NOCTURNAL CULTURE NIGHT 2019 – Freitag (06.09.2019)

Fotos: Nocturnal Culture Night 2019 – Amphibühne und Parkbühne (06.09.2019)
Wayne Hussey, © Thomas Bunge
Geschätzte Lesezeit: 4 Minute(n)

Es wird langsam früher dunkel, die warme Jahreszeit neigt sich dem Ende, dennoch aber sollte man im frühen September die Festivalsaison noch nicht abschreiben. Neben den bekannten großen Festivals gibt es schließlich noch mehr zu entdecken. So beispielsweise die Nocturnal Culture Night in Deutzen, die in diesem Jahr bereits ihre 14. Auflage feierte. Inmitten des dortigen Kulturparks, verteilt auf vier Bühnen, gab es an diesem ersten September-Wochenende an drei Tagen (plus Warm-Up am Tag zuvor) wieder viele Highlights und Geheimtipps zu erleben, für die sich eine Reise in die Nähe Leipzigs sehr lohnte.

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Am späten Freitagnachmittag ging es los. Unter großem Andrang – so stand man doch recht lange an, um sein ersehntes Bändchen zu haben. Hatte man es dann aufs Gelände geschafft, so boten sich direkt viele Möglichkeiten. Bei einer Gelände-Erkundungs-Runde begegneten schon Acts wie A Projection, Kaelte und Les Berrtas auf die verschiedenen Bühnen verteilt, ehe auch auf der großen Amphibühne das Programm startete. Hier standen die Gothic Rocker von Scream Silence, die in der Abendsonne gute Unterhaltung mit neun Stücken aus ihrem Werk boten. Ein inhärentes Sehnen, wuchtige Riffs, viel Gefühl und Spielfreude ließen einen gut ins Festival starten. Verhangen bis schnell waren die Stücke und die Band wirkte sehr erfreut über den Zuspruch. Der Start ins Festival war gelungen!

Setlist SCREAM SILENCE @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Flood
02. Harvest
03. Weeping
04. Conversation 16
05. Above And Within
06. Echoes
07. Days Of Yore
08. Creed
09. Elegy

Bei vier Bühnen blieben Überschneidungen natürlich nicht aus, sodass parallel zu Scream Silence auch Motor!k begonnen und kurz darauf auch Cryo zeitgleich mit No More begannen. Letztere spielten auf der Parkbühne und zogen bereits ein großes Publikum an. Post-Punk- und Minimal-Sounds in Duo-Besetzung gab es von diesem Urgestein hier zu sehen und dies auch sehr gekonnt. Das erstmals 1979 gegründete Urgestein genoss es, hier zu spielen und auch fernab ihres wohl größten Hits gut anzukommen. Aber natürlich: Suicide Commando selbst fehlte im späten Verlauf auch nicht, bevor die Band zum Schluss noch mit einer Coverversion von David Bowies Heroes überraschen konnte. Auch im Minimal-Gewand ein starker Song, der in der No More-Version vielmehr eine Interpretation als „nur“ ein Cover ist.

Setlist NO MORE @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Love Is A Drug
02. Midnight People & Lo-Life Stars
03. Rope A Dope
04. Istanbul
05. This Was Die Modernistische Welt
06. The Grey
07. All Is Well – Senza Macchia
08. Turnaround
09. Suicide Commando
10. The Great Masturbator
11. Heroes

Nach den letzten Klängen von No More ging es nur wenige Meter weiter zur Kulturbühne, wo mit leichter Verspätung Parzival in den Startlöchern standen. Man merkte eine gewisse Nähe zum Samstags-Headliner Laibach, aber insgesamt ist dies eher eine Inspiration, die Klänge von Parzival sind insgesamt eigen. Martialisch ging es zu, hier und da eine apokalyptische Stimmung, Choräle begegneten… Kurzum: Mal eben einfach einzuordnen ist diese Band ganz und gar nicht. Und doch merkte man, wie gut sie in dieser Umgebung aufgehoben ist. Nicht nur Laibach-Freunde dürften sich von diesem Auftritt angesprochen gefühlt haben.

Setlist PARZIVAL @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Tumbling down
02. Grinder of God
03. Agape
04. Blind Shepherd
05. Golden Bough
06. Lord of the sea
07. The Bond
08. Catcher in the sky

Schon bald sollte es heißen: Schnell rüber zur Weidenbogenbühne. Mit Placebo Effect spielte eine Elektro-Untergrund-Legende. Und das war mehr als einfach nur ein Konzert, das war eine Performance. Der dunkle Elektro-Sound, der atmosphärisch-verstörend klang, konnte zwar an sich schon einiges bieten, aber verstörend waren nicht nur die Klänge, sondern auch die Show. Puppen, Flaggen, verschiedene Gewandungen, Waffen… Placebo Effect untermauerten das, worum es in ihren Stücken ging, mit Nachdruck. Stücke wie das wabernde Galleries of Pain mit seinem verzerrten Gesang und das schnelle Move fehlten dabei natürlich auch nicht. Sehr erfreulich, endlich mal wieder die Gelegenheit gehabt zu haben, diese Band live zu sehen.

Setlist PLACEBO EFFECT @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Intoxication (Intro)
02. Devoid of Soul
03. Mistress
04. Galleries of Pain
05. Nothing to Cry
06. Psychotrauma
07. Pinhead
08. Slave
09. Last Walk
10. Slashed Open
11. Hard Work (Raizor-Mix)
12. Agony of Mind
13. Move (Original-Mix)
14. Christal White Snow

Während auf den anderen Bühnen in der Zwischenzeit Acts wie Still Patient?, Spark oder auch Winterkälte aktiv waren, wurde auf der Weidenbogenbühne für Joachim Witt umgebaut. Der 70jährige spielte an diesem Abend ein sehr Bayreuth 1-lastiges Set, das er zwar nicht komplett, aber zu weiten Teilen darbot. Eröffnet wurde bereits mit Das geht tief, das die Nähe zur Neuen Deutschen Härte zeigt, die Witt auf diesem Album suchte. Den Fans gefiel es und auch für den Künstler selbst war es offenbar eine schöne Angelegenheit, den Fokus sehr auf dieses Album legen zu können – der Wunsch ging seinen Bühnenansagen zufolge von den Veranstaltern aus, ihm gefiel der Gedanke. Gefragt, getan, das Publikum begeistert. Garniert wurde das Set mit Stücken der anderen Alben und natürlich auch Klassikern wie allen voran natürlich Goldener Reiter, das auch in Deutzen gefeiert wurde.

Setlist JOACHIM WITT @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Das geht tief
02. Treibjagd
03. Trauma
04. Morgenstern
05. Liebe und Zorn
06. Das geht vorbei
07. Träume die kein Wind verweht
08. Dämon
09. Herr der Berge
10. Quo Vadis
11. Supergestört und superversaut
12. Die Flut
13. Goldener Reiter
14. Strenges Mädchen

Wem Joachim Witt zu hart war oder dieser einem aus anderen Gründen nicht behagte, der konnte gut zur Parkbühne, denn mit Lizette Lizette gab es hier angenehm-eingängigen Synthie-Pop mit weiblichem Gesang, der eine Nähe zu 80er-Sounds nicht verleugnete, aber im gleichen Moment gut in die Gegenwart passte. Und auch sehr gut aufs Festival. Mit dem manchmal fast schon hypnotischen Gesang dazu konnte man sich in den Klängen der Band gut fallen lassen, genießen und/oder sich tänzelnderweise dazu bewegen. Ein schöner Auftritt einer Band, die nicht jeder im Publikum kannte und die damit auch bewies, wofür sich dieses Festival eben auch gut eignet: neue Bands kennen- und im Idealfall sogar lieben lernen.

Setlist LIZETTE LIZETTE @ Nocturnal Culture Night 2019:
01. Void
02. Obey
03. Easy Street
04. Junk
05. Computer game
06. Rest
07. Moonland
08. Cuts (NEW)

Die nächste Band und damit auf der Amphibühne auch der Headliner des Freitags, brauchte nur zwei Worte zur Ankündigung: „Digital Hardcore“. Somit war klar: Atari Teenage Riot sind an der Reihe. Man war erstaunt, wie gut sich die Klänge der Band in diesen Rahmen einfügten. Es war laut, es war wild, rauschte, fiepte, krachte und begegnete auch sehr noisig, aber die Zuschauer waren gebannt. Stücke wie Destroy 2000 Years Of Culture und Revolution Action trafen hier genau den Nerv, ein bisschen Ohrensausen nahm man gern in Kauf. Die Besetzung der Band mag sich – außer den Urgesteinen Alec Empire und Nic Endo – mit den Jahren verändert haben, der Spirit und die Message blieben erhalten. Am ersten Festivalabend schon einmal ein Highlight des Wochenendes!

Kontrastprogramm gab es zum Abschluss dann auf der Parkbühne. Einige Minuten nach Mitternacht betrat mit Wayne Hussey eine Legende die Bühne. Mehr als die Gitarre und die obligatorische Weinflasche brauchte es nicht, der sympathische Gothic Rock-Recke packte das Publikum problemlos. Stücke von The Mission, Solo-Nummern und gar Titel aus der Sisters of Mercy-Zeit vermengte er hier problemlos. Sei es Wasteland, Marian oder auch Tower of Strength, in das diverse andere Stücke eingewoben wurde: Was er spielte, gelang ihm problemlos. Strahlende Gesichter ob der vielen Klassiker waren zu sehen, die Zuschauer hingen dem Künstler an den Saiten und Lippen und dieser nahm sich auch ordentlich Zeit für die zahlreichen Zuschauer, die zu später Stunde noch auf dem Gelände waren. Ein sehr schöner und harmonischer Abschluss des ersten Festivaltages!

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