Die Perle
Zwischen Klaviertraurigkeit im Keller verhallt das Gerede und Gemurmel hinter Weißweingläsern. Es wartet sich warm im Neuen Schauspiel Leipzig, in dem in ungleichmäßigen Rhythmen die Nebelschwaden schlieren. Die Andere Seite verzichtet auf einen Support, der die Musikbegeisterten aus ihren Gesprächen über den Alltag und das Nichts reißen könnte und versuchen sich stattdessen selbst darin, in abrupte Weltflucht zu starten. Ungewohnt, die Woche mit Eskapismus zu starten, schleppt sich der Konzertbeginn in die Stimmung eines verlassenen Leierkastenmannes, der zwischen Morgendunst und Krähen schön und für sich musiziert. Düstere Melancholie, die sonst nach Kajal ruft, glänzt hier in den Augen des bemerkenswert altersdiversen Publikums, dem zumeist entsprechend träge Körperbewegungen abverlangt werden. Nichtsdestoweniger energetisiert die Musik anhaltend die Begeisterung der Zuhörerinnen und Zuhörer zu Bravorufen und enthusiasmierte Applaus.
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Marlene Dietrich singt vom “Heimweh nach Traurigkeit”
Mit dem Release der Platte Epithymia, deren Aussprache sich Schauspieler, Texter und Sänger Tom Schilling auch nicht sicher ist, ziseliert eine Anmut der Andersartigkeit, eine Toleranz trüber Gedanken auf zumeist einprägsamen, aber nicht weniger klangvoll arrangierten Melodien. Das Livemusikerlebnis haucht der seichten Poetik eine weltschmerzelnde Authentizität ein, die sich schüchtern zwischen den Nebelschwaden zu verstecken versucht. Im farbwechselnden Bühnenlichtfunkel blinzelt das Publikum abwechselnd den engagierten Musikern entgegen oder verfällt dem – ganz und gar nicht seltenen – Dauerhandyfilmdruck. Schade um die schöne Realität, weil jener Fokus des Festhaltens natürlich viel vom Zauber der Beinahe-Chansons nimmt. Unbeeindruckt dessen pulsiert die Musik im eingängigen Herzschlagrhythmus. Jener könnte so viel Nähe suggerieren, würden die zwischenleuchtenden Displays sich nicht so sehr darum bemühen, die schönen Musiker mit den Augenringen wie Autoreifen einzufangen.
Der ausschweifende Abend zwischen Gutgekleideten glänzt im schönen Schein und verhallt wohlig abgemischt in den Leipziger Kellergewölben. Im tonvollen Grau der Melodien und durch das verletzliche Timbre lädt Die Andere Seite dazu ein, zu träumen, schwelgen, treiben. Wertschätzende Zugabenrufen werden gehört: Als wär’s das letzte Mal erfüllt, erfühlt die strahlenden Zuhörerinnen und Zuhörer, deren tosender Applaus den Konzertabschluss begleiten.
Danke Nico für den angenehmen Austausch.
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