Interview Seadrake am 09.03.2019

SOLAR FAKE & SEADRAKE: Tourfinale in Hamburg, 09.03.2019
Seadrake © Alf Urbschat - OneEye-Photo
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Solar Fake – „You win. Who cares?“ – Tour 2019, Interview mit Seadrake (Special Guest)

Alf Urbschat im Interview mit Rickard Gunnarsson (RG), Mathias Thürk (MT) und Hilton Theissen (HT).

 Wunderbar. Ich sag erst mal vielen Dank dafür, dass wir überhaupt ein Interview zusammen machen. Seadrake war für mich, dass muss ich ganz ehrlich sagen, bis jetzt noch nicht so ein großer Begriff gewesen. Als ich mich mit euch aber befasst habe und dann Namen wie Minerve und Statemachine gelesen habe, da war ich dann doch schon etwas, ähm, erschrocken.
[MT] Ähm, erschrocken?

Ja, erschrocken. Gerade Statemachine ist für schon ein großer Begriff. Fand ich auch immer gut, die Band. Statemachine was an very impressive, important band to me.
[RG] Yeah, all right, good! Nice to hear!

The first time I heard about it that, that we gonna make an interview, I was a little bit nervous.
[SD] Statemachine, oh my god! (lachen) [RG] All right …

Ja, ich war doch so ein bisschen überrascht gewesen … Also, dass jetzt Mitglieder von, oder ein Mitglied von Minerve oder Statemachine zusammenfinden, das kann ich ja nachvollziehen, vom Genre her. Aber wie kommt dann auf einmal noch der Metal-Einfluss da rein? Ich hab ja gelesen, du bist bei Dark Millennium, das ist doch noch ein Projekt von dir. Wie passt das zusammen? Das ist ja keine reine Elektroformation?
[MT] Das stimmt. Also, in erster Linie ist es ja so, dass Dark Millennium nur EINE Band ist, die Hilton betreut. Er hat ja noch die Band Akanoid, und die macht, ja, kann man sagen, elektronische Musik. [HT] Und ich habe auch Lowe geremixt und auch Minerve, deswegen kannte ich beide Bands, wenn auch nicht die Personen an sich, aber …

 Ja, aber bei Minerve warst du auch schon mit involviert.
[HT] Ja, Olaf Wollschläger hat damals die Single produziert und wir haben mit Akanoid einen Remix gemacht. Ich kann mich erinnern, dass das Thema für uns ziemlich spannend war und wir haben damals einen ganz guten Remix dafür abgeliefert, zumindest gefiel es Olaf auch sehr gut, als Produzenten der Single, und wir hatten uns dann sozusagen schon auf dem Schirm … [MT] Mhm, stimmt. Hinzu kommt, dass wir beim selben Label waren, Akanoid und Minerve, und der Labelchef hatte mir damals die CDs von Akanoid geschickt und gesagt „Hör mal rein.“, und das fand ich total klasse und habe aufgrund dessen dann gesagt: „Och Mensch, kann der nicht mal einen Remix von uns machen, also die Band.“ Und Rickard habe ich schon getroffen während meiner Zeit bei Minerve, weil wir zusammen teilweise Konzerte mit seiner Band Lowe gespielt haben, quasi das Nachfolgeprojekt von Statemachine. Akanoid hab ich damals beim WGT zum ersten Mal live gesehen. Also wir waren immer irgendwie vernetzt ohne es wirklich zu wissen. Sei es durch gemeinsame Konzerte oder durch Remixtätigkeiten, dass irgendeine Band die andere Band irgendwie kannte und die geremixt hat … Dadurch kannten wir uns so ein bisschen halt. (Zustimmung aus dem Hintergrund) Und irgendwann war ich dann nicht mehr bei Minerve, und hatte dann über Umwege gehört, dass Hilton eine neue Herausforderung sucht als Sänger. Wir haben uns dann unterhalten und dann kam dann recht schnell raus: „Ok, lass es uns mal probieren.“ Aber uns war immer klar, wir bräuchten noch einen dritten Mann, denn zu zweit sieht man immer so ein bisschen Pet Shop Boys-mäßig aus. [HT] Genau, ja. [MT] Und da haben wir ihn gefragt. (an Hilton) Haben wir ihm Demos vorgespielt? Später im Studio haben wir ihm die Sachen vorgespielt?! [HT] Genau. [MT] Und er hat dann gesagt „Okay“, er wäre gerne dabei. Und ja, ab dann waren wir dann die Band Seadrake. [HT] Genau. Während der der Studioaufnahmen muss ich dazu sagen, es war dann alles so verzahnt ineinander. [HT] Genau.

Ihr lebt jetzt ja nicht alle in Zürich, oder? Where do you live?
[RG] I live in Stockholm, Mathias lives in Zürich and Hilton outside of Düsseldorf. [HT] Dortmund. [RG] Dortmund, Düsseldorf, ja.

Wie findet man da heutzutage zusammen, wenn man soweit auseinanderlebt? How can you work together?
[RG] Internet, thank god! (lacht) Yeah, I mean we talk a lot, we skype, we text each other or e-mail each other. I mean, for this album we met in the studio, too, to work on it, basically on future songs. We gonna work like over the internet and then we meet at the studio as well.

There’s nothing like a jam session … (lachen) Das ist ja aber bei Elektronic-Bands sowieso nicht mehr so gegeben …
[MT] Ja, ja, genau, aber eigentlich ist es so … (wird versehentlich unterbrochen von Alf, der sich entschuldigt)

Wie kriegt man die Ideen zusammen?
[HT] Das ist ein einfaches Prinzip eigentlich. [MT] Ja. [HT] Ähm, wir haben das schon mal für einen Remix für Frank M. Spinath, „Seabound“ glaub ich, gemacht. Du warst dabei, Mathias? [MT] Ja, genau, ja. [HT] Vielleicht kann man es ein bisschen so vergleichen. Wir schicken uns halt Einzelspuren und Skizzen zu und der andere schaut halt rein, hört es sich an Elementen, verändert die ein bisschen, fügt was hinzu, schickt es wieder zurück. Das ist so ein bisschen ne Mischung aus Stille Post … [MT] So Pingpong-mäßig …  [HT] Genau, man spielt sich Inspirationen zu. Und dann hat man natürlich … Also das ist, wenn man auseinander ist. Und dann trifft man sich zu Sessions um dann etwas zu konkretisieren und wieder einen ganzen Arbeitsblock einzufügen. [MT] Mhh. [HT] Vocals werden in der Zeit ausgefeilt oder sonst irgendwas und dann arbeitet man halt intensiv an mehreren Stücken einer Session dran.

Ok, und wer von euch hat dann so im Normalfall die die Grundidee für einen Track? Ist das immer so? Wer jetzt gerade eine Demo im Kopf hat, der schickt es den anderen zu?
[MT] Genau, genauso. Wen die Muse geküsst hat, sag ich mal so, der bringt die einfach an und arbeitet was aus, dass man so grob erkennen kann, in welche Richtung es gehen könnte. Meistens, wenn man sich die Songs dann eben in diesem Pingpong-System … führt es meistens noch in eine völlig andere Richtung. Aber im Grunde genommen ist das so: wer die Idee hat, der fängt einfach an, der schickts dem anderen oder den anderen, und die geben dann ihre Inputs dazu oder ändern an dem Song was, bis er dann irgendwann mal die Richtung hat, die er haben soll.

Mhm, ok, schöne neue Welt.
[MT] Joa. (lachen)

Ja, das erste Album … wie sprecht ihr es aus? Isola?
[MT] Ja.

 … ist ja schon bald ein Jahr alt. Seid ihr zufrieden, wie es seitdem läuft?

[MT] Also, wenn du mich ganz persönlich fragst, sag ich „ja“ weil ich nicht mit dieser großen und fast schon riesigen Resonanz gerechnet habe, positiven Resonanz vor allen Dingen. Was ja letztendlich auch dazu geführt hat, dass Solar Fake zu uns gesagt haben: „Wir wollen euch gern dabeihaben, wir finden eure Musik klasse, wir finden euch als Menschen klasse.“ Wir haben vorher nicht wirklich so einen großen Kontakt zu dieser Szene gehabt, sag ich mal so. Wir haben einen Supportgig gespielt für Solar Fake in Oberhausen letztes Jahr, wo die Band UNS gesehen hat zum ersten Mal und danach war klar: „Wir wollen euch dabei haben.“ Und so sind wir zum Beispiel jetzt zu diesem Tourposten gekommen, als Special Guest sogar. Also wo die Band auch gesagt hat: „Wir wollen euch nicht einfach als Support haben, wir wollen euch als Special Guest haben, was zeigt, wir wollten EUCH haben. Dabei haben.“ Und da muss ich schon sagen, wir wissen, dass es viele Bands waren, die es in diesem Pool gab, die sich gewünscht haben, diesen Posten zu bekommen. Die wurden alle sofort ignoriert, weil die Band gesagt hat: „Nee, wir wollen DIE haben.“ Und ja, das haben wir auch dem Album letztlich zu verdanken und vielen, vielen Leuten, die nach dem Konzert auch die Band selber angeschrieben haben und gesagt haben: „Leute, nehmt die mit, die sind klasse.“ Viele Leute kennen uns nicht, das muss man ganz ehrlich sagen. Also auf der gesamten Tour war‘s immer so: Wir haben angefangen zu spielen … vielleicht wird’s heute genauso sein … die ersten zwei, drei, vielleicht vier Songs steht man da und macht Applaus und so weiter … Meistens haben wir sie so nach der ersten Hälfte des Konzerts dann so begeistern können, dass sie wirklich dann euphorisch mitgehen, sag ich mal so, zum Ende hin. Und nach den Konzerten ist es so: Wir kriegen die Feedbacks ja per E-Mail und auch manchmal kriegen wir auch Fotos zugesandt oder Videos. Die Feedbacks zum Beispiel auf Facebook oder auf Instagram sind so begeistert, dass die Leute sagen, also manche sagen: „Hey, wir haben eigentlich sonst nichts für Supportbands übrig, uns sind die völlig egal, aber bei euch muss ich sagen „Wow, klasse, bin ich echt begeistert! Ich kannte euch vorher nicht, aber jetzt habt ihr einen neuen Fan.‘“ Und manche sagen: „Ich hatte das Album von euch, aber ihr klingt live noch mal … legt ihr echt nochmal zwei, drei Schippen drauf und das ist echt der Hammer.“

Geht das?

[MT] Offensichtlich! Also da muss man dann die Leute dann fragen. (lachen) Aber wir sind echt happy, dass das so angekommen ist, wir haben nicht damit gerechnet und ja, letztendlich ist das natürlich dann auch ein Ansporn jetzt für das nächste Album, da auch nochmal zwei, drei Schippen mindestens draufzulegen.

Ich höre bei dem Album … oder nee, fangen wir mal anders an, nachdem du das Stichwort ja schon auf Solar Fake gebracht hast. Ich war so ein bisschen überrascht gewesen, wo ich mir die Platte angehört habe und dann wiederrum gesehen habe, ihr spielt für Solar Fake.
[MT] Mmhm, ja, waren wir auch! (lacht)

I was a little bit surprised between the sound of the album and you as support for Solar Fake.
[RG] Yes, it’s a bit different. But I think it works. I mean, I think we are a good starter for this tour, I mean, yeah.

Ähm, vielleicht nochmal auf Deutsch. Ist das okay? Ich sehe bei euch … wo ich die Platte das erste Mal gehört habe, hatte ich sie gleich ins Herz geschlossen und habe mich hinterher so ein bisschen geärgert, erst so spät drauf gekommen zu sein auf die Platte. Ich höre aber sehr viele Parallelen eher zu Bands wie De/Vision, Mesh, wo mehr klassische, ähm, Popband- oder Rockband-Attitüden drin sind, im Gegensatz zu Solar Fake, die doch eher auf der Elektroschiene fahren. Da hab ich gedacht, das kann man auch mit drei, vier, fünf Musikern auf die Bühne bringen und das wäre dann qualitativ extrem hochwertig.
[MT] Letztendlich musst du die Jungs da drüben fragen, warum sie gesagt haben, dass sie uns mit … also, sie haben gesagt: „Weil sie uns einfach toll fanden.“ Und letztendlich … ich glaub, denen war es so ein bisschen egal, ob‘s jetzt musikalisch hundertprozentig passt oder ob wir vielleicht ein bisschen anders sind. Vielleicht war‘s aber auch genau DER Grund, dass sie sich gesagt haben: „Hey, wir brauchen jetzt nicht einen Solar Fake-Klon, der quasi nur die Leute nur noch bisschen irgendwie warm macht.“ Nee, die wollten den Leuten auch ein bisschen was bieten, um zu zeigen: „Okay, es gibt nicht nur den Sound von Solar Fake, es gibt auch noch was anderes und wir finden diese Band auch gut. Also Leute, hört euch das mal an.“ Letztendlich spielen wir ja vor Solar Fake-Fans, muss man ja nüchtern sagen, und ich denke mal, die wollten auch einfach sagen: „Hey, hört euch das mal an, unsere Fans, hört euch das mal bitte an.“ [HT] Noch was … also diesen Quervergleich De/Vision kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen … zumindest Mesh … wir haben ja den gleichen Produzenten.

 Ja, gut. (Gelächter)
[HT] Da ist der Clou drin, aber du hast es vollkommen richtig erkannt – es ist tatsächlich nicht der Approach, dass wir genau in die Synthpop- oder Futurepopnummer reingehen, wir sind zu unterschiedlich zu allen Einflüssen. Und … also meine Stammband Akanoid war eigentlich eine Danceformation, wie Underworld eher. Wir sind mit diesem einen Album mal versehentlich nur in der Szene gelandet, waren da aber nur kurz unterwegs. Deswegen haben wir da auch nicht großartig stattgefunden. Einmal war‘s das WGT, mit De/Vision getourt und mit Crüxshadows, aber ich wusste vorher gar nicht, wer De/Vision und Crüxshadows sind. Also ich selbst komme eben aus der progressiven Metalabteilung und war lange im Charts und House, aber von der Schwarzen Szene – keine Ahnung. Bis auf dass ich Nine Inch Nails gefeiert habe und Iamx sehr mag, hatte ich damit nicht viel zu tun. Aber der springende Punkt ist, glaub ich, dass da dann eben diese Einflüsse, diese verschiedenen Einflüsse, dann eben zusammenkommen, weil eben nicht irgendwas kopiert wird von anderen Bands, zumal ich die auch alle gar nicht kannte. Aber, was Mathias betrifft, DIE Sachen haben was ganz spezielles und als Mathias beispielsweise „Daydream“ abgeliefert hat, da hat mich das persönlich eher von dem Uptempo an Dubstep- oder Drum ’n‘ Bass-basierte, Linkin Park-beeinflusste Beats erinnert und gar nicht so sehr an das, was ich bis dato dann aus der so genannten eben Schwarzen Szene heraus so kannte. Das hat mich zum Beispiel auch als Sänger extrem inspiriert, dass Mathias sehr weit über den Tellerrand hinüberguckt. Natürlich waren die ersten Skizzen, die ich gehört habe erstmal von Mathias, der quasi der Urgründer der Formation ist, und wir sind dann halt nachher dazugekommen und deswegen ist das auch nochmal so ein Hybrid. Wir sind während der Produktion hineingehopst ins Boot und beim nächsten Album wird das dann natürlich nochmal ein bisschen anders sein, weil wir uns ja wirklich weiterentwickeln und weil wir diesmal alle von vorne dabei sind. [MT] Ja, genau. [HT] Wie auch immer sich das entwickelt, aber das ist halt dann einfach der Punkt, wo wir uns zusammen aufeinander eingrooven, aber dafür ist ja eine Tour auch gut … dass man sich auch in bisschen ausprobiert und dann zusammen findet.

Gibt es schon Ideen für ein zweites Album?
[HT] Ja. [MT] Also wir haben schon Fragmente zusammengesucht und immer so gesagt: „Mensch, ich hab mal hier was, oder ich hab mal da was und so …“, aber wir haben noch nicht konkret aussortiert und gesagt: „Hey, DER hat Potential, den sollten wir nehmen, DER hat Potential oder DER hat Potential.“ Sondern wir sammeln erstmal alles, schmeißen alles in einen Topf und irgendwann, ja, dann heißt es: „Pass mal auf … wir haben so und so viele Lieder jetzt da drinnen, sollten wir nicht mal anfangen zu selektieren, was brauchbar ist und was eher nicht so passt?“ Vermutlich werden wir davon einige nehmen, es werden danach separat aber noch andere neue entstehen … wir sind jetzt noch nicht konkret am neuen Album dran. Denn dazu braucht man auch glaub ich ein bisschen Abstand, vor allem nach der Tour. Denn sonst bist du nur in diesem Tourmodus und hörst mehr oder weniger die ganze Zeit deine eigene Musik und da braucht man auch ein bisschen Abstand dazu. Ok, das war jetzt DIE Phase … ich sag mal die „Isola-Phase“ … und jetzt kommt eine neue Phase. Um sich davon auch ein bisschen frei zu machen, braucht man glaub ich auch eine gewisse Zeit, wo man gar nichts macht, sag ich mal so, und dann „bäng“, wieder anfängt.

Ja, ok. Ist es für euch überhaupt wichtig, irgendeinem Genre anzugehören oder seid ihr da eher frei – Freigeister – dass ihr sagt: „Nee, komm, also unsre Platte muss nicht unbedingt nur im ‚Sonic Seducer‘ abgedruckt sein, sondern darf auch in normalen Foren besprochen werden.“
[MT] Ja, genau. [HT] „Musikexpress“ … (schallendes Lachen)

„Musikexpress“?! (lachen)
[HT] In der „Raveline, nee, gibt’s die noch? [MT] Nee, die gibt’s nicht mehr. [HT] Nee, die gibt’s nicht mehr. Die haben dicht gemacht. Das „Spex“ hat auch dicht gemacht. Printmedien gehen den Bach runter.

Printmedien sterben immer mehr aus. Ich denke ja immer, dass gerade die Magazine der dunkleren Szene langfristig die einzigen sind, die wirklich überleben … Wie gesagt, es werden ja immer weniger.
[MT] Ja, das stimmt … [HT] Ja, ja, das stimmt.

Ist Mainstream in dem Sinne für euch dann auch ein Thema?
[MT] Also, es wäre gelogen, wenn keine Band bzw. die Bands nicht auch darauf gucken würden, egal ob wir es sind oder jede andere Band. Jede Band ist happy, wenn sie mit der Musik, die sie mag dann auch noch Erfolg hat, sag ich mal … eben mit dem, was sie machen, Erfolg haben. Von daher … wenn du mich persönlich fragst – ich achte nicht so auf diese Szenen, weil das für mich auch so ein bisschen einschränkend, muss ich sagen. In erster Linie machen wir die Musik für uns und wir können uns jetzt nicht unser Publikum aussuchen, sondern wir bieten etwas an und wen wir damit begeistern können, da sind wir happy drüber. Und ob das jetzt aus der Szene, also aus der Schwarzen Szene kommt oder das ein Metalhead ist oder ein Popper oder ein stinknormaler Mensch, der einfach unser Album aus Versehen irgendwo gehört hat und sagt: „Hey, find ich klasse!“ … mir ist es wichtig, die Leute, oder die Herzen der Leute zu erreichen, egal aus welcher Szene sie kommen … ist vielleicht auch etwas Verbindendes.

Das ist schon richtig. Mir ist aufgefallen … bei „Isola“, da sind für mich sehr viele Stücke drauf, wo ich mich wirklich gefragt hab: „Warum findet so was nicht öffentlich statt?“ Ähnlich wie es Olaf ja auch mit Mesh hat … das sind erstklassige Platten, die leider Gottes in ein Genre reingedrückt worden sind, wo sie eigentlich gar nicht …
[MT] Wo das Korsett nicht so ganz passt …

Genau, genau. Mark geht nicht in schwarzen Klamotten auf die Bühne und Richard hat nicht irgendwelche derben, großen Tunnel in den Ohren oder irgendwelche Satansrelikte oder so was. (lachen) Also das, dass  …
[MT] Das wissen wir nicht genau. (lachen)

Na gut, also ich geh mal davon aus. Aber das tut mir dann immer leid, wenn eine … gerade bei eurer Musik passt das ja auch gut da rein … wenn es dann nur so ein Nischenprodukt ist.
[MT] Ja.

Deswegen feiere ich das auch, wenn ich selber  jetzt gerade auch durch unser Gespräch und durch die Veröffentlichung bei uns dazu beitragen kann, jetzt gerade dieser Musik – so ein bisschen Crossover hätte ich jetzt fast gesagt, liebevoll Crossover …
[MT] Das ist richtig.

… wenn man da eine breitere Masse für begeistern kann.
[MT] Ja, ja, aber das liegt ja einfach daran … du musst ja die Leute immer erst noch erreichen. Dieser Weg bis zum Ohr des Hörers, der ist manchmal recht verschlungen. Leute, mit denen ich groß geworden bin, also die in meinem Alter jetzt sind … viele von denen hören nicht mehr so intensiv Musik wie ich es vielleicht noch tue. Und deswegen ist es etwas schwieriger, die dann zu erreichen. Wenn du denen dann das Album vorspielst, dann sind die hellauf begeistert und wundern sich: „Ach, du machst Musik?“ und blablabla, und: „Das ist ja toll und super und ich will so ein Album haben.“ Also wenn sie es dann erstmal gehört haben, sind sie begeistert, aber bis zu diesem Punkt, wo sie es hören können, ist es halt recht schwierig geworden für die Bands allgemein, die Leute zu erreichen. Und wenn du die erreichen willst, musst du enorm viel Geld investieren in Promotion, in Werbung und so weiter, das rechnet sich nicht, da müsste die Band mehr oder weniger schon Millionär sein, um dann einigermaßen Erfolg haben zu können.

Oder ein großes Major-Label im Hintergrund …
[MT] Absolut, genau, genau. Die gehen natürlich auch kein Risiko ein, weil die wollen ja natürlich, wie sagt man, die „eierlegende Wollmilchsau“ haben, wo sie nix mehr groß machen müssen, wo das Ding schon läuft, und das ist bei den wenigsten Bands so.

Hab ich das richtig interpretiert, ihr seid bei einem schwedischen Label?
[MT] Ja, das ist das Label von Rickard.

Ach, das ist das Eigenlabel …
[MT] Ja. [RG] Ja, genau.

Habt ihr versucht, woanders Fuß zu fassen, bei anderen Labels, oder stand das von vornherein fest, dass ihr euch selbst vertreibt?
[MT] Also, wir haben es bei ein, zwei Labels probiert. Manche wussten nichts damit anzufangen und manche haben uns ganz beschissene Deals angeboten, wo wir gesagt haben: „Wozu muss ich dann noch zu einem Label gehen?“, weil die Konditionen oder diese Rahmenbedingungen kein Vertrag waren. Das war einfach nur noch: „Gib uns Geld und dann mach bitte deine Arbeit selber.“ Übertrieben gesagt … Da muss ich sagen, dann kann man es auch alleine machen und das Geld zumindest ins eigene Label stecken. Und da hatten wir halt Glück, dass Rickard das früher ja schon aus dem Boden gestampft hatte, für Statemachine und für Lowe und für einige anderen Bands noch, und dass wir auf die Connection mehr oder weniger zugreifen konnten. Dann haben wir gesagt: „Dann machen wir es so.“

Bietet sich an …
[MT] Genau.

Habt ihr eigentlich mit anderen neueren Bands auch Kontakt? Wie ist das, wenn man mit seinem neuen Projekt an den Start geht? Guckt ihr dann auch noch nach links und rechts, was ist denn da? Es gibt ja sehr viele – ich nenne es mal persönlich „schlechte Synthiepopbands“ (Zustimmung) –  und es gibt wenige, die wirklich qualitativ hochwertig von Anfang an sind. Beyond Obsession beispielsweise, die fand ich von Anfang an sehr qualitativ hochwertig.
[HT] Super Sänger!

Die haben sich noch zum Positiveren entwickelt, aber wie gesagt, davon gibt es ja nicht so viele Bands. Steht man auch untereinander in Kontakt? „Wir machen jetzt die Richtung, oder wir machen die Richtung.“, oder wie?
[HT] So nicht. Also wir sprechen uns natürlich bezüglich dieser Sachen nicht ab. Also ich glaube, dass jeder irgendwie seinen eigenen Weg sucht, oder etwas macht. Natürlich ist die Szene klein, und natürlich trifft man sich, man kennt sich, man redet und man plaudert aus dem Nähkästchen, aber es ist nicht so, dass wir außerhalb des Amphi, WGT oder solcher Gelegenheiten aufeinander zugehen und sagen: „Was machst du da gerade.?“ Zumal natürlich auch jeder irgendwie sein eigenes Süppchen kocht. Von daher … natürlich kriegt man mit, was da gemacht wird, es wird ja auch recht viel darüber geredet, was so stattfindet und so weiter und so fort, das geht immer recht schnell. Aber so ein direkter Austausch findet da glaub ich eher nicht statt.

Und wie seid ihr in den Kontakt mit Olaf getreten, dass der das Album mit euch gemacht hat?
[MT] Olaf hatte das letzte Album meiner alten Band Minerve produziert und diese Zusammenarbeit mit ihm war so klasse, dass ich ihn dann irgendwann gefragt habe, ob er nicht auch das Seadrake-Album machen möchte. Er hat sich dann, glaub ich, die Demos dann angehört – das war übrigen auch so ein vernetztes Ding wieder. Ich hab angefangen, mit Olaf an einigen Sachen zu arbeiten. In dieser Phase kam dann Hilton schon dazu, mehr oder weniger, und ja, letztendlich war Olaf auch so ein bisschen der Ratgeber für mich … zum Beispiel war ich mir nicht sicher: „Soll ich ihn fragen, soll ich ihn nicht fragen ….“. Ich hab dann Olaf erstmal Sachen vorgespielt von Hilton, von Akanoid. Olaf hatte mich angeguckt: „Das ist der geilste Sänger, den ich seit Jahren gehört habe. Wenn du den nicht nimmst, bist du selbst schuld.“ Olaf ist über die Jahre quasi nicht nur der Produzent von der Musik geworden, die wir so gemacht haben, sondern auch Ratgeber und helfende Hand, also ein guter Freund sag ich mal so. Ich glaube – Hilton, du nimmst ja auch grade mit ihm zusammen oder arbeitest mit ihm zusammen am neuen Joke Jay Album, und von daher … also Mentor ist vielleicht ein bisschen hochtrabend, aber es fühlt sich manchmal so an bei mir. Er sagt ja auch knallhart, wenn er uns beispielsweise abgemischt hat: „Das und das war nicht gut.“ oder: „Daran solltet ihr noch mal arbeiten, das solltet ihr ändern …“ und so weiter. Dann gibt er auch Tipps wie wir auf der Bühne agieren sollen, beziehungsweise was für Equipment wir mitnehmen sollten … [HT] Er steht heut Abend am FOH … [MT] Stimmt, er steht heut Abend am Mischpult sogar, genau. Und ja, komischerweise fühlen wir uns immer sehr sicher. Das ist wie, als wenn der Papa da ist, wenn Olaf mit uns zusammen unterwegs ist und uns am Mischpult abmischt. Wenn man von der Bühne aus guckt und Olaf nur SO da steht, dann weiß man: „Das läuft, das läuft …“ Und es gibt einem ein sehr gutes Gefühl auf der Bühne.

Na gut, Olaf hat ja auch gewaltig Erfahrung.
[MT] Das hat er…

Und ich würde ihn mal mit zur Speerspitze, zur Elite zählen.
[MT] Genau. Genau. Das Schöne ist, der lässt das nicht durchhängen, sondern er erzählt das nur manchmal so nebenbei: „Ach, hier, das hab ich auch mal gemacht.“ Und: „Ja, stimmt, die waren auch nett.“ und so weiter, wo man sagt: „Ach, da warst du auch mit dabei? Ach, interessant!“ Ja, es ist immer ein sehr angenehmes Arbeiten mit ihm und deswegen haben wir ihn, glaube ich, auch ausgewählt.

Mein absoluter Lieblingstrack von dem Album ist ja „Lower than this“.
[RG] Meiner auch.

Von wem kommt die Grundidee?
[MT] (lacht) Die hab aus Versehen ich mal gemacht. (Lachen.)

Aus Versehen? Ich find das Stück grandios.
[MT] Ja, das war mehr oder weniger auch so ein Try. Also ich kann ja nicht wirklich … also Hilton ist wirklich fast schon ein ausgebildeter Musiker kann man sagen. Also der kann Noten lesen, der ist wirklich gut in solchen Sachen. Bei mir ist das so ein „Try and Error“-Ding. Ich probiere einfach was aus und irgendwann: „Ach, schau an. Das klingt ja nicht schlecht.“ So habe ich angefangen, an „Lower than this“ zu arbeiten und hab in der frühen Phase … also es gab eigentlich zwei Ideen dafür. Das war einmal Frank Spinath zu fragen … weil ursprünglich hatte ich daran gedacht, ich mache ein Album, wo diverse Sänger meine Ideen machen. Dann ist das aber irgendwann alles verworfen worden, ganz besonders dann, wo ich Hilton als Top-Sänger dabei hatte, da brauchte ich dann ja nicht weiter suchen … [HT] (lacht) Oh Gott … [MT] Und nee, die ursprüngliche Idee war – jetzt kann ich es ja sagen, jetzt ist es ja schon verjährt – Steffen Keth von De/Vision singen zu lassen. Der hat aber nicht den richtigen Zugang zu dem Song gefunden. Danach hab ich ihn dann zu Frank Spinath geschickt, und der hat mir innerhalb von, ich glaub, zwei oder drei Tagen seine Idee rübergeschickt und da war ich so geplättet, dass ich gesagt hab: „Das passt wie ‚Arsch auf Eimer‘!“. Und mit der und noch drei anderen Ideen bin ich zu Olaf ins Studio gegangen und der hat sofort gesagt: „Wir machen zuerst den.“ Und dann haben wir an dem rumgebastelt und so weiter und das war der erste Song, der stand und es war der erste Song, den Hilton glaub ich auch gehört hatte, neben „Daydream“. Und Hilton war es dann, der dann später − ich sag mal − dem Song noch das Sahnehäubchen oben draufgeballert hat, indem er nämlich noch seinen zusätzlichen Gesang oben draufgedroschen hat. Ich fand dadurch wurde der Song erst zu dem, was er jetzt letztendlich ist und warum er die Leute auch so begeistert. Diese Mischung halt zwischen diesen beiden Gesängen.

Solar Fake habt ihr mir ja schon vor vorweggenommen … Was habt ihr in der nächsten Zeit denn noch so geplant? Weiter als Special Guest oder plant ihr gegebenenfalls auch nochmal eine kleine Tour durch Deutschland oder Europa?
[MT] Also, der Grundgedanke war der, dass wir so ein bisschen das Gefühl haben: „Ok, wir haben jetzt 2018. Wir haben, glaub ich, sieben oder acht Konzerte gespielt als Supportband für Noice™ und für Beyond Obsession. Wir haben auch einige Festivals gespielt, und haben jetzt die Tour mit Solar Fake.“ und mein persönliches Gefühl ist: „Ok, damit haben wir Deutschland erstmal gut abgegrast, sag ich mal so. Und wir wollen uns jetzt noch so ein bisschen aufs Ausland konzentrieren.“ Wir haben die großen Festivals jetzt im Sommer noch und wir sind jetzt in Gesprächen mit ausländischen Veranstaltern, um auch das Ausland – Polen, Frankreich, Schweiz, aber auch noch weiter, Südamerika – für uns begeistern zu können. Es ist halt schwierig, was ich schon am Anfang sagte …. du musst die Leute erstmal erreichen und je weiter man weg ist aus Deutschland, muss man sich das härter erarbeiten. Man muss die Leute überzeugen und so was. An die Leute treten natürlich auch Promoter oder Konzertmanager ran, die auch die dicken Bands hintendran haben und die sagen: „Hey, meine Bands wollen da spielen.“ Aber für die und die Kohle … und das ist immer ein Abwägen. Nehm ich eine etwas junge Band wie Seadrake oder nehm ich einen Big-Act, aber kann den kaum bezahlen und weiß nicht: „Krieg ich mein Geld da wieder raus?“ Und in diese Nische versuchen wir immer reinzugrätschen: „Hey, wir bieten dasselbe Spektrum und von der Show her – guck‘s dir auf Video an.“ Und in den meisten Fällen … vor allem dieses Argument: „Guck dir einfach die Videos an. Vermutlich wirst du uns danach haben wollen.“ Und in den meisten Fällen sagen sie dann: „Ok, lasst uns drüber reden, was wir machen können.“ Ah, Griechenland war auch noch im Gespräch, und Russland …

Und Skandinavien nicht, oder?
[MT]
In Skandinavien, da sind wir jetzt im … das ist noch nicht auf der Liste, aber am Freitag sind wir beim … heute ist Montag … [RG] Subkultfestival. [HT] Das ist ein Festival in Schweden, ein renommiertes. Wir haben auch schon vor zwei Jahren in Schweden gespielt. [RG] Scandinavia, Sweden, can be hard to play. I mean the scene, for instance, is very smaller than it used to be.

But there are lot of bands in Scandinavia?
[RG] All electronic bands, but they all playing abroad. We export a lot of music for Sweden.

Wenn wir unterstützen können, sind wir auf jeden Fall dabei. Es wäre euch zu wünschen auch außerhalb von Deutschland Erfolg zu haben. Also finde ich. Die Platte ist grandios.
[MT] Danke.

Viele Bands fangen ja auch an mit Coverversions. Habt ihr so was mal gemacht? Gibt es Cover, die ihr machen wollen würdet, wo ihr euch rantrauen würdet?
[MT]
Wir haben mal drüber nachgedacht, aber wir konnten uns auf kein Cover einigen, weil jeder hat einen anderen Geschmack. Und irgendwann haben wir‘s einfach wieder verworfen. Wir hatten mal die Idee, so als Zugabe bei den Konzerten, um die Leute nochmal zu überraschen, aber irgendwie haben wir das dann wieder verworfen … weil … ich weiß nicht … ich hab das mit meiner früheren Band mal gemacht, da haben wir Eurythmics und Depeche Mode, aber immer nur live, gecovert, aber irgendwann haben wir gesagt: „Das ist blöd irgendwie.“ Und letztendlich wollten wir die Leute mit unserer Musik überzeugen und dann haben wir gesagt, dann spielen wir lieber wieder einen Song von uns. [RG] We do a cover of Minerve and Arkanoid … [HT] „Sometimes of love“. [RG] … and Lowe. [MT] Ach so. Aber das ist ja nicht wirklich ein Cover, wir spielen einfach bloß ein Lied von unseren alten Bands …

Nee, nee, das lassen wir dann nicht als Cover gelten.
[HT] Die Setlist ist halt kurz. Dann müssen wir halt dann noch irgendwie ein bisschen anbauen. Wenn wir eine Stunde spielen, ist dann halt auch schnell die Sache erschöpft. Da müssen wir dann was von unseren alten Band, also unsere Lieblingslieder, aus dem Hut ziehen.

Na gut, aber wenn man dann natürlich lieber seine eigene Visitenkarte vorlegen kann mit vorherigen Projekten …
[HT] Schön gesagt … Ja, genau.

… ist es doch, finde ich, positiver, als wenn man sich dann „nur“ auf einer Coverversion ausruht, in Anführungsstrichen“, und sagt: „Ich geh auf Nummer sicher und schieb dann noch mal was hinterher.“
[HT] Ja, ja. [MT] Blöd wird’s, wenn die Leute bloß die Coverversion gut fanden. (Lachen.)

Ja, das wäre blöd … Ist ja auch schon mal vorgekommen. Also, dass man nur daran festgemacht wird.
[MT] Genau. Auch Pech dann.

Ja, ich würde mal sagen, ich bedanke mich ganz ganz doll für das Gespräch.
[HT] Sehr gern.

Ich drück euch die Daumen für heute Abend.

[MT] Danke …

Das Hamburger Publikum hab ich in der letzten Zeit immer sehr positiv gesehen, also von daher werde ich euch die Daumen drücken und werde es euren Auftritt genießen.

[MT] Hoffentlich, ja. Genauso wie wir.

Ich schwöre.

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