Während draußen die letzten Sonnenstrahlen des frühlingshaften Ostersonntags verblassten, versammelten sich Fans im Kulttempel zu einem besonderen Ereignis. De/Vision, seit Ende der 80er Jahre eine feste Größe im deutschen Synth-Pop, präsentierten mit Devision Redux ein aufregendes neues Kapitel ihrer Bandgeschichte. Minimalistischer, elektronischer und cluborientierter als je zuvor, lassen Steffen Keth und Daniel Myer fortan vertraute Klassiker in neuem Licht erstrahlen – eine Hommage an die Wurzeln der Band und zugleich ein spannender Aufbruch in die Zukunft. Als besondere Gäste des Abends hatten Devision Redux das Berliner Duo Whole sowie Empathy-Test-Sänger Isaac Howlett mit seinem Soloprogramm eingeladen.
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Whole – das sind Thomas Schernikau (Forced to Mode, Forced Movement) und Alexander Leonard Donat (Vlimmer, Fir Cone Children, Assassun). Das Berliner Duo schlägt eine Brücke zwischen melancholischem Synth-Pop und Indie-Ästhetik und scheut sich nicht, unpolierte Brüche und bewusst raue Strukturen einzubauen. Mit bislang zwei Alben haben Whole eine Klangwelt geschaffen, die elektronische Eleganz mit Ecken und Kanten im besten Sinne verbindet.
Pünktlich um 19:00 Uhr betraten Whole die Bühne und gaben einen ersten eindrucksvollen Vorgeschmack darauf, was ihre Live-Auftritte ausmacht. Mit „I Am Your Shadow“ vom aktuellen Album “Hydra” eröffneten sie ihr Set – ein Song, der düstere Atmosphäre, eingängige Melodiebögen und markante Rhythmen gekonnt miteinander verbindet. Einzelne Passagen sangen Thomas und Alex gemeinsam, was der Performance zusätzliche Intensität verlieh. Während Thomas an den Keys konzentriert das Klangfundament legte, wirbelte Alex über die Bühne, als müsse er jede Ecke des Kulttempels mit Energie füllen – mal mit ausladenden Sprüngen, mal hingebungsvoll kniend oder das Mikrofon in weiten Bögen schwingend.
“Dankeschön, wir sind Whole aus Berlin. Wir sind sechs Stunden hierher gefahren, standen eine Dreiviertelstunde im Stau, aber scheißegal – wir sind hier und haben Spaß. Danke, dass ihr alle da seid!”, begrüßte Alex die Menge bestens gelaunt. Mit „Sudden Hydra“ ging es weiter – ein Stück, das zunächst mit Sprechgesang eine erzählerische Dichte aufbaute und im weiteren Verlauf eine fast hektische, bewusst chaotisch anmutende Dynamik entwickelte. Gerade als sich das Durcheinander auf den Höhepunkt zubewegte, schlug der Song eine überraschende Wendung ein: Eine liebliche, fast zarte Melodie setzte einen deutlichen Kontrast zur vorherigen Unruhe. Währenddessen bewies Alex, dass seine Energie keine Grenzen kannte – in bester Frontmann-Manier erklomm er kurzerhand den Handlauf des Treppenaufgangs, klatschte, schrie und peitschte die Stimmung an. Wer Whole zum ersten Mal live erlebte, musste sich zunächst an die wilde, ungezügelte Performance von Alex gewöhnen, die jedoch schnell zum mitreißenden Markenzeichen des Auftritts wurde.
Während Alex die Bühne mit seiner rastlosen Power erfüllte, wirkte Thomas wie der ruhende Pol der Band – konzentriert an den Tasten, präzise in seinen Bewegungen. In dieser kontrastreichen Dynamik lag ein besonderer Reiz: Wie Yin und Yang ergänzten sich die beiden auf der Bühne und ließen so eine mitreißende Balance zwischen ungebändigter Leidenschaft und kontrollierter Finesse entstehen.
Auf einmal kam es zu einem unerwarteten Wechsel: Für die nächsten beiden Songs tauschten Thomas und Alex kurzerhand die Plätze. Den Anfang machte „Ten Commandments“, bei dem nun Thomas die Position am Mikrofon übernahm. Mit lockeren Hüftbewegungen und einer im Takt erhobenen Faust unterstrich er die eingängige Rhythmik des Songs, der sich schnell als eine der melodischeren Nummern des Sets präsentierte. Doch irgendetwas schien im Hintergrund nicht zu stimmen – sind da die Begleitspuren ausgefallen oder sollte der Song bewusst so klingen? Zunächst ließen sich die beiden Musiker nichts anmerken und performten professionell weiter. Erst ein kurzer, irritierter Blick von Thomas entlarvte die tatsächlichen Soundprobleme. Tapfer meisterten die beiden Musiker aber die Situation und brachten den Song entschlossen zu Ende.
Die Auflösung folgte prompt. Vorsichtshalber wurde auch an einem Alternativplan gearbeitet. „Ich erzähle in der Zeit, was passiert ist. Unser Backing ist ausgefallen. Das war also A cappella – eine Premiere in all den Jahren seit 2018. Wir machen weiter.“ Trotz der technischen Panne bewiesen Whole eine beeindruckende Souveränität und nahmen die unerwartete Situation mit Humor und Gelassenheit.
Mit geschlossenen Augen und in einem hohen, fast schwebenden Gesang ließ Thomas die ersten Töne von „Tides“ erklingen. Der Song, in den dezent ein Glockenspiel eingewoben war, entfaltete eine sanfte, verträumte Atmosphäre. Auch Alex zeigte sich in seiner Rolle hinter den Keys von einer ruhigen Seite: Statt wie zuvor über die Bühne zu wirbeln, ließ er sich vom Klang treiben und wirkte dabei in sich gekehrt, fast kontemplativ.
Ganz hatte Alex den Ausfall der Backings offenbar noch nicht verdaut: „Also, wenn Thomas auf Start drückt, passiert nichts. Deshalb bleibt Thomas jetzt dort und wir spielen einen Song von unserem ersten Album: ,Lust / Terror‘. Ein Song, der aus gefühlt nur 26 Wörtern besteht. Inspiriert von Sonic Youth, die mal meinten, dass sie Songtexte anhand der Zeitungsartikel schrieben, die im Proberaum herumlagen – und daraus dann einfach den Text generierten. Und wir sind jetzt bereit.“ „Lust / Terror“ lebte von seiner rohen Direktheit und einem hypnotischen, fast mantrahaften Aufbau: wenige Worte und eine untergründige Spannung, die sich schrittweise steigerte. Die knappe, reduzierte Struktur wirkte wie ein musikalisches Destillat aus Aufbruch und unterschwelliger Anspannung.
Im Anschluss daran wechselten die beiden Musiker erneut die Plätze – dieses Mal reichten sie sich das Mikrofon wie einen Staffelstab und umarmten sich kurz freundschaftlich, bevor „Beast“ folgte. Der Song präsentierte sich kraftvoll und düster zugleich, getragen von einer markanten Basslinie und dunklen, pulsierenden Synth-Flächen, die eine bedrohliche, aber zugleich eingängige Atmosphäre erschufen.
“Dankeschön. Einen haben wir für euch noch und dann wünschen wir euch viel Spaß mit Isaac Howlett, der vorher auf die Idee kam, dass wir uns vielleicht Isaac Wholett nennen könnten mit ihm zusammen. Denn wir waren Whole aus Berlin. Wir haben uns sehr gefreut, heute hier zu sein. Vielen Dank auch an Devision Redux – Steffen, das geht an dich,” verabschiedete sich Alex mit einem Lächeln. Mit „Get Away“ durfte Thomas das rund 30-minütige Set beschließen. Der atmosphärische Track entfaltete eine nachhallende Kraft, berührte mit seiner Intensität Herz und Sinne gleichermaßen und hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Zum Abschied verneigten sich Thomas und Alex vor ihrem Publikum und überließen die Bühne dem nächsten Act: Isaac Howlett. Sowohl die Songs selbst als auch der leidenschaftliche Auftritt abseits gängiger Mainstream-Pfade machen Whole zu einer ganz besonderen Band – authentisch, ungeschliffen und auf ihre Weise berührend.
Setlist WHOLE – Oberhausen, Kulttempel (20.04.2025):
01. I Am Your Shadow
02. Sudden Hydra
03. Ten Commandments
04. Tides…
05. Lust / Terror
06. Beast
07. Get Away
Weblinks WHOLE:
Facebook: WHOLEband
Instagram: whole.band
Nach dem energiegeladenen Auftritt von Whole betrat Isaac Howlett, bekannt als Stimme und Songwriter von Empathy Test, die Bühne des Oberhausener Kulttempels. Zuletzt hat der gebürtige Londoner mit Solo-Veröffentlichungen wie „House of Cards“ und „Endless Night“ nicht nur die Herzen seiner Fans erobert, sondern auch die Spitze der Deutschen Alternative Charts erreicht. Doch ganz allein war Isaac an diesem Abend nicht: An den Keys wurde er begleitet von Sam Winter-Quick, einem vertrauten Weggefährten der Empathy Test in den späten 2010er-Jahren, live unterstützte. Es war eine Freude, den sympathischen Engländer wiederzusehen – und bemerkenswert, wie wenig sich beide Musiker über die Jahre hinweg verändert haben.
Wir mussten gar nicht lange verweilen: Nach nur etwa 15 Minuten Pause begann um 19:45 Uhr das Set von Isaac Howlett. Den Auftakt machte seine erste Solo-Single „House of Cards“, die am 28. Februar 2024 erschienen war – ein Song, der nicht nur einen neuen musikalischen Abschnitt einleitete, sondern auch einen sehr persönlichen Wendepunkt markierte. Für die Fans war Isaac schon immer das Gesicht von Empathy Test – kaum jemand wusste jedoch, dass im Hintergrund stets ein kreativer Partner an seiner Seite stand, mit dem er die Songs erschuf, die das Projekt so einzigartig machten. Als diese Zusammenarbeit nicht mehr wie gewohnt fortgesetzt werden konnte und trotz aller Geduld kein neuer gemeinsamer Schaffensprozess entstand, entschied sich Isaac nach drei Jahren des Wartens dazu, neue kreative Wege einzuschlagen. Leicht fiel ihm dieser Schritt nicht – doch er fand die Kraft, sich neu zu definieren und den kreativen Prozess selbst in die Hand zu nehmen. „House of Cards“ steht symbolisch für diesen persönlichen Neuanfang und erzählt von Befreiung, Aufbruch und der Hoffnung auf innere Heilung.
Auch live im Kulttempel entfaltete „House of Cards“ seine besondere Magie. Die sanften, melodischen Synthie-Klänge strahlten eine Leichtigkeit aus, die sofort auf das Publikum übersprang. Sämtliche Arme gingen in die Höhe, Bewegung durchströmte den Saal, und als Isaac rief: „Oberhausen, how are you doing?“, antwortete ihm eine begeisterte Menge. Dank einer ausgedehnten Extended-Version entfaltete der Song seine volle emotionale Wirkung. Und da waren sie wieder diese Zeilen: “I hear the trees, they’re calling my name. I feel the wind and the rain on my skin. It’s a medicine for my soul.” Sie wirkten wie eine sanfte Umarmung, eine Einladung, alte Lasten loszulassen und nach vorn zu blicken. Und so ließ der Song noch stärker spüren, wofür dieser neue Abschnitt steht: für Mut, für Selbstbestimmung – und für die ungebrochene Leidenschaft, Musik zu erschaffen, die berührt.
Als nächstes folgte „Save Myself“, ein Song, der ursprünglich in Zusammenarbeit mit Aesthetic Perfection entstanden war. Leider hatten Isaac und Sam mit Tonproblemen zu kämpfen, die für Irritation sorgten. Doch Isaac performte gekonnt weiter: Mit sichtbarer Entschlossenheit sprang er in die Luft, tanzte ausgelassen zum mitreißenden Beat und bewies einmal mehr seine ansteckende Bühnenpräsenz. Auch die hochgepitchten „O-ohooo“-Parts übernahm er kurzerhand selbst – und konnte sich dabei ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen. Ein Moment, der den Sänger noch sympathischer wirken ließ.
Isaac erklärte, wo das Problem lag: „My in-ears aren’t working. Ok, this is a brand new song. It has not been released yet. It’s called ,A Year Without Light’.“ Trotz der anhaltenden technischen Hürden, die ihn zwischendurch hilfesuchend zum Tontechniker blicken ließen, harmonierten Isaacs unverkennbare Stimme und Sams präzises Spiel weiterhin wunderbar miteinander. Bei diesem neuen Song wirkte der Fronter jedoch etwas zurückhaltender als gewohnt. Dennoch entfaltete der neue Track nach und nach seine Wirkung – das Publikum öffnete sich dem Neuling, klatschte im Takt und ließ sich von der Stimmung sanft mitnehmen.
Mit dem nächsten Stück wechselte Isaac wieder in vertraute, tanzbare Klangwelten. „Thank you very much. This is the Foreign Resort remix of ,Endless Night’,“ kündigte er an – ein Remix, der dem Song live eine pulsierende Energie verlieh. Die Beats wurden dichter und die Synths drängender. Isaac ließ sich in den Song hineinfallen und am Ende lächelte er – ein echtes, spürbares Lächeln, das verriet: Die Anspannung des Abends wich langsam. „This is another new song. It’s called ,Something Changed’,“ kündigte Isaac an. Beschwingt schlich sich der Track ins Gehör, breitete sich aus und löste Freude in mir aus. Die warme Energie des Songs übertrug sich mühelos auf den Raum – der Funke sprang über.
„Well, recently I had the honor of remixing a Clan of Xymox track. So I thought I would sing Ronny’s part. I shot myself in the foot! This is ,Blood Of Christ’,“ kündigte Isaac schelmisch an. Seine Sorge erwies sich als unbegründet: Mit Bravour meisterte er den Song und er begann ausgelassen zu tanzen. Mit begeisterten „Woohoo“-Rufen quittierte das Publikum seine gelungene Interpretation.
„I wanna say a big thank you to Daniel Myer who has been a very busy boy lately. Not only has he been remixing De/Vision for the Devision Redux show, but he’s also produced two tracks for me last minute. So I had enough songs to perform. And they are the best songs of the set. I would save them for last. The first one is called ,Ghosts Of The Tsunami’,“ kündigte Isaac mit spürbarer Dankbarkeit an. Sam bat um etwas mehr Lautstärke für sein Keyboard – und siehe da: Plötzlich entfaltete sich der Sound noch voluminöser. Isaac war nun vollends im Set angekommen. Mit geschlossenen Augen und voller Gefühl ließ er die ersten Zeilen von „Ghosts Of The Tsunami“ durch den Raum schweben. Der Song traf mitten ins Herz – und wusste mit seiner einnehmenden Schönheit zu berühren. Man spürte förmlich, welch enormes Potenzial in diesem neuen Werk schlummerte.
„Thank you very much and a big thank you to Sam for stepping in on the keys. And of course Devision Redux for inviting us. This is our last song. It’s called ,Eggshell’,“ kündigte Isaac seinen Closer an. Mit diesem Stück offenbarte er eine neue, spannende Facette seines Schaffens: Ungewohnt markante Klänge umspielten seinen leidenschaftlichen Gesang und ließen erahnen, welche musikalische Entwicklung hier noch bevorsteht. Auch Daniel Myers Handschrift war unverkennbar und verlieh dem Song zusätzliche Tiefe. Nach rund 40 intensiven Minuten endete das abwechslungsreiche Set – und zurück blieb nicht nur Applaus, sondern eine spürbare Vorfreude darauf, Isaacs weiteren Weg mitzuverfolgen. Man durfte sich sicher sein: Dies war erst der Auftakt einer spannenden neuen Reise!
Setlist ISAAC HOWLETT – Oberhausen, Kulttempel (20.04.2025):
01. House Of Cards (Stripped Back & Extended)
02. Save Myself (Aesthetic Perfection Collab)
03. A Year Without Light
04. Endless Night (The Foreign Resort Remix)
05. Something Changed
06. Blood Of Christ (Clan Of Xymox Remix Cover)
07. Ghosts Of The Tsunami
08. Eggshell
Weblinks ISAAC HOWLETT:
Facebook: Isaac.Howlett.Music
Instagram: isaachowlett
Folglich stieg die Vorfreude im Kulttempel noch einmal merklich an. Schließlich war es Zeit für den Hauptact des Abends: Devision Redux. Um 20:45 Uhr nahm Daniel Myer den Platz hinter seiner elektronischen Spielstätte ein. Ein ausgedehntes, spannungsgeladenes Intro ließ die Spannung weiter steigen, bis schließlich auch Steffen Keth unter großem Applaus die Bühne betrat. „Hallo, Oberhausen“, begrüßte er seine Fans sichtlich gut gelaunt. Rund 300 Konzertbesucher hatten an diesem Ostersonntag den Weg in den Kulttempel gefunden – für manchen gar der perfekte Anlass, die familiären Kaffeetafeln etwas früher zu verlassen und sich stattdessen in elektronische Klangwelten zu stürzen.
Mit „Addict“ eröffneten Devision Redux ihr Set. Daniel Myer bespielte sein elektronisches Drumpad mit spürbarer Energie, während Steffen mit klarer Stimme durch die sanften Melodiebögen führte. In der Mitte des eigentlich ruhigen Songs setzten plötzlich fette, kraftvolle Soundelemente ein. Steffen reagierte prompt mit einem amüsierten, beeindruckten Blick zu Daniel – welch herrlicher Moment. Na, auch für Steffen waren die Interpretationen seiner altbekannten Songs noch Neuland.
„Schön, dass ihr da seid. Dann wollen wir mal“, kündigte Steffen fröhlich den Titel „Rage“ an. Das Fresh-up dieses Klassikers klang absolut fantastisch: druckvoll, modern und doch unverkennbar. Die Fans ließen sich nicht lange bitten und schwangen begeistert das Tanzbein. Steffen nutzte die gesamte Breite der Bühne, hielt sich meist am vorderen Rand auf und suchte immer wieder den direkten Blickkontakt zu den Konzertbesuchern – eine Energie, die sofort spürbar wurde. Voller Elan sprang er in die Luft, ehe er passend zu den pulsierenden Sounds seinen Kopf rhythmisch schüttelte – ein Bild purer Freude und Hingabe an die Musik.
Bei „I’m Not Dreaming Of You“ zeigte sich Steffens Spielfreude: In den Gesangspausen hielt er sein Mikrofon quer in der Hand und verwandelte es kurzerhand in eine imaginäre Rassel – seine typische, aber umso sympathischere Geste. Gedankenverloren ließ er sich dazu von den Sounds tragen. Die frische Version des Songs ließ unverkennbar leichte Depeche Mode-Vibes aufblitzen, ohne dabei den eigenen Stil zu verlieren. Daniel ergänzte Steffen dezent im Backgroundgesang und und jonglierte zugleich routiniert mit Knöpfen und Reglern. Auch optisch boten die beiden einen interessanten Kontrast: Daniel präsentierte sich an diesem Abend in einem gediegenen Look – mit heller, schicker Weste über einem weißen Hemd, weißen Turnschuhen und schwarzer Hose. Steffen hingegen blieb seinem lässigen, schwarzen Look treu – schlicht, unaufgeregt und ganz er selbst.
Zu „Flavour Of The Week“ erreichte die ausgelassene Stimmung im Kulttempel einen weiteren Höhepunkt. Selbst Daniel konnte sich dem Moment nicht entziehen und griff gut gelaunt zur imaginären Luftgitarre – ein Bild, das perfekt zu der neuen, dynamischeren Frische passte, die Devision Redux dem Song verliehen hatten. Während Steffen die Zeilen mit gewohntem Nachdruck sang, übernahmen stellenweise die Fans das Kommando: Lautstark und voller Leidenschaft stimmten sie die bekannten Lyrics an: “You think you’re perfect, yes it’s true. This world was made for me and you. I would suppose we have a go. You gotta tell me, I gotta know.” Es war eines dieser besonderen Konzerthighlights, bei dem Künstler und Publikum auf einer Wellenlänge waren – getragen von der gemeinsamen Freude an der Musik und einer Spur Nostalgie.
Bevor der nächste Song startete, übernahm zunächst Daniel Myer das Wort: „Gestern habe ich zu dem folgenden Song einen Hinweis gegeben, weil er bei den bisherigen Gigs für ein bisschen Verwirrung gesorgt hat. Wir haben uns für jeden Song Inspirationsquellen gesucht – Songs, die mich beeinflusst haben, aus alten De/Vision-Stücken etwas Neues zu formen. Und bei dem, der jetzt kommt, war das ,New Error’ von Moderat. Der Song läuft in Triplets, genau wie ,Assimilate’. Der eigentliche Song ist aber ein normaler 4/4-Takt – deswegen fühlt sich das im Kopf erstmal total schräg an. Auch für Steffen. Für alle, die das heute zum ersten Mal hören, ist das sehr, sehr verwirrend. Ich hab zwei, drei Wochen an dem Ding gesessen. Für mich ist das coole Scheiße – und ich hoffe, dass es für euch auch irgendwann coole Scheiße wird.“ Steffen griff die blendende Stimmung direkt auf und ergänzte grinsend: „Ich muss auch noch eine Anmerkung dazu machen. Ich find’s geil!“
Es folgte „I Regret“ – und die fortgeschrittene Variante klang schlicht phänomenal! Der Song hatte zudem eine neue, richtig lässige Coolness inne, die sich mühelos auf die Menge übertrug. Daniel sah dem Publikum an, wie sehr es diese Neuinterpretation feierte, und strahlte über das ganze Gesicht – ein Augenblick voller Freude. Für diese starke Leistung spendierte die Crowd begeisterten Zwischenjubel.
Auch Steffen zeigte sich sichtlich happy. „Also ihr seid die Größten! Aber das wissen wir ja.“ „Time To Be Alive“ überraschte – technoide Impulse breiteten sich aus und verliehen dem Song eine völlig neue Energie. Was ging denn hier ab? Der Track hatte hörbar eine Frischzellenkur erhalten, die ihn modern, druckvoll und gleichzeitig unglaublich tanzbar erscheinen ließ. Auch Steffen hatte sichtbar Freude an dieser Version – er strahlte, tanzte und trieb die Energie immer weiter an. Auf und vor der Bühne verwandelte sich der Kulttempel in einen pulsierenden Tanzboden.
„Dress Me When I Bleed“ wurde in der Redux-Version ebenfalls vollständig entkernt – die einst schwarz schimmernde Essenz wich einem überraschend leichten, heiteren Klangbild. Daniel ergänzte die Performance mit verspielten Live-Effekten, schlug rhythmisch auf sein Drumpad, dessen verfremdeter Sound sich in mehrfachen Echos über den Raum legte – als würde sich der Takt über sich selbst ausbreiten. Im mittleren Part des Sets entstanden neue Bilder im Kopf. Man hätte sich plötzlich auch an einem mondänen Strandclub wiederfinden können, in einer lauen Sommernacht, mit weißen Stoffen im Wind und Menschen in hellen Outfits, die barfuß im Sand zur Musik tanzten. Ein unerwartetes Bild, das zwar leicht verwirrte, aber zugleich faszinierte.
Beseelt und textsicher sangen die Fans die vertrauten Zeilen von „Dinner Without Grace“ mit. Die Redux-Version klang überaus modern und gleichzeitig wunderbar harmonisch. „Ihr habt Spaß?“, fragte Steffen grinsend. „Den nächsten Song haben sie in Frankfurt nicht wirklich verstanden. In Berlin war’s ein bisschen besser. Ihr werdet ihn bestimmt feiern, oder?” Mit „Blue Moon“ folgte ein Track, der durch seine ausgeprägte Rhythmusarbeit treibend und drumlastig hervorstach. Als Steffen die Zeilen „I found heaven, I found joy and peace within my mind“ sang, schwebten die Fans getragen von Klang, Gesang und Licht regelrecht im siebten Himmel.
„Wer kennt unsere erste Single? Wie heißt sie? Keine Ahnung? Keiner kennt unsere erste Single“, neckte Steffen das Publikum. „Ihr seid doch auch schon ein bisschen älter, so wie ich. Ich bin auch schon im gereiften Alter. Die junge Dame hier vorne?“ – kurz darauf kam die Auflösung: „Your Hands On My Skin” – und zwar aus dem Jahr 1990! „Es darf auch mitgesungen werden“, forderte er – und die Menge ließ sich nicht lange bitten. Die Hände gingen nach oben, und die Fans stimmten leidenschaftlich mit ein. „Schon wieder fast vorbei. Das geht so schnell!“, warf Steffen ein, doch der Saal reagierte prompt mit lautstarkem Protest. Steffen lachte: „Hallo? Ich muss es immer wieder sagen: Ich muss ins Bett!“ – was ihm herzliches Gelächter einbrachte.
Statt Abschied folgte noch ein echtes Highlight: „Synchronize“. Der Song, der sich mit dem Wunsch nach tiefer Verbindung und Gleichklang beschäftigt, bestach in der Redux-Version durch seinen tanzbaren Drive und gleichzeitig emotionalen Tiefgang. Klare Beats, fließende Melodien und Steffens eindringlicher Gesang machten das Stück zu einem weiteren intensiven Moment des Abends. Erst danach verließen Devision Redux die Bühne – zumindest kurzzeitig.
Als Steffen und Daniel für die Zugaben zurückkamen, zeigte sich der Technikbereich offenbar schon im Feierabendmodus: Der Beamer verweigerte seinen Dienst, und die Visuals konnten nicht mehr auf die Leinwand projiziert werden. Doch Daniel reagierte blitzschnell und drehte kurzerhand seinen Laptop um, sodass das Publikum die Visuals zumindest in kleiner Variante auf der Bühne verfolgen konnte – Improvisation mit Charme! Auch Steffen nahm den kleinen Ausfall mit Humor: „Wir machen jetzt ohne Video weiter? Komplett nackt!“ Mit „Where’s The Light“ setzten sie ihr Set fort – und sofort entfalteten sich die wohligen Klänge des Songs. Die herrlich sphärische Grundstimmung blieb dabei erhalten, doch in der Redux-Version zeigte sich der Titel beatlastiger, verspielter und bekam dadurch eine zusätzliche, fast hypnotische Leichtigkeit.
„Ich habe es jetzt auch schon in Berlin gespielt und gestern in Frankfurt. Da war es dann schon ein bisschen besser. Wir spielen zum ersten Mal eine Coverversion – von einer meiner früheren Lieblingsbands – jetzt nicht mehr! Es ist nicht Depeche Mode. Es ist Coldplay. Wer kennt denn Coldplay von euch? Yeah! Wahnsinn, das sind ja schon einige. Gestern haben mich so ein paar Blicke getroffen, die kannten die Band überhaupt nicht. Da war ich ein bisschen irritiert. Lasst euch überraschen.“ Und tatsächlich: Steffen und Daniel gelang es, dem Song eine ganz eigene Seele einzuhauchen. Die Coverversion klang so selbstverständlich und authentisch, als stamme sie aus ihrer eigenen Feder. Was für eine Glanzleistung! Dem Stück wurde auf beeindruckende Weise das eigene musikalische Erbgut einverleibt – ein verdienter Moment des Respekts und der Bewunderung! Vor dem letzten Zugabenblock verschwand das Duo erneut im Backstage Bereich.
Ihre letzte Rückkehr ließ nicht lange auf sich warten. “Bevor es losgeht, möchte ich noch etwas erzählen. Im August haben wir dieses Projekt gegründet und Daniel hat sehr intensiv daran gearbeitet. Das was ihr hört musikalisch ist eigentlich hier dem Mann hier zu verdanken. Das muss man ja auch mal sagen, ne? Wir waren uns auch nicht so ganz sicher, wie die neuen Tracks, also die alten Tracks im neuen Gewand so ankommen bei euch. Um es mal normal auszudrücken, ich bin sehr sehr dankbar und sogar überwältigt von der positiven Resonanz, die uns mit dem Format entgegengebracht wird. Wir wollen uns jetzt auch mal bei euch für eure Unterstützung bedanken. Ich sag sowas nicht oft – ihr kennt mich. Aber wenn ich etwas sage, dann meine ich das auch so.” Mit geschlossenen Augen bot uns Steffen anschließend „Strange Affection“ dar. Zur Abwechslung stand er dabei ganz still und bedächtig auf der Bühne. Nur seine Hände bewegte er, ließ sie sanft die Schwingungen der Musik nachzeichnen – eine Geste voller Gefühl, die die tiefe Verbundenheit mit dem Song und dem Augenblick eindrucksvoll spürbar machte.
Zum wirklichen Abschluss folgte „Try To Forget“. Ein letztes Mal zauberte Daniel seine Spezialeffekte und kleinen technischen Raffinessen unter die bekannten Melodielinien – und verwandelte den Klassiker in eine tanzbare, druckvolle Clubversion, die den Saal final in Schwingung versetzte. Als sich die beiden zum Abschied freundschaftlich in den Arm nahmen, fiel Steffen noch etwas ein: „Eine Sache habe ich noch: Frohe Ostern!“ – ein Schelm bis zum letzten Moment und einer, den man zusammen mit Daniel gerne bald wieder auf der Bühne erleben möchte.
Nach gut anderthalb Stunden war die Magie noch längst nicht verflogen: Der Merchstand wurde gestürmt – und während sich noch viele Fans mit neuen Schätzen eindeckten, schien so mancher Konzertbesucher zu realisieren: Das Osterfrühstück mit der Familie rückte nun bedrohlich nahe! Dieser Abend bewies, wie lebendig, mutig und berührend musikalische Neuanfänge klingen können – und machte große Lust auf alles, was noch kommen mag – ob mit De/Vision oder De/Vision Redux.

Setlist DEVISION REDUX – Oberhausen, Kulttempel (20.04.2025):
01. Intro / Drifter
02. Addict
03. Rage
04. I’m Not Dreaming Of You
05. Flavour Of The Week
06. Free From Cares
07. I Regret
08. Time To Be Alive
09. Dress Me When I Bleed
10. Dinner Without Grace
11. Blue Moon
12. Deliver Me
13. Your hands On My Skin
14. Synchronize
15. Where’s The Light? (Z)
16. Clocks (Z)
17. Strange Affection (ZZ)
18. Try To Forget (ZZ)
Weblinks DEVISION REDUX:
Homepage: https://www.devision.rocks
Instagram: devisionmusic