Als ich das erste Mal in meinem Leben auf einem Konzert von In Extremo war, spielten sie in einer winzigen Turnhalle, in einem winzigen Örtchen im Hunsrück. Die Karten haben damals 11 Mark gekostet und CDs wurden unter der Schulbank von Freund zu Freund gereicht. Heute füllen In Extremo Hallen, die mindestens zehn Mal so groß sind und gehören zu den kommerziell erfolgreichsten Bands Deutschlands. Es ist wie ein Treffen mit der Jugendliebe, die man seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat.
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Als ich die Halle betrete, wummern mir Bässe von Hämatom schon entgegen. Die Bühne ist düster, die Bandmitglieder sind maskiert und machen einen auf Scarecrow. Inhaltlich geht es bei Hämatom ganz schön politisch zu, nicht so richtig meine Welt, muss ich zugeben, aber eins wird ziemlich schnell klar: die alten Scheiben des Palladium werden heute Abend ganz schön scheppern. Der Sound ist laut und die Bässe föhnen die ersten Reihen ordentlich durch.
Eine Stunde später gehen In Extremo auf die Bühne. Gleich zu Beginn fackeln sie den Titelsong ihres aktuellen Albums, Quid pro quo, raus. Damit scheinen sie quasi perfekt die Brücke zu den Texten von Hämatom zu schlagen, was mich eher irritiert. In Extremo hatte ich nicht für ihre politischen Äußerungen in Erinnerung gehalten, aber vielleicht verschiebt sich meine Perspektive auch durch die Moritaten auf den deutschen Staat, die Hämatom eben noch rausgehauen hat. Vielleicht hat sich die alte Liebe in der Zwischenzeit auch ein paar Freunde angelacht, mit denen ich einfach nicht so viel anfangen kann.
Mit In Extremo ist es bei mir wie mit der Jugendliebe
Texte und Botschaften gehen an diesem Abend aber eher unter. Der Sound bleibt laut und basslästig, der Gesang verschwindet oft und die Show von In Extremo tut das ihre, das ich nicht auf Wörter und Texte höre. Bis der erste Song angestimmt wird, den ich noch aus dem letzten Jahrtausend kenne, dauert es nicht lange. Gleich als viertes hauen In Extremo Vollmond raus. Damals läutete Vollmond für mich den Ausstieg aus meiner In Extremo-Phase ein. Heute zieht mich der Song rein, ich vergesse meine Überlegungen zu damals und heute und fange an die Show zu genießen, die, das muss man sagen, alles bietet, was man von In Extremo erwartet. Allem voran reichlich Pyro, die gerne auch, wie bei Roter Stern, die Bühne in das rote Licht von Signalfackeln taucht.
Gute eineinhalb Stunden und eine Zugabe später ist die Show vorüber und die Fans zufrieden. Auf dem Heimweg denke ich noch einmal darüber nach, wie das so ist mit den Jugendlieben. Es war ein schöner Abend. In Extremo und ich hatten Spaß. Ich habe viel von dem wiedererkannt, was ich früher an ihnen geliebt habe. Aber In Extremo ist nicht mehr die Band, die sie Ende der Neunziger waren. Das ist gut so. Ihre Fans lieben sie für all das, was sie seit dem geschrieben haben und ich finde vieles davon auch gut. Aber so richtig gut sind für mich, nach wie vor die „guten alten Songs“ wie Spielmannsfluch oder Ai Vis Lo Lop. Und eigentlich sollte es nicht verwundern, dass Titel älter als zehn Jahre in der aktuellen Setlist eher selten sind. Es ist eben wie bei der Jugendliebe, die man nach Jahren wieder trifft: So richtig gut sind die Gespräche vor allem, wenn es um die guten alten Zeiten geht.
Setlist IN EXTREMO @ Köln, Palladium (30.09.2016):
- Quid pro Quo
- Feuertaufe
- Zigeunerskat
- Vollmond
- Störtebeker
- Gaukler
- Unsichtbar
- Sängerkrieg
- Lieb Vaterland, magst ruhig sein
- Rasend Herz
- Roter Stern
- Frei zu sein
- Spielmannsfluch
- Rotes Haar
- Ai Vis Lo Lop
- Sternhagelvoll
- Küss mich
- Black Raven
- Moonshiner
- Himmel und Hölle (Z)
- Erdbeermund (Z)
- Liam (Z)
- Belladonna (Z)
- Pikse Palve (Z)
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