Interview: ROBERT GÖRL

Interview: ROBERT GÖRL
Foto: Pressefreigabe
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Der Name Robert Görl sollte jedem bekannt sein, der sich irgendwie mit der deutschen Musikgeschichte der 80er Jahre beschäftigt hat. Denn Görl ist mit seinem Partner Gabi Delgado in der Kultband DAF tätig, die die “Neue Deutsche Welle” maßgeblich beeinflusst hat. Das Görl aber auch auf Solopfaden erfolgreich ist, ist vielleicht nicht jedem bekannt. In einem spannenden Gespräch mit Monkeypress erzählt er, wie sein neues, am 21.04. erscheinendes Album The Paris Tapes  vor 30 Jahren entstanden ist.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Dein aktuelles Album The Paris Tapes wird bald erscheinen. Kannst Du uns die Entstehungsgeschichte erzählen? Die Songs entstanden ja aus einer tiefen Lebenskrise heraus …?
Stimmt, es gibt wirklich eine ganze Story um das Album herum. Wenn Du es gehört hast, wirst Du gemerkt haben, dass es ein sehr spezielles Album ist, etwas richtig anderes als das, was ich vorher gemacht habe. Es ist nicht nur eine richtig markante Sequenz, ein richtig guter Beat und ein Text wie in der DAF Form. Sondern es ist richtig in die Tiefe gegangen, ich habe mich kompositorisch reingesteigert. Und die Geschichte dazu ist folgende: wir haben uns mit DAF 1983 auf dem Höhepunkt das erste Mal getrennt und wir haben dann beide unsere Soloprojekte gemacht. Ich habe damals das Album Night Full Of Tension mit Annie Lennox in England gemacht. Und das ist in eine andere Richtung gegangen, als das, was ich sonst komponiert habe. Aber dann hatten wir 1985 nochmal ein DAF Comeback. Wir haben das Album gemacht und kaum hatten wir es zu Ende produziert, da haben wir uns 1986 auch schon wieder getrennt. Dieses Mal hatten wir uns richtig gestritten, konnten uns auf ein paar Dinge nicht einigen, labeltechnisch- oder politisch, oder wie man das nennen konnte. Gabi und ich hatten ganz unterschiedliche Ansichten und das war schon sehr krass. Ich muss schon sagen, es war mich eine große Enttäuschung, denn auf das Comeback habe ich viel gesetzt. Wir hatten auch beide Lust und es ging so richtig gut los, wir haben uns in München getroffen und das Comeback abgesprochen. “Nun machen wir wieder was mit DAF Und legen wieder richtig los!” Es stand unter einem ganz anderen Stern, wir wollten mit dem Album zu einer anderen Produktionsstätte gehen, es selber produzieren. Die vorherigen Alben wurden ja von Conny Plank produziert und dieses Mal wollten wir komplett alles alleine machen, selbst am Mischpult, was Planks Part war. Wir wollten auch die Endmixe machen. Es lief auch wahnsinnig gut, haben alles vorbereitet und haben in einem kleinen Studio schon losgelegt, uns eingegrooved. Die Produktion war auch sehr gut, die haben wir im “Hartmann Digital Studio” gemacht, das war ein ganz tolles, modernes Studio und am Schluss ist dann eine Plattenfirma aufgetaucht, hat mehr oder minder Geld auf den Tisch gelegt und die wollten sich dann in das Projekt einmischen: “Wir können noch das und jenes machen und das wäre auch noch toll!” Bei mir gingen dann alle Gefahr-Antennen hoch. Ich sagte: “Nein, das geht gar nicht, das machen wir alles selber! Es geht nicht, dass ihr uns jetzt Sachen diktiert!” Und Gabi war schon etwas kompromissbereiter und die Tatsache ist, er hat sich sogar auf die Seite der Plattenfirma geschmissen und dann stand ich alleine da und wir haben uns richtig gestritten und DAF war wieder zu Ende. Wir haben dann noch ein paar Gigs gemacht, das hatten wir der Plattenfirma noch zugesagt, um das noch zu Ende zu bringen. Die Platte kam auch heraus: First Step To Heaven hieß sie. Ich habe dann zu mir gesagt: “Ich habe darauf keine Lust mehr”. Und ich bin dann nach New York um dort Schauspiel zu studieren. Es lief alles sehr gut und es hat mir sehr gefallen, ich hatte mich gerade mit Schauspiel und der Shakespeare Klasse angefreundet und nach fast einem Jahr hatte ich mit dem “American Imigration Office” Probleme bekommen, denn ich hatte mit einem Tourist Visa studiert und sie klärten mich auf, dass das nicht in Ordnung gewesen ist. Ich musste dann innerhalb von sieben Tagen die USA verlassen und durfte für zehn Jahre nicht mehr in die Staaten einreisen. Ich bin also rausgeschmissen worden und bin zurück nach Deutschland und dann hat sich die Situation noch mehr verschlimmert. Denn kaum war ich in Deutschland, wurde ich wieder kontrolliert, nämlich von der deutschen Grenzpolizei am Flughafen. Sie sagten: “Herr Görl, Sie stehen hier auf der Liste. Sie werden dringend gesucht von der deutschen Bundeswehr.” Und das hat mir genau noch gefehlt. Ich sollte jetzt zur Bundeswehr. Und ich war bereits in einem Alter, in dem sie mich nur noch ein bis zwei Jahre ziehen konnten. Denn ab 31 wirst du nicht mehr gezwungen. Ich war ja oft im Ausland und konnte das ein bisschen umgehen. Ich habe ja mit DAF eine Weile in England gelebt. Ich konnte mir alles vorstellen, aber nicht, dass ich eine Waffe in die Hand nehme. Die haben mir dann aber gesagt, dass sie mich noch einmal gehen lassen, aber das wäre das letzte Mal. Ich solle mich innerhalb von 14 Tagen bei der Bundeswehr melden, sonst würden sie mich mit den Feldjägern abholen. Dann habe ich mich spontan entschieden, dass ich mich wieder vom Acker mache und ins Ausland gehe und mir ist dann sofort Paris eingefallen. Ich war bereits einmal in Frankreich und ich fand es sehr romantisch. Ich hatte ein sehr gutes Gefühl und ich brauchte irgendwas, was mich von dem ganzen negativen Zeug wieder hochzieht. Paris ist toll, dachte ich, da werde ich jetzt eine Zeitlang wohnen und werde dort wieder Musik machen. Und das habe ich dann auch gemacht und mich nicht bei der Bundeswehr gemeldet. (lacht) Ich habe dann den Nachtzug genommen, im Gepäck ein Ensoniq SQ-1, ein ziemlich tolles Teil, so eine Workstation. Damit konnte man wunderbar reinkomponieren, auf mehreren Spuren aufnehmen und wieder löschen.

Acht Spuren hatte das Gerät, oder?
Genau. Später wurde das sogar zum Trend. Dass man kreativ damit arbeiten kann. Man konnte sogar eine Spur über eine andere aufnehmen, zum Beispiel Strings über eine Bass triggern und so etwas. Und wenn es dir nicht gefallen hat, konntest du es wieder löschen und wieder neu einspielen. Das fand ich ziemlich cool.

Das konnte man mit dem analogen Equipment nicht so wirklich machen.
Richtig. Die Korg Synthesizer waren ja nur monophon und es gab nur eine Spur und das war es dann. Wenn du etwas ändern wolltest, musstest du es noch einmal neu aufnehmen und das im Studio ins Mischpult oder Tonband. Ich hatte wie gesagt nur das eine Teil dabei und war in Paris. Ich hatte mich abgesetzt in einem Gästehaus am Rande von Paris, ein ziemlich günstiges “cheap Hotel” und ich lebte dort ziemlich isoliert, ganz für mich. Es war sehr romantisch und melancholisch. Ich habe mich dort sehr eingefühlt und ich finde, das kann man auf den Aufnahmen der Paris Tapes auch sehr gut hören. Das, was ich dort gemacht habe, war mal ganz was anderes. Ich habe mich da nicht wiederholt und versucht ein paar heiße Sequenzen wie bei DAF aufzunehmen. Ich wollte so richtig musikalisch loslegen, alles rausfließen lassen. Es hat fast ein wenig an meine Studentenzeit erinnert. Ich hatte ja von 1974 bis 1978 auf dem Leopold Mozart Konservatorium in Augsburg Musik studiert. Dort hatte ich ein kleines Apartment, da gab es sogar noch Gaslicht. (lacht) Ich saß am Piano mit einem großen Kerzenständer oben drauf und habe dort nächtelang einfach nur Klavier gespielt. Sachen für das Studium, aber auch meine eigenen Phantasien. Und in Paris habe ich dann gespielt, aufgenommen und eine schöne, romantische Zeit erlebt. Ich konnte auch nicht wirklich französisch sprechen und rausgehen und mich mit Franzosen treffen.

Kam Dir jemals der Gedanke, das Erlebte anhand von Songtexten zu verarbeiten? Oder ist der Longplayer von vornherein instrumental geplant gewesen?
Wesentlich später habe ich auch gedacht, Texte dazu zu machen. Aber damals, in dem Jahr als ich das Album aufgenommen habe, habe ich nicht getextet. Da hatte ich noch keinen Draht zum Texten. Es ging ein musikalischer Fluss aus mir heraus. Es hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht zu kreieren. Und durch das Mehrspurige klang es fast wie ein Orchester, das hast Du bestimmt gehört auf den Tapes.

Wie kamst du darauf, nach so langer Zeit The Paris Tapes zu digitalisieren und herauszubringen?
Nach einem Jahr bin ich dann, nachdem ich die Musik auf Kassette aufgenommen habe, zurück nach Deutschland. Ab diesem Zeitpunkt ging es dann wieder bergauf. Ich hatte mich in Paris selber wieder aufgebaut, mit der Arbeit an der Musik mit The Paris Tapes. Und siehe an: ich wurde an der Grenze nicht mehr aufgehalten. Ich war wahrscheinlich aus dem Raster raus und die Bundeswehr hat mich nicht mehr gesucht. Es ging dann erst einmal weiter nach München und von dort aus bin ich mit den Kassetten nach London gegangen und habe sie dem Daniel Miller von Mute Records vorgespielt und er war richtig begeistert. Er hat mich dann an einen kanadischen Musiker vermittelt, mit dem ich mich dann zurück aufs Land – außerhalb von London- zurückgezogen habe. Wir wollten dort die Aufnahmen bearbeiten, um eine richtige Musikproduktion daraus zu machen. Es ging dann richtig ab, es sind immer mehr Leute dazugekommen und auf einmal hieß es, wir sollen in die Air Studios kommen, der Nummer Eins Adresse ganz Englands für Pop Produktionen.

Die Beatles haben dort auch aufgenommen…
Genau. Besonders ihr Producer. Die Beatles haben zwar auch noch in einem anderen Studio aufgenommen, aber in den Air Studios sind ganz große Pop Produktionen gemacht worden.

George Martin hieß der Produzent.
Richtig. Der war auch da. Das muss man sich mal vorstellen, ich bin mit diesen Tapes tatsächlich im Air Studio gelandet, wo auch die Endproduktion passieren sollte. Wir haben dort auch Testgesang Sachen gemacht. Nach ein paar Monaten bin ich dann zurück nach Deutschland gefahren, da ich etwas erledigen musste und habe dort meinen Bruder besucht. Als ich auf den Rückweg nach England war, hatte ich einen ziemlich schweren Autounfall. Da bin ich dem Tod förmlich entkommen, da ich mit 100 Sachen an einem Baum gelandet bin. Sowas überlebt eigentlich fast niemand, so 1% von 100. Ich war einer von denen, die überlebt haben und ich war anschließend sehr lange im Krankenhaus und in der Reha. Während des Autounfalls hatte ich ein spirituelles Erlebnis: Buddha ist in meine Welt eingetreten. Es hat sich die ganze Zeit im Krankenhaus weitergezogen. Ich hatte spirituelle Visionen, habe Sachen gesehen, es war eine Tür in mir, die sich völlig geöffnet hat und die schon immer da war, nur noch nie geöffnet. Und ich habe mir gesagt, wenn ich jemals wieder dieses Krankenhaus verlasse, dann werde ich erst mal nach Asien gehen und mich auf die Spuren von Buddha machen. Ich wollte wissen, was das mit den Visionen wirklich war, ich wollte mich informieren. Ich wollte mit Mönchen sprechen, mich in Klöstern aufhalten. Und das habe ich dann auch gemacht. Ich war drei Jahre in Asien unterwegs. Und das Abgefahrene war, dass ich die ganze Zeit, seitdem ich im Krankenhaus war, nie wieder an Musik gedacht habe. Das Interesse an Musik war komplett weg. Sogar meine Wohnung in München hat mich nicht interessiert. Ich habe sogar mein ganzes Zeug an Freunde verteilt und wie ich später erfuhr, war später auch nichts mehr davon da. (lacht) Mich hat das alles nicht mehr interessiert.

Du warst also völlig frei.
So ist es. Ich bin von heute auf morgen befreit worden. Auf der einen Seite war es negativ, dass ich diesen schweren Autounfall hatte, aber auf der anderen Seite bin ich befreit worden. Habe ein ganz neues Leben begonnen, mein Geist hat sich geändert, meine Ansichten. Es sollte alles so sein. Ab diesem Moment bin auch Vegetarier geworden. Ich war also lange bei den Mönchen und habe sogar mit dem Gedanken gespielt, dass ich selber Mönch werde, aber das hat sich nicht ergeben. Ich konnte mich irgendwie nicht entscheiden. Ich war in mehreren Klöstern in mehreren Ländern in Thailand, Nepal sowie in Indien. Ich habe auch dort Wandermönche kennengelernt. Okay, ich habe mir die ganzen Buddha-Lehren reingezogen – die waren damals sogar in englisch “available” – und diese waren vollkommen logisch und wirklich ein ganz leichte Lektüre. Aber als ich also selber fast ein halber Mönch war, ist mir bewusst geworden, dass ich eigentlich überhaupt nichts suche, dass eigentlich alles da ist. Im Grunde habe ich mich selbst gefunden und ich trage Buddha in mir herum. Ab diesem Punkt hatte sich der Wunsch erledigt, Mönch zu werden. Also ging ich zurück nach Deutschland. Und mir war klar, dass ich dann wieder etwas machen muss, nämlich Musik. Da ist mir klar geworden, dass die Musikwelt auch eine schöne Welt ist, die mir immer Freiheit gegeben hat. Dafür hatte ich immer gekämpft, dass ich die Mucke machen kann, die mir gefällt, dass diese Musik auch irgendwie durchgeht. Aber nicht, dass ich Musik machen soll, damit ich Geld verdiene, sondern dass ich Musik mache, die von mir ist. Und das habe ich zum Glück geschafft. Es war ein harter Kampf, aber dann habe ich mir die Freiheit geholt. Wenn du es irgendwann schaffst, deine eigene Musik zu machen und du dann auch Geld damit verdienen kannst, dann bist du auch frei. Um die Geschichte kurz zu machen: kaum war ich also wieder in Deutschland, bin ich auf dem großen Truck auf der Loveparade gestanden. “Bumm Bumm Bumm Bumm!” Ich habe diesen Techno gehört und habe mich richtig wohl gefühlt. Als ich Mitte der 90er zurückkam, war Techno so richtig am Laufen in Deutschland. Und ich dachte mir: genau hier setze ich an, ich werde Techno machen. Und ich habe dann vier Techno CDs auf dem Label Disco B gemacht. Ich war also zurück in der Musikwelt. Kommen wir aber zurück zu den Paris Tapes. Diese sind mir dann wieder eingefallen. Ich hatte die Kassetten in einem Koffer, der bei meinem Bruder stand. 1987 hatte ich das Album gemacht und nun sind 30 Jahre vergangen. Und seit dieser Zeit habe ich mir die Tapes alle 10 Jahre angehört. Und ich dachte mir: “Das ist so tolles Zeug. Das ist eine ganz andere Seite von mir. Und irgendwann bringst du das heraus, und zwar im Original”. Mir kam nie der Gedanke, noch einmal nach England zu gehen und zu sagen: “Hallo, hier bin ich wieder. Ich war zwar drei Jahre in Asien, aber können wir nochmal mit den Paris Tapes anfangen?” (lacht) Das Thema war durch, aber ich fand das gar nicht so schlimm. Das letzte Mal, als ich das Material angehört hatte, war vor einem Jahr. Ich hatte es mir mit einer Freundin in Berlin angehört und wir sind beide so drauf abgefahren und sie riet mir, das so wie es ist herauszubringen. Ich habe mir die Kassetten dann geschnappt, bin zu Grönland gegangen – wir hatten ja diese DAF Box dort herausgebracht – und habe sie der dem Label angeboten. Und die waren – wie damals Daniel Miller – begeistert und sagten: das machen wir!

Gab es sogar die Idee, das Werk auf Kompaktkassette zu veröffentlichen?
Das müsste man wirklich machen. Ich hatte das dem Label bereits vorgeschlagen, aber da kam bisher keine Resonanz. Aber ich habe gehört, dass die Kassette wirklich gerade wieder im Kommen ist. Ich werde das nochmal auf den Tisch bringen. Eine kleine Auflage, so 300 Kassetten.

Genau. Und handsigniert. Ich habe wirklich von einem Musiker gehört, der seine Musik auf Tape aufnimmt und die Fans kaufen diese sogar.
Wirklich eine gute Idee. Die Tapes kommen auch exklusiv beim “Record Store Day” am 21. April auf Vinyl heraus. Und danach dann auf CD und als Download.

Man hat dich letztes Jahr im Film Conny Plank – The Potential Of Noise gesehen. Wie wichtig war Connys Arbeit für DAF?
Conny war eigentlich unser größter Gönner und hat für uns alle Türen geöffnet. Er hat uns irgendwo gehört und uns über einen Scout aus England geholt. Das war ganz am Anfang der 80er. Da waren wir noch zu dritt mit Gitarrist und ich glaube, der Chris Haas war auch noch dabei. Wir waren auch schon bei Mute Records. Conny hat uns dann eingeladen und wollte uns produzieren. Conny war ein großer DAF Fan, ihm hat das was mir machten sehr gut gefallen und er hat uns dann sein Studio gezeigt. Das war bevor wir die Platte Die Kleinen Und Die Bösen gemacht haben. Ich hatte dann mit Gabi gesprochen, dass das ein großer Schritt sein könnte. Conny hat uns viele Türen geöffnet, damit wir in die Musikwelt eintreten konnten. Er war bereits ein großer, bekannter Produzent und das haben wir als Chance gesehen. Und das Gute war, er hat uns sehr viel Studioarbeit angeboten und uns auch wissen lassen, dass er sich in die Musik nicht einmischen wird. Denn das ging bei uns nicht. Niemand durfte sich einmischen, auch kein Producer. Es gibt ja Produzenten, die die musikalische Richtung bestimmen und so einer war Conny nicht. Er hat uns im Grunde genommen “aufgeblasen”. Connys Ding war ja, dass er die Bands lässt wie sie sind und das beste aus ihnen herausholt. Er hatte im Mischpult wahnsinnig coole Effekte, wie zum Beispiel diese riesige Metallplatte die im Regieraum in der Erde eingelassen war. Mit “aufblasen” meinte ich: wenn du auf Sequenzen genau den richtigen Hall draufgibst, wird diese viel größer, also der “Raum” vergrößert sich. Und das war seine Spezialität.

Du meinst einen sogenannten Lexicon Hall?
Ganz genau. Er hatte auch ganz tolle Delays, er war echt gut bestückt. Er hatte zum Beipsiel ein MCI Mischpult. Er hat uns produktionstechnisch auf eine sehr gute Schiene gebracht. Unsere Musik kam quasi auf einen professionellen Tisch. Und das war gut für uns, er hat uns einen großen Schub gegeben.

In den 80ern war es für viele Drummer das Ziel, wie eine Drummaschine zu spielen. Bei DAF war das ja auch der Fall. Du kommst ja aus dem Jazz … hat es Dir nie in den Fingern gejuckt, mal ein cooles “Fill in” oder einen funkigen Groove zu spielen? Oder habt ihr gesagt, nein wir möchten genau so minimal klingen
Wir haben auf unser Konzept hingearbeitet und das haben wir immer mehr perfektioniert. Die Idee war schon recht bald da: es sollte elektronisch werden – denn es kamen damals die ersten erschwinglichen Synthesizer heraus, zu Beispiel der Korg MS20, die wir uns alle geholt haben – und es sollte ein Beat drauf, der sich der Elektronik anpasst. Und die Elektronik sollte eine Sequenz sein. Es gab ja Bands, die spielten so “Dream Elektronic”, wo die Synthesizer Klänge so umherschwirren, ohne sequenziert zu sein, also eher Klangwelten.

So etwas wie Jean Michel Jarre oder diese Richtung.
Genau. Unser Ding war eher dieses mechanische, repetitive. Wenn du eine 8-stufige oder sogar 32-stufige Sequenz hast, ist sie ja immer sehr schnell vorbei. Und das ist die Basis von DAF gewesen. Und dieses repetitive ist wahnsinnig minimalistisch und besteht meistens nur aus einer Sequenz. Und mein Beat dazu sollte wahnsinnig straight und tanzbar sein. Das war auch unser Vorhaben. Wir wollten, dass die Leute auf unsere Musik tanzen. Als wir unsere Tracks bei Conny kreiert haben, waren Gabi und ich die meiste Zeit alleine im Studio. Zuerst kam die Sequenz, dann der Beat und zuletzt der Gabi. Ich habe einen ganzen Tag lang an nur einer Sequenz herumgeschraubt, bis sie richtig heiß war. Gabi war auch im Raum und hatte das Texten angefangen und dabei getanzt. Ich habe auch oft getanzt, ich habe ja nicht immer steif an meinem Synthesizer rumgestanden. Wir haben auf jeden Fall einen eigenen Tanzstil kreiert, der sehr minimalistisch und repetitiv sein sollte. Und mit unserer minimalistischen, komplett sequenzergesteuerten Musik haben wir auch unsere eigenen Stil kreiert. Ein Beat, der nicht ausschweift … und plötzlich kommt ein Drumsolo (lacht) Nicht so etwas! Wir haben uns immer weiter perfektioniert, bis wir auf einem ganz perfekten Punkt waren. Und der ging im Grunde los mit dem Album “Alles ist gut”. An diesem Punkt der Perfektion haben wir auch unser Styling geändert, die Art wie wir auftreten. Wir hatten schon einen richtig großen Plan im Kopf. Nichts war zufällig, wir haben hart daran gearbeitet. Wir sind auch oft zum Klamotten einkaufen gegangen. Das ist dann auch durch das Brainstorming gekommen. Dieser schwarze Lederstil, der harte Look, kurze Haare, minimalistische Sequenzen und provokative Worte. Das ist DAF.

DAF spielt in dem deutschen Kultfilm Verschwende Deine Jugend eine große Rolle. In wiefern habt ihr bei dem Film mitgewirkt? Denis Moschitto und Josef Heynert haben euch ja kongenial dargestellt. Was war das für ein Gefühl, sein filmisches Double auf der Leinwand zu sehen?
Es war schon sehr abgefahren. Ich war bei der Premiere in München und bin fast im Kinosessel versunken. Es ist schon eigenartig, wenn du einen Typ siehst, der dich spielt. Manche Szenen fand ich urkomisch. Aber es war schon okay, im Endeffekt habe ich den Film gut gefunden.

Du hast es ja gerade erwähnt: jüngst ist das Buch Das ist DAF erschienen. Miriam Spies und Rudi Esch haben Euch bei dem Werk unterstützt. Wie war das Gefühl, Eure Vergangenheit aufzuarbeiten? War Euch irgendetwas peinlich, was Ihr lieber verschwiegen hättet?
Das war auch wieder so ein Kampf. Ein typischer DAF Kampf eben. Es gab ja einen Punkt, bei dem Gabi und ich unterschiedliche Sachen erzählten und das mussten wir dann ausdiskutieren, der Rudi und die Miriam – ich weiß nicht, ob es gut war oder nicht – haben uns zwei getrennt voneinander interviewt. Ich wurde drei Tage lang in Berlin befragt und für Gabi sind die beiden drei Tage nach Spanien gefahren. Wahrscheinlich wäre alles ganz anders gekommen, wenn sie uns zusammen interviewt hätten. Dann wären wir uns öfter einig gewesen, was wir sagen, aber vielleicht hat es so eine Spannung für das Buch hineingebracht. Wir haben uns teilweise sogar widersprochen. Ich fand es teilweise gewagt, dass es so kam. Aber der Verleger sagte, dass es so okay ist. Die Geschehnisse liegen ja fast 40 Jahre zurück. Es war aber sehr interessant und das Buch ist auch sehr konfrontativ geworden. Aber irgendwie haben wir es immer noch hinbekommen. Das DAF Buch war schon eine ganz schwierige Geburt muss ich sagen.

Wie geht es bei Dir weiter? Gibt es Pläne für Livekonzerte? Bei der letztjährigen “Electricity Conference” in Düsseldorf habe ich Dich zuletzt on stage gesehen…
Ich bringe jetzt die Paris Tapes heraus und Gabi hat ja auch seine – auch nicht-musikalischen – Projekte. Ich habe vor, die Tapes auch auf die Bühne zu bringen. So wie sie sind, aber: es kommt auch Gesang dazu.

Also fügst du noch eine neue Ebene hinzu.
Richtig. Und ich habe ein ganz gutes Gefühl dafür.

Es bleibt also spannend bei Dir. Ich wünsche Dir eine schöne Zeit.
Danke, das wünsche ich Dir auch.

Weblinks ROBERT GÖRL:

Official: http://www.robert-goerl.de/

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