Sie leben in Athen und Barcelona, touren aber seit Jahren nahezu ununterbrochen um die Welt. Sind She Past Away eigentlich irgendwann mal nicht unterwegs? Die immer zahlreicher erscheinenden Fans freut die Live-Omnipräsenz von Volkan Caner und Doruk Öztürkcan aber, so war die Zeche Bochum auch an diesem milden Mittwoch gut gefüllt, wenngleich nicht ausverkauft. Einige Wochen zuvor wurde ein Wechsel im Aufgebot des Abends bekanntgegeben: Sydney Valette ersetzt das US-Duo Night Club, die ohne nähere Angabe von Gründen rausfielen. Pünktlich um 20 Uhr eröffnete er das Programm, und an seiner “Álo Bochüm”-Begrüßung merkte man sofort: Der stammt entweder aus Frankreich oder Belgien. Zwei Länder, die in den vergangenen Jahren so manch grandiosen Act zwischen Dark Wave, Cold Wave und EBM hervorbrachten. Und tatsächlich reiht sich der Solo-Musiker da perfekt ein, er kommt aus Paris. Drei Wochen vor dem Auftritt im Revier konnte er bereits auf dem E-Only-Festival in Leipzig überzeugen.
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Optisch stach Valette sicherlich aus der “gruftigen” Masse raus: Die graue Sportlerjacke, die Pony-Frise, die Brille – irgendwie erinnerte er an einen Britpopper aus den mittleren 90er-Jahren. Musikalisch hat er damit aber rein gar nichts gemein. Die Synthies wabern, die Beats stampfen, dazu gibt Valette mit ordentlich Bewegungsdrang seine stets etwas nölig klingenden, aber zum Gesamt-Soundbild passenden Vocals zum Besten. Erste Fans ließen sich dann auch von der Energie anstecken und lockerten ihre Tanzbeine. Nach rund 35 Minuten bedankte sich Valette für den verdienten warmen Empfang, große Reden schwang er zwischendurch nicht. Wer Blut geleckt hat, dem bieten sich in absehbarer Zeit zwei weitere Chancen, den Franzosen live zu sehen: Am 20.4. tritt er im Münchner Katzenclub auf, am Vortag des Amphi Festivals beim “Echoes of Rebellion”-Event im Kölner Club Volta.
Danach war es aber Zeit für einen türkischen Liederabend der besonderen Art. Nachdem She Past Away mit ihren ersten zwei Alben “Berlidi Gece” und “Narin Yalnizlik” mehr als nur Achtungserfolge einfahren konnten und bewiesen, dass das Goth-Lebensgefühl nicht nur Zentraleuropäern und Nordamerikanern vorbehalten sein muss, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis weitere türkische Acts in die Fußstapfen von Volkan und Doruk treten. Und Ductape, deren Bandnamen man in etwa so ausspricht wie den einer absolut kultigen Zeichentrickserie, könnten das nächste ganz große Ding werden. Erst vier Tage vor der Bochum-Show verkauften Sängerin Çağla und Bassist Furkan ihren Headliner-Gig im benachbarten Essen aus und es schien durchaus so, dass einige der dort Anwesenden sich den Spaß gleich nochmal gönnen wollten.
Die Songs, zu einem beträchtlichen Teil vom aktuellen Album “Echo Drama” stammend, waren abwechslungsreich, der Live-Bass von Furkan gibt dem Dark-Wave-Sound des in Ankara lebenden Duos eine zusätzliche rockige Note. Çağla bewies derweil ihr Talent an den Tasten wie am Mikro, lieferte eine packende, energetische Bühnenperformance ab. Entsprechend laut und enthusiastisch erklang der Jubel des Publikums nach 45 Minuten voller tanzbarer, abwechslungsreicher dunkler Sounds, die Texte teils in türkischer, teils englischer Sprache gehalten. “It was amazing to be here for the first time” war kurz vor dem Ende der ungefähr einzige vollständige in Richtung Publikum gesprochene Satz von Çağla. Die mangelnde Verbal-Kommunikation ist in diesen musikalischen Gefilden aber auch Gewohnheit – von daher soll das kein großer Kritikpunkt sein. Übrigens hinterließen Ductape, die unter anderem noch beim Amphi Festival 2025 zu sehen sein werden, nicht nur auf der Bühne einen guten Eindruck. Über den gesamten Abend verteilt waren Çağla und Furkan immer wieder an Merch und Bar anzutreffen, standen (wie übrigens auch Sydney Valette) für Smalltalk, Fotos und Autogramme zur Verfügung. Und es gibt sie noch, die Bands, die keine Wucherpreise für ihre Shirts verlangen – das naturgemäß schwarze Stückchen Stoff gab es für faire 20 Euro.
Gegen 22 Uhr eröffneten She Past Away nach einem ausgiebigen Intro ihr Set mit “Durdu Dünya” – immer wieder schön, wenn nach dem treibenden Synthie-Intro der tanzbare Stampf-Beat einsetzt. Mit einem “Bochum, alles klar?” stellte Doruk nach dem Opener zumindest rudimentäre Deutsch-Kenntnisse unter Beweis – viel kommunikativer sollte es in der Folge aber nicht zugehen. Lange Reden hätten aber auch den Fluss gestört. Vermutlich auch wegen der Sprachbarriere eignet sich der Sound der beiden Türken einfach perfekt zum “einfach mal fallen lassen und abschalten”. So tanzte sich die Fangemeinde zu “Katarsis”, “Disko Anksiyete” oder “Ritüel” in Trance, jubelte nach den Songs laut und entlockte Volkan ab und an mal ein “Thank you, you’re great“.
Neue Songs blieben Fehlanzeige. “Inziva” und “Sessiz Orman” kennen treue Fans schon seit dem vergangenen Festivalsommer oder einem der zahlreichen Clubkonzerte drumherum. “This is from our upcoming album“, sagte Volkan vor “Sessiz Orman”, den Spruch bringt er an dieser Stelle nun schon seit mehr als einem Jahr regelmäßig. Aber so ist es meistens im Musikgeschäft: Wer andauernd tourt, hat weniger Zeit zum Tüfteln an neuen Songs. Wie lange es wirklich noch bis zum vierten Album dauert, wissen wohl nur die beiden Musiker höchstpersönlich. Und live tun es bis dahin ohnehin die alten Hits. Gerade zum wohl bekanntesten Stück “Kasvetli Kutlama” wurden die Handys zahlreich gezückt (leider!) und kräftig gejubelt (verdient!) “You’re fantastic“, äußerte Volkan.
Nach gut einer Stunde verließen She Past Away die Bühne, dass noch ein paar Songs fehlten, war aber klar. So ging es mit den treibenden “Bozbulanik” und “Monoton” nochmal in die Vollen, bevor das balladeske “Hayallar” mit atmosphärischer pink-blauer Bühnenbeleuchtung den Schlusspunkt setzte. Danach einmal mehr lauter Jubel, das Fazit des Sängers? “You’re amazing.” Und Doruk ließ sich gar zu einem “Bochum, see you next year“-Versprechen hinreißen. Mal sehen, ob das aus Bursa stammende Duo dem nachkommt. Zuvor stehen erstmal noch u.a. Konzerte in Berlin (Astra, 18.7.), Oberhausen (Kulttempel, 4.9.) und Hannover (Musikzentrum, 6.9.) an. Am Ende bleibt an einem sehr runden Abend voller heimeliger Wave-Melodien nur ein echter Kritikpunkt: Schade, dass She Past Away und Ductape ihre gemeinsame Single “Olüm Günüm” nicht spielten.
Setlist SHE PAST AWAY @ Bochum, Zeche (09.04.2025)
01. Durdu Dünya
02. Katarsis
03. Disko Anksiyete
04. Asimilasyon
05. Ritüel
06. Inziva
07. Izole
08. Ruh
09. Sessiz Orman
10. Kasvetli Kutlama
11. Insanlar
12. Bozbulanik (Z)
13. Monoton (Z)
14. Hayallar? (Z)
Weblinks Ductape
Homepage: https://ductape.bandcamp.com/
Instagram: ductape_official
YouTube: @ductape
Weblinks She Past Away
Homepage: https://shepastawayofficial.bandcamp.com/
Instagram: shepastaway_official
Facebook: shepastaway
Weblinks Sydney Valette
Facebook: www.facebook.com/sydneyvalette2
Instagram: www.instagram.com/sydney_valette
Bandcamp: https://sydneyvalette.bandcamp.com