WAVE-GOTIK-TREFFEN (WGT) 2018 – Montag 21.05.2018

WAVE-GOTIK-TREFFEN (WGT) 2018 – Montag 21.05.2018
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Der letzte Tag des WGT bricht an und bietet wieder allerlei Gutes im Programm. Wir waren wieder für euch unterwegs und haben Bilder und Berichte von 17 Konzerten/Lesungen mitgebracht. Viel Spass! Und lasst den Kopf nicht hängen, nächstes Jahr ist wieder Pfingsten und dann gibt es auch wieder ein Wave-Gotik-Treffen!

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agra-Treffenpark

19:15 Uhr – FADERHEAD (D)

In your face! Sami Mark Yahya aus Hamburg ist Wunderkind, Arbeitstier und ein ganz kleines bisschen auch enfant terrible. Obwohl eins muss man sagen, auch ein Typ wie Faderhead wird mal erwachsen und so ist in der zwölfjährigen Welle von den Fistful Of Fuck You–  nicht abreißen-wollenden Stampfgranaten, so wie heute abend auch mal ein langsameres Lied dabei. Trotzdem der Mann hat von der ersten Sekunde an Party gemacht! Da müssen auch die Zuschauer erst mal mitkommen. Und so zeigt er uns schonungslos, warum er in der obersten Liga bei allem, was elektrisch ist, seit einem dutzend Jahren den Ton mit angibt. Bei Every Hour Kills kommt Daniel Myer auf die Bühne und unterstützt seinen Kollegen. Bei All The Devils greift Sami sogar selbst zur Gitarre, was wer den Künstler selbst kennt eher selten vorkommt: ein seltener und sehr spezieller Moment. Von der Show gibt es ein sehenswertes Behind The Scence Video, das Ihr Euch unbedingt anschauen solltet (verlinken). (DG)

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

20:50 Uhr – GRENDEL (NL)

Seit nunmehr 18 Jahren sorgen Grendel im Bereich Aggro-Tech für Feinstes auf dem Plattenteller und haben uns letzten Jahr mit Age Of The Disposable Body Album Nummer fünf ins Regal gestellt. Somit sind die Niederländer eine Instanz und gewissermaßen alte Hasen auf ihrem Gebiet, was zum einen für eine volle Agra sorgt und zum anderen für eine erlesene Setlist und darüber hinaus für Kracherstimmung in der Crowd. Die ist gespickt mit vielen Cyber-Goths – ja es gibt sie noch und ja, hier scheinen sie doch noch eine Heimat zu finden. Zu Anfang geht es noch etwas gediegener los, denn das Trio, deren Namen sich eher wie kryptische Typenbezeichnungen für Synthesizer lesen, präsentiert Songs vom neuen Album, das für Grendel-Verhältnisse etwas gedeckter ausgefallen ist. Die Performance ist wie immer sehr actionreich und emotional aufgeladen und auch vor der Bühne wird gestampft und Fäuste werden Richtung Hallendecke gestoßen. Gegen Ende des Sets gibt es dann auch noch die wohlverdienten Evergreens wie Timewave Zero und Harsh Generation. Sehr gut! (DS)

22:25 Uhr – GOD MODULE (USA)

Und dann ist es auch schon soweit: Mit God Module, dem Headliner des heutigen Abends, geht das 27. Wave-Gotik Treffen 2018 zu Ende. Das weiß auch Mark Benecke zu berichten, seines Zeichens Madendoktor und Maskottchen des WGT, dem die Ehre zuteil wird, die letzte Band anzukündigen. Er betont noch einmal, wie toll es war, immer ist, wie einzigartig das WGT auch weltweit ist und wie friedlich wir hier immer alle beieinander sind. Danke! Dann geht’s los mit God Module. Die Aggro-Tech Formation aus Florida hat auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und sich über die Zeit eine ansehnliche überaus erfolgreiche Diskographie erarbeitet. Damit ist der Headliner-Slot wohlverdient, das merkt man auch in der Agra: Die Leute sind guter Dinge und tanzen sich schon mal warm für den Auftritt. Es ist immer noch sehr voll und stickig, viele sind schweißgebadet, aber jeder findet sein Plätzchen zum tanzen. Jasyn Bangert hat seinen Mikroständer mit einem kahlköpfigen, mannsgroßen Puppentorso ausgestattet, den er mit blinkenden LEDs und allerlei Leder-Fetischkram behängt hat. Auf der Leinwand im Hintergrund sieht man hinter dem Band-Logo verschiedene verstörende Videosequenzen ablaufen. Die harshen Vocals und die stampfenden Beats dröhnen durch die Halle und treiben uns die letzten Quäntchen Flüssigkeit aus den Poren. Zum Teil tanzen sich die Leute in Trance und mir wird klar, dass Mark Benecke irgendwie recht hat, auch wenn man’s vielleicht dieser Tage ein wenig oft hört: Das WGT war auch dieses Jahr wieder was ganz besonderes und bleibt auf jeden Fall einzigartig auf der ganzen Welt! Danke, Leute! (DS)

NOCTULUS (D)

Seitdem Noctulus 2009 in der Agra spielen durfte, hat er Kultstatus auf dem WGT. Jahr für Jahr spielt er seine Musik am Walk-of-Fame für Lau. Er singt von rasierten Königinnen und goldenen Brüsten. Wobei das Dargebotene eher Kunst als Musik ist. Seine Fans hat er sicher. Dieses Jahr ohne Helm bzw. Mütze – Warum nur? (DS)

Blauer Salon

14:00 Uhr – Lesung: CHRISTIAN VON ASTER “Faunischer Schabernack – Ein Verwegenes Satyrspiel am Rande der Vernunft”

Ein Improvisationsstück steht auf dem Plan im Blauen Salon. Der Titel lässt da schon einiges an Irrsinn vermuten und der Gastgeber des Faunischen Schabernacks ist längst ein Garant fürstlicher, literarischer Unterhaltung. Entsprechend ist die Menschenschlange wieder ewig lang. Passend zur gefühlten Erwartungsgemengelage werden drinnen von einem der Zuschauenden auch Ü-Eier verkostet, von denen sich der Meister sogleich auch selbst bedient. Und ja, es werden Überraschungstexte verlesen, aus denen der Herr von Aster in seiner unnachahmlichen Art und Weise versucht ernsthafte Geschichten zu weben. Der Schwierigkeitsgrad ist hoch, es geht immerhin auch um lila-farbene Einhörner! Indes es gelingt. Zumal der Autor sich in Wort und Musik der Unterstützung von Michael Copellius versichern kann. Das Publikum ist allumfassend unterhalten. Es ist uns stets eine Freude, lieber Herr von Aster! (DG)

Felsenkeller / Naumanns

16:30 Uhr – GRIMNER (S)

Der Felsenkeller war am letzten WGT-Tag komplett für die Freunde der harten Gitarren-Musik reserviert. Den Auftakt machen die schwedische Folk-Metal Band Grimner. Der Felsenkeller ist gerade einmal zu einem Viertel besetzt, und dass obwohl es Grimner auf stolze 15.000 Follower auf ihrer Facebook Seite bringen, gerade ihr 10-Jähriges mit einer Geburtstagstour feiern und ihr neues Album Vanadrottning promoten. Das WGT-Publikum scheint doch nicht so metal-afin zu sein, wie man ursprünglich vermutet hat. Die 80-100 zumeist männlichen Besucher scheinen dann doch aber richtige Fans zu sein und unterstützen ihre Männer aus Motala standesgemäß im allseits beliebten Metaller-Fünfkampf: Mähne-Schütteln, mit Hingabe auf die Brust schlagen, das Horn gen Bühne erheben, Faust gen Himmel recken und in brüderlicher Umarmung bekannte Textzeilen mitgröhlen. Dazu eignet sich die Spielart des Metal, die Grimner zum Besten geben, ganz hervorragend. Die setzen nämlich vorrangig auf die Gute-Laune Sparte im Folk-Metal, also wie ich es nenne: die Hoch-die-Hörner- und Tavernen-Bretter, wie man sie von Bands wie Heidevolk gewöhnt ist. So sieht die gesamte Truppe auch eher wie eine Horde streunender Vaganten auf Wiking, als bierernste genre-ergebende Trve-Metaller. Trotzdem kommen eine ganze Reihe der Riffs überraschend fett und hart rüber und auch mit ihren Melodien besticht die Band aus Schweden, die sogar einen Song über Skyrym im Repertoire hat. Spaß hat das allemal gemacht. (KS)

18:00 Uhr – EMINENZ (D)

Ja, es gibt sie noch! Und ja, ich gebe es zu: ich habe hauptsächlich wegen ihnen an diesem WGT-Montag meinen Weg in den Felsenkeller gemacht. Immerhin haben Eminenz aus Annaberg-Buchholz schon die Stage mit Mayhem und Rotting Christ geteilt und zählen mit ihrer Gründung 1989 zur Second Wave of Black Metal – ein paar echte Klassiker, ein paar richtige Urgesteine. Das hört man immer noch und ist es auch in den letzten Jahren etwas ruhiger um sie geworden (das letzte Album Nemesis Noctura ist von 2011), die Band fühlt sich den alten Werten des Black Metal noch tief verwurzelt und haben diese auch nie aufgegeben. Das erfüllt mich mit tiefem Respekt. Die Anzahl der Zuschauer im Publikum hat sich nicht geändert. Eine gute Anzahl an Fotografen hat sich vor dem Graben eingefunden, trauen sich aber nicht rein. Es hat sich wohl rumgesprochen, dass Sänger Leviathan ab und zu Fleischbrocken und Därme von der Bühne wirft. So könne man besser in Deckung gehen, sagt man. Dergleichen gehört zwar eher in die Geschichtsbücher, aber der auffällig auf die Bühne platzierte Ritual-Kelch lässt mich vermuten, dass man sich in der ersten Reihe doch auf die eine oder andere “feuchte” Show-Einlage einrichten solle (Was dann tatsächlich auch so passiert und noch lange nach dem Konzert für Gesprächsstoff selbst bei den Securities sorgt). Die nächste Stunde wird roh drauflos geprügelt. Zugegeben der Zugang von Eminenz hat, euphemistisch ausgedrückt, wenig progressives. Es gibt da draußen sicherlich viele Bands mit mehr Tiefe, Innovation und Fingerfertigkeit am Instrument. Aber die Männer aus Sachsen machen giftigen, bitterbösen, abgründigen und tiefschwarzen Black-Metal der grobschlächtigen, ungeschliffenen und rauen Art, ehrlich und nach fast 30 Jahren immer noch unverbraucht. Sehr gutes Konzert! (KS)

19:30 Uhr – WOLFCHANT (D)

Nun Leute, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und auch bei Wolfchant scheiden sich die Geister.  Auch ich muss zugeben, was bei Grimner noch ziemlich sympathisch und einfallsreich rüberkam, wirkt bei Wolfchant bisweilen bemüht, kalkuliert. Und das ist manchmal wirklich ärgerlich. Gefühlt haben sich nun ein paar mehr Metal-Heads eingefunden, um der Mischung aus epischen Hymnen, bombastischen Riffs und zeitlosen Melodien zu lauschen. So beschreiben es die Männer aus St. Oswald und deren Fans zumindest selbst, Spötter hingegen ordnen den paganen Metal von Wolfchant eher in die Sparte “Festzelt-Metal” ein. Auf der Bühne ist ziemlich viel los, denn die Band tritt wie gewohnt gesanglich mit doppelter Spitze auf: Lokhi und Nortwin, die sich mit gutturalen Screams und sonorem Clean-Gesang alternierend die Stichworte geben. Saiten, Keyboard und Drums liefern drumherum handwerklich gut gemachte Hausmannskost, ohne große Überraschungen und ohne viel Abwechslung. Wie bereits erwähnt, setzt man hier musikalisch, wie bei der Performance auf Alt-Bewährtes und alles, was sich in dem Genre eben gut anfühlt. Das Publikum ist somit eher auch zum feiern da, Anekdoten zum nächsten Song und Ankündigungen werden zum Teil wenig schön und rüde abgebügelt. Ist nicht schön, das mit anzuschauen. Das Liedgut hingegen kommt gut an und trifft auf viel Gegenliebe. (KS)

Moritzbastei

19:30 Uhr – DAGEIST (F)

Zum Heer der WGT-Debütanden zählt in diesem Jahr auch das Dark-Wave, New-Wave, Cold-Wave Duo Dageist. Die Band aus Lille ist sichtlich aus dem Häuschen, nicht nur ob ihrer Teilnahme in diesem Jahr, sondern auch darüber,  sich einen sehr exponierten Slot in der Tonne der Moritzbastei ergattert zu haben. Dageist gibt es nämlich noch gar nicht so lange. Erst im letzten Jahr erschien ihr Debüt-Album 40 bei Danse Macabre, dem Label von Szene-Urgestein Bruno Kramm. Die Franzosen sind voller Spielfreude und präsentieren ihr emotionsgeladenes Set, das bis oben hin voll mit stakkativen Beats und melancholischen Retro-Momenten ist, sehr enthusiastisch und beziehen vom ersten Moment ihr Publikum in die Performance ein. Dieses ist sehr zahlreich vertreten und lässt sich von soviel Begeisterung gern anstecken. Auch wenn viele heute Abend sicherlich vor allem jetzt schon wegen Headliner Still Patient? in der Moritzbastei da sind, haben sie nun mit Dageist eine neue sympathische Band auf dem Zettel, die es sich zu merken lohnt. Dageist haben ihre Chance genutzt und dürfen gern im nächsten Jahr wiederkommen. (KS)

22:40 Uhr – STILL PATIENT? (D)

Für die Wormser Still Patient? ist das Konzert am WGT-Montag ein ganz besonderes Ereignis, denn da feiern sie – unglaublich, aber wahr – das dreißigjährige Bestehen ihrer Band. Still Patient? ruhen sich jedoch nicht auf dem Ruhm vergangener Jahrzehnte aus und kommen nicht mit leeren Händen, sondern haben am 18. Mai ihr aktuelles Album Zeitgeist Weltschmerz veröffentlicht. Musikalisch bleiben sie ihrem Gothic-Rock Stil treu und liefern düstere und leidenschaftliche Hymnen, die sich nicht nur in ihrem Set in der Moritzbastei perfekt zu ihren älteren Hits fügen. Das einzige Manko des Konzerts ist die Location, die für einen Auftritt einer solchen Größe der Szene maßlos unterdimensioniert ist. Das nächste Konzert von Still Patient? findet wieder auf einer etwas größeren Bühne statt, nämlich am Black Castle Festival in Mannheim. (JB)

Täubchenthal

19:40 Uhr – THE FRIGHT (D)

The Fright aus Hermsdorf in Thüringen übernehmen die Stage des Täubchenthals gegen 19:40 Uhr und mühen sich redlich, ihre Songs an den Mann und die Frau zu bringen. Allerdings ist der Sound am heutigen Tage ziemlich dumpf und so fällt es schwer, die Songstrukturen ihrer besonderen Mixtur aus Horrorpunk und Sleaze Rock hörbar wahrzunehmen, was die Tracks für Zuschauer die mit ihrem Oeuvre nicht so vertraut sind, leider recht gleichförmig wirken läßt und sie dadurch ein wenig ihrer Eigenständigkeit beraubt. Schade, bei besserem Sound wäre da sicher mehr drin gewesen, Potential hat die Band bekanntermaßen allemal. (MG)

21:10 Uhr – GRAVE PLEASURES (FIN)

Ein ähnliches Schicksal erleiden im Anschluss auch die Finnen Grave Pleasures, welche 2015 aus den wundervollen Beastmilk hervorgegangen sind, die wiederum vor vier Jahren auch schon einmal beim WGT dabei waren. Gerade bei Ihnen fällt es heute wirklich schwer, die einzelnen Songs herauszuhören. Dabei haben sie eigentlich ein recht starkes Set im Gepäck, das seine Wirkung aber leider nicht entfalten kann. Und so verpuffen Hits wie Deadenders oder vor allem Death Reflects Us leider viel zu sehr, um einen bleibenden Eindruck bei potentiellen neuen Fans zu hinterlassen. (MG)

22:40 Uhr – THE OTHER (D)

Deutlich eindrucksvoller ist dann der abschließende Auftritt von The Other aus Köln, die sich als würdiger Tagesheadliner erweisen und für einen tollen Abschluss des WGT im Täubchenthal sorgen. Zwar ist der Sound auch jetzt noch grenzwertig, doch sind die Songs deutlich eingängiger, werden sofort erkannt und mit ihren Hymnen haften Refrains ordentlich abgefeiert. Die Stimmung ist großartig, immer wieder recken die Fans die Arme zur Hallendecke und zelebrieren sowohl die neuen Songs des aktuellen Albums Casket Case wie den eröffnenden Kracher A Party At Crystal Lake, als auch Klassiker wie Hier Kommt Die Dunkelheit oder Back To The Cemetery! Wieder einmal zeigen The Other, dass man jederzeit auf sie zählen kann und jeder Auftritt eine wahre Horrorpunkparty wird, Danke! (MG)

Volkspalast

Die Kuppel des Volkspalastes misst im Durchmesser 32 Meter und erinnert ein bisschen an das römische Pantheon. Das ist kein Zufall, sollte in dem 1913 errichteten Gebäude doch industrieller und nationaler Stolz mit heroischer, neoklassizistischer Ästhetik verbunden werden. Mit dieser Ausstrahlung ausgestattet, schreit der Volkspalast geradezu nach Konzerten aus dem Neo-Folk, Neo-Kassik, Martial-Industrial-Bereich, angrenzenden und auch zum Teil sehr speziellen musikalischen Gebieten und wird auch auf dem WGT vorrangig damit immer wieder belegt. Im Volkspalast trifft sich der Underground vom Underground. Der Veranstaltungsort bietet dabei zwei Spielstätten Obdach: der Kuppelhalle selbst und der etwas kleineren Kantine. Das Besondere daran ist, dass beide Orte alternierend ohne große Pausen bespielt werden können und man bequem zwischen den Locations wechseln kann. Hakt es jedoch einmal bei einer davon, müssen notgedrungen auch alle anderen warten, was Besucher, Künstler und Mitarbeiter an diesem letzten Festival-Tag leidvoll zu spüren bekamen. (KS)

16:00 Uhr – SARIN (D, Kuppelhalle)

Wenn man das tödliche Nervengift Sarin vertonen würde, dann würde es wahrscheinlich genauso klingen wie das Projekt von Emad Dabiri, der aktuell in Berlin ansässig und musikalisch so umtriebig ist, dass er nicht nur regelmäßig Remixe für andere Künstler produziert, sondern auch noch seine Finger in weiteren Projekten wie Konkurs, Nostromo oder Human Performance Lab hat. Bei Sarin gibt es einen Mix aus Minimal Techno und Oldschool-EBM-Klängen zu hören – kalt, roh und düster. Das Visuelle passt zum Tenor der Musik und wenn Emad in Ledermaske und Bomberjacke auf die Bühne marschiert, kann man schon einmal für einen Moment das Atmen vergessen – und auch, dass sich der gesamte Zeitplan des Tages wegen Blixa Bargelds üppigen Soundchecks um über eine Stunde verzögert hat. Sarin liefert ein kreatives Set, das man auf seinen Releases so garantiert noch nicht gehört hat und hämmert das Publikum gnadenlos ins Delirium. Wer nach über eine Stunde Sarin noch einen klaren Gedanken fassen kann, ist nicht da gewesen. Bei dem ansonsten eher konservativen Line-up des WGT ist dieses Konzert ein erfrischendes Highlight, von dem es in Zukunft ruhig etwas mehr geben könnte. (JB)

20:30 Uhr – AUTHOR & PUNISHER (USA, Kuppelhalle)

Wir erreichen den Volkspalast etwa 20 nach neun. Eigentlich hatten wir vor, uns den schwedischen Künstler Trepaneringsritualen und seinen fatalistischen Blick auf das Ende der Welt anzuschauen, aber man teilt uns mit, dass man in beiden Locations rund eine Stunde hinter dem Plan ist. Und da man die Feste ja bekanntlich feiern soll, wie sie fallen, kommen wir somit grade richtig zum Start des Sets von Author & Punisher. Zum Glück, wie sich herausstellen soll, denn zumindest ich hatte das US-Amerikanische Ein-Mann-Projekt bisher noch nicht auf dem Zettel. Tristan Shone verwirklicht seine Interpretation von Industrial-Doom/Drone, indem er sich selbst in die Maschine begibt. Mit dieser, einem Ungetüm aus Voice-Verzerrern, Klangerzeugern, diversen Synthesizern und allerlei weiteren Apparaturen, die man besser dem TÜV in diesem Land nicht zeigen sollte, interagiert er quasi symbiotisch und entwirft eine Dystopie aus Inferno, metallischem, ohrenbetäubendem Weltuntergang in einem poetischen, eisernen Reigen. Tristan Shone hat als Maschinenbauingenieur dieses metallene Ungetüm selbst entworfen und Author & Punisher dadurch zu einer Art Trent Reznor der industriellen Post-Apokalypse gemacht. Im Hintergrund laufen die verstörenden Bilder der U-Bahn-Szene aus Andrzej Zulawski’s Possession (1981) mit der erstaunlichen Isabelle Adjani. Author & Punisher ist auf jeden Fall meine persönliche Neuentdeckung des diesjährigen WGTs! Wer nicht da sein konnte, sich aber mal einen Eindruck verschaffen möchte, kann einen Blick auf das Boiler Room Berlin Live Set riskieren. Unbedingt empfehlenswert! (KS)

21:35 Uhr – TREPANERINGSRITUALEN (S, Kantine)

Wir bleiben sehr speziell und werden sogar noch finsterer. Trepaneringsritualen aus Göteborg verbindet in seiner Kunst Bild, Ton und Aktion. Musikalisch ist Thomas Martin Ekelund dem Ritual-Ambient und Death-Industrial zuzuordnen. Spontan fällt dabei den Älteren unter uns nur ein Label ein, das wie kein anderes Heimat für diese und ähnliche Art von Ausdruck war: Cold Meat Industry. Alles an der Performance von Ekelund scheint das zu atmen und steht in der Tradition dieser alten Schule. “We hang ourself from trees and crosses. We bleed and suffer. All in roaring silence. Eternity is but an instant. The world is agony.” – lesen wir auf der Facebook Präsenz von Trepaneringsritualen. Und tatsächlich die Musik ist klaustrophobisch und voller Selbstzerstörung. Da ist keine Hoffnung und auch der Tod scheint keine Erlösung zu sein. Die menschliche Existenz wird zu einem endlosen, stampfenden, kreischenden Reigen der Qual, der Dunkelheit, des Schmerzes und in einem ewigen Betteln um Erlösung zu einem Lehrstück in dem, was sich Menschen gegenseitig anzutun vermögen. Die ersten beiden Songs performt Ekelund, das Gesicht verborgen hinter einem schmutzen Leinensack, von seinem Gürtel baumeln seltsame Fetische, Knochen und andere ritualisierte Symbole. Im dritten Stück offenbart er sein Antlitz: eine blutverschmierte, schmerzverzerrte, bärtige, halbwahnsinnige Fratze. Im Hintergrund laufen abwechselnd religiöse Hinrichtungsszenen, mal ritualisiert nachgeahmt aus der Gegenwart, mal authentisch erstarrt auf Kupferstichen aus der frühen Neuzeit, dann wieder Fotos von Séancen aus dem Symbolismus, dann eine Ecce Homo-Darstellung aus der Renaissance. Bilder, Aktion und Musik verschmelzen hier zu einem Gesamtkunstwerk und hinterlassen einen verstörenden und tiefen Eindruck, der mich bestimmt noch sehr lange begleiten wird. Sehr beeindruckend, aber nicht für jeden aushaltbar. (KS)

22:40 Uhr – TEHO TEARDO & BLIXA BARGELD (I/D, Kuppelhalle)

Die markerschütternden Weltuntergangsvisionen von Ekelund noch in den Knochen stolpern wir wieder rüber zur Kuppel. Dort hat sich, als letzter Act und Headliner des Abschlussabends eine lebende Legende angekündigt. Unter der Kuppel falten sich die Besucher wie Origami in den seltsamsten Verrenkungen um die noch leere Bühne. Die Luft flirrt vor gespannter Erwartung. Jeder will nachher zumindest einmal einen kleinen Blick auf den Meister erhaschen. Dessen letztes Ergebnis aus der Zusammenarbeit mit Teho Teardo, der heute Abend zu schlichtem Schmückwerk verkommen soll, trägt den Titel Nerissimo (das, der Schwärzeste). Damit hat es das Duo sogar in die Feuilletons geschafft. Jahaa! Somit ist man ganz ernsthaft unterwegs, ab jetzt gewissermaßen sogar zertifiziert. Es hält sich standhaft das Gerücht, dass jeder Besucher, ob unter der Kuppel oder in der Kantine, ob Künstler (Debütant oder alter Hase), Staff oder Besucher, seit die Türen geöffnet hat warten müssen, weil Blixa einfach mal noch n bissl üben wollte und dabei vergessen hatte, dass er eben nicht auf seinem Blixa-Konzert, sondern auf einem Festival ist.  Aber ein so ernsthafter Künstler darf das und man kann davon ausgehen, dass es sich lohnt. Oder? Selbstverständlich! Der Klang ist überwältigend, der Sound ist ohnegleichen. Stopp!!! Die Miene von Teho Teardo ist eine einzige Entschuldigung. Das Lächeln der übrigen Musiker die exakte Kopie von dem Millionen Hotelangestellter rund um den Globus. Blixas Stimme: Wie Fingernägel auf ner Tafel, als er die Leute von der Technik anpöbelt … Verzeihung, maßvoll zurechtweist, dass er seinen Text auf dem Monitor nicht lesen kann. Mensch Leute, da hattet ihr ja ne richtig konstruktive Arbeitsatmosphäre heute Nachmittag. Dann geht’s aber wirklich los. Der Klang ist überwältigend, der Sound ist ohnegleichen – wie aus dem Studio … gähn, was? Und da sind wir bei der musikalischen Manöverkritik. Nerissimo ist nun mal leider lauwarmes, bemühtes Arthouse-Theater. Das Genre der Neo-Klassik, wenn man das denn grob zum Vergleich bemühen möchte, hat in den letzten Jahren deutlich innovativerer Perlen zutage gefördert. Die obligatorischen, musikalisch aber wenig geschätzten Streicher weben vor sich hin, ohne erkennbare Muster zu erzeugen oder Spannungspunkte zu setzen und spinnen einen meditativen Teppich, mit der Aufgabe einen einzulullen, aber nicht so viel, dass man wegdämmert. Dann Teardo: Ohne Zweifel ein exzellenter Komponist und Meister an der Gitarre, aber Mensch, Junge: Wo bist du? Setzt eher auf stimmigen, runden Wohlfühl-Minimalismus, als auf Dein Können und schaffst es nicht einen Kontra-Punkt zu setzen, zur Blixa-Show. Das wäre doch mal spannend gewesen: Zwei Musiker dieses Kalibers, die aneinander Reibung erzeugen. So gibt es wenig Kontrast für Bargelds anstrengende Exaltiertheit, der merkwürdigen, verquasten Elfenbeinturmlyrik, die den Zuhörer einfach mal nirgends abholt und einer Musik, die plätschert wie ein warmes Bad und dabei die Tiefgründigkeit nur vorgaukelt. “Oh Father, Tell Me Are You Weeping?” (KS)

Westbad

17:00 Uhr – SEELENNACHT (D)

Den letzten WGT-Tag starten wir im Westbad düster-romantisch. Seit 2010 steht Marc Ziegler hinter dem Dark Romantic Electro-Pop Projekt Seelennacht und sämtlichen textlichen, wie musikalischen Kompositionen der Band und die konnte sich bis zum aktuellen Album Lebenslinien in ihren Songs immer weiter verbessern. Diese erinnern zwar frappierend an Blutengel und frühe Werke des Grafen, trotzdem fühlt sich Ziegler, wie er selbst gern schreibt vor allem dem Gaslicht und dem Steampunk verbunden. Hoch emotionale Texte mit elektronischen Klängen im Spannungsfeld von atmosphärischen Träumereien und club-tauglichen Synth-Pop zu verweben ist bei sein Ziel. Ins Westbad ist er zusammen mit René-Eric Widukind gereist, um uns den Esprit seiner Vision näher zu bringen. Das ist zu Anfang gut zur Hälfte mit Besuchern gefüllt, die jedoch sehr begeistert und klatsch-freudig von der ersten Minuten mit dabei sind. Die zweiköpfige Live-Formation wirkt etwas verloren auf der großen Bühne der Location. Gerade Ziegler, der trotz seines tiefen, flächigen Timbre in der Stimme von eher zierlicher Gestalt ist, scheint sich hinter seinem Textbuch förmlich zu verstecken und für Interaktionen mit Widukind kilometerweit entfernt. Trotzdem versucht der Sänger immer den Augenkontakt mit seinen Zuhörern zu halten. Während des etwa 60-minütigen Konzerts wird das Westbad immer voller mit andächtig lauschenden Fans, die zum Ende sogar ihre leuchtenden Handys in die Höhe halten. (DS)

18:20 Uhr – KAIZER (D)

Das noch sehr junge Dark-Rock Projekt Kaizer hat im letzten Jahr mit Lebenszeitverschwendung gerade erst ihr Debüt vorgestellt und dabei schon ordentlich für Aufsehen gesorgt. Bei den WGT-Besuchern, scheint diese Neuigkeit, die am besten mit einer märchenhaften mit viel Blattgold dekorierten Mischung aus Mono Inc. und Neuschwanstein beschrieben werden könnte, noch nicht gänzlich durchgedrungen zu sein, denn das Westbad hat sich ein wenig geleert. Die Kaizers beginnen pünktlich auf die Minute und lassen es ordentlich mit gut gemachtem deutschem Dark Rock krachen. Die Set-List setzt sich fast ausnahmslos aus Songs ihres Debüt-Albums zusammen. Die sind sehr eingängig, aber auch durchaus harte Riffs und epische Klangteppiche kann man darunter finden, die jetzt schon zukünftige Hymnen wie Engel vorwegnehmen. Trotzdem ebbt die Begeisterung ungefähr nach Reihe drei etwas ab. Woran liegt das? Sind die Berliner noch nicht so bekannt? An der Musik kann es nicht liegen. Besonders zu Herzen geht die Ballade Saker Som Hon Gör, einem Imperiet Cover, bei dem uns vor allem Nina von Ackselis Gesang verzaubert. Sänger Alexander Göran Freiherr von Sperling bedankt sich trotzdem für den herzlichen Empfang und wir uns für das gute Konzert, obwohl die große Zeit für Kaizer wohl noch nicht gekommen zu sein scheint. (DS)

Tracklist KAIZER @ Westbad, WGT (21.05.2018)
  1. Willkommen
  2. Engel
  3. Ganz weit weg
  4. Feuerland
  5. Wenn die Sonne untergeht
  6. Ich befrei´ Dich
  7. Träumegrab
  8. Wann werden wir uns wiedersehen
  9. Der letzte Vorhang
  10. Du denkst an mich
  11. Question of Time
  12. Saker Som Hon Gör
  13. Ganz weit weg

19:40 Uhr – TRAUMTAENZER (D)

Der Auftritt auf dem diesjährigen WGT ist der vorläufige Höhepunkt auf der Reise zurück ins Leben der Band Traumtaenzer, aber vor allem für Sänger Marco Blum. Dieser hatte nach dem Debüt mit Der Weißer Raum (2010) am Ende des für die Band glänzend verlaufenden Live-Jahres 2012, zu dessen Höhepunkten auch der Auftritt auf dem damaligen WGT gehörte, wirklich schlimme Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Fünf Jahre dauerte der Kampf, an dessen Ende die im Dezember 2017 erschienene Single Hab Keine Angst (Was für ein Titel!) und nun der Slot auf dem WGT stehen. Viele sind schon während dem Auftritt der Dark-Rock Formation Kaizer gekommen, um sich ihre Plätze für dieses außergewöhnliche Comeback zu sichern. Traumtaenzer haben während ihrer erzwungenen Pause nichts verlernt: Die Mischung aus dunklem Goth-Rock und tanzbaren Beats garniert mit Streichwerk und dem spannungsgeladenen Gesang einer männlichen dunklen und einer weiblichen verletzlichen Stimme haben sie immer noch drauf. Die Performance sitzt, auch wenn Traumtaenzer vergleichsweise nur wenig Material präsentieren. Es gilt einfach viel aufzuholen. Marco Blum hat es sichtlich genossen wieder unter den Lebenden zu weilen und mit den Fans zu interagieren. Willkommen zurück! (DS)

Setlist TRAUMTAENZER @ Westbad, WGT (21.05.2018):
  1. Traumtänzer
  2. Fremdes Land
  3. Sehnsucht
  4. Fuer die Nacht
  5. Maschine
  6. Schattenspiel
  7. Monolith
  8. Krieger
  9. Stigmata
  10. Die Wahrheit

Foto / Author: Danny Sotzny (DS), Dietmar Grabs (DG), Joanna Babicka (JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (GM), Thomas Papenbreer (TP)

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