Pünktlich um 20 Uhr legten Thin Lizzy los. Um es vorweg zu nehmen, der derzeitige Sänger Ricky Warwick ist eine echte Rampensau. Die Sehnsüchte einiger alten Fans nach dem alten Sänger Phil Lynott, der leider 1986 verstorben ist, wurden schnell mit dem Elan seiner Bühnenshow, sowie mit seiner ausgezeichneten Stimme, in den Hintergrund gerückt. Selbst einem Nichtkenner von Thin Lizzy wird schnell klar, dass die Band viele Hits hat, die auch andere Bands beeinflusst haben. Neben „Are you Ready“ und „Jailbreak“ durfte natürlich „Killer on the Loose“ nicht fehlen.
Mit Scott Gorham an der Gitarre ist eine der tragenden Säulen von Thin Lizzy immer noch mit dabei. Sicher steuert er die Band durch das Konzert, macht auch beim viel gefeierten „Whiskey in the Jar“ einen hervorragenden Eindruck bei seinem Soli, um dann in Reih’ und Glied mit Ricky Warwick und Damon Johnson an der zweiten Gitarre vor dem Publikum zu posen.
Groß prangt der beleuchtete Schriftzug „Thin Lizzy“ hinten an der Bühne und eine durchaus gelungene Lichtshow geben dem Konzert etwas Komplettes. Der Innenraum ist vollgefüllt, es ist sehr deutlich zu erkennen, dass viele Rocker auch oder vor allem wegen der Vorband gekommen sind. „Black Rose“ darf nicht unerwähnt bleiben. Herrlich vorgetragen. „Vielen Dank“, mag man fast sagen, das noch mal Live zu hören. Einfach gut. Exakt 50 Minuten Spielzeit, dann war ein enorm kurzweiliges Konzert und ein für mich überzeugender Auftritt vorbei.
Nach kurzer Umbaupause geht es um 21:15 Uhr mit dem Headliner des Abends los. Als Intro läuft Black Sabbath’s „War Pigs“ im Hintergrund, um dann in „Battle Hymn“ überzugehen, bevor der Vorhang zum eigentlichen Opener des Konzerts fällt und die Band in Erscheinung tritt. „Rapid Fire“ vom legendären Album „British Steel“ aus dem Jahre 1980, welches viele der bekanntesten Songs der Band enthält, lässt die Halle von Anfang an beben.
Rob Halford betritt die Bühne. Bekleidet mit einem langen Ledermantel nimmt er die „Priest, Priest, Priest“ Rufe entgegen. Die Halle ist da. Alle. Selbst in den letzten Reihen des Innenraums sind sofort alle Arme oben, als Gitarrist Richie Faulkner das Publikum dazu auffordert. Überhaupt: Richie Faulkner. Sehr guter Ersatz des kürzlich ausgestiegenen K.K. Downing, einem der Mitbegründer Judas Priests. Wirklich vermisst hat K.K. wohl niemand während des Konzerts. Der Fundus an guten Songs von Judas Priest erscheint schier endlos; Judas Priest können sich einfach bedienen und dem Publikum alles hinwerfen, es ist dankbar dafür.
Auf der Bühne stehen links und rechts überlebensgroße Dreizacke, wie sie auch auf dem Cover der aktuellen Single-Box zu sehen sind. Dazwischen auf einer hohen Treppe thronend steht das Drumset von Scott Travis. Im Hintergrund eine riesige Leinwand, auf der während des Gigs fantastische und zum Konzert stimmige Animationen laufen. Dazu gibt es eine Lasershow und Nebelwerfer, die echte Flammen imitieren. Die Show ist perfekt auf den Gig abgestimmt.
Der sichtlich gealterte Rob Halford bewegte sich meist mit Hilfe eines Krückstocks über die Bühne. Das hindert ihn aber nicht daran, eine tolle Bühnenshow abzuliefern. Kaum ein Song, bei dem er nicht mit einem neuen Kleidungsstück auf der Bühne erscheint. Zudem ist auch seine Stimme nach wie vor hervorragend. 4,5 Oktaven soll er mal in der Bandbreite mit seiner Stimme geschafft haben. Gefühlt ist es immer noch so. Und immer noch gut. Die ganz hellen Screams wollen vielleicht nicht mehr so extrem gut gelingen, wie es noch vor 20 Jahren der Fall war. Es würde sich aber auch gut auf die PA-Anlage schieben lassen, suchte man nach einer Ausrede, die es an diesem Abend allerdings nicht braucht. Auch das Cover „Diamonds & Rust“ von Joan Baez intoniert er mit seinem typischen Tremolo, welches in der Szene selten zu finden ist. Zu „Prophecy“ kommt er als Prophet verkleidet auf die Bühne, in einem Glitzer-Overall, der auch – allerdings ohne Glitzer – aus dem Equipment des Films „Der Name der Rose“ hätte entwendet worden sein können. Das Konzert macht wirklich Spaß!
Bei „Nightcrawler“ entspringt den beiden Dreizacken links und rechts der Bühne ein Funkenmeer, nachdem das Publikum schon euphorisch auf den Beginn des Songs reagierte. Es gäbe zu jedem Titel eine Story zu schreiben. Sei es, dass sich bei „The Sentinel“ Gitarrist Glenn Tipton mit Richie Faulkner duelliert oder das Scott Travis als Einleitung zum viel gefeierten „Painkiller“ ein Drumsolo vorweg spielt. Das absolute Highlight des Abends dürfte wohl das unsterbliche „Breaking the Law“ sein, welches Rob Halford und seine Mannen komplett vom Publikum singen lassen. Quasi Live-Karaoke mit ca. 4500 Menschen am Mikro. Das war ein Erlebnis und dürfte jedem Besucher in der Halle für lange Zeit in Erinnerung bleiben. Bleibt noch festzuhalten, dass natürlich die Einfahrt mit dem Motorrad auf die Bühne bei „Hell Bent for Leather“ nicht fehlte und als letzte Zugabe mit „Living after Midnight“ ebenfalls noch einer der absoluten Klassiker gespielt wurde.
2:15 Stunden Spielzeit waren gigantisch und absolut jeden Heller und Pfennig wert, einzig die hohen Kosten von 45 Euro für das aktuelle Tour-Shirt sind als Negativerscheinung erwähnenswert. Sollte jemand an diesem Abend unzufrieden gewesen sein, lag es sicher nicht an Thin Lizzy und schon gar nicht an Judas Priest.
Tracklist Judas Priest:
Intro War Pigs (Black Sabbath song) / Battle Hymn
01. Rapid Fire
02. Metal Gods
03. Heading Out to the Highway
04. Judas Rising
05. Starbreaker
06. Victim of Changes
07. Never Satisfied
08. Diamonds & Rust (Joan Baez cover)
09. Prophecy
10. Night Crawler
11. Turbo Lover
12. Beyond the Realms of Death
13. The Sentinel
14. Blood Red Skies
15. The Green Manalishi (Fleetwood Mac cover)
16. Breaking the Law
17. Painkiller (Drum solo before song)
18. Electric Eye
19. Hell Bent for Leather (Z)
20. You’ve Got Another Thing Comin’ (with Richie Faulkner guitar solo) (Z)
21. Living After Midnight (ZZ)
Autor: Dirk Wirtz
Fotos: Dajana Winkel (www.nocturnalhall.com)