„Ich habe nur noch eine Karte. Sorry.“ An der Location, dem winzig kleinen Blue Shell im Kölner Südviertel, dreht ein Pärchen nach einem kurzen Türgespräch am Einlass enttäuscht ab. Manch ein Tüsn-Fan fragte sich sowieso, warum das Berliner Trio auf der Tour zum vorzüglichen zweiten Album Trendelburg in derart kleinen Venues spielen wollte. Nun ja, so konnten Stefan „Snöt“ Fehling, Daniel Kokavecz und Tomas Golabski immerhin hinterher sagen: „Hey, wir waren ausverkauft!“
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So wurde in der blauen Muschel sehr schnell sehr eng und selbst zum Klo und zur Theke war kaum noch ein Durchkommen, als das Leipziger Duo Kyma gegen 20.45 ein überzeugendes Set startete. Schade, dass man über diese Band, die nach einigen Angaben sonst aus vier Leuten besteht, kaum Informationen findet. Gut, im April wurde eine EP namens Unter ferner laufen wir veröffentlicht und es gibt einen Instagram-Account, eine Website oder Facebook-Präsenz sucht man aber vergebens. Das sollten die Herren schleunigst ändern, denn die deutschsprachigen Pop-Songs mit starken Refrains werden von einer extrem rauen Stimme irgendwo zwischen Casper und Henning May veredelt. Und wie die jüngere Vergangenheit zeigte, hat so eine Kombination viel Potenzial …
21.30 Uhr, Bühne frei für Tüsn. Auf die wirklich winzige Bühne passten irgendwie zwei Keyboards, das Drum-Set, ein Bass, eine Gitarre und drei Menschen, das Publikum war aufgrund der Fülle des Ladens nun endgültig bewegungsunfähig. Eigentlich schade bei einem Act, der in einem seiner besten Songs zum Tanzen von Schwarzem Lambada aufruft. Irgendwie ist der aktuelle Status der Band gut mit dem Attribut „bittersüß“ zu beschreiben. Denn so schön die kleinen, vollen Clubshows auch sein mögen – diese Band hat zweifelsohne das Potenzial, große Hallen zu füllen. Zu massenkompatibel ist der eingängige Indie-Synth-Pop-Sound, zu gut sind die Songs, zu sympathisch kommt Sänger Snöt rüber, wenn er kurz nach Konzertbeginn herrlich schwachsinnige Zwischenansagen wie „So, damit wir uns jetzt alle mal kennenlernen, ruft Ihr auf 3 alle mal Euren Namen! Eins, zwei, drei!“ „SHÖFDKFLDJEWECMJDGÖÖ!!!“ “So, jetzt kennen wir uns.” bringt – Schallendes Gelächter im ganzen Raum.
Nicht jeder Song klingt wie auf dem Album
Doch auch die Melanchotherapie, Tschuldigung, Melancholie kam nicht zu kurz. Kranke heile Welt spielt Snöt alleine an den Tasten, ohne Bass- und Schlagzeug-Begleitung. Das ganze Blue Shell singt den „Uuhuuuhuuu“-Chor mit – Gänsehaut! Mit gleich vielen Songs von beiden Alben plus dem nur in der limitierten Album-Box veröffentlichten Zehntausend geben Tüsn einen perfekten Einblick in ihre Soundwelten. Teils treibend, teils romantisch, teils klagend, teils vorsichtig optimistisch. Traurige Suizid-Analysen wie Ihr liebt mich jetzt wechseln sich mit Hedonismus-Disco-Hits wie Schwarzmarkt ab, die Stimmung ist hervorragend, die Fans zeigen sich textsicher und verabschieden die Hauptstädter nach 85 Minuten mit tosendem Applaus. In der Hoffnung auf weitere Konzerte in der ganz nahen Zukunft.
Und das Pärchen vom Anfang unserer Geschichte? Tja, die hatten Glück, dass sie vor dem Blue Shell tatsächlich noch jemanden trafen, der eine Karte über hatte. So kamen auch sie noch pünktlich rein und verließen den Club wohl eher nicht In schwarzen Gedanken, sondern mit einem strahlenden Lächeln.
Setlist TÜSN @ Köln, Blue Shell (07.05.2019)
01. Trendelburg
02. Küsn
03. Zwang
04. Zehntausend
05. Zweifel
06. Schwarzer Lambada
07. Schuld
08. Made In Germany
09. Hannibal
10. Ihr liebt mich jetzt
11. Kranke heile Welt
12. Melanchotherapie
13. Ewig allein
14. Letzter Tag
15. Schwarzmarkt
16. Humboldt (Z)
17. In schwarzen Gedanken (Z)
Bilder: © Alexander Jung, aufgenommen am 08.05.2019 in der Moritzbastei Leipzig
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