Stellvertretend für die schreibende Zunft hat sich Lucy von Leibnitz (Promofabrik) ausführlich mit Sänger SKIP INTRO und Klanggestalter MeCha unterhalten können und so einiges über die Entstehung der Band, ihre musikalischen Vorstellungen und das neueste Album "Dwarfs like Giants" erfahren.
Hallo ihr beiden, vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit nehmt, uns ein paar Fragen zu beantworten.
MeCha, stelle uns doch bitte deinen Mitstreiter SKIP INTRO kurz einmal vor….
MeCha: Skip ist ein unermüdlich arbeitender Musiker dessen Kompositionen einen unnachahmlichen Stil haben und immer von der Masse abweichen.
Außerdem hat er immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.
SKIP INTRO, was kannst du uns über MeCha erzählen?
SKIP: Ein Sänger und Musiker mit hohem Ideenreichtum, gib ihm ein Stichwort und er macht dir daraus im Handumdrehen einen Song. Außerdem verliert er nie das Interesse und das Ziel aus den Augen.
Eure beiden Pseudonyme bringen mich zum Nachdenken. Welche Bedeutung haben diese denn?
SKIP: Ich wollte mir für mein Musiker-Ego so einen coolen Namen wie zu den Anfangszeiten des Punk zulegen, so was wie Jonny Rotten, David Bowie oder Robert Rakete (oder so ähnlich). Eigentlich sollte "Skip Intro" mal ein Songtitel werden, aber als mir auffiel, dass Skip auch ein Vorname sein kann, war der Name geboren.
MeCha: Das ist eigentlich mein echter Name in anderer Schreibweise und wird wie Micha ausgesprochen. Das kommt daher, dass ich mein Soloprojekt früher mal ME genannt habe. Als Skip mich dann nach meinem Künstlernamen gefragt hatte, musste ich über einen "Nachnamen" nachdenken und mir ist nichts Besseres eingefallen, da mich eh jeder Micha nennt. Das können sie jetzt weiter tun. Außerdem gibt es eine geniale Definition des Begriffs "Mecha" auf Wiki.
REIZstrom gibt es seit 2008. Wie habt ihr zueinander gefunden?
SKIP: Durch Zufall über MySpace, er machte eine Anfrage bei meinem Industrialprojekt (welches es nicht mehr gibt) ich war von seinem Projekt MENSCHLICHE ENERGIE gleich so begeistert, dass ich ihm bei der Verbreitung helfen wollte. Später fragte ich ihn einfach, ob er nicht bei meinem EBM Projekt mitmachen wollte, mit dem ich frisch angefangen hatte. Nach einer langsamen Annäherung legten wir dann richtig los.
MeCha: Jo, genau so war’s.
Wie lässt sich REIZstrom mit euren eigenen Worten am besten beschreiben. Synthetic Beat?
SKIP: Richtig, eine Fusion aus Elektropop und EBM, harte elektronische und melodiöse Songs, und da wir unsere Musik in keinem der beiden Bereiche richtig zu Hause fühlten, musste ein Begriff her, der neutral ist, aber man sagen kann: ja….der Begriff passt. Wir versuchen einfach nur die Spielwiese der Elektronik auszuloten.
MeCha: Reizstrom ist in seiner Ernsthaftigkeit verspielt, in seiner Härte melodiös und in seiner Rauheit sanft.
Kommen wir einmal zu eurem Debutalbum "Zettel Am Zeh". Dieses erschien im Frühjahr 2009. Auf eurer HP (http://reizstrom-musik.de ) kann man sich in die Songs hineinhören. Ein Titel jedoch -"Wütendes Glas" von Grauzone- kann man nicht anhören. Was hat es mit dem Titel auf sich?
SKIP: Er darf wegen der GEMA nicht auf einer Homepage abgespielt werden, sonst müssten wir dafür Gebühren zahlen, schon ein totaler bürokratischer Mist, aber ist halt so. Dafür ist er auf der CD und auf dem "Darkness Before Dawn Vol. 1" zu erwerben bzw. anhörbar. Aber bevor sich irgendwelche Leute aufregen, wir wissen natürlich, dass das Original besser ist!
MeCha: So? Davon weiß ich nichts. Ich finde unsere Version anders, aber nicht schlechter. Natürlich gebührt dem Urheber des Songs aber die Ehre.
Weshalb ausgerechnet eine Coverversion zu GRAUZONEs "Wütendes Glas"?
SKIP: Tja, nur ein Liebesbeweis an eine der besten Bands, die es jemals gab, wir machten eine EBM-Coverversion vom Song da ich in ihm schon immer dieses Potential sah und mir dieses Experiment schon immer in den Fingern juckte.
MeCha: Den Song hat Skip ausgesucht. Mich hat es gereizt, den Gesang an meinen Stil anzupassen.
Bereits auf eurem Debut habt ihr ordentlich Gastmusiker an Board. Wie ist der Kontakt zu beispielsweise LEATHER STRIP, klangstabil oder SPARK zustande gekommen?
SKIP: Durch Zufall oder weil ich die Leute direkt ansprach, das mache ich ganz gerne, da es für mich eine musikalische Erweiterung meines Horizontes bedeutet und es genau das ausmacht, was mich auch beim Musik machen so REIZt.
MeCha: Wen man halt so alles kennenlernt übers Internet und über die Musik.
Wie wurde euer Debut von der Presse und vom Publikum angenommen?
SKIP: Eigentlich sehr gut, aber ohne Label und mit begrenzten Werbemöglichkeiten kann man es teilweise schwer einschätzen. Ist ein wenig wie ein Blindflug, da halfen die Freunde da draußen doch immer wieder, um auch weiterzumachen.
MeCha: Ich war sehr zufrieden mit den Reaktionen, aber es ist natürlich so, dass man negative Stimmen selten zu hören kriegt wenn man unbekannt ist. Da lohnt sich das Schreiben wahrscheinlich nicht.
Kommen wir nun zum aktuellen Silberling. Er hört auf den Namen "Dwarfs Like Giants". Der Titel steht wofür?
SKIP: Das ist das tolle, es kann für so unendlich Vieles stehen, neben meinen Kindern sehe ich uns auch ein wenig in dieser Rolle, denn im Business sind wir doch eigentlich ein kleiner Mückenschiss, aber wir lassen uns nicht unterkriegen und versuchen es mit Stolz geschwellter Brust diesem Markt entgegen zu stellen.
MeCha: Genau. Der Titel steht dafür, dass man auch als kleiner Zwerg riesiges vollbringen kann. Zumindest manchmal.
Ihr scheint euren Fans und allen, die es noch werden wollen, immer eine Menge bieten zu wollen, sind auf euren Alben stets jede Menge Songs. Wie kommt es?
SKIP: Recht simpel, wir sind überproduktiv, die übrig gebliebenen Songs verschenken wir immer gerne in Form einer digitalen EP, deswegen wird auch noch die "Mismatch EP" im Dezember folgen.
MeCha: Ursprünglich schwebten mir höchstens 10 oder 11 Lieder vor, aber da wir immer mehr Material hatten, auf das wir nicht verzichten wollten, sind es dann halt so viele geworden.
Und auch auf "Dwarfs Like Giants" habt ihr euch wieder Kollegen ins Boot geholt. NTRSN, Defence Mechanismn, Titans und LPF 12.
Wie zufrieden seid ihr mit den Remixen?
SKIP: Natürlich toll, sonst hätten wir sie auch ehrlich gesagt nicht veröffentlicht, da sind wir schon gnadenlos, und ich bin auch froh nur die Leute um Remixe gebeten zu haben, deren Musik ich im Augenblick auch sehr bewundere.
MeCha: Sehr zufrieden 😀
Wie ist es für euch, die eigenen Songs in einem anderen Gewand zu hören?
SKIP: Aufregend, Hauptsache es klingt nicht zu sehr nach dem Original, und da hat DEFENCE MECHANISMN wirklich den Vogel abgeschossen, so was hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet, aber hört es euch lieber selbst an.
MeCha: Ich bin immer wieder begeistert, meine Stimme in Songs zu hören, die von anderen interpretiert wurden als von uns selbst. Und dieses Mal haben sich die Remixer selbst übertroffen und ganz neue Songs daraus gemacht.
Nachdem ich nun das Album durchgehört habe, fehlen mir fast die Worte. Stimme, Musik, Vielfalt, Remixe, …. alles passt und ich bin begeistert. Wie lange haben die Arbeiten an dem Album gedauert?
SKIP: Nach der halbjährigen Babypause machten wir uns ans Werk, dann war es also so ca. nur ein dreiviertel Jahr, wie schon erwähnt wurde, wir haben viel Tatendrang. Vielleicht sollten wir unser nächstes Album doch "Shoot me, I’m restless" nennen 🙂
MeCha: Nee, den Titel hatten wir doch schon abgelehnt. Ich will nicht erschossen werden 😉
Allein schon "Simple Addition" macht Laune auf mehr und man kommt nicht umhin, einfach weiterlauschen zu wollen. Von fetzig über verträumt, poppig und tanzbar, hier ist eine Menge Stoff, der Laune macht! Wie kommt es zu dieser aufregenden Rezeptur?
SKIP: Könnte daran liegen, dass ich ein seltsamer Kerl bin, ich liebe so viele Arten von Musik, Industrial ist immer noch eine große Liebe von mir, aber irgendwie habe ich auch nie den Pop aus mir vertreiben können. Aber was will man von so einem Freak wie mir erwarten, der seit seinem vierten Lebensjahr der Musik verfallen ist, aber damals war NDW mein ein und alles.
MeCha: Wir planen eigentlich nichts im Voraus. Das ergibt sich einfach aus unserem Musikgeschmack und dem Drang, als Künstler immer was ausprobieren zu wollen, was wir so noch nicht gemacht haben.
Auch wenn es euch noch nicht sooo lange gibt, klingen euer Sound und die Stimme perfekt. Gab es vor REIZstrom schon musikalische Wege, ich meine, so etwas kommt ja nicht mal eben von heute auf morgen, oder?
SKIP: Ich bin noch nicht mal so lange dabei wie MeCha, ich mache erst seit ca. fünf Jahren Musik, und die Anfänge waren extrem peinlich, aber ich machte immer weiter wie ein Besessener. Wenn es Kritik gab, nahm ich sie konstruktiv auf oder benutzte sie als Anlass das Gegenteil zu beweisen. Brauchbar sind die Sachen aber erst seit 2008.
MeCha: Ich hatte in den 80er Jahren schon eine Band, und natürlich noch mein Soloprojekt MENSCHLICHE ENERGIE seit 2004 oder so.
Mit "Mensch gegen Mensch" liegt auch ein deutscher Song vor. Warum nur einer?
SKIP: Hatte sich so ergeben, war keine Absicht, wir planen nicht "jetzt müssen fünf deutsche Songs drauf", aber ich bin mir sicher dass es beim nächsten dafür einige mehr geben wird, mir schweben jetzt schon ein paar Sachen vor.
MeCha: Eigentlich liegt es auch daran, dass Skip seinen Rohsongs immer einen englischen Arbeitstitel verpasst und ich mich davon dann zu einem Text inspirieren lasse.
Welche "glorreichen Tage" haben euch zu dem Song "Glorious Days" bewogen?
SKIP: Ui, wenn ich mich recht erinnere hatte der Song sogar anfangs einen anderen Namen, aber dass kann der MeCha besser erklären.
MeCha: Das resultiert aus dem Gefühl, dass alles immer schlimmer zu werden scheint. Also muss es im Umkehrschluss mal besser gewesen sein. Die glorreichen Tage eben. Oh Mann. Jetzt gehöre ich schon zu den "früher war alles besser" Laberern. Ich werd echt alt.
Der Song "The Hurting Light" ist gleich zwei Mal auf dem Album im Remix zu hören. Zum einen in einer sehr eingängigen Version von NTRSN und zum anderen in einer eher auf Future Pop aufgebauten Nummer von Defence Mechanism. Warum zwei Remixe zum gleichen Song?
SKIP: Weil "The Hurting Light" sozusagen die inoffizielle Single des Albums ist, und die beiden erfüllten ihren Job perfekt, deswegen konnten wir uns von keinem der beiden Versionen für die "Mismatch EP" trennen, die mussten beide druff.
MeCha: Wenn ich mich recht erinnere, haben die sich den Song selbst ausgesucht. Kann mich auch täuschen.
Der TITANS Remix zu "Paralyzed" ist auch sehr popig angehaucht. Wie war es, als ihr diesen zum ersten Mal gehört habt?
SKIP: Also ich war schon leicht verdutzt, denn so kannte ich die TITANS gar nicht. Aber er war gut und ich unterstütze immer gerne musikalische Experimente. Als Künstler versuche ich gerne Unterstützung und Mut zu geben, den ich auch gerne mir gegenüber sehen möchte.
MeCha: Mir hat’s von Anfang an gefallen, da sie die zweite Stimme im Refrain zur ersten Stimme gemacht haben. Das ergibt eine ganz andere Atmosphäre als im Original.
LPF12 nahmen sich dem Song "Tackle" an und verzauberten diesen in einen sehr beatigen und soundlastigen Mix. Wie seid ihr darauf gekommen, LPF12 mit ins Boot zu holen?
SKIP: Freundschaft. Ich machte auch schon einen Remix für ihn und er fand meine industrielle Zerstörung auch gut, da merkte ich, dass wir auch auf einer Wellenlänge lagen.
MeCha: Außerdem habe ich unlängst Gastgesang für LPF12 gemacht, und er wollte sich auch revanchieren.
Beide Alben sind in Eigenregie entstanden und ihr kommt auch ohne Label gut voran. Welcher Gedankengang verbirgt sich dahinter?
SKIP: Eine Mischung aus dem Autonomie-Gefühl und grenzenloser Freiheit. Wir bestimmen alles von der ersten bis zur letzten Sekunde, wir müssen nicht mit einem Gefühl wie Sodbrennen von Album zu Album wandern, da jemandem das eine oder andere nicht passen könnte.
MeCha: Wir haben nicht bewusst gesagt, "hey, wir machen das ohne Label". Wir wollten jetzt aber auch keine unnötigen Energien in die Suche eines Labels investieren. Es gibt ja auch nicht so viele, zu denen wir passen würden.
Meint ihr nicht, dass es einfacher wäre, mit einem Label, dass einem den Rücken hält?
SKIP: Doch, natürlich, aber die Szene und die Labels sind nicht mehr dass was sie mal waren, auch hier ging die Moderne nicht spurenlos vorbei. Teilweise haben die Labels tatsächlich ihre Bedeutung verloren. Deswegen denke ich "Ganz oder gar nicht", da muss schon was Attraktives dabei sein, aber bisher lief es bei den ganz wenigen Gesprächen nicht so optimal, was aber nicht heißen soll, dass wir uns nicht noch von einem einfangen lassen, aber warten wir einfach ab.
MeCha: Einfacher, was das Organisatorische angeht, aber komplizierter was das Musik machen betrifft.
Und wie geht es nun weiter mit euch? Kann man euch auch mal live erleben oder seid ihr eher eine Studioband?
SKIP: Nee, keine Studioband, wir wollen auf der ganzen Linie überzeugen und unsere Liebe zu den Songs gerne auch mit anderen Menschen teilen, deswegen wird es natürlich Live-Auftritte geben, unser nächstes ist erst einmal das Jubiläumskonzert von SOLITARY EXPERIMENTS zu eröffnen und einen guten Anheizer darzustellen. Pläne für weitere Konzerte haben wir in der Hinterhand, aber es ist mit unseren persönlichen Situationen nicht ganz einfach. Aber wir werden alles geben, um den Leuten noch die Chance für ein Konzertbesuch anzubieten.
Vielen Dank für eure Antworten. Wir wünschen euch alles Glück der Welt und weiterhin viel Erfolg! Die letzten Worte gehören nun euch …
SKIP: Seid "DWARFS LIKE GIANTS" und bleibt tapfer.
MeCha … und laßt euch reizen 😉
Das Interview führte Lucy von Leibnitz (Promofabrik) im Oktober 2010 mit SKIP und MeCha. Wir bedanken uns für das Gespräch,
das vielen einen guten Einblick in die Reizstrom-Welt bietet.
Weblinks:
REIZstrom Website:
http://reizstrom-musik.de
REIZstrom @ MySpace
http://www.myspace.com/reizstrom?