Scheinbar war sich Patrick Wolf selbst über Nacht auch dieser Tatsache bewusst geworden und so trug er, nachdem er dem Weihnachtsbrauch am Vorabend in Berlin noch abgeschworen hatte, in der Bochumer Christuskirche einen leuchtend roten Nussknacker-Weihnachtspullover, was einerseits so unglaublich kitschig war, auf der anderen Seite aber genau das widerspiegelt was Patrick Wolf auch neben seinem musikalischen Wirken ausmacht, denn längst gilt er ob seiner ausgefallenen Outfits als eine Stilikone, den passenden Ritterschlag bekam er von niemand anderem als Lady Gaga, die einer seiner größten Fans ist. So einer darf das…
Kurz nach 20:30 Uhr ging es zur Freude des langsam ungeduldig werdenden Publikums los und zwar mit Patrick solo, kurze Zeit später folgten ihm dann aber seine Violinistin und ein Akkordeonspieler, die ihn bei den meisten der heutigen Songs abwechselnd oder gemeinsam begleiten. Doch auch der Multiinstrumentalist selbst ist hier natürlich alles andere als untätig und spielt Keyboard, Gitarre, Harfe, Theremin oder ganz modern am Notebook, das zwischenzeitlich dann auch für den ein oder anderen Gag über die Nutzung von E-Mail und Facebook während des Konzerts herhalten muss.
Passend zum Thema A Night Of Winter handeln heute Abend alle Songs entweder vom Winter oder wurden in dieser Jahreszeit geschrieben. Und auch seine Fans sind gut vorbereitet, denn er erhält er von einem weiblichen Fan ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk in Form eines kleinen Weihnachtsbaums, über den er sich sichtlich freut, zumal er sagt, dass er bisher noch keinen habe und das Geschenk somit absolut passend sei.
Patrick redet natürlich auch heute wieder viel, erzählt vom Leben im Studio und die gut 350 Zuschauer erfahren viele kleine Anekdoten und er schreckt dabei auch in einer Kirche nicht vor dem -natürlich versehentlich verwendeten- F*Word oder vor Geschichten über einen masturbierenden Menschen auf dem Dach seines Studios zurück. Es ist eine sehr exzentrische Show zu der auch gewollte Dissonanzen gehören und wenn ihm dann mal etwas überhaupt nicht gefällt, dann entschuldigt er sich auch mal mit einem kurzen „Sorry for being a diva“ und beginnt den Song von Neuem, denn bei aller Lockerheit wenn er über seine Songs und deren Bedeutung spricht, bleibt er eben doch ein akribischer Künstler. So vergeht dann auch wieder einige Zeit mit dem Stimmen der Instrumente, worüber er sich selbst gerne lustig macht.
Ernst nimmt er es hingegen, wenn er anderen Künstlern huldigt, wie z.B. dem Poeten Stephen Vickery, dem er nach dem einleitend vorgetragenen Gedicht How To Get There von Frank O’Hara den Song The Sun Is Often Out widmet.
Zu den musikalischen Highlights gehören heute sicher Together mit seinem feinen Beat und den umschmeichelnden Akkordeon- und Violinenklängen oder Hard Times, mit dem er einem Publikumswunsch nachkommt. Wir hören Letzteres heute in einer Akkordeon und String Version, da das Gitarrenstimmen vorab dieses Mal nicht recht klappen möchte und auch das Zeit gewinnende Frage- und Antwortspiel nicht hilft. Zumindest erfahren wir so einige weitere Eigenheiten des Halbiren, wie z.B. dass seine Augen im Sommer grün, im Winter hingegen braun seien und seine irische Familie nicht nur die beste, sondern auch die trinkfreudigste ist.
Nach gut 75 Minuten endet das Mainset, doch der zweiteilige Zugabenblock folgt nur wenige Augenblicke später. Nachdem man dem Künstler zuvor –wie es sich scheinbar nach Ansicht vieler in einer Kirche gehört- recht zurückhaltend gelauscht hat und nur nach den Songs applaudierte, stehen bei der zweiten Zugabe Bloodbeat dann alle im Publikum auf und Klatschen. Leider war dies aber auch schon die letzte Chance für heute, denn danach verabschiedet sich Patrick Wolf mit einem kleinen Weihnachtsständchen von seinen Fans, die daraufhin zufrieden die Heimreise antreten.
Autor & Fotos: Michael Gamon