The Queen is back! Nach einem fulminanten Auftritt in der Zitadelle Spandau Mitte Juni legten Polly Jean Harvey und ihre hochkarätige 9-köpfige Liveband nun in Köln nach. Zwar konnte das Palladium die hübsche Kulisse der Zitadelle bei Sonnenuntergang nicht toppen, allerdings war es bei ca. 10°C Außentemperatur ein verkraftbares Übel, dass es diesmal kein Open Air Konzert war. Dafür punktete die Location aber mit einem hervorragenden Sound, bei dem jeder Saiten-Anschlag saß. Alles andere wäre diesem Kader, der u.a. John Parish und Alain Johannes beinhaltete, auch nicht gerecht geworden.
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Der Einlauf glich dem einer Marching Band: Wie Perlen aufgereiht an einer Schnur betraten die zehn gänzlich in Schwarz gekleideten Musiker zu Trommelwirbel die Bühne und stimmten Chain Of Keys an. Schön zu sehen war während der gesamten Show vorallem Harveys Verständnis des Miteinanders: Sie präsentierte sich als Teil des Kollektivs und nicht als Solokünstlerin umringt von austauschbaren Statisten. Bei instrumentalen Parts, zu denen sie z.T. selbst mit ihrem Saxophon beitrug, trat sie wortwörtlich gesehen ein paar Schritte zurück und reihte sich neben ihren Kollegen ein. Zudem war die Beleuchtung gleichmäßig auf alle Beteiligten verteilt.
Frau Harvey war mit ihrer facettenreichen Stimme übrigens nicht nur akustisch faszinierend, sondern auch optisch; so scheint die seit kurzem 47-Jährige entweder verdammt gute Gene zu haben oder einen geheimen Jungbrunnen für sich zu beanspruchen. Hiermit spreche ich, 27, offiziell meinen respektvollen Neid aus. Neben ihr war auch der Einsatz der vielen Instrumente einen Blick wert, zwischen denen die Musiker immer mal wieder wechselten: Neben Gitarren, diversen Drums und Keyboard spielte auch das Saxophon in teilweise bis zu dreifacher Ausführung eine nicht unerhebliche Rolle. Scheiden sich gerade an diesem Blasinstrument die Geister, so sei hier der Hass-Fraktion (zu der ich eigentlich auch gehöre) gesagt, dass der Einsatz gekonnt erfolgt und die Songs tatsächlich bereichert. Von Kitsch keine Spur. Erwähnenswert war zudem die graue Wand, die passend zu Ministry of Defence (dt.: Verteidigungsministerium) im Hintergrund aus dem Boden hochstieg und den gesamten Auftritt über dort blieb. Erst beim Outro des letzten Songs River Anacostia verschwand die Mauer wieder.
Da ihr neuestes Werk The Hope Six Demolition Project am Konzertabend sein Halbjähriges feierte (VÖ 15.04.2016), machten 9 der 11 Songs dieses Albums auch gleich die Häfte der regulären Setlist aus. Die andere Hälfte bestand aus Klassikern wie beispielsweise Let England Shake und To Bring You My Love der jeweils gleichnamigen Alben, oder 50 ft Queenie vom 1993er Album Rid Of Me, welches weg vom Noise-Geschrammel eher zu einer kurzen, knackigen Punkodyssee wurde. Kurz und knackig war ohnehin der gesamte Auftritt: Anderthalb Stunden lagen zwischen dem Aus- und Einschalten der Hallenbeleuchtung. In dieser Zeit gab es 18 Songs, die fast nahtlos ineinander übergingen, gefolgt von zwei Zugaben, zu denen sie sich doch recht lang bitten ließen. Ansonsten übte sich die Britin in landestypischer vornehmer Zurückhaltung, bedankte sich zweimal auf Deutsch und stellte ihre Musiker vor. Ansagen gab es keine. Zum Abschied von der begeisterten Menge gab es nebst einer Verbeugung sogar noch eines der seltenen Lächeln von der ansonsten eher kühl wirkenden Harvey. Respekt also auch an das Publikum in Köln, das ihr dieses entlocken konnte.
Setlist PJ HARVEY @ Köln, Palladium (15.10.2016)
01. Chain Of Keys
02. Ministry Of Defence
03. Community Of Hope
04. Orange Monkey
05. Line In The Sand
06. Let England Shake
07. Words That Maketh Murder
08. The Glorious Land
09. Written On The Forehead
10. To Talk To You
11. Dollar Dollar
12. The Devil
13. The Wheel
14. Ministry Of Social Affairs
15. 50ft Queenie
16. Down By The Water
17. To Bring You My Love
18. River Anacostia
19. Highway 61 (Z)
20. Is This Desire? (Z)

Fotos: Michael Gamon