Anfang Februar sollten Empathy Test durch England und Frankreich touren. Dazwischen ergab sich eine kleine Tourlücke. Wie nutzt man diese geschickt? Na, mit einem Abstecher zu uns nach Deutschland. Nicht weit entfernt vom Grenzgebiet, bot sich ein Auftritt in Köln an. Allerdings gab es einen Haken, handelte es sich bei diesem Gap doch um einen Dienstag. Könnte es funktionieren, genügend Besucher an solch einem Wochentag in einen Club zu locken? Zumal es aktuell ohnehin nicht einfach war, diese zu füllen. Einige Bands beklagten bereits fehlende Ticketverkäufe, zudem war der Januar gemeinhin der teuerste Monat des Jahres. Dazu entstand die Idee recht spontan und von der Ankündigung bis zu diesem Konzertabend vergingen gerade mal gute drei Wochen.
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Doch wer wagt, gewinnt, oder? Mit dem Blue Shell wurde ein schnuckeliger Club gefunden, der “nur” Platz für 200 Gäste bietet. Galant drehte man das Ticketpreisschräubchen sanft eine Stufe herab und siehe da, auf die treuen Fans der Band war absolut Verlass! Bis auf etwa zehn Tickets war die Location nahezu ausverkauft. Ein zunächst angedachter Special Guest war final doch nicht realisierbar – aber auch diesen vermisste niemand. Spontan wurde die Setlist auf eine 100-minütige Spielzeit erweitert und schon waren im Vorfeld alle wunschlos glücklich. Einziger Wehmutstropfen: Eine aktuelle Krankheitswelle hat leider auch die eingeplante Person getroffen, die an diesem Abend für die Garderobe zuständig war. Kurzum wurden im Blue Shell an sämtlichen freien Stellen Hügellandschaften samt dicker Jacken und Wintermänteln erbaut. Nach und nach füllte sich der langgezogene Raum vor der schmalen, nur leicht erhöhten Bühne.
Als wirklich alle ihre Plätze gefunden haben, platzierte sich David Leisser hinter seinen Drums und Nadine begab sich an ihre Keys. Um 20:25 Uhr setzen sodann die ersten Töne von Monsters ein. Isaac Howlett bahnte sich seinen beschwerlichen Weg durch die dicht gedrängte Menge. Zunächst stand das wuchtige Drumspiel im Vordergrund, ehe sich die prägnante Synthiemelodie dazugesellte. Im adrett gebügelten, langen, schwarzen Leinenhemd groovte sich Isaac direkt ins Set hinein. Dazu sang er mit glasklarer und reiner Stimme. Hüpfend und klatschend betrachtete er seine Fans, die ebenfalls ihre Stimmen erhoben und die Band freudig empfingen. Zahlreiche Arme streckten sie zu Empty Handed empor. Nun durfte getanzt werden – zumindest soweit dies aufgrund der Platzverhältnisse möglich war.
“We are amazed and happy that you all came out on a Tuesday night. It’s so hot in here.” Mit verletzter Note sang Isaac seine Zeilen zu dem Song Skin. Headbangend kniete er sich auf den Boden und nahm den mal lieblich, mal dramatisch klingenden Sound in sich auf. “Have we ever done a headline show in Cologne?” Ein weiblicher Fan erinnerte sich an den letzten Auftritt auf dem Amphi Festival und mahnte den dazugehörigen Einlass-Stopp an. Isaac gab sich zuversichtlich: “Because of the success of this night we hope to come back soon.” Zu dem Titel Stop ging es für Isaac stimmlich gesehen in die Höhen. Diese Hürde meisterte er bravourös. Getragene Synthies verliehen dem Song eine durchaus betrübte Stimmung. Zu den Klängen von Bare My Soul wurde es dann bedächtig. Passend dazu schloss der Sänger zunächst seine Augen und verlieh seiner Stimme ganz viel Gefühl. Getragen von den sphärischen Klängen sang er gemeinsam mit der Menge den emotionalen Refrain. “I want to bare my soul – in a way that no one can. In the hope that some of you might understand, how it feels to be so alone.”
Zu Kirrilee kam Isaac seinen Fans noch ein Stück näher, obgleich das Blue Shell ohnehin schon eine sehr intime Konzertatmosphäre schuf. So beugte er sich deutlich nach vorn und nahm die Stimmung in der Menge besonders intensiv wahr. Entspannte Gesichter und viele leuchtende Augen blickten ihm hier entgegen. Die Textsicherheit des Publikums war übrigens immens, denn der Großteil sang von der ersten bis zur letzten Zeile einfach die komplette Palette mit – ein sympathischer Fan im Teeniealter eingeschlossen. Welch schönes Kompliment für einen Künstler. Nadine passte an den Keys übrigens hervorragend in das Bandgefüge. Mit ihrer ruhigen, angenehmen Art, strahlte sie dennoch Sicherheit aus und es war eine Freude, ihr beim Spielen zuzusehen, schließlich war ihr Keyboard auch angeschlossen. Ein Move, den man bei manch anderen Bands schmerzlich vermisst, und der dann mit teils überladenen Showeinlagen kompensiert wird. Zumal solch ein Gehabe bei Empathy Test auch Fehl am Platze wäre – denn hier punktet man mit Natürlichkeit. David war ja mittlerweile schon bei einigen Konzerten dabei und fiel dabei angenehm auf. Mit seiner Professionalität ist er ohnehin eine Bereicherung.
“This is when I use to say: lights down. But here this ones won’t change.” Wenn sich Isaac hier mal nicht geirrt hat. Denn zum Incubation Song wurde das ohnehin etwas spärliche Licht tatsächlich nochmal gedimmt und somit ließ der gewünschte Effekt nicht lange auf sich warten. Der melancholische Titel berührte auf seine ganz eigene Art und Weise. “Are you ready to jump around a little bit? This one is called ,Fear Of Disappearing’.” Was soll ich sagen? Für eine Band, deren Musik im zumeist im Midtempo-Bereich angesiedelt ist, ging es ganz schön ab. Angefeuert von den schnelleren Schlagzeug Beats stand nun kein einziges Bein mehr still. Isaac sprang am Bühnenrand auf eine Erhöhung und tanzte ausgelassen, im Publikum stachen durchaus einige Hüpfer hervor und David lachte freudig, während er den fetzigen Ton angab. Kurz darauf setzten auch schon die prägnanten Synthielinien von Doubts ein, die mich stets an das mystische Feeling aus den Stranger Things Episoden erinnern. Die Drums wurden lauter und das Partyfeeling setzte rundum erneut ein. Somit entwickelten sich diese vier Minuten zu einem wahren Highlight des Abends.
Mittlerweile waren die Temperaturen im Club deutlich angestiegen. Kess stellt sich Isaac neben Nadine “Are you hot?” Selbstredend konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen. Dann richtete er die Frage an die Menge “Are you guys hot?! This is called ,demons’.” Lieblich und verträumt ging es damit weiter, ehe die Zerrissenheit über die eigenen Dämonen, die in einem wohnen die Herrschaft übernahm. Bis hierhin lief alles wie am Schnürchen. Doch dieser Abend sollte noch in die Geschichte der Band eingehen. So klang der Start von Losing Touch irgendwie… anders! “I think the laptop crashed. It’s a remix…? Scheiße!” Als hätte Isaac geahnt, was folgen würde, äußerte er seinen Wunsch nach einer kühlenden Rettung: “Can someone get me a beer from the bar? I’ve got a stamp. So I guess, it’s for free. Thanks to the Brexit. Bier für alle! Now I wanna start from the exact same part.” Der erneute Versuch scheiterte. “It feels a bit slow and rumbling. It sounds like a flat tire. Back in the days I would be dying, but we’re here, doing this for ten years now.”
Während David versuchte, das Problem zu beheben, erzählte uns Isaac kleine Geschichten aus seinem Musikerkästchen. “Tomorrow, we play with Je T’aime. They always try to copy us. We had a great time with them, but we can’t talk about it… Now I’m reaching the end of my routine.” Nachdem die nächste Bestrebung auch nicht zielführend war und der Laptop weiterhin zickte, beklagte Isaac seine fehlende Gitarre. Diese hätte er an dieser Stelle gut gebrauchen können. Stattdessen setzte er auf sein Improvisationstalent und performte Seeing Stars erneut – jedoch komplett ohne musikalische Begleitung. Im Blue Shell hätte man nun eine Stecknadel fallen hören können. Gespannt und fasziniert zugleich lauschten wir Isaacs purer Stimme. Zur Belohnung folgte ein beachtlicher Beifall. “Ok, who’s ready for Losing Touch?” Schnell huschte sein hilfesuchender Blick zu Nadine herüber. Doch auch sie konnte keine Entwarnung signalisieren. Wenn alles schiefläuft, braucht es Mut und Unterstützung. “Cologne, make some noise!” Und mit diesem kleinen Schubser nahm sich die Band nun ein Herz und zog ihr Ding durch. Fehlender Sound wurde durch eifriges Klatschen ersetzt und niemand nahm den Musikern die fehlende Perfektion übel.
Der offizielle Part der Setlist war somit geschafft. “This is the moment when we use to leave the stage. Let’s pretend, we’ve gone away.” Passend dazu hielt sich das Trio gewillt die Augen zu. “Now we’re backstage with our towels… oh, I guess they don’t want another one.” Natürlich war das genaue Gegenteil der Fall. Das Publikum spielte mit und sparte nicht an Zugabe-Rufen. “Ok, we’re gonna make it through this!” Tapfer performten sie Throwing Stones und Last Night On Earth. Erneut nahm Isaac Anlauf “Let’s go, lets go!” Fest entschlossen, den Gig unter den schwierigen Bedingungen des nach wie vor streikenden Interfaces durchzuziehen, hörten wir Here Is The Place, das gesanglich wahrlich vor Leidenschaft strotze. Erleichtert nahm Isaac Nadine in den Arm “You’re doing a great job! This is the most stressful show ever.” Ein weiteres Zugabenspiel folgte “We’ve just gone back. This is a song, we haven’t played for ages.” Doch der Laptop hatte erneut anderes vor – gar nichts. Lachend unterbrach der Sänger den Start. “Delete those videos. I’ll do it without music. Maybe I’ll come in the audience to you guys. We can do this together!” Inmitten seiner Fans schenkte uns Isaac also seine alleinige, immens zauberhafte Version von Burroughs & Bukowski.
“We’ve got two more songs. Then, we’re gonna buy you all a drink – with this stamp!” Wir hörten Holding On. David begeisterte mit einem stattlichen Drumsolo und gegen Ende sank Isaac zu Boden und legte sich nieder. “I think, I stay here. Can we stop now?” Nach einem tiefen Atemzug rappelte er sich aber nochmal auf “Thank you so much for coming out. We’ll come back soon. We have one more song for you.” Und mit Love Moves bäumten sich Empathy Test ein letztes Mal für ihr Publikum auf. Um 22:15 Uhr war es dann geschafft. Und dass die Zuversicht ihrer Fans diese Band dazu bewegen konnte, trotz absolut widriger Umstände ihr Set durchzuziehen und nicht mal EINEN Song auszulassen, machte diesen Abend unvergleichlich. Nahezu jeder hätte längst das Mikro ad acta gelegt. Aber statt sich diese Blöße zu geben, haben Empathy Test wahre Größe gezeigt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.
Morgen war Mittwoch, der Wecker würde keine Gnade zeigen und doch hat sich dieser Konzertabend unter der Woche mehr als rentiert. Absolut niemand zog enttäuscht von dannen. Stattdessen sind wir hier alle ein Stück näher zusammengerückt und haben der mangelnden Technik ein Schnippchen geschlagen. Gar nach dem Auftritt mischten sich die drei Musiker noch unter ihre Fans und ließen den Abend mit einem kühlen Blonden ausklingen… Ob es das “with this stamp” gab? 😉
Setlist EMPATHY TEST – Köln, Blue Shell (07.02.2023)
01. Monsters
02. Empty Handed
03. Making Worlds
04. Skin
05. Stop
06. Bare My Soul
07. Seeing Stars
08. Vampire Town
09. Kirrilee
10. Holy Rivers
11. Incubation Song
12. Fear Of Disappearing
13. Doubts
14. Demons
15. Losing Touch
16. Throwing Stones (Z)
17. Last Night On Earth (Z)
18. Here Is The Place (Z)
19. Burroughs & Bukowski (ZZ)
20. Holding On (ZZ)
21. Love Moves (ZZ)
Weblinks Empathy Test:
Homepage: empathytest.com
Facebook: www.facebook.com/empathytest
Instagram: www.instagram.com/empathytest