Am 19. September 2016 trafen wir uns mit Maik Weichert von Heaven Shall Burn in Köln zum Interview. Die Band die kurz zuvor ihr Album Wanderer veröffentlicht hatte, lud zur Clubtour welche an diesem Abend Halt im Kölner Gebäude 9 machte. Die Gelegenheit packten wir beim Schopf, um Maik Weichert, dem Gitarristen und Songwriter der Thüringer, in ihrem Tourbus ein paar Fragen zu stellen.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Wenn man ein wenig recherchiert, stellt man fest, dass Du rund 90% der Interviews gibst. Schicken die anderen Dich immer vor oder woher kommt das?
Ich habe so einen schönen Thüringer Dialekt, daher wollen immer alle mit mir reden (lacht). Nein, ganz oft kommen auch Fragen zu den Texten und da ich meist sowohl Musik als auch Text schreibe, kann ich am meisten dazu sagen.
Obwohl Du ja das meiste machst, wie viel steuern da die anderen bei? Und wie hat sich das durch den Personalwechsel am Schlagzeug nochmal geändert?
Das hat am Songwriting nichts geändert. Chris ist der beste Musiker von uns allen in der Band. Er macht das alles aber mit viel Respekt gegenüber dem alten Heaven Shall Burn Sound, wie ihn unser alter Drummer gespielt hat. Er drängt sich mit seinem eigenen Stil nicht in den Vordergrund und spielt sehr songdienlich. Wir arbeiten ja auch schon seit Jahren mit ihm zusammen, wenn unser alter Drummer keine Zeit hatte. Es fühlt sich daher nicht nach einem neuem Drummer an.
Wie kamt Ihr auf die Idee, das Album zusätzlich noch in einem alternativen Mix als Bonus-CD zu veröffentlichen?
Wir wollten den Leuten da noch etwas extra geben. Eine weitere CD zu pressen kostet heute ja auch nicht mehr viel mehr. Dafür muss man niemandem noch 10 Euro mehr abknöpfen, sodass wir sie als Dreingabe mitgeben wollten. Die Idee war, den Zuhörern zu zeigen, wie Heaven Shall Burn klingen würden, wenn man nicht die ganzen digitalen Tricks im Studio anwendet und das Ganze noch etwas fetter aufbläst. Daher heißt es auch Dark Purity Mix, da es pur und analog ist. Etwas ähnliches haben wir damals auch bei Veto gemacht, dieses Mal wurden die Songs sogar teils etwas mehr geändert, so wurde beispielsweise Mal eine Akustikgitarre für ein zusätzliches Intro eingebracht.
Wie kamt Ihr gerade auf die vertretenen Gastmusiker und waren sie Eure erste Wahl?
Wir nehmen eigentlich immer nur unsere erste Wahl. Wenn wir jemanden fragen und der hat keinen Bock, dann lassen wir das halt. Es macht ja auch keinen Sinn, da irgendein Gastspiel zu erzwingen. Bei dem Death Metal-Song (Prey To God, Anm. d. Red.) waren so viele Cannibal Corpse Elemente drin, da sagte unser Sänger direkt, dass er den Corpsegrinder (George “Corpsegrinder” Fisher, Anm. d. Red.) mit dabei haben möchte, auch weil es sein Lieblingssänger ist. Bei dem My Dying Bride Song (The Cry Of Mankind, Anm. d. Red.) hat noch das i-Tüpfelchen gefehlt und da haben wir Adi (Aðalbjörn Tryggvason, Anm. d. Red.) gefragt, denn der findet My Dying Bride auch geil und er hatte sofort Lust. Das waren schon Sachen, die einem direkt einfallen. Ebenso bei Agent Orange, da ist ja der Originalgitarrist Frank Blackfire eine naheliegende Wahl.
Sind Gastauftritte den von Anfang an geplant oder fällt Euch mittendrin auf, dass da noch etwas fehlt?
Das war meist nicht von Anfang an klar, wobei bei dem Cannibal Corpse Song die Idee schon sehr früh kam.
Gibt es noch Traum-Gastmusiker die Du in kommenden Alben gerne mal dabei hättest?
Ich glaube ich hätte gerne ein paar Keyboard- und Synth-Sachen von Flake von Rammstein mit dabei. Auch weil ich gerne mal ein paar Geschichten von ihm über die Punk-Zeit in der DDR hören würde. Mich würde auch ein Mix unserer Platte von Peter Tägtgren interessieren.
Woher nimmst Du die Inspiration für viele von den spezielleren Themen, die Ihr ansprecht? Also die Themen, die etwas abseits von den offensichtlichen „gegen Krieg/Tierleid/Kindersoldaten/Walfang/…“ Themen liegen.
Also von Sadako Sasaki (Lied Passage of the Crane, Anm. d. Red.) wusste ich schon recht lange, während ich von der Schlacht in der Cable Street (Lied They Shall Not Pass, Anm. d. Red.) erst vor drei Jahren gelesen habe. Aber das ist ein ziemlich gutes Statement, wenn man mich nach meiner Meinung zu PEGIDA und so fragt. Das bleibt dann bei mir im Filter hängen und fällt mir dann später wieder ein. Von dem Völkermord an den Herero und Nama (Lied Extermination Order, Anm. d. Red.) weiß ich auch schon länger und wollte ich auch schon seit einiger Zeit einen Song zu machen. Bemerkenswert, dass es zurzeit wieder so relevant geworden ist weil der Erdogan sich darüber aufgeregt hat. Ich bin ein geschichtlich sehr interessierter Mensch und lese viel.
Wie wichtig ist Euch, dass die Zuhörer sich intensiv mit den Lyrics beschäftigen und darüber reflektieren?
Natürlich funktioniert Heaven Shall Burn auch gut für Leute, die einfach nur melodischen Death Metal hören möchten. Ich finde es aber cool, wenn die Hörer sich um die Lyrics kümmern und versuchen, da einen Zugang zu finden. Mir ist aber auch bewusst, dass das nicht bei jedem so ist. Wir sind eigentlich eine Band, der nicht egal ist, wer unsere Musik hört. Wir machen schon sehr klare Ansagen und Faschos auf unseren Konzerten wollen wir nicht. Man merkt, dass einige Bands versuchen, es sich mit niemandem zu verscherzen und bei der Wahl 8.000 CDs zu verkaufen mit klarer Ansage oder 10.000 ohne, dann verkaufen die lieber 10.000. So eine Band sind wir nicht. Aber es geht nicht soweit, dass jemand der Fleisch isst Voice Of The Voiceless nicht hören darf, gerade für solche Leute ist der Song ja ein Angebot, sich mit dem Thema zu befassen.
Was ist für dich musikalisch der beste Song von Wanderer?
Musikalisch sicher Passage of the Crane.
Und inhaltlich?
Das ist eine schwere Frage, vermutlich River Of Crimson. Es ist ein bemerkenswerter Song, da er gar nicht politisch ist. Er ist davon inspiriert, dass der Sohn von einem guten Kumpel zum zweiten Mal Leukämie hat. Und er kam dann mal an und meinte, dass wir mal einen Song darüber machen sollten, wie wichtig Blut ist. Und wenn dann so ein kleiner Kerl so begeistert von Blut ist, ist das schon beeindruckend. Daher habe ich einen Song geschrieben über diese rote Armee, die uns beschützt. Da bin ich schon sehr stolz darauf, da es ein Text ist, der mal etwas anderes ist.
Das Medienecho war ja sehr gut. Es gab auch einige sehr interessante Medien, die darüber berichtet haben, wie beispielsweise die Frauenzeitschrift GALA. Wie kam es dazu?
Die sind ja auch relativ schlau und wissen, dass wenn so eine Band in ihrer Zeitschrift stattfindet, es zu vielen Klicks führt. Sie erreichen so eine neue Reihe an Leuten, die das kurios finden. Ich kann da aber auch nichts Negatives dran finden, wenn sich die Hausfrau beispielsweise über Walfang informiert, weil das in einem Interview behandelt wird. Sollte es noch viel mehr geben.
Eure “Support Your Local Team”-Aktion ist ja auch etwas sehr besonderes, wie kam es dazu?
Es war schon immer unser Lieblingsverein und wir wollten sie bei der Sponsorensuche unterstützen. Jena ist eine Stadt im Osten, die -ungewöhnlich für die Region -wirtschaftlich sehr erfolgreich ist. Es gibt viele innovative Firmen im Internet, in der Optik und im Hochtechnologie-Bereich und trotzdem hat der FC Carl Zeiss Jena es relativ schwer gehabt, neue Sponsoren zu finden. Wir wollten zeigen, dass es da auch „coole“ oder „freshe“ Sponsoren gibt und es nicht immer die alten, auch wichtigen, Sponsoren sein müssen. Wir haben darüber einen Haufen neue Firmen als Sponsoren mitgezogen und das war ein großer Erfolg.
Der Verein ist aktuell ja auf Platz Eins, nach sieben Spielen sieben Siege…
Ja, allerdings in der vierten Liga…
…ist das auch das Ziel für Eure Charts-Platzierung, nachdem es Veto schon auf Rang zwei schaffte?
Ich denke, Platz eins wird für unsere Release-Woche sehr unwahrscheinlich, da treten wir gegen die Kastelruther Spatzen an und es gibt im Land noch mehr Omas als Metalcore-Hörer, da muss man realistisch sein.
Aber Ihr habt das schon genau im Blick?
Natürlich, zumindest die Plattenfirma. Das Azzlackz Label hat noch einen HipHopper im Rennen und Schandmaul haben eine neue Scheibe, das ist schon ganz harte Konkurrenz. Es ist ja auch Schamanentum, wie heutzutage die Charts ausgerechnet werden. Es geht da ja nicht mehr nach verkauften Einheiten, sondern nach irgendwelchen Umsätzen. Da haben wir auch bewusst gesagt, dass es schön wäre, wenn es mit den Charts klappt, aber wir beim Release nicht alles darauf ausrichten, um optimal zu charten. Ein Paket mit zwei CDs für 18,99€ wird optimal in die Bewertung umgesetzt und auf so einen Mist wollten wir uns nicht konzentrieren. Das ist auch sowas, was „normale Leute“ interessiert. Im Musikbusiness nicken die auch nur ab, wenn man sagt, dass man auf Position X war. Es ist wichtiger, bei YouTube für ein Musikvideo zehn Millionen Views zu haben, da können wir uns was drauf einbilden.
Die Tour war schnell ausverkauft. Gibt es Pläne für eine weitere, etwas größere?
Konkrete Pläne gibt es noch nicht, aber 2017 wird sicher eine größere Tour stattfinden. Dieses Jahr wird das in Deutschland die einzige sein.
Ihr arbeitet ja noch in regulären Berufen. Macht es das planen von Touren nicht sehr schwierig?
Im Gegenteil: Je erfolgreicher man ist, je einfacher geht das. Wir sind jetzt Headliner und legen Termine und alles fest und müssen uns nach niemandem richten. Wir bekommen jetzt bei einem Festival das Geld, was wir früher für zehn bekommen haben. Es ist, obwohl es paradox klingt, viel einfacher geworden.
Was ist aus Euren roten Hemden geworden, die eine Weile mal das Live-Markenzeichen waren?
Diesmal haben wir wahrscheinlich alle schwarze Hemden an, wird ja sonst auch langweilig.
Wenn Du Dir selber Musik kaufst, tust Du das in Form eines Downloads, einer CD oder Vinyl?
Ich mag keine Doppel-LPs, das würde ich mir dann eher auf CD kaufen, aber ansonsten mag ich Vinyl sehr gern. Ich streame aber auch sehr viel.
Welche Alben hast Du in letzter Zeit viel privat gehört?
Ich höre noch ganz viel die letzte Sulphur Aeon Platte, so eine „neue“ deutsche Death Metal-Band, die ich cool finde. Die letzte Heinz Rudolf Kunze Platte habe ich mir angehört, weil ich ihn ganz cool finde, aber die neue finde ich nicht so gut. Ich höre zurzeit auch viele Ballett-Sachen von Tschaikowski. So metalmäßig wären da noch die letzte Amon Amarth, die ich mir auf Vinyl geholt habe und die letzte In Extremo, da hat unser Sänger ja auch einen Song mitgesungen. Da fand ich cool, dass sie ein wenig mehr in die ältere Richtung gegangen sind. Ich habe einen ganz breiten Musikgeschmack.
Als abschließende Frage: Gibt es etwas, über das Du gerne mal interviewt werden möchtest, aber niemand stellt die Frage dazu?
(lacht) Ich weiß, dass mir ganz oft Themen einfallen, wo ich mir dann denke „Mensch, warum wirst Du das nicht gefragt“, aber wenn dann diese Frage kommt, sie ist übrigens auch nicht selten, dann fällt mir nichts ein. Früher hätte ich mich gerne öfters über Fußball unterhalten, aber jetzt kommt das natürlich oft. Ein Thema, wo ich stundenlang drüber reden kann wäre beispielsweise, wie bestimmte Sachen in der DDR waren. Dazu habe ich auf der Uni ja auch promoviert. Das ist aber auch schwer in einem Heaven Shall Burn Interview zu verpacken, das ist dann schon wieder ein anderes Hobby. Oder insgesamt über Politik, wenn ich da einen Aufhänger habe, kann ich mich stundenlang drüber auslassen. Beispielsweise, wenn wir uns darüber unterhalten würden, wie scheiße es ist, dass alles Gewinnbringende privatisiert wird und das Verlustgeschäft immer vergesellschaftet wird. Da könnte ich durchdrehen, wenn ich nur darüber nachdenke. Oder wenn Du einen Zettel von Hermes im Briefkasten hast und in der ganzen Stadt nach dem Hermes-Shop suchst, der dann eine versiffte Videothek ist. Früher bist Du zur Post gegangen und hast Dein Paket abgeholt und dass das monopolisiert in Staatshänden war, war kein Problem. Heute gibt es hundert Anbieter, von denen einer unzuverlässiger ist oder die Mitarbeiter beschissener behandelt als der andere. Das ist zu viel FDP.
Danke für das Interview! Beim nächsten Mal regen wir uns dann einfach mal über alles und nichts auf.
(lacht) Gern, danke Dir.
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