Ein Oomph! Konzert ist immer etwas Besonderes. Denn die experimentierfreudigen Pioniere der “Neuen Deutschen Härte” sind eine hervorragende Liveband, die es weiß, für und mit dem Publikum zu spielen. Für die Clubshows der aktuellen Tour hatten Oomph! auf Instagram “gut 2 Stunden ‘best of’ aus all unseren Alben” angekündigt. Dieses Versprechen wurde zwar nicht eingelöst, denn Songs der Alben Sperm und Wunschkind gab es – wieder einmal – ebenenso wenig zu hören wie englischsprachige Stücke. Doch Diskussionen über Setlists sind müßig und das umso mehr, wenn sich eine Band wie eben Oomph! aus einem über 25 Jahren umfassenden Repertoire bedienen kann. Die zumeist jungen und weiblichen Fans in der Heidelberger halle 02 hat das am vergangenen Donnerstagabend aber (zurecht) herzlich wenig interessiert. Bei tropischen Temperaturen begeisterten Oomph! vor rund 450 Zuschauern mit einem vielleicht nicht allzu überraschenden, aber dennoch abwechslungsreichen und prall gefüllten Set.
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Noch 30 Minuten vor Konzertbeginn ist der schlauchartige Saal alles andere als gefüllt und es lässt sich gemütlich vor die Bühne spazieren, die fotografenunfreundlich ohne Graben auskommt. Viele Besucher sitzen noch im hinteren Teil, in Nähe der Bar. Andere begutachten das Merch und bestimmt auch den rot leuchtenden Iro des Verkäufers oder halten sich im Außenbereich auf, um so lange wie möglich der drückenden Hitze des Konzertsaals zu entgehen. Es ist wirklich verdammt heiß. Nur langsam versammeln sich die Zuschauer, unter denen alles von sehr jung bis älter vertreten ist: Gothics, Metaller, Papa und Sohn, Mädelsgruppen, Eisbrecher- und Rammstein-Jünger. Viel schwarz, ein bisschen bunt. Ein Publikum so gemischt wie die Musik von Oomph!
Pünktlich um 20 Uhr startet das Konzert ohne Vorband und in dem Moment, als Oomph! die Bühne betreten, ist es völlig egal, ob 100 oder 1000 Menschen im Publikum stehen. Die Stimmung ist gut und wird im Laufe des Abends immer besser werden. Das Bühnenbild besteht aus einem schlichten Backdrop, Licht und Rauch setzen Stimmungsakzente. Die Band in schwarzen Shirts, das Trio aus Dero (Gesang), Flux (Gitarre, Sampling) und Crap (Gitarre, Keyboard) wieder im Gothic-Stil gekleidet. Geschnürte Lederwesten, die gleichermaßen “cool” und “hot” aussehen, für die Raumtemperatur aber eine ziemlich schlechte Wahl sind. Es dauert nicht lange, bis Crap und Flux als Erste ihre Westen ablegen; das schwarze Make-Up an Deros Hals wird von Lied zu Lied langsam dahinfließen und schließlich verschwinden.
Schon zum Opener Das Weiße Licht werden die Arme angefeuert von Sänger Dero durch die Luft gewedelt. Wie von selbst gehen die Hände bei Gott Ist Ein Popstar klatschend in die Höhe und auch bei Träumst Du müssen Oomph! das Publikum nicht lange bitten. “Springst du mit mir heut Nacht?” Aber sicher! Nach kurzer Zeit haben Oomph! das Publikum fest im Griff und das hat Lust zu tanzen. Selbst notorische Smartphone-Filmer gönnen sich eine Auszeit. Die Band selbst agiert routiniert, die Posen und das Stage Acting stimmen, es wirkt authentisch und nicht einstudiert (auch wenn es das ist). An dieser Stelle Kudos an Live-Drummer Silvestri, der mit vollem Knüppeleinsatz und tätowiertem Körper wie immer Blickfang ist.
Mit Der Neue Gott packt die Band früh den zweitältesten Song des Abends aus, zu der Oomph! wieder zum Arme wendeln animieren. Ausgerechnet bei diesem Lied fühlt sich das durchaus etwas merkwürdig an. Dazwischen legt der ein oder andere Besucher EBM-Tanzschritte aufs Parkett. Später werden Oomph! zudem Mein Herz zum Besten geben und das mit der Frage “Kennt Ihr unseren allerersten Song?” ankündigen. Ja, mit Oomph! kann man sich wunderbar alt, aber noch besser jung fühlen.
Apropos alt und jung: Dem Altersschnitt entsprechend lösen die Lieder aus den letzten zehn Jahren Oomph! die ekstatischsten Reaktionen im Publikum aus, gerade Sandmann und Jede Reise Hat Ein Ende werden aus vollen Kehlen mitgesungen. Aber auch das akustisch vorgetragene Sex Hat Keine Macht hat viele Fans, von denen sich einige vor der Bühne lasziv antanzen und bei jedem Blick von Sänger Dero dahin schmelzen. Die Band wirft derweil Wasserflaschen ins schwitzende Publikum und Dero stimmt unter dem Jubel vor allem weiblicher Fans Nellys Hot In Here an. “It’s getting hot in here, So take off all your clothes.“
Dero, der das Publikum vor, während und nach den Liedern kontinuierlich animiert, sucht ab der zweiten Konzerthälfte wiederholt Kontakt zur ersten Reihe. Bei Mitten Ins Herz dann das obligatorische Bad in der Menge. Die ruppigste Nummer des Abends zeigt, wie sich das Oomph!-Publikum über die Jahre gewandelt hat. Wie üblich fordert Dero das Publikum auf, eine Moshpit zu starten. Früher – um das nun doch einmal zu schreiben – konnte man in einer Oomph! Moshpit zwischen breiten Schultern und Muskelbergen durchaus Todesangst haben. Heutzutage hat der Großteil des Publikums das Interesse an dieser Form des Körperkontakts verloren, ganz abgesehen davon, dass temperaturbedingt niemand im Schweiß des Nachbarn baden will. Statt Moshpit gibt es eher Polonaise und wir denken einfach nicht mehr daran.
Für Aus Meiner Haut wirft sich Dero Federboa um die Schulter, den Gehrock um die Hüften und greift sich noch öfter als sonst in den Schritt. Als besonderes Live-Schmankerl erweist sich gegen Ende Kleinstadtboy, bei dem kollektiv getanzt und gesprungen wird. Eine kleine Überraschung mit Gänsehautpotenzial ist das Pianomedley aus Fieber und Streichholz im Anschluss. Mit ihrem Nummer-1-Hit Augen Auf schließen Oomph! das reguläre Set, um nach lauten Zugabe! Zugabe! Rufen nochmals für zwei Songs auf die Bühne zurückzukehren. Alles richtig gemacht und wie erwartet: Lebendig, schweißtreibend, ekstatisch, motivierend.
Setlist OOMPH! @ Heidelberg, halle02 (08.06.2018)
01. Das Weiße Licht
02. Gott Ist Ein Popstar
03. Träumst Du
04. Mein Schatz
05. Der Neue Gott
06. Bis Der Spiegel Zerbricht
07. Als Wär’s Das Letzte Mal
08. Sandmann
09. Gekreuzigt
10. Jetzt Oder Nie
11. Sex Hat Keine Macht (Akustik)
12. Jede Reise Hat Ein Ende
13. Mein Herz
14. Niemand
15. Mitten Ins Herz
16. Aus Meiner Haut
17. Kleinstadtboy
18. Fieber / Streicholz (Pianomedley)
19. Labyrinth
20. Augen Auf!
21. Alles Aus Liebe (Z)
22. Auf Kurs (Akustik) (Z)
Bis Oktober ist die Band noch auf Tour, um sich dann schon wieder für die nächsten Konzerte bereit zu machen. Denn im Januar 2019 – das Jahr markiert den dreißigsen Geburtstag der Band – erscheint das neue Album via Napalm Records. Der Band zufolge soll es “so heftig, hart und düster wie schon lange nicht mehr” werden. Die Tour zum neuen Album startet Anfang März 2019 in Deutschland und führt danach durch Europa.
Termine OOMPH! Tour 2019, Deutschland:
01.03.19 Hannover, Capitol
02.03.19 Berlin, Astra
03.03.19 Hamburg, Markthalle
05.03.19 Bochum, Zeche
06.03.19 Wiesbaden, Schlachthof
08.03.19 Stuttgart, Im Wizemann
09.03.19 München, Backstage Werk
10.03.19 Dresden, Kraftwerk Mitte
12.03.19 Leipzig, Täubchenthal
13.03.19 Nürnberg, Hirsch
15.03.19 Köln, Live Music Hall
Termine OOMPH! Tour 2019, Europa:
16.03.19 NL – Drachten, Iduna
17.03.19 FR – Strasbourg, La Laiterie
19.03.19 UK – London, O2 Academy Islington
20.03.19 FR – Paris. La Machine
22.03.19 ES – Madrid, Sala Mon
23.03.19 ES – Barcelona, Razzmatazz 2
24.03.19 FR – Lyon, Ninkasi Kao
26.03.19 CH – Solothurn, Kofmehl
28.03.19 AT – Dornbirn, Conrad-Sohm
29.03.19 CZ – Praha, Nová Chmelnice
30.03.19 PL – Warszawa, Dark Electro Festival