WELLE:ERDBALL & Friends: XXX Jahre Jubiläumsfestival – Oberhausen, Turbinenhalle 2 (09.09.2023)

Fotos: WELLE ERDBALL
WELLE ERDBALL, ©Marcus Nathofer
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9 + 9 + 2 +3 ergibt bekanntlich 23. Vermutlich hatten sich Welle:Erdball das Datum für ihr kleines, aber feines Jubiläumsfestival zum 30. Geburtstag nicht ganz zufällig ausgesucht, ist die Summe doch auch der Titel von einem der beliebtesten Songs des Senders aus Hannover. Dass dieser zum runden Geburtstag natürlich Teil des Sets sein würde, war klar. Doch bis dahin dauerte es mehr als fünf Stunden. Denn W:E machten nicht nur wieder einmal fast die drei Stunden voll. Nein, es gab gleich drei befreundete Gastformationen, die einheizen sollten. Was letztlich überhaupt nicht nötig war, denn bei knapp 30 Grad Celsius Außentemperatur war es drinnen schon vor Beginn des Konzertabends brüllend warm. Wer wollte, konnte in einer Ecke gegenüber des Merchandise-Stands sogar einige ausgesuchte Commodore64-Spiele anzocken, zweifelsohne ein sehr liebevolles Detail bei einem, wie sich herausstellen sollte, rundum gelungenen Event.

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Ab in die Hitzeschlacht ging es um kurz vor 19 Uhr mit Disrupted Being – Welle:Erdball-Urmitglied Honey ließ es sich nicht nehmen, die beiden Dänen höchstpersönlich anzukündigen. Peter Wammen und Morten Kristensen eröffneten den langen Abend mit gefälligem und ohrenschmeichelndem Synthiepop, dem Genre-Liebhaber guten Gewissens eine Chance geben können. Leider schien das Publikum noch nicht so richtig bereit für die unter anderem von der EP Retrograde stammenden Songs gewesen zu sein, selbst in den vorderen Reihen beschäftigten sich viele eher mit ihren Begleitungen oder dem Smartphone, anstatt sich auf die Musik des Kopenhagener Duos einzulassen.

Ganz anders fielen die Reaktionen nach einer sehr kurzen Umbaupause von nur zehn Minuten bei Alienare aus, angekündigt von den W:E-Moderatorinnen Lady Lila und M.A. Peel. Die Grünlinge der deutschen schwarzen Szene sind vielen Welle:Erdball-Fans schon von ihren Support-Slots bei der vergangenen Film, Funk und Fernsehen-Tour bekannt gewesen. Wer Tim und Timo alias T. Green und T.Imo schon einmal live gesehen hat, weiß: Hier ist bloßes Rumstehen verboten und Mitmachen angesagt! So auch an diesem Abend. Hände in die Luft, Klatschen, Springen, lautes Grölen der Schlagwörter Wrong und Move (nein, kein Lied über eine Kuh, ganz wichtig!) bei eben jenen Songs im Refrain – all das wurde eingefordert und lautstark erwidert. Auch die neue Single Crystalline, erst am Tag zuvor offiziell veröffentlicht, war Teil des hitgespickten Sets und erhielt freudvolle Reaktionen. Schade, dass Alienare nur etwas mehr als eine halbe Stunde Zeit blieb. Die beiden Musiker wie auch die Fans hätten allem Anschein nach noch Lust auf mehr gehabt …

Wiederum eine sehr kurze Pause später stand W:E-Tastenmann c0zmo, wie gewohnt in feinem Gala-Zwirn, auf der Bühne und kündigte Support Nummer drei an. Auch Rroyce sind für die Fangemeinde wahrlich keine Unbekannten mehr und traten zu ihrem ersten von drei Auftritten an Ort und Stelle innerhalb eines halben Jahres an. Die Dortmunder Formation supportet dort am 21. Oktober And One und ist zudem für das auf den 2. März verlegte E-Tropolis-Festival bestätigt. Dass Casi & Co. es verstehen, ein Publikum anzuheizen, ist nichts Neues mehr – und funktionierte auch diesmal wieder. Die Synth-Pop-rockigen Songs strahlten nicht nur aufgrund der immer wieder eingesetzten Funkenfontänen, vor der Stage wurde zu Stücken wie Run Run Run, Paranoiac SL oder I Like It, When You Lie eifrig mitgesungen und mitgeklatscht. Ein Bad in der Menge ließ sich Casi dann auch nicht nehmen. Nach gut einer Stunde Spielzeit war es dann aber Zeit für den Hauptact des Abends – wobei alle drei Supports noch einen weiteren großen Auftritt erhalten sollten. Zu gaaaanz später Stunde …

Wer schon mal ein Welle:ErdballClubkonzert besucht hat, weiß: Die haben Ausdauer! Und insbesondere zum 30. Geburtstag ließen sich Honey, Lady Lila, M.A. Peel und c0zmo natürlich nicht lumpen. 31 Songs, einige davon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht gespielt, sollten erklingen, dazwischen gab es immer wieder interessante Anekdoten aus der Historie. Da ging es bereits sehr früh im Programm Zurück zum Start – wenngleich das so betitelte Stück erst deutlich später veröffentlicht wurde und den meisten Fans, wenn überhaupt, wohl erst seit dem Film Operation Zeitsturm von 2010 (respektive dem dazugehörigen Soundtrack) bekannt sein dürfte. Mit Laß uns ein Computer sein, Die Zauberfee, Tanz mit mir, Volksempfänger VE-301 und 8-Bit-Märchenland standen weitere absolute Raritäten auf der Setlist.

Zu letzteren beiden sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass hierfür eine ganz besondere Gästin gewonnen werden konnte. Zum edlen Anlass bemühte sich Honey, einige längst nicht mehr aktive Moderatorinnen und Moderatoren aus der Vergangenheit für einen Auftritt zu gewinnen. So kontaktierte er die erste Sängerin Isa, zu der er nach eigenen Angaben “seit mehr als 20 Jahren keinen Kontakt mehr hatte und nicht mal wusste, ob sie überhaupt noch lebt“. Tut sie zwar und sie wäre wohl auch bereit gewesen, meldete sich dann aber doch kurzfristig krank. Auch Langzeit-Keyboarder und Gründungsmitglied A.L.F. war verhindert – der gute Mann ist mittlerweile Tischtennis-Crack und konnte sein für den Samstag angesetztes Meisterschaftsspiel leider nicht verlegen. Ein Ass hatte Honey aber noch im Ärmel. Von 2000 bis 2004 war Soraya Teil von Welle:Erdball – und die Frau, die nach Honeys Aussage dafür verantwortlich ist, dass “seither 800.000 Unterschriften auf Welle:Erdball-Konzerten für den Deutschen Tierschutzband zusammen kamen“, sagte zu!

So war es an ihr, den Song Volksempfänger VE-301 zu intonieren, den Honey “sonst nie mehr ins Programm gepackt hätte. Weil das ist einzig und allein dein Lied“, sagte er unter lautem Jubel der Anhängerschaft. Im 8-Bit-Märchenland verschmolzen dann Vergangenheit und Gegenwart in einem Chor von Soraya und den beiden aktuellen Moderatorinnen – ein schöner Dreiklang. Das sollte es aber auch schon mit Überraschungsgästen gewesen sein, weitere prägende Ex-Mitglieder glänzten durch Abwesenheit. Das jedoch störte wohl niemanden ernsthaft, denn die Mischung aus Raritäten, Kult-Hits und Songs der aktuellen Sendung Film, Funk und Fernsehen hielt die Fans trotz der stark aufgeheizten Location bei Laune.

Und dann waren da neben all der tollen Musik die Geschichten aus drei Jahrzehnten. Zum Beispiel eine FDJ-Fahne, die “wir 1993 in Jena aus einem Backstage mitnahmen.” Oder ein Ölfass, das zu Arbeit adelt!1996 in ganz Wernigerode einen Stromausfall auslöste, weil unter dem vom Veranstalter gestellten Ölfass noch Kabel dranhingen und ich mächtig draufhaute, wie ich es eben immer so mache“. Zu allem Überfluss durfte c0zmo auch noch um Punkt 0 Uhr in seinen Geburtstag reinfeiern und bekam von den Anwesenden ein Ständchen gesungen sowie ein Glas Sekt eingeschenkt. Frei hatte er aber erst eine gute Stunde später, denn unverzichtbare Songs wie 23, Monoton + Minimal oder das Stephan Remmler&Nina-Cover Feuerwerk waren da noch gar nicht gespielt. Zwischendurch noch ein schönes Bild: Es wurden kleine Fahnen mit Bandlogo im Zuschauerraum verteilt, die kräftig geschwungen wurden – ein wahrlich tolles Bild!

Zum krönenden Abschluss kamen um kurz vor 1 Uhr noch einmal alle Künstlerinnen und Künstler des Abends zusammen. Puren Spaß verbreitete das Witt-Cover Goldener Reiter in rein elektronisch-discoider Version sowie die Interpretation von Billy Braggs A New England, die Welle:Erdball und Rroyce in genau dieser Location bereits 2019 als letzte Zugabe spielten. Dann waren die Kraftreserven aber wirklich ausgereizt und die Shirts endgültig durchgeschwitzt. Sechs Stunden Programm für unter 40 Euro Eintritt – da verdienen sich alle Beteiligten dieses Jubiläumsfestivals doch ein dickes, abschließendes Lob. Auf die nächsten 30 Jahre, Welle:Erdball!

Setlist WELLE:ERDBALL @ Oberhausen, Turbinenhalle 2 (09.09.2023)

01. Welle:Erdball
02. Wir sind elektronisch
03. Zurück zum Start
04. Hoch die Fahnen
05. Laß uns ein Computer sein
06. Dr. Mabuse
07. Des Wahnsinns fette Beute
08. Schweben, Fliegen und Fallen
09. 1000 Engel
10. Volksempfänger VE-301
11. 8-Bit-Märchenland
12. Tanz mit mir
13. Starfighter F-104g
14. Die Zauberfee
15. Arbeit adelt!
16. Das Tor zur Wirklichkeit
17. Das Original
18. Der Türspion
19. Ich bin nicht von dieser Welt
20. Deine Augen
21. Drogenexzess im Musikexpress
22. VW Käfer
23. 1000 weiße Linien
24. Mumien im Autokino
25. 23
26. Space Oddity (Z)
27. Monoton & Minimal (Z)
28. Am Ende der Zeit (Z)
29. Feuerwerk (Z)
30. Goldener Reiter (ZZ, mit allen Bands)
31. A New England (ZZ, mit allen Bands)

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