Interview : TRIBAL

Interview : TRIBAL
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2004 ist das Geburtsjahr von Tribal. Mark Rossi (Guitar), Greg Bailey (Vocals), Urs Müller (Bass) und Andy Gantenbein (Drums) werfen ihre kreativen Ideen in einen gemeinsamen Topf. Tribal verarbeiten in ihrer Musik alles, was ihnen über den Weg läuft. Die vier Schweizer lassen nichts aus. Schmusen oder durchschütteln von Emo bis zum handfesten Hardrock mit klassischen Gitarrensoli ist alles dabei. Ein Jahr später, 2005, ist das Debüt Album ?Cardboard Heroes? im Kasten. Der zweite Streich folgt erst fünf Jahre später und heißt ?Corner Of A Circle?. Auch hier werden alle Facetten feinster Handarbeit zusammengeknüpft.

Ein kalter Februartag, an dem man die Wohnung nicht verlassen möchte, bietet sich für ein E-Mail Gespräch mit Tribal doch bestens an. Während es draußen stürmt und schneit, transportieren sich die Fragen durch das Netz, damit sie in Winterthur ihrer Antworten finden.

Hallo Tribal. Wer antwortet mir von euch?

Diesmal übernehme ich, Greg, den Job.


Wo bist du gerade?

Gemütlich in meinem Zuhause in Winterthur. Viel zu kalt da draußen!


Was siehst du gerade, wenn du aus dem Fenster schaust?

Einen Garten mit Teich, der im hoffentlich bald anbrechenden Frühling wieder wunderschön aussehen wird, sich aber momentan noch im Winterschlaf befindet.


Bei uns ist seit dieser Woche die Karnevalshochsession zu Ende. Wie feiert die Schweiz den Karneval?

Nun ja…es gibt einige Hochburgen. Sehr bekannt dafür sind Luzern und Basel, wo die größten Umzüge und andere Anlässe die mit Karneval- oder wie man bei uns sagt ?Fasnacht?- zu tun haben, stattfinden. Aber auch hier in Winterthur gibt es so einiges.


Mögt ihr den Karneval und das verkleiden?

Ehrlich gesagt ist der Karneval nicht so unser Ding. Genauer gesagt: Wo ?Fasnacht? ist, da halten wir uns fern (lacht). Polonaise tanzen muss nicht sein. Aber es soll ja für alle was geben. Für uns hat man die Rock-Konzerte und Openairs erfunden (lacht).

Verkleiden tue ich mich persönlich aber gerne. Theater ist was feines, habe ich immer gern gespielt. Ich liebe alles was mit Schauspielerei zu tun hat.


Welche Erfahrungen hast du als Schauspieler schon gemacht?

Ich habe wie viele andere in der Schulzeit Theater gespielt. Im Unterschied zu vielen anderen wollte ich immer eine Hauptrolle haben. Die meisten wollen sich verstecken, weil sie Angst haben sich zu blamieren. Das habe ich auch immer wieder, doch das Rampenlicht ist die beste Selbsttherapie. Wahrscheinlich bin ich deshalb auch Sänger geworden.

Ansonsten habe ich als Statist bei Filmen mitgewirkt. Ich liebe es auch verrückte Dinge zu machen. Beispielsweise: nackt durch den Wald rennen (lacht). Diese Szene musste ausgerechnet im März gedreht werden. Es herrschten nicht unbedingt Idealtemperaturen für solch eine Aufnahme.
Außerdem habe ich schon in kleinen Rollen ausgeholfen. Letzthin bei einer Episode einer kleinen Comedy-Serie für den TV-Sender Schweiz 5.

Musik und Theater bzw. Film sind ja eng miteinander Verbunden. Alice Cooper hat mich in dieser Hinsicht immer wieder fasziniert. Auch bin ich ein großer Fan von Musikvideos, welche eine wirkliche Geschichte erzählen und fast als Kurzfilm durchgehen. Das habe ich mit dem Musikvideo zu "Daddy" auch versucht und allzu schlecht ist der Clip, der ohne Geld gedreht wurde, nicht geworden. Wir bekommen immer noch gute Feedbacks, obwohl das Video nun auch schon fast 5 Jahre auf dem Buckel hat.

Ich bin sicher nicht der geborene Schauspieler. Bei der Musik bin ich meiner Meinung nach besser aufgehoben. Doch ich liebe alles was mit Film zu tun hat, sammle selbst Filme. Vor allem das Kino der 60er und 70er übt einen ungemeinen Reiz auf mich aus. Damals war das Filmemachen noch ein echtes Abenteuer. Ich bin gerne bereit bei solchen Sachen mitzumachen, wie ich es in der Vergangenheit tat. Aufdrängen tue ich mich jedoch nicht.


Mochtet ihr als Kinder nicht gerne zum Friseur gehen und wolltet deshalb Rockmusiker werden? Oder habt ihr musikalisch ganz anders begonnen?

 Hier kann ich nur für mich sprechen. Gesang faszinierte mich bereits als kleines Kind. Zudem erzähle und schreibe ich gerne Geschichten. Deshalb sind die Inhalte unserer Songs ziemlich gut bildlich umzusetzen.

Rebellion war natürlich auch im Spiel. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, wo das Spießbürgertum noch ziemlich gut spürbar ist. Da galt man damals automatisch als Problemkind, wenn man lange Haare hat, selbst wenn man ein ausgesprochen guter Schüler war.

Aber lange Haare machen noch keinen Rebellen, denn der ist man im Herzen. Funktioniert also auch mit kurzen Haaren (lacht).


Liebt ihr Tattoos oder hat der Bandname Tribal nichts mit Tätowiermotiven zu tun und für euch eine andere Bedeutung?

 Ich bin der einzige Tätowierte der Band und mag schöne Tattoos sehr gerne. Der Name hat aber damit nichts zu tun. Er ist eine Metapher, die unsere innere Verbundenheit ausdrückt. Er steht für ein unsichtbares Zeichen, welches auf unsere Herzen tätowiert ist.


Euer zweiter Longplayer ?Corner Of A Circle? ist im Herbst 2009 vier Jahre nach dem Debüt Album ?Cardboard Heroes? erschienen. Wie sieht ein Tribal Tag bis zur Veröffentlichung einer CD- und wie danach aus?

 Die Tage davor und danach genau zu beschreiben, ist eigentlich nicht möglich. Jeder davon war anders. Aber es gibt natürlich Gemeinsamkeiten.

Dass komponieren einer Platte und die Studioarbeit ist sehr arbeitsintensiv. Wir haben uns für einen Monat in den Katakomben der Empire Studios von Rolf Munkes (Empire, Razorback, Majesty) verschanzt um den Songs den letzten Feinschliff zu geben.

Die Zeit bis zur Veröffentlichung ist natürlich etwas angespannt. Die meisten Gedanken drehen sich darum, wie das Album ankommen wird. Umso erleichterter waren wir, als der überwiegende Teil der Kritiken sehr gut war.

Nun werden wir sehen, was Tribal im Live-Sektor ausrichten können. Wir möchten diesen Herbst unbedingt nach Deutschland kommen. Wäre super wenn es klappt.


Wie viel Zeit und Geduld braucht es bis ein Song für euch perfekt ist?

Vor der vierwöchigen Studioarbeit hatten wir schon zwei Anläufe genommen, waren aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Als wir Rolf getroffen haben, wussten wir, dass aller guten Dinge halt offenbar doch drei sind.

Der Reifeprozess dauert bei jedem Song unterschiedlich lang. Die erste Version von ?No More Emotions? ist bereits 2001 entstanden und nun hat er es auf die Platte geschafft. Bei ?Jump Off The Bridge? war bereits eine halbe Stunde nach der Einbringung der Idee klar, wie er klingen würde.

Die meisten Stücke probieren wir schon mal live aus und lassen sie so immer mehr wachsen. Dabei können wir gleich testen, wie die Menschen auf die Klänge reagieren.


?Corner Of A Circle? ist ein Gemisch aus Emo- und Hardrock. Ihr jongliert mit melancholischen und knallharten Melodien. Was gefällt euch am harmonisch ruppigen Zusammenspiel und was macht euch mehr Spaß die soften oder rauen Klänge?

 Kommt immer auf die Stimmung an. Doch allgemein lieben wir alle Facetten von zart bis hart. Es ist immer unser Ziel einen guten Song zu schreiben. Der Härtegrad oder auch die Stilistik, ist uns ziemlich egal. Das macht unseren Sound aus.


Wer von euch schreibt die Songs?

Meistens kommen Mark (Gitarrist) mit einem Riff oder ich mit einer Gesangsidee. Manchmal setzen wir beide uns auch zusammen und arbeiten die Ideen schon etwas aus. Die Feinarbeiten machen wir aber alle zusammen. Da wir alle sehr verschiedene Einflüsse haben, ist so die Gefahr, dass wir uns wiederholen, recht klein gehalten.

Was beeinflusst euch beim Song schreiben und wann entstehen die besten Ideen?

Das Leben, die Gesellschaft, die Realität, sind unsere größten Einflüsse. Wir versuchen, die Dinge die wir erleben und unsere Ansichten zu Themen zu vertonen bzw. niederzuschreiben.

Sicher gibt es auch rein musikalische Einflüsse. Ohne das Album ?Beyond Good And Evil? von The Cult beispielsweise, wäre ?Tribal? gar nie entstanden.

Die besten Ideen entstehen, wenn man sie nicht erwartet. Das kann bei einem Spaziergang, beim Essen oder auch im Schlaf passieren.
Die Idee zu ?Jump Off The Bridge? hatte ich morgens um vier.
Kreativität ist weder steuer- noch erzwingbar.


Eigentlich ist vier Uhr keine Zeit zum munter-wach sein. Was bewegt dich dazu in den frühen Morgenstunden einen Text zu verfassen?

 In der Nacht sind die Gedanken frei, der Stress des Alltags ist verflogen. Die meisten meiner Texte entstehen zwischen 23:00 und 04:00 Uhr morgens. Meine Kreativität ist in dieser Zeit einfach am größten. Dann sitze ich am Tisch mit Papier, Stift, Zigaretten und Kaffee bewaffnet und schreibe meine Gedanken nieder. Ich bin ein ausgesprochener Nachtmensch, obwohl ich die wärmenden Strahlen der Sonne sehr liebe.

Interview : TRIBALWieso wären Tribal ohne "Beyond Good And Evil" nie entstanden? Was haben The Cult damit zu tun?

Mark hat 2001 ein Inserat mit dem Titel "Beyond Good And Evil" auf einer bekannten Schweizer Musikplattform geschaltet. Der Inhalt des Inserates war nur schlüssig für Leute, die das besagte Album von "The Cult" kannten. Seltsamerweise war ich der Einzige, der darauf antwortete (lacht) so lernten wir uns kennen. So was nennt man wohl Fügung. "Beyond Good And Evil" ist übrigens auch heute noch eines meiner Lieblingsalben.


Könnt ihr euch vorstellen in den Songs auch wummernden, brummenden Synthie- Sound mit einzubauen?

Wir experimentieren gerne und können uns beinahe alles vorstellen. Dass wir irgendwann mal einen Reggae-Song aufnehmen ist allerdings ausgeschlossen (lacht). Den Stil mögen wir einfach nicht.


Haben nicht-etablierte Bands in der Schweiz eine Möglichkeit bekannt zu werden, um ihre Musik zu verbreiten?

 Um den Sprung zu schaffen, müssen immer viele Faktoren zusammenspielen. Geld spielt traurigerweise oft eine Rolle. Wenn Du keinen großen Promo-Etat hast, wird?s schwierig.

Ansonsten gilt: Man braucht den richtigen Song zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Vielleicht wird uns das auch irgendwann gelingen. Wer weiß…


Viele Bands verschenken ihre Musik als kostenlosen Download im Internet. Das Fertigstellen einer CD/EP kostet viel Zeit und Herzblut. Jedes Stück Musik ist ein kreatives Kunstwerk und die Arbeit eines Künstlers sollte eigentlich honoriert werden und nicht verschenkt. Was haltet ihr davon?

 Meine Erfahrung ist: Was nichts kostet, ist auch nichts wert!

Zwischendurch ein kleines Geschenk an die treuen Fans verteilen, ist allerdings mehr als richtig. Wir haben eine Live-Version von ?No Regrets? auf unsere Website (www.tribal-rock.com) geladen. Diese kann kostenlos heruntergeladen werden.

Doch irgendwo müssen Ausgaben auch wieder reinkommen, wenn nicht durch Plattenverkäufe, dann durch höhere Ticketpreise bei Konzerten.
Das ist der Trend der letzten Jahre.

Ich finde jedenfalls, dass für ein gutes Produkt auf eine entsprechende Entlöhnung erfolgen sollte. Unser Album ist diese kleine Investition jedenfalls wert.


Denkt ihr dass das Internet dennoch hilfreich zum publizieren ist?

Natürlich! Immer mehr Menschen nutzen das Web um neues zu entdecken. Teilweise auch gezwungenermaßen, da es so gut wie keine Plattenläden mehr gibt, was ich sehr bedaure.


Wie haben Tribal angefangen?

Zwei Typen trafen sich mit Akustikgitarre und Stimmbändern bewaffnet an einem heißen Samstag im August und fingen an zu musizieren.


Sind in nächster Zeit Konzerte geplant? Gibt es Tribal auch außerhalb der Schweiz live zu sehen?

In der Schweiz sind schon einige Konzerte für die zweite Jahreshälfte bestätigt. Mit einigen Clubs sind wir im Gespräch. Wir wollen jedenfalls im Herbst ordentlich abrocken.

Und wenn es nach uns geht, dann führt uns die Reise auch für ein paar Konzerte in Deutschland.


Mit welcher Band würdet ihr gerne mal touren?

Es gibt so viele. Sehr interessant wären: The Cult, Creed, Alterbridge, Paradise Lost oder Anathema.


Es ist Sonntag und gleich 18Uhr. Das Wochenende ist sozusagen gelaufen. Wie sieht ein Sonntagabend bei dir aus?

 Sehr unterschiedlich. Manchmal ist arbeiten angesagt, manchmal mache ich mit Freunden etwas oder ich komponiere. Ein Wochenende im klassischen Sinne habe ich nicht.


Vielen Dank für das Interview.


Interview Februar 2010 : Martina Peitz mit Greg Bailey (TRIBAL)

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