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Interview: MATT HOWDEN

Interview: MATT HOWDEN

Dass Matt Howden ein umtriebiger Musiker ist, muss sicher nicht extra verraten werden. Ob mit Sieben, 7JK oder als Gastmusiker: Der vielseitige Violinist hat zumeist mehr als ein Projekt am Laufen. So auch in 2016, als er sowohl mit Sieben das Album The Old Magic veröffentlichte als auch Ride The Solar Tide mit 7JK. Wir haben ihm zum Jahreswechsel einen Schwung Fragen zu beiden Projekten und den jeweiligen Alben gestellt, die Themen und Hintergründe dazu, den Ausblick auf das Jahr 2017 und vieles mehr. Hier die dazugehörigen Antworten!

Lass Dir den Beitrag vorlesen:
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2016 hast Du sowohl mit Sieben als auch mit 7JK Alben veröffentlicht. Würdest Du sagen, dass 2016 ein geschäftiges Jahr für Dich war?
Naja, es war etwas über dem Durchschnitt. 😉 Für gewöhnlich mache ich mindestens ein Album pro Jahr, manchmal aber auch bis zu drei, mit verschiedenen Projekten hier und da, wo Veröffentlichungen anstehen. Aber ja, es wurde dann doch für mich recht geschäftig. Aber ich habe nur 45 Gigs oder so gespielt in 2016, also alles kinderleicht. 😉

Ich möchte gern sowohl über das Album von Sieben als auch über das von 7JK sprechen. Als erstes über Sieben. Das Album heißt The Old Magic. Was ist diese alte Magie?
Sagen wir es direkt raus: The Old Magic behandelt verschiedene Dinge in den Themen der Texte in den Stücken. Aber vor allem geht es um die Magie, zu der es kommt, wenn Kulturen aufeinandertreffen und sich dadurch gegenseitig bereichern. Das Titelstück verköpert das – nahezu alle Worte darin sind nordisch, Wörter, die wir von den Wikingern in England haben. Die alte Magie ist, dass Kunst und Handel Menschen zusammen bringen. So haben wir uns zum Beispiel technologisch weiterentwickelt. Neue Kulturen bringen neue Ideen oder gleichen sich an und verbessern existierende Ideen.

Das Album besteht aus drei EPs, die Du veröffentlicht hast. Ein ziemlich ungewöhnlicher Weg, ein Album zu machen, würde ich sagen. Warum hast Du mit den EPs begonnen?
Anfangs habe ich mit drei digitalen Veröffentlichungen geplant. Die Idee war, nicht an Längenbegrenzungen gebunden zu sein und zwei lange Stücke (um die zehn Minuten) pro EP zu machen, bei denen ich die Loops „erforschen“ kann, wie sie sich selbst sozusagen überschrieben – über einen gewissen Punkt der Überschneidung, bei denen die ursprünglichen Loop-Ideen von den neuen verschluckt werden – und ich habe es genossen, mit diesem Konzept zu spielen. Jedoch stieg die Nachfrage nach einer CD-Version, nachdem ich es online gestellt hatte.

Auf The Old Magic hast Du die Stücke weiterentwickwelt. Wie würdest Du sagen, unterscheiden sie sich gegenüber den EPs?
Als die Nachfrage nach einer physischen Veröffentlichung kam, bemerkte ich, dass acht zehnminütige Stücke nicht so richtig als Album miteinander harmonieren und dass eine CD-Veröffentlichung anders sein müsste. Eine gute Auswahl der Stücke harmonierten in überarbeiteter Fassung gut als ein Album.

Ich würde gerne über ein paar ausgewählte Stücke sprechen. Eines ist Come, Raven King. Wer ist dieser Rabenkönig, den Du hier behandelst?
Niemand spezielles, muss ich gestehen. Oder niemand bestimmtes, an den ich denke. Wir sind gerade in Zeiten eines politischen Umbruchs, ich schaue mir das an, aber fürchte das, was kommt. In dem Stück sind die gegensätzlichen Enden Englands mit einem Rabenkönig verbunden – einem, den ich weder als König noch als einen Vereiner im förmlichen Sinne sehe.

Ein anderes interessantes Stück ist Ready for Rebellion. Worum geht es bei dieser Rebellion?
Die Idee war ganz einfach, ein Stück zu schreiben mit Musik, die sich nach Veränderung anfühlt. Es ist ein Tempo und ein Vibe, den ich mit Sieben selten habe – es ist schnell und fast schon punkig. Zudem hatte ich vielleicht auch hier die politische Situation und das EU-Referendum im Hinterkopf brennen, als ich das geschrieben habe – und ganz banal das exzellente Rebellion Punk Festival in Blackpool, das ich später in dem Jahr gespielt habe.

Ich mochte auch Black Moon, Rise Again. Welche Geschichte steckt dahinter?
Das Stücke habe ich zu Ehren des MJR Festivals in Litauen geschrieben, wo es einige großartige Festivals und Konzerte gab. Das Festival heißt Menuo Juodaragis, was übersetzt „schwarzer Mond mit Hörnern“ bedeutet. Es ist ihnen zu Ehren – und wie immer, habe ich es mit den paganen und „weltlichen“ Themen in The Old Magic verbunden. Und es ist eine Hymne an die dunklere Seite der Musik.

Neben The Old Magic gab es noch die CD The Other Side Of The River. Warum hast Du Dich für diese zweite Veröffentlichung entschieden?
Als ich angekündigt hatte, auch eine CD zu machen und nicht nur digital zu veröffentlichen, habe ich gemerkt, dass das Material verändert werden muss, um gut als CD-Album zu funktionieren. Jedoch kam dann auch der Wunsch „aber wir wollen auch die Originale auf CD haben!“. Dem habe ich mich verpflichtet gefühlt und diese „Schwester“- oder Begleit-CD zu The Old Magic gemacht, The Other Side Of The River, die alle originalen Mixe und Extra-Titel enthält. Und einfach, um pervers zu sein, habe ich den originalen Mix des Stücks Other Side Of The River als letztes Stück auf die The Old Magic CD gepackt, um in die nächste CD überzuleiten.

Auf der CD sind auch Remixe. Sind sie alle von Dir selbst oder waren auch andere daran beteiligt? Und wie würdest Du die Art beschreiben, wie sich die Stücke in den Remixen verändert haben?
Die Remixe sind alle von mir – da ich ein konstanter Updater und Umschreiber bin. Wenn ich ein neues Album aufnehme und einen neuen Aspekt zu meiner Musik ergänze, dann schlägt sich das auch in älteren Stücken nieder, die ich in den neuen Stil entwickele. Daher habe ich einige Stücke von früheren Veröffentlichungen als Bonus Tracks gewählt, aber mit dem neuen Vibe drin. Das kommt ganz natürlich vor, wenn ich ältere Stücke live spiele und die neue Essenz noch einmal einfange.

Wie hast Du die Reaktionen auf The Old Magic und The Other Side Of The River empfunden?
Die Reaktionen waren brillant, danke! Exzellente Reviews und ein großartiges Feedback von den Menschen beim Album wie auch live. Ich habe es geschafft, eine harschere Ecke im Studio zu finden, aber manchmal auch zu einem „nackteren“ Sound zu gelangen. Das habe ich auf einigen Alben versucht, aber oft ist es im Entstehen dann doch unbeabsichtigt wieder dazu gekommen, dass die scharfen Ecken gerundet wurden. Auf The Old Magic habe ich geschafft, dies nicht zu tun.

Neben den Veröffentlichungen mit Sieben hast Du auch Ride The Solar Tide mit 7JK veröffentlicht. Es lag nicht so viel Zeit zwischen den Veröffentlichungen, wie ich finde. Hast Du parallel mit den beiden Acts gearbeitet?
Ja. Ich habe mit Sieben länger gearbeitet, aber gerade als ich da fertig war, trafen wir auch mit 7JK den richtigen Nerv, nachdem es zuvor ein ziemliches Hin und Her war. Als wir wussten, wo es hingehen soll, war es wie eine Linie in der Produktion. Wir waren beide voller Hingabe – Maciek in Breslau, ich in Sheffield, beide endlos dabei, Dateien hin und her zu schicken, Ideen auszutauschen, neue Versionen der Soundfiles zu erarbeiten und die Stücke fertigzustellen.

Würdest Du sagen, dass Sieben und 7JK sich im Sound gegenseitig beeinflussen?
Ich versuche, sie separate zu behandeln, um ihre jeweils eigene Identität zu bewahren. Wenn ich beispielsweise eine Technik oder einen Sound habe, den ich auf einem aktuellen Sieben-Album nutze, werde ich sicherlich etwas anderes oder gegenteiliges für die Arbeit mit 7JK machen. Und mit 7JK tendiere ich dazu, eine Menge Zeit damit zu verbringen, die Sprachsamples zu sammeln und dann damit zu arbeiten, wo sie mich hinführen. Und da Sieben keine großen String Sections dabei hatte auf The Old Magic, konnte ich dies bei 7JK nutzen. 🙂

Wie entstehen generell die Stücke von 7JK? Ich mein, es ist ja schon eine ziemliche Entfernung zwischen Euch…
Bei Ride The Solar Tide war das so: Maciek sendet mir einen Beat, manchmal schon mit ein paar melodischen Dingen drinnen, als Datei. Ich höre mir ihn an, lasse ihn wirken und beginne dann, etwas zu ergänzen. Normalerweise suche ich erst einmal ein paar Stimm- oder Sprachsamples raus, die zur Stimmung des Stücks passen. Diese sende ich ihm. Vielleicht ändert er etwas an den originalen Beats, um es weiter an den sich entwickelnden Vibe anzupassen. Dann schickt er es mir zurück. Ich arbeite hier in Sheffield am Gesang und den Streichern weiter, dann schicke ich es zurück. Multiplizier das mal hundert und Du hast einen fertiges Stück!

Das 7JK-Album heißt Ride The Solar Tide. Welche Idee steckt hinter dem Namen?
Das Thema ist der Weltraum. Wie das Sprachsample sagt: „space is only 30km ‘that way’” (*zeigt zum Himmel*). Dunkle Energie, dunkle Materie, der Rand des Universums und die metaphorische Reise in den Weltraum umgeben versammeln sich in diesem Album. 😉

Auf dem Album ist ein Stück namens The Centre Of The Universe. Was ist das Zentrum des Universums für Dich?
Wie der Typ  im Stück sagt, ist die Theorie, dass das Zentrum des Universums technisch betrachtet „überall“ ist. Eines dieser Themen, bei denen das Gehirn zu brutzeln anfängt, wenn man zu lange drüber nachdenkt.

In Barry The Astonishing geht es um gekochten Reis [Anm. des Interviewers: „boiled rice“ im Englischen]… Gibt es eine bestimmte Bedeutung hinter?
Das ist eine lange Geschichte, darin enthalten ist ein Trip zum Lake District; einer der merkwürdigsten und schönsten Gigs, die ich je gespielt habe. Ein alleiniger „Woodsman“-Promoter-„Beat-Poet“ namens Barry, der Boyd Rice seine Ehre erweisen wollte mit einer fünf-minütigen Ode, in der es beständig „do you like bouiled rice“ heißt – in unterschiedlichen Tonfällen und mit einem brennenden hölzernen Hut auf seinem Kopf. Das ist der prosaische Teil der Geschichte.

Dark Energy ist ein anderes Stück auf dem Album. Was für eine Energie meinst Du hier?
Ich meine dunkle Energie. 😉 Daraus bestehen offenbar etwa dreiviertel des bekannten Universums. Wenn man die Schwerkraft anschaut, haben Wissenschaftler herausgefunden, dass 68 Prozent des Universums aus dunkler Energie bestehen müssen, 27 Prozent dunkle Materie, da bleiben fünf Prozent für das, was wir wissen. Du wusstest nicht, dass ich Dich teste, nachdem Du das Album gehört hast, oder? 😉

Wenn Du das Album mit 7JK wieder als Ganzes siehst: Wie waren die Reaktionen darauf?
Sie waren exzellent, aber um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, dass sie etwas weitreichender ausgefallen wäre bei dem Album. Wo das Album gehört und reviewt wurde, waren die Reaktionen brillant – auch live bei den beiden Shows, die wir mit dem neuen Material gespielt haben (bei der Nocturnal Culture Night und in Breslau). Aber ich denke, das Album hat einige eingängige Stücke und einen sehr eigenen Stil, der ein größeres Airplay erreichen könnte. Aber Maciek und ich sind DIY in der Musikindustrie und eine größere Reichweite würde Labels, Manager usw. erfordern. Also sollte man mit seinen Wünschen sein.

Wir haben jetzt über Sieben und 7JK im Jahr 2016 gesprochen… Gibt es schon Pläne für 2017, die Du nennen kannst?
Mein Hauptplan ist, das alte viktorianische Haus zu restaurieren, in das wir gezogen sind. Wenn das und das Studio fertig sind, denke ich über meine zwanzigste Veröffentlichung auf Redroom Records nach, für das ich ein Sieben-Album plane, wie es zuvor noch keins gegeben hat. Normalerweise habe ich einige selbst-auferlegte Regeln (was das Loopen und die Möglichkeit, das Album solo live zu spielen, betrifft), aber diesmal gibt es keine Regeln! Ich möchte etwas erschaffen, das absolut heraussticht und vielleicht auch ziemlich verrückt ist. Und ich hoffe auf ein paar schöne Konzerte, sowohl mit Sieben als auch mit 7JK.

Wenn Du 2017 betrachtest: Was sind generell Deine Wünsche für 2017?
Eine Umkehr von 2016, wenn möglich, bitte? Dieser isolationistische Unsinn und das billige Sündenbockverhalten wird sich als der Unsinn zeigen, der es ist. Die UK zurück in Europa. Eine fairere und kooperativere Welt? (Weltfrieden und ein neuer Bikini?)

Weblinks MATT HOWDEN:

Homepage: www.matthowden.com
Facebook: www.facebook.com/MattHowdenMusic
Twitter: www.twitter.com/MightySieben

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