michael und Marcellus statt mit André und Jeans auf der Bühne zu sehen. Naja, es war ja auch meine Zeraphine-Premiere. Aber Sven machte es gut. Verdammt gut sogar. Er war authentisch, ehrlich und natürlich auf der Bühne. Versemmelte er einen Einsatz, dann lachte er darüber, hatte seinen Spaß mit den anderen, und auch seine kurzen Moderationen sind die eines Berliner Burschen, der trotz seines Schaffens immer noch bodenständig geblieben zu sein scheint.
Was bei Zeraphine wirklich begeisternd war, ist das Zusammenspiel der Mitglieder untereinander. Sven Friedrich ist nicht der einzige Mittelpunkt auf der Bühne, sondern die einzelnen Mitglieder lassen sich den musikalischen Freiraum, den ich so nicht erwartet hätte. Gerade Norman und Manuel an den Gitarren waren ein Augen- und Ohrenschmaus, die das Set musikalisch bereichert haben.
Setlist: ZERAPHINE:
- Durch den Monsun (Tokio Hotel Cover)
- I feel Your trace
- In der Tiefe
- Fang mich
- Still
- River of you
- Special Needs (Placebo Cover)
- Nur ein Tag
- Kopfkino
- Deine Welt
- Jede Wahrheit
- United and lost
- Shadow of the day (Linkin Park Cover)
- Inside your arms
- Out of sight
- Lovesong (The Cure Cover)
- Be my rain
- Die Wirklichkeit
- Whiteout
Nach einem gut 80minütigen Zeraphine-Set hätte ich erwartet, dass sich Sven Friedrich jetzt erst einmal erholen muss. Aber der Mann war an diesem Abend wirklich gut drauf. Smalltalk mit einigen Gästen abseits der Bühne, Späße und nebenbei auch kurz konzentriert. Aber keine Spur von Pause.
Fast schon traditionell ist es ja André, der das Set von Solar Fake eröffnet. Der Mann sprüht nur so vor positiver Energie wenn er an den Bühnenrand tritt, seine Hände an die Ohren legt und dem Publikum signalisiert, dass er sie nicht hören könne, bevor er dann an ein Keyboard tritt. Selbiges hatte dann auch einen harten Abend vor sich. André drosch auf die Tasten ein, hüpfte und headbangte, so dass es mich nicht wundert, dass er nach einigen Gigs tatsächlich schon Tastenabdrücke an der Stirn hat. Dann kam auch Sven Friedrich zurück auf die Bühne, um sein zweites Set zu eröffnen. Und siehe da, das war eine andere Person als noch dreißig Minuten früher.
Love is in the air
Friedrich sprang, sprintete über die Bühne und tanzte zu den harten Elektroklängen, verlor dabei dennoch nicht seine Natürlichkeit. Da Solar Fake sich vor einiger Zeit von einem Duo (Friedrich/Feller) zu einem Trio mit Jeans als Drummer gewandelt hatten, sollte man eben jenen auch nicht außer Acht lassen. Solar Fake präsentierten ein Stück, das in der neuen Formation dann auch seine Livepremiere hatte, wobei das “Bi Nuu“ meiner Meinung nach leider nur semigeeignet ist, eine Elektroformation mit einem Schlagzeug zu unterstützen. Zumindest in der Ecke des Saals, in der ich stand, war es klanglich nicht immer ein Ohrenschmaus, wenn das Becken geschlagen wurde. Aber so ist es nun mal. Akustische Instrumente sind nicht immer zu zähmen. Weitere Premieren gab es dann aber auch in Form des She Wants Revenge-Covers These things. Sven Friedrich schafft es immer wieder, kleine Perlen zu interpretieren, mit denen man nicht rechnet. Und These things ist so ein Stück. Sehr nah am Original, eine verdammt gute Performance. Da der Track, wie Sven Friedrich sagte, bereits auf das letzte Solar Fake-Album sollte, die Freigabe aber noch fehlte, hoffe ich, dass es beim kommenden Album, welches jetzt bald in Angriff genommen werden soll, dabei sein wird.
Das Set von Solar Fake war qualitativ sehr hochkarätig und wurde vom Publikum dementsprechend auch gefeiert. Wäre auch seltsam, wenn es auf so einem Event nicht so wäre. Aber man muss sagen, der Abend war rundum gelungen. Viele glückliche Gesichter, Schweißtropfen auf der Stirn, und die Veranstalter blickten mehr als zufrieden auf diesen außergewöhnlichen Abend. Für mich ein ganz neuer Blick in die Fankultur. Man hat gespürt, dass hier sehr viel Liebe und Anerkennung nicht nur seitens der Fans auf die Bühne gegangen ist. Nein, auch gerade die beiden Hauptacts des Abends sahen es nicht mit Selbstverständlichkeit, was ihnen hier zuteil wurde.
Setlist SOLAR FAKE:
- Sick of you
- Under control
- No Apologies
- All the things you say
- I don’t want you in here
- These Things (She Wants revenge Cover)
- All small things
- The pain that kills…
- Invisible
- Not what i wanted
- More than this
- Parasites
- Where is my mind (Pixies Cover)
- Observer
- Under the skies
- If i were you
- What if there’s nothing