Was ist nicht alles in den letzten fünf Jahren so passiert? Eine Menge, wie ich finde. Die Zeit bleibt nicht stehen, und auch im Falle von VNV Nation hat sich seit dem letzten Studiowerk Transnational (2013) einiges verändert. Zuallererst hat Frohgeist und Sympathieträger Marc Jackson das Projekt von Ronan Harris für mich überraschend verlassen. Dadurch ist eine große Lücke entstanden, bei der ich mich frage, wie diese zumindest visuell zukünftig gefüllt werden soll. Im Studio ist VNV Nation aber natürlich schon seit jeher ausschließlich das Baby von Harris.
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Eher überraschend wurde das neue Album Noire jetzt ans Licht der Welt gespült. Laut Aussage von Harris hat er wohl bis zuletzt an der Platte geschnitzt. Vielleicht auch ein wenig zu knapp, wenn man bedenkt, wie früh es die Tourdaten bereits gab. Hat man sich da ein wenig zuviel Druck aufgebaut? Anyway, die Platte dreht sich jetzt im Player und alle erwarten den großen Bang, schließlich müssen sich ja fünf Jahre Wartezeit auch irgendwie bezahlt machen.
Noire beginnt sehr schwergängig und dem Titel nach auch düster. A Million eröffnet die Platte für mich wie ein Befreiungsschlag. Wo ist der Blubberpop der letzten beiden Platten geblieben? Pompös, gefährlich dröhnt es aus den Boxen, und ich habe das erste Mal nach geschätzten tausend Jahren wieder eine Gänsehaut durch Harris erhalten. Ein Opener, der bedrohlicher kaum sein kann. Dieser Trip kann nur gut werden. Doch irgendwie macht es puff und mit Armour ist alles weg. Harris versucht irgendwie den Spagat zwischen bedrohlich und lieb. Aber hey, wer würde den schwarzen Lord schon gerne in den Arm nehmen. Mit viel Hall und überladenen Synthies ist hier für mich kein Blumentopf zu holen.
God of all ist eine Hommage an die alten Zeiten. Für die Jugendlichen unter Euch: So klangen VNV mal, als es noch ein Geheimtipp war und Harris auch auf großen Szeneevents nachmittags bei Sonne spielen musste. Immersed lässt dann endlich mal wieder etwas von der Bedrohlichkeit des Albumopeners durchblitzen und ich zucke vergnügt mit dem Fuß. Hier knallt es gerade so durch die Boxen, dass ich für mich im Moment wohl den Höhepunkt der Platte erreicht habe.
Als Vorabsingle hat Harris mit Sicherheit mit When is the future? das beste kommerziell verwertbare Stück der Platte ausgewählt. Ein Stück, mit dem er eine Art Best of der Transmission und der Automatic (2011) geschaffen hat. Schöne Synthiepassagen, gepaart mit den Lyrics ist es fast schon zu poppig für den Albumtitel. Aber es ist gefällig und wird auch auf der Bühne gut funktionieren.
Was dunkel und bedrohlich startet, muss eigentlich doch ein Happy End haben, oder? Im Falle von All our sins ist es ganz gut getroffen. Es klingt majestätisch mit einer Prise Hoffnung, damit wir nicht alle mit Alpträumen einschlafen müssen. Wobei die Frage sich stellt, ob wir es überhaupt bis zum Ende der Platte schaffen. Harris hat sich, was die Länge der einzelnen Tracks angeht, nicht auf Drei-Minuten-Radiopop beschränkt, was mit Sicherheit lobenswert erwähnt werden sollte. Leider hat er sich aber auch bei den drei (!) Instrumentalstücken nicht an die berühmte Längenvorgabe gehalten. Somit habe ich das Gefühl, dass die Platte durch diese Stücke, die viel zu ruhig ausgefallen sind, komplett zerschnitten wird.
Harris versucht auf Noire alles in 74 Minuten reinzuquetschen, was ihn in den letzten fünf Jahren bewegt hat. Positives wie Negatives. Leider wirkt es dadurch leiht orientierungslos. Den Pop der letzten Platten einfach so abschütteln kann er leider nicht, die Ernsthaftigkeit, die er mit den düsteren Tracks unterstreichen will, verblasst somit leider viel zu schnell.
Tracklist VNV NATION – Noire:
- A million
- Armour
- God of all
- Nocturne No.7 (Instrumental)
- Collide
- Wonders
- Immersed
- Lights go out
- Guiding (Instrumental)
- When is the future?
- Only Satellites
- Requiem for wires
- All our sins
Anspieltipp: A million, God of all, Immersed, When is the future?
Weblinks VNV NATION:
Homepage: http://www.anachronsounds.de/
Facebook: https://www.facebook.com/VNVNation