Retroavantgarde
Durch die spätsommerlichen Oktoberwärme, wirbeln Buntgekleidete, hin zum Tanzlokal “Naumanns”. Die Location pulsiert im Leipziger Westen, nicht zuletzt im Rhythmus von Fewjars Indiepop. Gemeinsam mit Paula Carolina verzaubern sie den sonst so müden, abendlichen Alltagsausklang ausgelassene Tanzlust und strahlende Augen.
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Musik in Gelb
Paula Carolina kündigen die Klebestreifen auf dem Instrumentenkoffer an der Bühnenecke an. Mit deutschsprachigen Pop rührt die 23-jährige Musikerin in der hibbeligen, aufregungsgeladenen Stimmung des Zuschauerraums und kumuliert eigene und Publikumsenergien in ausgelassene Ekstase. Alle springen, tanzen, zappeln, schütteln sich, alle singen, klatschen und strahlen. Gemeinsam vor dem so eingängig wie satten Sound ihrer Band, das sind Felix Burtscher (Drums), Nikolaus Winkelhausen (Gitarre) und Michael Goldmann (Bass), schlägt sie politische Töne an. Naturgemäß ist alles immer irgendwie politisch, weil Musik, Lyrics mit über und durch Gesellschaft kommunizieren – klar, aber hier findet der Diskurspop sehr klare Worte für Wohlfühlorte und Queerness. Jene ziert Paula Carolina mit aufrichtigen Glanz und gefälligen Rhythmen. Ganz vereinnahmt von ihren Geschichten, ihre schillerndsten Alltagsbeobachtungen verstrickt ihre Offenheit in ein berauschendes, kurzlebiges Livemusikerlebnis.
Raketen des Expressivität
Vor wackelnden Scheinwerferlichtern, die den Rhythmus jeden Schrittes auf der Bühne in zarten Regungen sichtbar machen, empfängt der tosende Applaus der Zuschauer:innen die Gruppe Fewjar. Drei von den sechs Musikern schwitzten bereits bei dem Konzert von Paula Carolina, strahlen aber ganz frisch mit dem Herzen der Band – das sind Jakob Joiko (Gesang), Felix Denzer (Gesang, Synthies) und Andre Moghimi (Synthis, Gesang) – um die Wette. Obgleich der Fronter im warmen Timbre davon berichtet, gesundheitlich angeschlagen zu sein, überkommt das Kollektiv des Indiepop die Spiellust. Im Wechselspiel mit den glänzenden Augen, den jubelnden, und unaufhaltsamen Regungen und Bewegungen Publikums, funkelt der konzertante Tourabschluss in Leipzig farbsatt: Tonvoll zeichnen die Rhythmen ein Muster auf den Klangstoff der Berliner Gruppe. Coloriert von catchy leuchtenden Synthieakzenten auf den warmfarbenen Gitarrenflächen, kleidet es sich gut für die Retroavantgarde. Zipp, zipp – der Reißverschluss öffnet sich als mechanischer Autotune “Oh hi, are you even real? is it all for real? Maybe it is to much I feel”. Fassbare Melodien bewegen die besungenen, spätnächtlichen Erkenntnismomente, wie auch Orientierungslosigkeit und Verlorenheit unter der unaufhaltsam rotierenden Diskokugel. Ausgelassen bisweilen hymnisch im Chorgesang einer Generation oder in schwelgender Melancholie vor knienden und rührend stillen Zuhörer:innen verhallen die Songs.
It’s not that we don’t care
It’s just that we don’t know
Durch eine Hand die ein Herz formt guckt es sich gut auf die Bühne: Vereinnahmt von allem, was Fewjar während des zweistündigen Leuchtens ihrer Livemusik, geht sich das Konzert in aufscheinenden Regenbogenfarben und schallenden Jubel aus.
Setlist FEWJAR – Leipzig, Naumanns (28.10.2022)
1. Low Light
2. Autobahn
3. Gamma
4. Another Walk In The Rain
5. Phone
6. Sowing Clouds (mit Paula Carolina)
7. Structured
8. Virtual Kidz
9. Lateniteaha
10. Up For Good
11. Skeleton
12. Go For It!
13. Polyester (Cover von der Krautrock-Band von Moghimis’ Vater)
14. Treasure
15. Bottleplant Passengers (mit Paula Carolina)
16. July (Jakob Joiko)
17. Us Forever (unreleased)
18. Pay Me
19. Pace
20. Cepheus (Z)
21. Never Stop / Aliendisco (Z)
Weblinks FEWJAR
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