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Interview: NOÊTA

Interview: NOÊTA

Die schwedischen Musiker von Noêta halten nicht besonders viel von einengenden Genre-Grenzen. Auf ihrem Album Beyond Life And Death erschaffen die Künstler mit ihrer Musik Klangwelten, die ebenso wunderschön, wie schwer fassbar sind. Kurz nach Erscheinen von Beyond Life And Death am 17. Februar 2017 erklärten sich Êlea und Ândris bereit, uns einen Einblick in ihre Arbeit zu gewähren

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Es ist eine sehr große Freude für mich, dass ich für unsere Leser von monkeypress.de die Möglichkeit bekommen habe, Euch ein paar Fragen zu Eurem ersten Longplayer zu stellen. Aber zuerst und bevor ich damit anfange, möchte ich Euch zu Eurem wunderbaren und ambitionierten Album beglückwünschen!
Dankeschön!

Ihr habt das Genre, dem Ihr Eure Musik zuordnet als „anti-normativen“ Black-Metal beschrieben. Was genau macht die anti-normative Komponente dieser Bezeichnung denn aus?
Wir haben „anti-normativ“ als Schlüsselbegriff für unsere Musik und den Entstehungsprozess gewählt. Später haben wir dann begriffen, dass jeder etwas anderes darunter verstehen kann. Wir wollten mit den eintönigen Vorlagen brechen, die von vielen Musikern benutzt werden. Außerdem wollten wir auch den Konformismus in Frage stellen, der sowohl durch die sozialen Erwartungen rings um das musikalische Schaffen, als auch durch die musikalischen Genres selbst immer gegenwärtig ist. Insbesondere ist das bei Sängerinnen innerhalb dieser Sound-Richtung feststellbar. Worin liegt die Herausforderung, einen Sound, den man schon bei PJ Harvey oder Dead Can Dance findet, noch einmal zu kopieren?

Wir wollten eher Musik erschaffen, die noch die Essenz von etwas Unverfälschtem hat, als etwas Eingängiges, um es besser verkaufen zu können. Musik kann sich schwerer mitteilen, wenn sie keinem gängigen Genre zugeordnet werden kann. Wenn man ungewohnte Tempowechsel, keine eingängigen Refrains und reguläre Song-Strukturen benutzt, hat man nur wenig, um sich den Zuhörer zu angeln – das war uns bei dieser Art von Musik von Anfang an klar, aber es war eine bewusste Entscheidung. In dieser Hinsicht denken wir, sind unsere unkonventionellen Methoden das, was wir mit „anti-normativ“ ausdrücken möchten.

Ihr habt Beyond Life And Death als Konzeptalbum entwickelt, das drei Teile umfasst: 1. Die Begegnung mit Emotionen als Lebensinhalt, 2. als kalte Resignation und Angst und 3. als von Grauen erfüllten Respekt vor einer unbeugsam, entfesselten Natur. Sind diese drei Teile miteinander verbunden? Und wie würdet Ihr diesen konzeptionellen Rahmen beschreiben?
Wir haben mit den drei Emotionen begonnen, die wir beschreiben wollten, bevor daraus vollständig ausgeformte Konzepte geworden sind. Die Teile hängen zusammen, wenn auch abstrakt in dem Sinne, dass sie alle drei Ausdruck unbeständiger Gefühle im Leben sind, die jeweils durch eine andere Linse betrachtet werden. Sie alle sind Begleiterscheinungen im Ringen eines Menschen mit seinem psykhe (Denken). Es ist ein konzeptioneller Rahmen, der sich eher darauf konzentriert emotionale Situationen zu beschreiben, als festgeschriebene Konzepte.

Für mich hört sich Beyond Life And Death, wie auch Euer Debut psykhe sehr elaboriert und ausgereift an, musikalisch wie intellektuell. Könnte Ihr mir etwas zu Eurem künstlerischen und akademischen Hintergrund erzählen?
Ândris ist ein ausgebildeter Folk-Musiker, Tontechniker und Analog-Photograph. Er unterrichtet in diesen Bereichen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Êlea ist eine visuell-effects Künstlerin und ebenfalls Tontechnikerin. Sie arbeitet in der Filmindustrie. Aber auch außerhalb der beruflich fachlichen Welt, haben wir beide in ganz unterschiedlichen Bereichen, Dinge gelernt und unsere Erfahrungen gemacht. Das alles findet definitiv auch insofern seinen Weg in unsere musikalische Arbeit, als dass wir uns immer die Neugier bewahren, unser Wissen zu erweitern und neue Ideen zu entwickeln; künstlerisch, emotional und intellektuell.

Lässt man mal die ganzen alten Griechen beiseite: was könnt ihr mir über weitere Inspirationen sagen (kulturell, musikalisch, literarisch, Persönlichkeiten etc.), von denen Eure Arbeit an Beyond Life And Death beeinflusst wurde?
Oh, das waren so viele, dass es schwierig ist, die hier alle zusammen zu fassen. Wir beide werden von unterschiedlichen Dingen beeinflusst, wenn wir arbeiten. Im Allgemeinen reichen diese Einflüsse von zeitgenössischer Schlagwerk-Kunst wie Stoneway von Rolf Wallin, über Ambient Black-Metal, ältere Folk-Music bis hin zu zeitgenössischem Fingerpicking Folk und Blues wie Songs von Tallest Man On Earth. Wir lassen uns auch von verschiedenen Philosophen inspirieren. Am Anfang haben wir uns stark auf Aristoteles konzentriert, im weiteren Verlauf vor allem auf Kant und Kierkegaard. Dann sind da noch die Fotografien von Cooper & Grofer, genauso wie Verbundenheit zur Natur und Geschichte durch Bücher wie Tracing Old Norse Cosmology von Anders Andrén.

Es schien eine offenbar sehr starke Verbindung zur antiken griechischen Philosophie und Mythologie bei Euch gegeben zu haben, betrachtet man allein die Bedeutung und den Ursprung von Begriffen wie noêta und psykhe. Einige Titel auf der EP wurden auch mit Begriffen aus der griechischen Mythologie benannt. Für mich hatte es den Anschein, als ob diese starke Verbindung auf Beyond Life And Death etwas von seiner Priorität verloren hat. Würdet Ihr sagen, dass auf Eurer neuen Veröffentlichung Euer philosophischer Ansatz abstrakter geworden ist, eher übergeordnet und befreit von einem akademischen Korsett?
Wir hatten immer schon auch Einflüsse außerhalb der griechischen Philosophie genutzt. Draumr auf unserer EP beispielsweise zeigt unsere nie abreißenden Verbindung zur alten nordischen Kosmologie. Man merkt sehr schnell, dass sich verschiedene Philosophen immer wieder dieselben Fragen stellen, aber ganz unterschiedliche Herangehensweisen haben, diese dann beantworten zu wollen. Die antike griechische Schule hat sich in vielerlei Hinsicht überholt, obwohl ihre Konzepte heute noch aktuell sind. Es gibt Philosophen jüngerer Schule und neue Erkenntnisse; betrachtet man allein die Entdeckungen in der Neurobiologie (z. B. wissen wir heute, dass die Theorien über Träume und Emotionen, wie Aristoteles sie entwickelte, vor diesem Hintergrund nicht korrekt sein können.). Aber wir können immer noch über diese antiken Konzepte sprechen, ohne, dass wir ihre antiquierte Sprache benutzen müssen. Unsere Verbindung dazu war immer da und wird auch immer bestehen bleiben, wenn auch heute etwas abstrakter.

Was unsere Lyrics angeht, befanden wir uns eigentlich nie in einem akademischen Korsett, obwohl schon, wie bereits erwähnt, stets eine Beziehung zwischen Emotion und Philosophie bestand. Wenn wir einfach so philosophische Theorien ohne emotionalen Bezug aussprechen würden, wären wir eher Akademiker und weniger Künstler.

Eure Musik wird auch oft als „Begleitung zur Introspektion“ beschrieben. War es hilfreich bei der Arbeit an dem Album bestimmte Stimmungen einzufangen, Euch in bestimmte Stimmungen zu versetzen, während Ihr diese Innenschau musikalisch zum Leben erweckt habt?
Auf jeden Fall! Einer der Faktoren, der am meisten dazu beigetragen hat, war, dass wir sehr selten im Studio aufnehmen (nur kleine Teile von drei Songs des Albums wurden innerhalb einer Studio-Umgebung aufgenommen). Den größten Teil unserer Musik haben wir in Ândris Haus geschrieben, produziert, aufgenommen, abgemischt und vollendet. Sein Haus steht auf einer kleinen Insel und ist von stimmungsvoll düsteren Wäldern umgeben. Dort können wir genau die Umgebung erschaffen, die es uns erlaubt, völlig in dem aufzugehen, was wir tun. So können wir verschiedene Komponenten in unterschiedlichen Bereichen des Hauses aufnehmen, wenn wir die komplette Abgeschiedenheit brauchen, um uns vollständig mit den Emotionen zu verbinden, die abrufen wollen.

Es mag einige Leute geben, die Eure Musik zwar als interessante, aber sperrige Kunst beschreiben würden, die zu schwierig ist, sich damit auseinander zu setzen. Wie würdet Ihr diese Leute ermutigen einen Zugang zu Eurer Musik zu erhalten?
Wir denken, dass es Musik gibt, die ihren Zuhörer schnell mit einem eingängigen Rhythmus oder Melodie abholen kann. Andere Arten von Musik sind herausfordernder und verlangen dem Zuhörer mehr ab. Ihre Schönheit kann sich aus der Gesamtheit der Eindrücke auf dem ganzen Albums zusammensetzen oder in der Analyse ihrer musikalischen Vielschichtigkeit. Diesen Anspruch kannst du bei sehr vielen Künstlern finden. Je nachdem, ob du von Le Sacre Du Printemps (Igor Strawinsky) sprichst, Sichtweisen auf einen „rohen“ Black-Metal oder dem Noise-Genre etc., einige Leute sind bereit, sich musikalischen Geschmack zu erarbeiten oder die Intentionen der Künstler verstehen zu wollen, … andere eben nicht.

Habt Ihr Pläne für eine Tour mit Beyond Life And Death gemacht?
Ab jetzt bereiten wir Live-Auftritte vor und beginnen auch schon mit den Proben. Die Auftritte selbst werden hauptsächlich in den Sommermonaten stattfinden. Genaue Daten werden demnächst bekannt gegeben. Für eine volle, umfassende Tour fehlen uns im Moment noch die Mittel, aber hoffentlich holen wir das in der Zukunft nach.

Letztes Jahr habt Ihr einen Vertrag mit Prophecy Productions unterzeichnet. Hatte das Einfluss auf Eure Arbeit mit Noêta?
Wir sind sehr glücklich mit Prophecy Productions zu arbeiten, da sie uns als Künstlern komplett freie Hand lassen, uns so auszudrücken, wie wir es möchten.

Vielen Dank für Eure Zeit und die interessanten Antworten!
Vielen Dank!

Weblinks NOÊTA:

Facebook: www.facebook.com/noetaband
Bandcamp: noeta.bandcamp.com

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