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Interview: PETER HEPPNER

Interview: PETER HEPPNER

© Mathias Bothor

Auf die beiden neuen Alben Confessions & Doubts und TanzZwang haben wir an dieser Stelle bereits geschaut. Da es aber ja doch ein recht unüblicher Schritt ist, sich direkt mit zwei Alben parallel zurückzumelden, haben wir im Interview mal genauer nachgefragt, um mehr zu erfahren. Es ergab sich die erfreuliche Gelegenheit, ein ausgiebiges Telefonat mit Peter Heppner zu führen, um über die beiden Alben und über ihre Entstehungsgeschichte zu reden, über die Themen, sie sich auf den Alben befinden, die kommende Tour und einiges mehr. Viel Spaß bei der Lektüre!

Lass Dir den Beitrag vorlesen:
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Seit dem letzten Album sind jetzt sechs Jahre vergangen, dafür kommen jetzt gleich zwei Alben auf einmal. Wann erwuchs der Gedanke, dass ein Album nicht genug ist?
Das hat viel mit der Entstehungsgeschichte zu tun. Anders als bei den bisherigen Solo-Alben habe ich mich nur mit einem musikalischen Partner hingesetzt und die Stücke komponiert. Das war Dirk Riegner, den ich schon sehr lange kenne. Er hat auch bei den Alben davor schon mitgearbeitet. Da wir uns sehr gut und schon sehr lange kennen, ständig miteinander zu tun haben und uns sehr gut verstehen, haben wir geschaut, dass wir die Stücke zu zweit angehen. Wir haben fünf Sessions Komposition und Songwriting gemacht, dabei sind gleich 30 Stücke entstanden, was eine Menge ist. Ich habe mir die Stücke länger und mehrfach angehört und habe festgestellt, dass viel zu viele zu gute Stücke dabei waren, um da nur ein Album draus zu machen. Ein Album heißt zehn bis fünfzehn Songs. Dann wäre die Hälfte oder ein Drittel weggefallen. Da habe ich gedacht, dass es auch eine andere Lösung geben muss. Die Möglichkeit, die ich gefunden habe, konntest Du jetzt hören.

Wie habt Ihr beim Schreiben der Stücke eingeteilt, welches Stück für welches Album eher geeignet ist?
Die Idee war beim Schreiben des Albums noch gar nicht da. Dirk und ich hatten zwar auch mal darüber nachgedacht, dass man mal ein DJ-Set machen könnte, dabei haben wir uns aber eher auf die alten Stücke bezogen und gedacht, dass man da Dance-Remixe von machen und in die Clubs gehen könnte. Das war zunächst die Idee, aber als wir angefangen haben zu komponieren, haben wir nur gedacht, dass es gut wäre, ein paar tanzbare Stücke dabei zu haben. Ich habe ja schon immer tanzbare Musik gemacht, die mit auf den Alben dabei war, auch mit Wolfsheim schon. Es ist eigentlich auch ein Muss, tanzbare Stücke dabei zu haben. Das will ich auch selber, das gehört zu einem Album dazu, wenn es ein Pop-Album ist. Das war uns sowieso klar. Ich habe das dann ein bisschen verstärkt gemacht, weil wir auch im Hinterkopf hatten, dass wir vielleicht auch mal etwas Clubbigeres machen wollen. Da war aber noch gar nicht die Frage da, ob es nun ein extra Tanz-Album geben wird. Das kam erst im Anschluss, als ich mit dem Ergebnis da saß und nicht wusste: Was mache ich da jetzt mit? Dann habe ich darüber nachgedacht, wie man das aufteilen kann. Es gab auch die Idee, das sprachlich aufzuteilen, also ein deutsches und ein englisches Album zu machen, aber am Ende fand ich die Idee mit dem Tanz-Album am schlüssigsten und auch künstlerisch betrachtet am interessantesten.

© Mathias Bothor

Bei TanzZwang habe ich gesehen, dass die Stücke allesamt Remixe sind. Wie habt Ihr entschieden, wer welches Stück „zugeteilt“ bekommt?
Der Plan, der bei der Produktion dahinter stand war, zehn verschiedene Stücke an zehn verschiedene Produzenten zu geben und es wirklich wie einen Remix rauszugeben. Wir haben relativ wenige Vorgaben gemacht. Wir haben nur das Projekt erklärt und gesagt: „Seid Euch darüber im Klaren: Ihr macht das Original.“ Das heißt, die Gesangslinie muss da sein, da kann man nicht nur einen Satz rausnehmen und endlos drauf rum reiten, was bei Remixen ja gerne mal passiert. Wir haben schon klar gemacht, dass die Gesangsstruktur erkennbar und da sein muss. Ansonsten haben wir keine Vorgaben gemacht. Da ich keine Ahnung von Produzenten habe – ich höre Musik, aber beschäftige mich wenig damit, wer was produziert hat und im Dance-Bereich erst recht nicht – habe ich meinem Label gesagt, sie sollen Produzenten für mich suchen. Das sollte so breit gefächert sein, wie es irgendwie möglich ist, sowohl altersmäßig als auch stilistisch. Ein schön weites Feld sollte es werden. So ist es passiert. Ich kann Dir gar nicht genau sagen, welcher Beweggrund wann und wie dafür gesprochen hat, dass bestimmte Stücke an bestimmte Leute gingen, ich kann Dir nur sagen, dass ich am Ende mit der Auswahl zufrieden war und zugestimmt habe.

Es sind nun zwei Alben. Gibt es denn eins, das Du als Haupt-Album sehen würdest oder siehst Du die gleichwertig?
Was das Songwriting angeht, sehe ich die Alben komplett gleichwertig. Nun ist es aber so, dass ich bei der Confessions & Doubts nicht nur bei jedem Schritt des Songwritings dabei war, sondern auch bei jedem Schritt der Produktion. Das heißt: Das ist mehr das Heppner-Album. Bei TanzZwang habe ich die Stücke im Grunde schon früher „freigelassen“ und mich in die Produktion nicht eingemischt. Aber vom Songwriting her sind beide Alben gleichwertig. Da würde ich keine Unterschiede machen.

Im Vorfeld war die Single Was bleibt? mit Joachim bereits ein großes Thema. Es wurde schon viel drüber gesprochen, ich würde dennoch auch gerne kurz fragen: Wie hat sich die Zusammenarbeit nach 20 Jahren wieder angefühlt?
Es war lustig, muss ich sagen. Das ist erstaunlich, wie gleich man in 20 Jahren bleibt und erstaunlich, wie sehr man sich verändert. Beides hat zu dem einen oder anderen Lacher geführt auf beiden Seiten. Aber es war schon sehr gut. Also ich habe ihn wiedererkannt…

…trotz Bart…
(lacht) Ja, sowohl äußerlich als auch innerlich haben wir uns wieder erkannt. Wir sind uns beide treu geblieben. Das führt dazu, dass man sich auch vom Typ her wiedererkennt. Es war sehr lustig. Heutzutage würde man wahrscheinlich sagen, das war so ein bisschen retro (lacht), weil man sich eben auch ständig an vor 20 Jahren erinnert fühlt. Es war interessant und toll und hat Spaß gemacht.

Natürlich sind noch viele weitere Stücke auf dem Album drauf. Mir ist zum Beispiel Gib mir doch ‘n Grund aufgefallen.
Das Sauflied.

Genau. Ich habe mich gefragt: Gibt es „Carlos Eck“ wirklich? Auf welchem Hintergrund entstand das Stück?
Es gab Carlos Eck wirklich, das gibt es jetzt leider nicht mehr. Das war ein italienisches Restaurant direkt um die Ecke bei mir, wo Dirk und ich während der Komposition ständig eingekehrt und versackt sind. Mittlerweile gibt es Carlos Eck leider nicht mehr. Das gab es nur anderthalb oder zwei Jahre. Also ziemlich genau, während wir die Songs geschrieben haben. Der hatte kurz vorher aufgemacht und kurz danach Schluss gemacht. Daran sind nicht wir schuld. Wir waren ja da und sind eher dafür verantwortlich, dass er ein paar Monate länger machen konnte. Wir hatten da wirklich sehr sehr nette Abende. Deswegen war es mir ein Bedürfnis, Carlos Eck noch einmal unsterblich zu machen. Es hieß nicht wirklich so, aber es war für uns Carlos Eck, weil es direkt an der Ecke gegenüber von meinem  Büro war. Damals habe ich mir gedacht: Wenn es mir so gehen würde und ich irgendwo sitzen würde, dann wäre es bei Carlo.

© Mathias Bothor

Was mir auch aufgefallen ist, war Theresienstadt: Hinter der Mauer, inspiriert von Die Kinder der toten Stadt. Wie wichtig ist es Dir, die Erinnerung am Leben zu erhalten? Die Zeitzeugen werden ja immer weniger.
Das ist mir sehr wichtig! Das ist der Hauptgrund, weswegen es das Projekt Die Kinder der toten Stadt überhaupt gibt. Da geht es darum, Mittel und Wege zu finden, die Erinnerung wachzuhalten und nachempfindbar für Kinder und Jugendliche zu halten, die nicht mehr in der Lage sein werden, mit Zeitzeugen zu sprechen. Das ist mir sehr wichtig, da ich persönlich das große Glück hatte, dass ich noch Zeitzeugen treffen konnte, dass ich noch Zeitzeugenberichte sehen konnte und dass es einfach Leute gab, die mir sagen konnten: „Nein, das ist nicht gelogen, das hat tatsächlich stattgefunden. Und es war sogar noch viel schlimmer, als man es darstellen kann.“ Das ist ja eine ganz andere Authentizität, wenn da jemand steht und aus seiner persönlichen Sicht erzählt.

Gerade bei manchen aktuellen Strömungen finde ich es wichtig, die Erinnerung aufrechtzuerhalten. Sind es denn auch diese, die zu einem Titel wie Fremd in diesem Land führen oder ist das eine ganz andere Thematik?
Ich warne immer ein bisschen davor, gerade auch was Fremd in diesem Land angeht, alles über einen Kamm zu scheren und in einen Topf zu werfen. Das finde ich in der aktuellen Diskussion auch immer schwierig, dass der Vergleich mit dem Dritten Reich schnell zur Hand ist. Das ist gerade angesichts der unglaublichen Opfer, die manche Leute in der Zeit gebracht haben, ein bisschen schwierig. Daher ist das schwierig, die heutige Flüchtlingsthematik mit der geplanten Auslöschung ganzer Völker in einen Topf zu werfen. Das finde ich eher beleidigend und viel zu vereinfachend, sich heute hinzustellen und diesen Vergleich zu ziehen. Da habe ich ein ganz großes Problem mit. Daher würde ich Fremd in diesem Land in keiner Form mit Theresienstadt vergleichen wollen.
Fremd in diesem Land hat einen ganz anderen Hintergrund. Es geht darum, dass es ganz verschiedene Gruppen von Menschen in diesem Land gibt, die sich hier offensichtlich nicht oder nicht mehr wohlfühlen, oder noch nicht. Das finde ich sehr interessant, sich damit zu beschäftigen, woher es kommt, dass ganz verschiedene Leute sagen, sie fühlen sich hier nicht zuhause. Die Leute kommen aus unterschiedlichen Richtungen und beide landen beim gleichen Ergebnis. Bei meiner künstlerischen Beschäftigung mit dem Thema bin ich zu dem Punkt gekommen: Es machen beide nicht alles richtig. Da ist der eine, der nicht will, dass sich etwas verändert und will, dass es wieder so ist wie früher und da ist der andere, der sich nie umgewöhnen will und es so wie bei sich zuhause haben will. Im Grunde machen beide den gleichen Fehler, dass sie sich das Fremde nicht bekannt machen wollen, dass sie sich nicht umgewöhnen wollen, sich nicht auf die neuen Umstände einlassen wollen… Das führt dazu, dass man nicht heimisch wird.

Im Anschluss an Fremd in diesem Land folgt Im Nebel, von Hermann Hesse. Wie kamst Du auf das Gedicht? Was hat Dich zur Vertonung bewogen?
Das ist mein absolutes Lieblingsgedicht und ich finde, es ist eines der großartigsten Gedichte, die überhaupt jemals in deutscher Sprache geschrieben wurden. Deswegen habe ich es schon mehr als die Hälfte meines Lebens im Kopf, es begleitet mich quasi. Als ich das Stück Musik geschrieben hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis ich dachte: Das könnte funktionieren. Ich habe es einfach versucht und fand es phänomenal.

Es wurde sozusagen langsam Zeit?
Jein. Es war nicht so, dass ich danach gesucht hab im Sinne von „ein tolles Gedicht, da muss man mal ein Lied draus machen“. Normalerweise sind Literatur-Vertonungen und vertonte Gedichte eine ganz schwierige Sache, das geht meistens in die Hose. Deswegen bin ich da gar kein Fan von. Auf die Idee bin ich so auch noch nicht gekommen, das ist erst jetzt passiert, weil es sich für mich aufgedrängt hat. Ich kann Dir auch nicht sagen, warum. Ich fand das passte zusammen und dann wollte ich es auch nicht davon abhalten, zusammenzukommen.

© RCA Deutschland / Sony Music

Wenn Du die Alben als Ganze betrachtest: Hast Du da eine gewisse Erwartungshaltung, was Du erreichen möchtest oder ist es eher so, dass Du sagst, dass das Erscheinen der Alben schon die Erwartung erfüllt?
(lacht) Ja, im Grunde genommen das. Ich finde es schon einmal toll, dass sie erscheinen. Erwartungshaltung… Ich hoffe, dass die Leute das genauso gut finden wie ich. Und dass ein bisschen was von dem ankommt, was ich da gemacht habe, denn ich finde schon, dass es tolle Alben geworden sind. Für mich ist es eigentlich ein Album. Deswegen rutscht mir manchmal raus zu sagen, es sei ein tolles Album geworden. Damit meine ich dann beide.

Ihr geht dann auch wieder auf Tour. Was kann der Zuschauer erwarten? Warum sollte er Deiner Meinung nach unbedingt vorbeischauen?
Er sollte unbedingt vorbeischauen, weil es nicht nur die beiden Alben gibt, sondern natürlich auch ältere Songs, das muss und sollte auch einfach so sein. Es wird aber natürlich auch die neuen Songs geben und wir sind nun dazu gezwungen, uns ein bisschen was zu überlegen. Da ich nun das Tanz-Album gemacht habe, was eher zu einem DJ-Set passt als zu einem Live-Set, müssen wir uns überlegen, wie wir das machen. Da werden wir noch interessante Konzepte finden und umsetzen. Ich bin selber total gespannt, wie das wird. Wir werden das auf jeden Fall auf eine Art und Weise machen, die das Vergnügen am Konzert nicht abreißen lässt

Als Support ist der Leichtmatrose mit dabei. Wieso fiel die Wahl auf ein? Siehst Du eine Verbindung zwischen seiner und Eurer Musik oder wie kam es dazu?
Nein, Joachim (Witt) hat mich gefragt. Er meinte, er hätte da eine Band, mit der er schon öfter etwas gemacht hat und die würde gerne als Vorband bei mir auftreten. Ich habe mir dann angehört, was die momentan machen, weil ich sie als Band zwar kannte, aber nicht ihr aktuelles Schaffen. Das fand ich okay. Ich habe mich auch in meinem musikalischen Umfeld umgehört, die fanden es ebenfalls okay und dann habe ich zugestimmt.

Das war es soweit auch fast mit meinen Fragen. Zum Schluss würde ich gerne nach einem kurzen Ausblick fragen. Gibt es schon Pläne für das, was dann nach der Tour kommen soll?
(lacht) Danach möchte ich erst einmal ein bisschen frei haben. Dieses Jahr bin ich mit Arbeit zugeschmissen worden. Im Grunde hatte ich seit Januar dieses Jahres keinen Tag so richtig frei. Da waren ein paar dabei, an denen auch noch die Nacht durchgearbeitet wurde. Urlaub hatte ich auch noch keinen in diesem Jahr, also wäre das ganz schön, wenn ich den Dezember ein bisschen mit Freizeit ausklingen lassen könnte.

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Facebook: www.facebook.com/peterheppneroffiziell

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