FEVER RAY & TAMI T. – Köln, Palladium (17.03.2018)

Fotos: FEVER RAY
Fever Ray © André Techert
Geschätzte Lesezeit: 4 Minute(n)

Es ist Ende März und der Europateil der Plunge-Tour von Fever Ray neigt sich langsam dem Ende. Höchste Zeit, um das Konzert, das am 17. März 2018 im Kölner Palladium stattgefunden hat, Revue passieren zu lassen. Aber kann man wirklich “nur” von einem Konzert sprechen? Viel eher muss man sich Fever Ray als queerferministisches, performatives Liveerlebnis vorstellen, wo alles bis ins kleinste Detail geplant und folglich inszeniert wird.

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Doch bevor Fever Ray die Bühne des Kölner Palladiums mit ihrer bunt-glitzernden Show stürmten, durfte der Special Guest Tami T. ihr Können unter Beweis stellen. Obwohl Tami T., deren Musik man sich als Mischung aus EDM und Electro Pop vorstellen kann, nur mit einem Mischpult auf der Bühne stand, raubte sie dem Publikum trotzdem den Atem. Besonders ihre Verhandlung von Themen der sexuellen Identität und Geschlechterverhältnisse kam bei dem Publikum gut an. Inbesondere aber ihre Performance mit einem umgeschnallten Dildo, mit dem sie Theremin-ähnliche Klänge erzeugte, rief lauten Beifall hervor.

Auch faszinierend war ihre Nutzung von Vocodern, die hohe Stimmlagen, die zumeist Frauen zugeordnet werden, simulierte und somit diese Stereotypisierungen ad absurdum führte. Trotz des Gebrauchs von ausschließlich elektronischen Geräten zur Klangerzeugung, die oft mit kühlen Klanglandschaften assoziiert werden, die auch bei Tami T. wiedergefunden werden können, drang trotzdem sehr viel Verletzlichkeit durch, was besonders in dem Song I Never Loved This Hard This Fast Before nachzuhören ist. Am Ende hatte Tami T. die meisten Gäste in ihren Bann gezogen – das Publikum lauschte, klatschte und tanzte im Rhythmus zu den Synth-Klängen. Da Köln das letzte Konzert für Tami T. als Support Act von Fever Ray darstellte, kam zudem zum letzten Lied die ganze Band auf die Bühne, um mit ihr ihre großartige Musik zu feiern.

Nach einer etwa halbstündigen Umbaupause kamen dann Fever Ray in bunt-schillernden Outfits endlich auf die Bühne. Zusammen ähnelten die Outfits der Künstlerinnen stark einem Regenbogen, was natürlich gut zu dem queerfeministischen Projekt passte. Live wird Karin Dreijer, die die sogenannte Schirmherrin des Projekts ist, von fünf weiteren, weiblichen Künstlerinnen ergänzt. Helena Gutarra und Maryam Nikandish unterstützen Dreijer gesanglich, Mikaela Hansson steht in SM-anbiedernden Outfit an den Keyboards, und Diva Cruz und Liliana Zavala schlagen bunt-fröhlich auf die Drums für Fever Ray.

Besonders Helena Gutarra, die einen Bodysuit mit aufgepumpten Muskeln trug, kommunizierte damit ausgiebig mit dem Publikum. Auch Maryam fiel positiv mit ihrer akrobatischen Kunst auf. Für Personen, die sich auch mit dem Queerfeminismus des Projekts auseinandersetzen, hatte dieses diverse Sextett eine überwältigende Symbolkraft. In der Tat trifft Dreijer mit der Auswahl der Live-Künstlerinnen einen zeitgeistlichen Nerv: er symbolisiert intersektionale, anti-rassistische Strömungen des Feminismus. Durch die Unterstützung so vieler Livekünstlerinnen lenkt Dreijer auch geschickt das Augenmerk von sich selbst ab, was natürlich zu der politischen Auslegung des Projekts passt.

Die Setlist des Abends bestand aus einer ausgewogenen Mischung aus alten und neuen Songs, wobei die neuen Songs eher reserviert aufgenommen wurden. Es schien fast so, als wären viele zu dem Konzert gekommen, um eine Show wie vor acht Jahren im Rahmen der Fever Ray-Tour zu erleben. Doch schon beim Hören von Plunge und der Vorab-Promo der Tour hätte man als Besucher*in wissen sollen, dass sich die Ausrichtung von Fever Ray stark verändert hat. Plunge hat sich weitestgehend vom einengenden, niederschlagenden Klanggerüsts des ersten Albums befreit.

Auch Karin Dreijer zeigte sich persönlich wie noch nie. Ihr “I love Swedish Girls” Shirt symbolisierte die Befreiung von heteronormativen Strukturen perfekt. Das “Swedish” war jedoch durchgestrichen. Wie in This Country bereits vertont, verkörperlicht Dreijer grenzenübergreifende Konzepte ihrer queeren Sexualität. Dreijers Sextett rebelliert, indem es zelebriert. Dies wurde durch ihre Performance unterstrichen, indem sich Fever Ray als feucht-fröhliche Girlgroup inszenierten und Intimitäten miteinander austauschten. Ständig passierte was auf der Bühne, wobei man ständig daran erinnert wurde, dass dies alles Teil der Show war. Es gab sehr wenige Interaktionen mit dem Publikum und als solches hatten man das Gefühl, dass jeder Schritt und Tritt bis auf’s kleinste Detail geprobt und geplant war. Nichtsdestotrotz machte die Performance viel Spaß und verdiente es, gebührend gefeiert zu werden.

Dass Fever Ray sich verändert haben, wurde auch in den Neuinterpretationen der “Fever Ray”-Lieder deutlich. Songs, wie When I Grow Up oder I’m Not Done wurden in Remix-Versionen zum Besten gegeben, welche viel besser zu der allgemein ausgelassenen Stimmung der Performance passte, als die eher ruhigen Gegenstücke auf dem ersten Album. Das Eis zwischen Band und Publikum schmolz erst zum Ende des Konzertabends, vor allem durch IDK About You, das mit seinen ausgelassenen, fast fieberhaften Drumeinlagen brillierte.

Zum Ende des Sets wurden dann auch die Fan-Lieblinge Keep Your Streets Empty For Me und If I Had A Heart in originaler Fassung gespielt. Bei If I Had A Heart klimperten Helena, Karin und Miryam wie Rammstein bei Wilder Wein auf der Live aus Berlin-DVD atmosphärisch auf Akustikgitarren, sodass man als Besucher*in Gänsehaut bekommen konnte. Fever Ray verabschiedeten dann das Publikum, wie auf Plunge, mit dem Lied Mama’s Hand, das als Einladung in eine neue Ära der weiblichen Identitätsformation gelesen werden kann.

Allgemein hatte man in Köln das Gefühl, dass viele Besucher*innen von dem Fever Ray-Konzert eine Best Of von “Fever Ray” erwarteten. Viele schienen nicht offen genug, um die neue Seite des schwedischen Ausnahmeprojekts gebührend zu feiern. Obwohl das Set professionell inszeniert wurde und viel Raum für Ausgelassenheit und Zelebration ließ, blieb das Publikum lange reserviert. Sicherlich konnte man in anderen Städten die Plunge-Tour und alles, was dahinter steht, offener und fröhlicher im Kollektiv genießen. Die Reservation, die das Kölner Publikum zeigte, stand im starken Kontrast zu der eigentlichen Weltoffenheit, die der Stadt oft zugeschrieben wird.

Setlist FEVER RAY @ Köln, Palladium (17.3.2018):

01. An Itch
02. A Part Of Us
03. When I Grow Up
04. Mustn’t Hurry
05. This Country
06. Falling
07. Wanna Sip
08. I’m Not Done
09. Red Trails
10. Concrete Walls
11. To The Moon And Back
12. Triangle Walks
13. IDK About You
14. Keep The Streets Empty For Me
15. If I had A Heart
16. Mama’s Hand

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