Gegen 20 Uhr füllte sich die große Konzert- und Theaterhalle schlagartig und die Spannung auf das, was uns erwartete, war deutlich fühlbar. Archive sind wirklich durch viele Altersschichten hinweg beliebt – das zeichnete sich sofort ab, wenn man einen Blick ins durchaus querbeet gemischte Publikum warf. Sehr schnell wurde auch klar, dass nach dahinschmelzenden Indie- Kiddies an jenem Abend echt punktuell gesucht werden musste.
Nachdem alle ihre Plätze eingenommen hatten, das Licht gedimmt wurde und das Orchester sich unter Applaus auf der hinteren Rundung der Bühne positioniert hatte, betrat die begnadete Band um die Stimmen Pollard Berrier und Dave Penney die Bühne. Geigen ertönten und stimmten direkt ins verheißungsvolle „Controlling Clouds“ ein, das Sänger Pollard mit Hingabe dem Publikum schenkte. Alles schien perfekt, doch plötzlich hörten wir es aus einer der großen Boxen knistern. Wir dachten uns zunächst gar nichts dabei, versuchten sogar gedanklich, das immer mehr störende Geräusch irgendwie in den Song einzubauen, aber irgendwann ging im Publikum und vor allem auf der Bühne gar nichts mehr. Die letzten gesungenen Zeilen kamen in der Menge so abgehackt und verunstaltet an, dass es für keinen der Beteiligten mehr zu ertragen war. Der Band konnte man die Wut und Enttäuschung deutlich ansehen. So schnell wie sie die Bühne betreten hatten, verließen Archive diese zunächst dann auch schon wieder und nicht nur Ärger, sondern echte Sorge um den Abend machte sich im Publikum breit. Nach einigen Minuten vernahmen wir eine Ansage, dass man sich um das technische Problem kümmern werde. Mit 10 Minuten Pause sei nun zu rechnen. So weit, so gut! Als dann nach 20 Minuten ein weiterer Check durchgeführt wurde, da man nun annahm, das Problem sei behoben, und erneut ein stechender, sogar noch viel schrillerer, lauterer Ton in die fragenden Gesichter schlug, schaute man sich nur um, bedauerte die Situation und hoffte das Beste. Etwas Mut machte das Orchester, das hart gesotten noch immer auf seinen Plätzen verharrte und signalisierte, dass es nun bald weitergehen müsse. Klare Ansagen bekamen wir nun aber vom technischen Team nicht mehr. Vermutlich war ein Cinch Stecker defekt oder nicht richtig eingesteckt – zumindest hörte es sich so an. Nach und nach verließen immer mehr Gäste die große Konzerthalle, die Enttäuschung deutlich zum Ausdruck bringend. Da wurde dann die 5. Zigarette geraucht, das zweite oder dritte Bier hinunter gekippt oder gar schon über Heimfahrt sinniert.
Nach einer gefühlten Ewigkeit um – sage und schreibe – 21:15 Uhr wurde dann ein neuer Versuch gestartet. Mit Erfolg! Das Licht wurde gedimmt, die Band stürmte mit neuem Mut auf die Bühne und der charismatische Sänger Dave intonierte das mitreißende „Fuck U“, bei dem schlussendlich nicht nur die Fans, sondern auch das Orchester im Strobo- Licht zusammen mit der Band den Moment feierten. Nach diesem zweiten, „echten“ Auftakt, der nun besser nicht hätte gelingen können, ging es dann mit starken Stücken wie „Sane“ oder „Bastardized Ink“, bei welchem Rapper Rosko John der Menge ordentlich einheizte, weiter. Ein Großteil des Publikums war nun ordentlich am grooven und saugte wirklich jeden Laut auf, der von der genial beleuchteten Bühne kam, die Mal im warmen Rot, Mal im kühlen Blau strahlte. Ein weiterer Kracher erwartete uns bei „Slowing“, bei welchem das Orchester so stark zur Geltung kam, dass es gar keine andere Möglichkeit gab, sich dieser Klangkulisse hinzugeben. Generell fiel aber auf, dass trotz der großartigen Leistung des Philharmonie- Orchesters dieses oftmals hinter der klanglichen Leistung der Band zurück stand, das Ganze eher nur untermalte. Alles stand hinter der Musik Archives an diesem Abend zurück – sogar die Band selbst. Da gab es niemanden, der sich in den Vordergrund drängte, zeigte, dass er „der eine“ ist – nein! Bei Archive stand jeder Musiker an diesem Abend auf einer Stufe mit dem anderen, egal, ob er die Vocals, ein Gitarrenriff oder einen dunklen Basssound zum Gesamtwerk beitrug. Diese Achtung und Wertschätzung der Musik selbst machte die Band an jenem Freitagabend ganz besonders sympathisch.
Langsam näherten wir uns dem Ende des Sets und einige Fans nutzen somit bei „King Of Speed“ und „Bullets“ die Stimmung, um endlich aufzustehen und zu tanzen. Auch wenn ein Großteil der Menge noch auf ihren Plätzen saß, sah man hier und da Fans ausflippen vor Freude, ob sitzend oder in den Gängen stehend. Was zunächst schon fast verloren schien, konnte sich an jenem Abend noch so stark entwickeln, dass die Menge wirklich komplett geflashed war. Und so wurden die Rufe nach einer Zugabe von der Band und dem Orchester mit den beiden starken Songs „Quiet Time“ und „Numb“ beantwortet.
Archive und die Philharmonie Köln boten den Fans am 11.11.11 einen unvergesslichen Abend in jeglicher Hinsicht – ob positiv oder negativ, muss jeder selbst für sich ergründen. Für diejenigen, die durchgehalten und weiter gehofft haben, kann es nur ein unvergesslich schönes Erlebnis geworden sein.
Setlist:
01. Controlling Crowds
02. Fuck U
03. Sane
04. Finding It So Hard
05. Bastardized Ink
06. Slowing
07. The Feeling Of Losing Everything
08. Lines
09. The Empty Bottle
10. System
11. Kings Of Speed
12. Bullets
13. Danger Visit
14. Again
15. Quiet Time (Z)
16. Numb (Z)
Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken der Bandfotos.
Autorin: Tanja Pannwitz
Fotos: Michael Gamon