Erster musikalischer Act sind die immer wieder atemberaubenden In The Nursery [GALLERY] aus dem englischen Sheffield. Leider hatte ich ihre Aufführung auf dem Völkerschlachtdenkmal 2007 verpasst, doch auch die Kuppelhalle im Pantheon stellt einen äußerst reizvollen Ort für ein In The Nursery Konzert dar. Das Quartett um die beiden Zwillinge Klive und Nigel Humberstone ist eine feste Größe in der Szene und perfekt aufeinander eingespielt. Jeder Ton, jeder Drumschlag stimmt und die Stimme von Sängerin Dolores erschallt mal erhellend, mal mysteriös durch die bedrohlich, tanzbare Atmosphäre der Keyboard- und Drumsounds. Halten sich Nigel und Drummer David Elektrik doch eher bedeckt, steht Dolores als Diva graziös in der Mitte der Bühne, während Klive im Hintergrund auf die Felle eindrischt und damit so Manchem den Atem verschlägt. Neben bekannten Hits wie „Bombed“ oder „Compulsion“ haben die vier auch bereits Tracks ihres aktuellen Albums „Blind Sound“ im Gepäck, die sich bestens dem Gesamtkonzept unterordnen. Wie immer ein beeindruckendes Erlebnis die sympathischen Briten live zu sehen und natürlich besonders auch zu hören.
Der Weg zum nächsten Auftritt ist nicht sehr weit. Nur etwas die Straße herunter liegt die Alte Messe Halle 15, wo Plastic Noise Experience [GALLERY] kurz darauf mit ihrem Gig beginnen. Die Geschichte PNE’s geht ans Ende der Achtziger Jahre zurück, als die Band erstmals durch Kassettenveröffentlichungen auf sich aufmerksam machte. Spätestens mit der Coverversion von Bronski Beats „Smalltown Boy“ waren sie endgültig angekommen und ihre Tracks wurden fester Bestandteil in den Clubs und das nicht nur in Deutschland. Seit 1999 ist Claus Kruse alleinverantwortlich für PNE tätig und beim heutigen Auftritt lässt er sich nur von Technoir Mitglied Steffen Gehring begleiten, der sich aber weitestgehend im Hintergrund hält. Claus hingegen marschiert eifrig über die Bühne, singt und schreit die Songs heraus, wobei ihm gerade bei letzterem auch ein Megaphon als Stütze gereicht. Die Stimmung in der Halle ist gut und auch der Auftritt an sich weiß zu überzeugen.
Wir bleiben in der Alten Messe, wo mit Dirk Ivens Projekt Dive [GALLERY] ein echtes Highlight ansteht. Und der Wortbestandteil „light“ passt heute ganz besonders gut, denn sonst ist Dirk bei Dive auf der Bühne nur selten zu sehen, denn normalerweise dient nur ein Stroboskoplicht der Erhellung des düsterschwarzen Raums. Aber heute ist es anders, denn die Halle 15 verfügt über eine ganze Reihe von Oberlichtern und da es draußen noch hell ist, haben die Zuschauer die seltene Gelegenheit hinter „den Vorhang“ zu schauen. Nur wenige Posen benötigt Dirk um authentisch zu wirken und mit Hits wie „Bloodmoney“ oder „Snakedressed“ die Alte Messe zu beschallen. Gerade bei Dirk Ivens Projekten wie Klinik, Absolute Body Control und eben Dive wundert sich der geneigte Clubgänger oft, wie viele Tanzflächenfüller dieser erschaffen hat. Und so tanzt die anwesende Meute auch hier den gesamten Gig hindurch und erhebt den Dive-Auftritt so zu einem wirklichen Höhepunkt des Festivals.
Nun ist aber guter Rat teuer. Wie soll es weitergehen? Zeitgleich spielen jetzt die Mexikaner Hocico, die Horrorpunker The Other im Werk II und Chris & Cosey im Pantheon. Da The Other bereits angefangen hatten, Chris & Cosey meinen Plan durchkreuzen würden, später die Misfits zu sehen, entschied ich mich dafür kurz in die ersten Songs von Hocico [GALLERY] hineinzuhören und mich dann auf den Weg ins Werk II zu machen um den Misfits beizuwohnen. Draußen vor der Halle 15 hatte sich derweil eine lange Schlange gebildet und nicht jedem konnte noch Zugang verschafft werden, als Erk Aicrag auf der Bühne ordentlich loslegt. Nun tobt der Mob, denn jeder versucht es dem quirligen Mexikaner gleich zu tun. Es geht gewohnt energiegeladen zu, ich hingegen verabschiede mich nach einigen Tracks und mache mich auf den Weg zum Werk II, meiner letzten Station für heute.
Dort angekommen, hat sich auch hier bereits eine lange Schlange gebildet. Es gelingt mir noch ins Werk II hineinzugelangen, wo die letzten Vorbereitungen für das große Finale auf Hochtouren laufen. The Other hatten wohl überzeugt, soviel konnte man den Gesichtern aller Anwesenden bereits ablesen, nun kommen mit den Misfits [GALLERY] auch die Großmeister des Horrorpunks noch zu ihren Ehren. Von der Urformation ist allerdings nur noch der ehemalige Bassist Gerald Caiafa alias Jerry Only dabei, der kurz nach der Gründung 1983 zur Band stieß. Seit 2002 übernimmt er neben dem Bassspiel auch den Gesang der nicht gesellschaftsfähigen drei. Das Trio peitscht seine Hits aufs Publikum ein, aber so recht will der Funke nicht überspringen. Zu stark ist mittlerweile wohl auch die Konkurrenz in diesem Bereich geworden und auch das Publikum ist heute verwöhnt und schwelgt scheinbar mehr in Erinnerungen an alte Zeiten mit der Band, als noch Glenn Danzig oder Michale Graves den Gesang übernahmen. So ist es ein ordentlicher, aber sicher nicht perfekter Abschluss des WGT 2011 den ich hier miterlebe.
Das war es dann also, das WGT 2011 – und es hat richtig Spaß gemacht. Im Programm gab es viel Abwechslung, die Organisation hat weitestgehend perfekt funktioniert und auch sonst gibt es kaum etwas zu bemängeln. Selbst das Wetter spielte sehr gut mit, was man so nach den Vorhersagen erst nicht vermuten konnte. Danke Leipzig, wir sehen uns im nächsten Jahr wieder!
Die kompletten Fotosets zu den Bandauftritten erreicht ihr über die [GALLERY]-Links (Bildkommentare sind in der Gallery durch Anklicken der gelben Sprechblase möglich), Infos und Fotos zum letzten Tag und noch mehr Besucherfotos folgen in Kürze. Wer zudem Interesse an gedruckten Bildern hat, kann auch einen Blick in die aktuelle Ausgabe des Orkus werfen (07-08/2011), in der neben einigen unserer Fotos auch Fotos anderer Fotografen enthalten sind.
Autor & Fotos: Michael Gamon
Zurück zum Artikel
GALLERY
Zurück zum Artikel
GALLERY
Zurück zum Artikel
GALLERY
Zurück zum Artikel
GALLERY
Zurück zum Artikel
GALLERY