„Ladies and Gentlemen – welcome to the 21st century. The century of all crisis: political, moral, economical, ecological and individual.“
Das sind die ersten Worte, mit denen uns Chrysalide auf ihrem neuen Album Personal Revolution begrüßen. Und sie zeichnen mit ihm ein dunkles Bild: Unsere Welt befindet sich an einem Punkt, an dem wir es uns nicht mehr leisten können, nichts zu tun, wegzusehen oder Dinge hinzunehmen. „The world is totally fucked up“, um es in Chrysalides Worten zu sagen. Nun liegt es an uns, das eigene Selbst wie diese Umstände zu verändern. Das ist der ehrliche und sehr authentische Aufruf der drei Herren, der begleitet wird von Befürchtungen, Observationen, Hoffnungen und Träumen.
Musikalisch hat sich einiges getan. Stilistisch ist es zwar unverkennbar ein charakteristisches Werk der Franzosen: Harte Beats, irgendwo angesiedelt zwischen Industrial, Digital Hardcore und EBM, unnachgiebig, einnehmend, brachial und organisch. Jedoch wirkt Personal Revolution im Gegensatz zu seinen Vorgängern entschlackt, teilweise sogar ruhiger, was an der Abstinenz von Klangelementen wie Streichern oder zerbrechendem Glas liegen mag. Das macht es, zumindest in musikalischer Hinsicht, leichter verdaulich und dank Songs wie We Are Not Cursed und Substance Over Style weist Chrysalide mehr Dancefloor-Qualitäten auf denn je. Zudem bringen gesprochen inszenierte Stücke wie It Gets In The Blood ihr Neuwerk auf eine nie zuvor dagewesene theatralische Ebene. Diese stilistischen Entscheidungen kommen jedoch keineswegs von ungefähr: Es ging dem Projekt dieses Mal vornehmlich darum, ihre Botschaft zu verbreiten. Und gut verständliche Texte verlangen nun einmal, dass alles andere in den Hintergrund weicht. Wer nun jedoch enttäuscht meint, dass die Entwicklung in eine solche Richtung die Qualität mindert, täuscht sich. Chrysalide wissen genau, was sie tun und werden ihrem Anspruch, musikalische Exzellenz zu liefern, gerecht. Die Songs sind noch immer hochkomplex, gespickt von frischen, aufregenden Elementen und somit überaus einnehmend. Mit jedem Hören lassen sich neue Dinge entdecken und lieben lernen.
Fassen wir also zusammen: Chrysalide hat erneut bewiesen, dass es ein Projekt ist, das uns zum Nachdenken wie zum Tanzen zugleich bewegt, das uns emotional, intellektuell und körperlich packt – und so schnell nicht wieder los lässt. Personal Revolution ist damit meines Erachtens eines der bedeutendsten (und hoffentlich einflussreichsten) Alben dieses Jahres. Und zwar nicht nur im elektronischen Bereich sondern szeneintern gengreübergreifend.
Tracklist:
01. Welcome To The 21st Century
02. Question Everything
03. Tomorrow Is Too Late
04. We Are Not Cursed
05. Another Kind Of Me
06. Cynicism Is A Poison
07. It Gets In The Blood
08. Vote For Molotov
09. All Demons
10. Keep Calm
11. Beside The Impossible
12. Substance Over Style
13. Personal Revolution
14. I Had A Dream