NEW WAVES DAY 2019 (III) – Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

Fotos: NEW WAVES DAY 2019
And Also The Trees, © Michael Gamon
Geschätzte Lesezeit: 8 Minute(n)

Im Jahre 2019 wurde nun schon zum dritten Male der New Waves Day veranstaltet. Nach zwei sehr gelungenen Veranstaltungen legten die Macher die Messlatte in diesem Jahr mit dem Dauergast Chameleons Vox, den Musikern von And Also The Trees und als Headliner Peter Hook And The Light verdammt hoch. Das Programm hatte es wirklich in sich; das Wetter spielte erneut bestens mit, um auch am Rande der vielen Highlights innerorts, draußen alte Bekannte zu treffen – oder auch neue kennenzulernen. Auch ohne offizielle Besucherzahlen vorliegen zu haben, war der angereiste Tross in diesem Jahr sichtbar mehr geworden. Vorneweg kann man beruhigt sagen: der New Waves Day hat sich als ein besonderes Festival für Freunde schwarzer Klänge mit Wurzeln in den Achtziger Jahren etabliert! Wie er in diesem Jahr ablief, folgt nun im Einzelnen…

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Die schwere Bürde der ersten Band lag in diesem Jahr bei The Arch. Allerdings nahm das Quartett aus Belgien erst gar keine Gefangenen und legte direkt mit dem in deutschen Szene-Clubs bekanntesten Track Babsi ist tot einen Turbostart hin. Die Version des Tracks war allerdings eine eher dunkle Variante. Erfreulicherweise waren schon viele Fans innerhalb der Turbinenhalle anzutreffen; oftmals sind viele Fans ja dann noch in der Findungs-Phase oder man begrüßt alte Bekannte. Als startende Formation nutzten die Belgier ihre Zeit sehr gut aus und brachten auch jüngere Songs wie Fates oder Blood Crystals dem Publikum überzeugend näher. Leider war schon hier der etwas breiige Sound innerhalb der gesamten Halle auffallend – eine Problematik, die sich mal stärker, mal weniger störend durch den Abend zog. Mit dem ebenfalls bekannten Ribdancer verabschiedeten sich The Arch nach einer halben Stunde von der stets bläulich beleuchteten Bühne. Ein guter Auftakt in den New Waves Day 2019.

Setlist THE ARCH @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Babsi ist tot
02. Body And Angels
03. Fates
04. Joan’s In Prison
05. Blood Crystals
06. Eyes Wide Open
07. Ribdancer

Trotz bis dato vier veröffentlichter Studioalben waren Then Comes Silence der jüngste Akt bei dem diesjährigen NWD. Doch das Quartett aus Schweden spielte seine Setlist wie alte Hasen herunter. Mittlerweile sind Lieder wie Warm Like Blood oder das schon punkig zu nennende The Rest Will Follow nicht nur Insidern bekannt und wurde von den Scharen vor der Bühne schon fleißig mitgesungen. Neben dem charismatischen Sänger und Bassisten Alex, war auf der nebelverhüllten Bühne das strahlend weiß leuchtende Schlagzeug-Kit von Jonas ein echter Augenfang. Ob nun stets erhellt oder bei Kontakt aufblinkend; eine neue Innovation darf man das schon nennen – besonders auf schlecht beleuchteten Konzertbühnen. Aus eigener Erfahrung darf ich empfehlen, Then Comes Silence mal bei einer Tour zu beehren, die knapp dreißig Minuten zeigten die Stärke der Band nur komprimiert auf. Ein flott treibendes She Loves The Night beendete diesen sehr gelungenen Auftritt, der lediglich an der Zeit und teilweise am Sound in der Halle litt.

Setlist THEN COMES SILENCE @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Dead Cry For No One
02. Good Friday
03. Spinning Faster
04. Warm Like Blood
05. Animals
06. The Rest Will Follow
07. Strangers
08. Strange Kicks
09. She Loves The Night

Als nächstes wurde dem Publikum ein ganz besonderes Schmankerl serviert. In2TheSound haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Werk von Adrian Borland – und somit insbesondere sein Schaffen mit der Band The Sound – mit aller Leidenschaft und Zuneigung weiterhin dem Publikum von der Bühne herunter vorzutragen. Da Drummer Mike Dudley Mitglied von The Sound war und auch Fronter Carlo van Putten noch zu Lebzeiten mit Adrian zusammengearbeitet und sich ebenfalls bei den Formationen The Convent sowie Dead Guitars als außergewöhnlicher Sänger bewiesen hatte, ist dies sicher mehr als legitim. Die Musiker um ihn herum beherrschen ebenso ihr Handwerk perfekt, wovon sich vom Opener Silent Air an jeder Zuschauer überzeugen konnte. Zumindest nahe der Bühne war bei dem Auftritt des Quartetts der Klang ganz passabel und Lieder wie das berührende Possession oder das mitreißende The Fire wirkten dementsprechend gut. Das Feeling der Songs von Borland und The Sound konnte tatsächlich eingefangen werden und der Gig begeisterte innerhalb der vierzig Minuten die Anwesenden, sowie die Musiker selbst, sehr. Als mit dem Track Monument das Ende des Auftritts eingeläutet wurde, war nicht wenigen klar: In2TheSound müssen unbedingt auf Tour gehen!

Setlist In2TheSound @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Silent Air
02. Fatal Flaw
03. Skeletons
04. Possession
05. The Fire
06. New Dark Age
07. Winning
08. Sense Of Purpose
09. Heartland
10. Monument

Leider wurde aus meiner Sicht gerade bei Pink Turns Blue der Tiefpunkt an Soundqualität in der Turbinenhalle erreicht. Deren tolle Setlist, welche eine gelungene Mischung aus alten Klassikern wie I Coldly Stare Out oder Missing You bis zu neuen Songs wie Tomorrow Never Comes oder dem Opener Something Deep Inside aufwies, litt sehr unter dieser Vermischung von Gesang und Sound. Das nahm den Songs schlicht deren Tiefe und melancholische Lebendigkeit. Das Trio spulte jedoch routiniert die acht Songs ab und vereinzelt konnte wohl doch in bezaubernden Erinnerungen während des vierzig minütigen Auftritts geschwelgt werden. Gerade auf der letzten Tour um das jüngste Album The Aerdt – Untold Stories zeigte Sänger und Gitarrist Mic Jogwer eine große Stärke am Mikrofon – schade, dass es durch den Sound auf dem New Waves Day nicht zur Geltung kommen konnte. Ein Trost nach dem abschließenden Klassiker Your Master Is Calling bleibt, dass Pink Turns Blue gewiss noch öfters auf Tour kommen, so gut aufgelegt sie in den letzten Jahren waren – und weiter sein werden…

Setlist PINK TURNS BLUE @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Something Deep Inside
02. Walking On Both Sides
03. I Coldly Stare Out
04. After All
05. Missing You
06. Tomorrow Never Comes
07. Can’t Be Love
08. Your Master Is Calling

Die Sorge, nun durch einen Soundbrei den Auftritt von den englischen And Also The Trees komplett zerstört zu werden, trat zum Glück nicht ein. Ich bin kein Technik-Experte, allerdings war der Gesang von Simon Huw Jones wieder deutlich von dem Gitarrensound getrennt und die Rhythmusinstrumente wirken nicht mehr einfach dumpf oder dröhnend. Sofort beim Klassiker Slow Pulse Boy, welches mit dem faszinierenden Gitarrenspiel von Bruder Justin Jones das Set einleitete und sich durch den Sprachgesang von Simon immer mehr steigerte, war das Publikum gepackt. Und das war wahrlich nicht wenig, hat das Quintett doch in den angrenzenden Nachbarländern eine sehr große Fan-Basis, die sich auch hier zeigte. Ihre langjährige Bandgeschichte erlaubte es, ihre neun dargebotenen Songs von sieben verschiedenen Alben heraus zu picken. Ob nun jüngere Tracks wie Your Guess vom aktuellen Album Born Into The Waves oder ein Klassiker wie Prince Rupert – And Also The Trees ließen die Fans musikalisch dahinträumen. Diese wissen auch, dass jedes Lied live eine Offenbarung ist, schließlich sind die Musiker um die Brüder Jones echte Profis. So verflog die dreiviertel Stunde der Engländer wie nichts und nicht nur ich war beim Abschluss mit River Droite sehr überrascht, wie schnell die Zeit verflogen war. And Also The Trees haben noch lange nicht ihre Magie verloren – ganz im Gegenteil!

Setlist AND ALSO THE TREES @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Slow Pulse Boy
02. Wallpaper Dying
03. Dialogue
04. Your Guess
05. Virus Meadow
06. The Suffering Of The Stream
07. Missing
08. Prince Rupert
09. River Droite

Drei New Waves Days – dreimal Chameleons Vox am Start. Die Briten sind der Dauerbrenner des Festivals geworden – und das verdammt zurecht! Wieder einmal zeigten die Mannen um Mastermind Mark Burgess, dass sie es einfach draufhaben, die wunderschönen Wave-Rock-Songs der Band aus den Achtzigern, weiterhin dem Publikum näher zu bringen. Singing Rule Britannia als Auftakt zeigte diese Marschrichtung direkt an und sie ließen Tracks wie Monkeyland oder Looking Inwardly folgen. Interessanterweise hält Chameleons Vox an den drei Studioalben der ursprünglichen Bandmitglieder fest; variiert lediglich durch die Hereinnahme des einen oder anderen abweichenden Songs. Seriocity hatte ich jedoch, trotz etlicher Konzerte der Band, wohl noch nicht zu hören bekommen. Die Spielfreude samt des nun recht guten Sounds ließen den Funken schnell zu den Fans überspringen und so wurde der Auftritt von Chameleons Vox auch bei der dritten Auflage ein erinnerungswürdiger. Die Frage nach einer vierten Verpflichtung der Band sollte sich nach solch einer tollen Performance wie bei Swamp Thing oder Second Skin, bei dem wohl die gesamte Halle mitgesungen hatte, erübrigen. Vote for Chameleons Vox @ NWD 2020!

Setlist CHAMELEONS VOX @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Singing Rule Britannia
02. A Person Isn’t Safe Anywhere These Days
03. Monkeyland
04. Looking Inwardly
05. Mad Jack
06. Soul In Isolation
06. Seriocity
07. In Answer
08. Swamp Thing
09. Second Skin

Ich weiß nicht, wie es euch so geht – ich hatte mich schon auf den Auftritt von Gang Of Four gefreut. Gerne hatte ich die ersten Alben der Briten in den letzten Jahrzehnten gehört. Nun gab es die Gelegenheit, die Band live zu erleben – allerdings wartete diese mit John Sterry mit einem neuen Sänger auf. An die sound-technische Situation mittlerweile einigermaßen gewöhnt, waren die alten Tracks wie Damaged Goods oder I Found That Essence Rare schon irgendwie anders – ohne genau zu definieren, ob es nur an der Stimme oder sonst woran lag. Wenn Gitarrist Andy Gill den Gesangspart übernahm, hatte es einen realistischeren Wert. Vielleicht ist mir John einfach auch nur zu hektisch über die Bühne gehuscht. Neue Tracks des jüngsten Albums Happy Now wie Paper Thin kamen allerdings ziemlich überzeugend herüber. Die Band zeigte große Spielfreude, erschienen hier und dort ein wenig chaotisch organisiert, worunter die arme Gitarre von Andy arg leiden musste, aber die Fans freuten sich hauptsächlich, eine der großen (leider nie wirklich im Rampenlicht stehenden) Bands der Achtziger live erleben zu dürfen. Somit war der Auftritt des Quartetts ziemlich gelungen – polarisierte jedoch auch sehr stark. Ich werde die Herren mal auf einer hoffentlich kommenden Tour genauer betrachten – ich glaube schon, dass sie es wert sind!

Setlist GANG OF FOUR @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. Intro
02. Anthrax
03. Not Great Man
04. Isle Of Dogs
05. I Parade Myself
06. Toreador
07. Paralysed
08. What We All Want
09. Change The Locks
10. Damaged Goods
11. I Love A Man In A Uniform
12. At Home He’s A Tourist
13. Natural’s Not In It
14. He’d Send In The Army
15. I Found That Essence Rar

Es ist natürlich schwer abzuschätzen, aber ich glaube bei dem Auftritt von Peter Hook And The Light waren alle Anwesenden in der Turbinenhalle versammelt. Der Bassist hat mit seiner Combo schnell den Ruf erarbeitet, das musikalische Erbe von Joy Division wie auch seine Zeit mit New Order qualitativ hochwertig zu präsentieren – und verdammt noch mal; genauso ist es! Am Todestag von Joy Division Sänger Ian Curtis war es fast schon eine Selbstverständlichkeit, sich auf die Songs dieser Band zu konzentrieren. So ging es pünktlich mit No Love Lost schnell in die Tiefen der musikalischen Hinterlassenschaft einer der wegweisenden Bands des Genres. Ob nun das punkige Warsaw oder sehr besinnlich agierend wie bei Dead Souls – Hooky und seine Jungs brachten eine Atmosphäre herüber, dass man sich wirklich und wahrhaftig in die auslaufenden Siebziger Jahre versetzt fühlte. Mit sehr viel Liebe zum Detail wurden die Songs vorgetragen. Hooky ist gesanglich gewiss kein Ian Curtis; jedoch macht die große Zuneigung zu der Musik so einiges wett! Wer zum Beispiel das Lied Atmosphere in der Turbinenhalle erlebt hat, weiß genau, was ich meine. Als der Hit Transmission gestartet wurde, gab es kein Halten mehr für die Fans in der vollen Halle. Die Freude durchströmte alle und zum Glück war der Sound mittlerweile doch schon recht gut. Der Abschluss mit Love Will Tear Us Apart beendete eine knapp achtzig minütige Traumreise, welche wirklich DAS Highlight des diesjährigen New Waves Day war. Tatsächlich ist es schwer, dieses Erlebnis in Worte zu fassen – man muss einfach dabei gewesen sein!

Setlist PETER HOOK AND THE LIGHT @ Oberhausen, Turbinenhalle (18.05.2019)

01. No Love Lost
02. Disorder
03. Shadowplay
04. Warsaw
05. Heart And Soul
06. Dead Souls
07. Atmosphere
08. Atrocity Exhibition
09. Insight
10. New Dawn Fades
11. She’s Lost Control
12. Digital
13. Transmission
13. Ceremony
14. Love Will Tear Us Apart

Einmal um die Ecke und an der Turbinenhalle vorbei liegt der Kulttempel, welcher mit den DJs Jürgen Jakob, Philipp Strobel und Thomas Thyssen die Aftershow Party aufbot. Ein ganzer Batzen schwarze Musik war bereit, die Menge bis in die frühen Morgenstunden abfeiern zu lassen, was tatsächlich auch dankend angenommen wurde. So wurde dieser wunderbare Abend nochmals gehörig gestreckt und man konnte mit Freunden und Bekannten nochmal ausgiebig schnacken oder ein, zwei Getränke zu sich nehmen – hatte das straffe wie qualitativ hochwertige Programm des Tages einem doch gar nicht so viel Spielraum für dieses und anderes gelassen, ohne Abstriche zu machen. Eine, schon aufgrund der Lage sehr praktische Angelegenheit, die den New Waves Day 2019 gänzlich abrundete. Da in der Halle auch schon direkt für die vierte Auflage in 2020 geworben wurde, für die mit DAF, Gene Loves Jezebel, Blancmange und Whispers In The Shadow auch bereits die ersten Bands feststehen, kann man sich nun schon den 16. Mai des nächsten Jahres fett im Kalender markieren. Wir kommen alle wieder!

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