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AMPHI FESTIVAL 2017 – Samstag (22.07.2017)

AMPHI FESTIVAL 2017 - Samstag (22.07.2017)

VNV Nation, © Markus Hillgärtner

Endlich war es wieder soweit – das Amphi Festival lockte wieder knapp 13.000 Freunde der dunklen Szenemusik nach Köln. Natürlich war wie in den Jahren zuvor das Eröffnungsevent Call The Ship To Port der erste größere Treffpunkt für die in schwarz gewandten Musikliebhaber. Project Pitchfork-Keyboarder Dirk Scheuber konnte mit seinem Soloprojekt erste Tanzbeine in Bewegung bringen, bei Neuroticfish und Front 242 kochte im Anschluss das Schiff. Drei Auftritte bei bockstarker Akustik und toller Stimmung, die definitiv Lust machten auf das, was da in den kommenden 48 Stunden noch kommen sollte.

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Los ging es auf der Mainstage am Samstag mit mehreren soliden Electro-Acts. Sowohl Empathy Test als auch Eisfabrik und Chrom konnten sich im Vergleich zu den Vorjahren über recht viel Publikum bereits zur frühen Stunde freuen. Dem folgte ein klarer musikalischer Einschnitt – denn Tanzwut haben mit Elektronik rein gar nichts am Hut und bedienten die auf dem Amphi traditionell eher unterrepräsentierte Mittelalter-Rock-Fraktion.

Setlist TANZWUT @ Amphi Festival 2017
01. Götterfunken/Schreib es mit Blut
02. Meer
03. Freitag, der 13.
04. Merseburger
05. Das Gerücht
06. Stille Wasser
07. Reiter ohne Kopf
08. Geteert und gefedert
09. Heimatlos
10. Spiegelkabinett
11. Brüder im Geiste
Nebel, Laser und Hall

Apropos unterrepräsentiert: Klassische Wave-, Postpunk- oder Shoegaze-Bands lassen auf dem Amphi in ihrer Anzahl weiter zu wünschen übrig – was für eine Wohltat war da doch der Auftritt von Holygram, die das Festival im Theater eröffnen durften. Die Kölner Lokalmatadore rutschten erst kurz vor Toreschluss ins Programm, da The Creepshow ihren Auftritt absagen mussten und nutzten die kurzfristig erhaltene Chance eindrucksvoll. Viel Nebel, bunte Laser, dazu Sänger Patrick Blümel mit genre-typischem „Ich trage meine Sonnenbrille auch nachts“-Gehabe und seine Bandkollegen an Saiten und Fellen sorgten für Atmosphäre pur. Präsentiert wurden neben der vielversprechenden Debüt-EP einige unveröffentlichte Songs, die Lust auf das 2018 erscheinende Album machen.

Setlist HOLYGRAM @ Amphi Festival 2017
01. Hideaway
02. Borders
03. Daria
04. She’s Like The Sun
05. Acceleration
06. Still There
07. Distant Light

Die gefühlt immer kleiner werdende Cyber-Fraktion auf den „schwarzen“ Festivals wurde im Anschluss mit FabrikC bedient. Klangaktiviert, Zu laut und Co. sorgten für ordentlich Neon-Glimmen im Theater.

Setlist FABRIKC @ Amphi Festival 2017
01. Widerstand
02. Klangaktiviert
03. Cherubim
04. 100 % Elektronik
05. X³
06. Independent Riot Corps
07. Zu laut
08. Passivtod
09. Der zweite Tod
10. Chinese Food

Deutlich melodiöser wurde es im Anschluss mit Torul, deren neuer Sänger Maj Valerij unter Beweis stellen konnte, ein würdiger Nachfolger für den 2016 ausgeschiedenen Jan Jenko zu sein, sowie Frozen Plasma. Problematisch für viele: Hier kam es zu Einlassstopps. Zahlreiche Besucher durften trotz langen Wartezeiten nicht mehr ins Theater. Bemerkenswert: Zwei Besucherinnen entledigten sich während der Show von Vasi Vallis und Felix Marc ihrer Schlüpfer und warfen diese auf die Bühne. Es gab schon weniger ansehnliche Mikrofonständer-Dekos …

Im Anschluss daran konnten die schwedischen Ausnahmemusiker von Kite die Leute im Publikum regelrecht in ihren Bann ziehen. Neonstreifen an Keyboards und Soundmaschinen in Kombi mit viel Dunkelheit und dem atmosphärischen Sound sorgten für einen überzeugenden Gesamteindruck. Da saß jeder Ton. (DG)

Die Stage für die etwas außergewöhnlicheren Künstler befand sich, wie schon im Vorjahr, auf der MS RheinEnergie. Diese musste aufgrund des niedrigen Wasserstandes am Kölner Rheinufer auf die anderen Seite des Flusses verlegt werden, was einen Shuttle-Service vom Tanzbrunnen zum neuen Anlegeplatz am Heumarkt nötig machte. Tatsächlich funktionierte die Organisation der Shuttle-Fahrten an beiden Festivaltagen erfreulich gut. So war es den Umständen entsprechend kein allzu großes Problem, sich Acts wie Box & The Twins oder Aeon Sable anzuschauen und beides lohnte sich. Insbesondere die Lokalmatadoren Box & The Twins legten einen wundervollen Auftritt hin und machten wieder einmal deutlich, dass die Songs ihres Debüts Everywhere I Go Is Silence auch live eine großartige Atmosphäre entwickeln, die den Hörer immer wieder aufs neue packt. Deutlich rockiger gingen danach Aeon Sable zu Werke, konnten aber ebenfalls durchweg überzeugen, zumal ihre sternförmigen Scheinwerfer sicher zu den technischen Highlights des Festivals gehörten. (MG)

Auftritt trotz Blutvergiftung

Den inoffiziellen Titel „Held des Wochenendes“ verdiente sich eindeutig Henric De La Cour. Der Schwede, ohnehin seit Kindheitstagen von schwerwiegenden, gesundheitlichen Problemen geplagt, machte sich trotz einer Blutvergiftung (!) auf den langen Weg nach Köln und gab spürbar gehandicapt sein Bestes. Dass der Gesang nicht ganz an das sonst von ihm gewohnte Niveau heranreichte und die Show zehn Minuten früher als geplant endete – geschenkt! Die Stimmung im Schiffsinneren war dank Hits wie Dracula, My Machine und Shark trotzdem top. An dieser Stelle wünschen wir noch einmal gute Besserung!

Es folgte ein Post-Rock-Act. Moment mal: Ein Post-Rock-Act auf einem Goth-Festival? Jap. Esben And The Witch betörten ihre Zuhörer mit extrem atmosphärischen Klängen, den genreüblichen Laut-Leise-Wechseln und vor allem der wunderschönen Stimme von Sängerin Rachel Davies. Ein eigentlich perfekter Auftritt wie aus einem Guss, der viel mehr Zuschauer verdient gehabt hätte.

Über zu wenige Menschen vor der Bühne konnten sich die Acts, welche die späteren Slots auf dem Kerngelände füllten, nun wirklich nicht beschweren. Lord Of The Lost gingen mit Drag Me To Hell und Miss Machine vom aktuellen Album Empyrean in die Vollen. Es folgten zahlreiche Klassiker von der immer populärer werdenden Band um Neu-KMFDM-Gitarrist Chris Harms.

Setlist LORD OF THE LOST @ Amphi Festival 2017
01. Drag Me To Hell
02. Miss Machine
03. Interstellar Wars
04. Black Lolita
05. Die Tomorrow
06. Prison
07. Six Feet Underground
08. The Love Of God
09. Fists Up In The Air
10. La Bomba
11. Dry The Rain
12. In Silence
13. Raining Stars

Danach war die Mainstage in der Hand der Szene-Urgesteine: Diary Of Dreams um den gebürtigen Düsseldorfer Adrian Hates gehören auf dem Amphi ja eigentlich schon zum Inventar und sind auch nach über einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte noch immer ein sichere Bank. Ein schönes Set, welches mit dem ewigen Mitgröl-Klassiker Traumtänzer sein Ende fand.

Setlist DIARY OF DREAMS @ Amphi Festival 2017
01. Malum
02. Chemicals
03. The Wedding
04. Butterfly Dance
05. The Curse
06. Grau im Licht
07. Amok
08. Endless Nights
09. Kindrom
10. Undividable
11. Traumtänzer

Klassisch wurde es im Anschluss, als mit Fields Of The Nephilim eine absolute Goth-Rock Legende die Bühne enterte. Wie bei so vielen Acts, die ihren künstlerischen Höhepunkt in den 80ern hatten, stellen sich hier so langsam erste Ermüdungserscheinungen ein, weil einfach kein neues Material erscheint und auf den Konzerten immer wieder ähnliche Sets gespielt werden. Es sei denn, man durfte die Band um Sänger Carl McCoy zum ersten Mal live begutachten oder ist ein „Die Hard“-Fan. Das Publikum durfte sich ein weiteres Mal an Moonchild, Prophecy, Last Exit For The Lost und weiteren Hits berauschen. Allerdings konnte insbesondere hier die auf der Mainstage und im Theater über das ganze Festival in ihrem Niveau schwankende Akustik nicht überzeugen.

Setlist FIELDS OF THE NEPHILIM @ Amphi Festival 2017
01. 24th Moment
02. Last Exit For The Lost
03. Moonchild
04. For Her Light
05. At The Gates Of Silent Memory
06. Zoon
07. Prophecy
08. Psychonaut
09. Mourning Sun

Militaristisch ging es zeitgleich zu den Fields im Theater zu, wo Thomas Rainer mit seinem Projekt Nachtmahr ein gänzliches Kontrastprogramm bot. Bei allem Diskussionsstoff, den der Österreicher und sein Bühnenteam grundsätzlich liefern, wurde eines deutlich: Nachtmahr bleibt eine der wenigen Bands, die mit Aggrotech-Klängen auch im Jahre 2017 noch bei den Zuschauern punkten können.

Setlist NACHTMAHR @ Amphi Festival 2017
01. Nachtmahr
02. Tradition
03. Weil ich’s kann
04. Feuer frei
05. Tanzdiktator
06. Mädchen in Uniform
07. BoomBoomBoom
08. Strenge Liebe
09. Alpha & Omega
10. Mütterchen Russland
11. I Hate Berlin
12. Katharsis

Diorama und Clan Of Xymox beendeten den Samstag auf der Orbit Stage. Erstere aufgrund von technischen Problemen jedoch mit gut 15 Minuten Verspätung. Den Song Over widmeten die Electropopper um Torben Wendt dem nur zwei Tage zuvor verstorbenen Linkin Park-Sänger Chester Bennington. Wir wollen auch mal andere Gefuehle bedienen – nicht nur Party“, sprach die Band – hat geklappt!

Mit etwa 20 Minuten Verspätung betraten die Headliner Clan of Xymox die Bühne des Boots. Viele Menschen hatten sich  eingefunden, um den dunklen Klängen der Dark Wave-Legende aus Holland zu lauschen. Sichtlich gut gelaunt betrat Ronny Moorings und seine Mannschaft (diesmal wieder ohne Bassistin Mojca Zugna) die in Zwielicht getauchte Bühne. Zu Beginn präsentierte die Band ein Repertoire ihrer neueren Stücke, wie beispielsweise She is falling in love. Viele Besucher*Innen kannten die Stücke scheinbar nicht und die Stimmung lockerte sich erst auf, als Clan of Xymox begannen die Klassiker, für die sie geliebt werden, zu spielen.

Deswegen durften die größten Songs wie A Day oder Louise nicht fehlen. Es ist immer schwierig als ältere Band, die vor allem für ihre älteren Lieder bekannt ist, auf Festivals zu spielen und dort auch neue Songs fortzutragen. Die Zurückhaltung sagt jedoch nichts über die Qualität der neuen Songs aus, sondern drückt eher die Unvertrautheit mit ebenjenen aus. Denn allgemein boten Ronny Moorings mit seiner sanft-weichen Stimme und dem charismatischen Lächeln und seine Bandmitglieder einen perfekten Abschluss für den Festival-Samstag, indem sie die Fans auf eine Reise durch die Vergangenheit und Melancholie mitnahmen. (AS)

Große Parties am Tanzbrunnen

Am Tanzbrunnen ging es zu späterer Stunde so richtig ab: Wie aus dem Nichts kletterten VNV Nation in Person von Ronan Harris, Mark Jackson und zwei Live-Keyboardern gegen 20:40 Uhr auf die Main Stage und ließen ohne jedes Intro und ohne jede Ankündigung die ersten Klänge von Chrome erschallen. Lautstark wurde bei den insgesamt 14 Songs mitgesungen und mitgeklatscht, mit Joy vom Praise The Fallen-Album entstaubten VNV sogar mal wieder eine Song-Perle aus dem letzten Jahrtausend. Ein gelungener Headliner-Auftritt, bei dem Harris ganz besonders viel Spaß mit einem wiederholt im Publikum hochgehaltenen Einhorn-Kopf hatte – und nebenbei sogar besonderen Applaus erhielt, als er mitten im Konzert plötzlich mit dem Singen aufhörte. Der Grund: Die eindeutige Aufforderung an einen Haufen Fans vor der Bühne, einem Rollstuhlfahrer doch bitte freie Sicht zu gewährleisten. Soviel sei verraten: Er hatte Erfolg.

Setlist VNV NATION @ Amphi Festival 2017
01. Chrome
02. Sentinel
03. Space & Time
04. Epicentre
05. Joy
06. Nemesis
07. Illusion
08. Standing
09. Streamline
10. Graditude
11. Everything
12. Control
13. Nova
14. Resolution
AMPHI FESTIVAL 2017 - Samstag (22.07.2017)

Wer mit Future Pop nichts anfangen kann, dem stand im Theater ein hochqualitatives Alternativprogramm zum Abschluss des ersten Tages offen. Die Krupps servierten allen EBM- und Industrial-Rock Liebhabern ein abwechslungsreiches Set mit vielen Klassikern und neueren Hits. Leider musste der obligatorische Abschluss-Brecher Bloodsuckers diesmal aus Zeitgründen wegfallen. Festival halt …

Setlist DIE KRUPPS @ Amphi Festival 2017
01. Kaltes Herz
02. The Dawning Of Doon
03. Schmutzfabrik
04. Der Amboss
05. Alive In A Glass Cage
06. Scent
07. Black Beauty White Heat
08. Fly Martyrs Fly
09. To The Hilt
10. Metal Machine Music
11. Robo Sapien
12. Nazis auf Speed
13. Fatherland
14. Machineries Of Joy

So nahm der erste Tag des Amphi-Festival 2017 sein Ende. Wer wollte, konnte auf dem Schiff und im Theater mit prominenten DJs wie Dr. Mark Benecke oder Sven Friedrich (Solar Fake) noch bis in die frühen Morgenstunden feiern. Wir zogen es hingegen vor, die Füße hochzulegen und uns vor dem nicht minder tollen zweiten Tag eine Mütze Schlaf zu holen …

Redaktion: Aleksandra Szczodrowski (AS), Dietmar Grabs (DG), Michael Gamon (MG)

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