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Interview: PROJECT PITCHFORK (Peter Spilles)

Interview: PROJECT PITCHFORK (Peter Spilles)

Project Pitchfork, © Marius Meyer

Das neue Album Look Up, I’m Down There steht in den Startlöchern, live gab es schon die ersten Kostproben davon zu hören. So beispielsweise Anfang Oktober bei der Show in Krefeld, bei der wir am frühen Abend ein ausführliches Gespräch mit Mastermind Peter Spilles geführt haben. In gemütlicher Backstage-Atmosphäre ging es dabei um die Tour selbst, das neue Album, die Hintergründe und Inspirationen dazu, Unterschiede zwischen „Pitchfork damals“ und „Pitchfork heute“, die weiteren Pläne und vieles mehr.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:
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Ihr seid ja jetzt schon ein paar Tage auf Tour. Wie war’s bisher?
Super. Wir werden jetzt erst warm, aber das ist immer so. Die ersten Konzerte sind Eingewöhnungsphase. Wir hatten eine ziemlich lange Pause zwischen WGT, Amphi und Tour, das war außerhalb der Routine, sodass man erstmal wieder reinkommen muss, um mehrere Shows hintereinander zu spielen. Jetzt macht es Spaß! Die Konzerte waren schön.

Ihr habt die Tour mit zwei Doppelkonzerten angefangen, was relativ ungewöhnlich erscheint.
In beiden Fällen – in Dresden und Frankfurt – liegt das da dran, dass die Fans sich bei den letzten Konzerten beschwert haben, dass die Läden zu voll waren und trotzdem Leute nicht reingekommen sind. Da haben wir gesagt, spielen wir halt an zwei Tagen. Einmal mit einer Publikumsbegrenzung in Dresden, damit es nicht ganz so eng wird, dass die Leute Angst kriegen und in Frankfurt halt, damit alle, die es sehen wollen, auch sehen können.

War es denn eigentlich so geplant, dass verschiedene Leute an den Abenden kommen?
Das bleibt den Leuten überlassen. Das können wir ja nicht planen.

Weil Du meintest, dass möglichst viele die Chance kriegen sollen…
Natürlich, aber wenn dann sich Fans gleich zwei Tickets kaufen, ist das auch schön. Dann können sie sich auch mal die Stadt angucken und so. Dann hat man ein bisschen mehr Zeit.

Als Vorbands sind jetzt Extize und Reaper mit dabei. Warum ist die Wahl auf die beiden gefallen?
Die hatten Zeit. (lacht) Man fragt ja immer verschiedene Bands an, die hatten Zeit und haben direkt zugesagt. Deswegen sind die jetzt dabei. Man macht sich natürlich auch Gedanken, einen recht abwechslungsreichen Abend zu gestalten. Da war das die Wahl, die getroffen wurde.

Was ich ungewöhnlich fand, ist, dass das neue Album mitten in der Tour erscheint. War das so geplant oder ist das eher ein Zufall?
Das ist eigentlich eher ein Zufall. Wir haben das 25. Jubiläumsjahr, da kann auch mal was Unerwartetes passieren. Als das Album dann fertig war und die Tour jetzt so liegt, dass der zweite Teil der Herbst-Tour folgt, wenn das Album draußen ist, wäre es ja fies, wenn wir nicht jetzt auch schon neue Songs spielen würden. Deswegen spielen wir auch jetzt schon neue Songs und das ist dann einfach so passiert. Im Frühjahr gibt es eine richtig große offizielle Tour, aber die würde dann vom Titel her nicht mehr zu unserem Jubiläum passen.

Hat das denn Auswirkungen auf die Setlist? Sodass Ihr sagt, Ihr spielt vor dem Album weniger Neues und danach mehr?
Nein, eigentlich kaum. Aufmerksame Konzertbesucher werden festgestellt haben, dass wir auch dann, wenn wir ein neues Album präsentieren, selten mehr als vier Songs von dem Album spielen. Das liegt einfach daran, dass die menschliche Psyche so gebaut ist, dass wenn allein zwei neue Songs hintereinander kommen, man das Gefühl hat: „Und wo sind die alten Songs?“ Da baut sich schnell eine Stimmung im Sinne von „jetzt wollen wir aber mal was Altes hören!“ auf. Deswegen wirken vier Songs auf so ein langes Set verteilt angenehm erfrischend und stören nicht. Das ist eine Psychologie, die man als Band lernen muss bei der Setlist – sie so anzupassen, dass das Publikum immer unter Strom steht.

Wie fühlt sich das für Euch an? Das Album kommt am 28., ist aber eigentlich schon fertig. Eigentlich ist es da, aber es kann doch keiner hören…
Naja, wir haben ja den Player bei YouTube online gestellt. In anderthalb Minuten kann man schon recht üppig was vom einzelnen Song hören. Aber natürlich ist das schon ein kribbeliges Gefühl. Das hätte man gern schneller, aber das geht einfach nicht: Presswerke, Verpackungshersteller, die brauchen alle ihre Zeit.

In der Album-Info habe ich gelesen, dass von einer „Zäsur“ die Rede ist, einem „neuen Kapitel“… Empfindest Du das Album selbst auch als Zäsur?
Nein. Aber es werden ja immer Leute dafür bezahlt, schwungvolle Worte und gut ausgepolsterte Formulierungen zu erfinden, da haben wir das durchgewunken.

Es stand auch drin, dass alle Einflüsse von den 90ern bis heute drin wären.
Im Prinzip ja. Es ist ja nun mal so: Ich bin der Songschreiber. Auch die Songs, die ich Anfang der 90er geschrieben hab, das war ich und jetzt bin ich es auch. Natürlich ist da ein roter Faden. Man wird den Komponisten hören, erkennen oder wiedererkennen. Das ist ja auch wichtig.

Würdest Du denn selbst diese Differenzierung sehen: „Pitchfork damals“ und „Pitchfork heute“?
Klar, man wächst. Ich bin jetzt ein besserer Songschreiber als Anfang der 90er. Was aber auch daran liegt, dass damals die Technik noch nicht soweit fortgeschritten war wie jetzt. Ich kann jetzt viel schneller arbeiten und muss nicht extra in ein Studio fahren, um mit Magnetbändern zu hantieren. Man hat viel mehr Freiraum für Kreativität.

Deswegen jetzt also auch der Jahres-Rhythmus?
(lacht) Ja, das liegt auch daran, weil es einfach schneller geht.

Wenn wir über Einflüsse reden: Was würdest Du sagen, sind die Einflüsse für das neue Album?
Ich selbst, mein Leben. Das ist immer das Ding: In der Produktionsphase für das Album höre ich so gut wie keine Musik. Ich will nicht von außen beeinflusst werden, weil ich merke, wie sich dann Melodien oder Aufbauten von Songs, die ich nebenbei höre, in meiner Musik wiederfinden. Da ist die Welt um mich herum durch mich gespiegelt und auf eine Melodie zentriert.

Ein unvermeidlicher Blick beim Album geht immer auf den Titel. Warum Look Up, I’m Down There?
Ja, warum… Erstmal brauchte das Ding natürlich einen Titel. Die Vorstellung, dass jemand sagt „schau nach oben, ich bin dort unten bei euch“ ist für mich eine Science-Fiction-Sache, die mich inspiriert hat. Das wirft viele Fragen auf. Man kann es so und so deuten, auch für Trauerbewältigung nach dem Motto „es ist nicht alles vorbei nach dem Tod“. Ob das dann stimmt, weiß ich nicht. Aber der Album-Titel lautet so.

Als Vorbote habt Ihr Titânes gewählt. Warum fiel die Wahl darauf? Würdest Du sagen, dass das ein guter Repräsentant ist?
Nein, weil wir ja heutzutage immer gucken müssen: Was lässt sich finanzieren? Was kann man machen? Welcher Song hat Botschaften, die sich bildlich irgendwie umsetzen lassen, ohne komplett was anderes zu sein? Bei dem Song war es so, dass ich daraus ein No-Budget-Video machen konnte und das einfach innerhalb von drei Tagen umgesetzt hab…

Okay, das ist schnell… Wie würdest Du die Botschaft da beschreiben?
Es geht um Vergänglichkeit und um die Sicht von dem, was unvergänglich ist, auf die Vergänglichkeit.

Bei Propaganda Child begegnen die Worte „I stop to love the internet“. Was steckt dahinter?
Ich kenne viele Kids, die zwar ein vollkommen funktionsfähiges Smartphone haben, aber weder wissen, wie man googlet noch sonst irgendwas und dann eigentlich nur WhatsApp benutzen. Ich denke, unsere Generation ist eher so, dass wir das Internet im vollen Umfang nutzen und es ist erschreckend, wie wenig davon bei der nächsten oder übernächsten Generation übrig bleibt, die aus meiner Erfahrung heraus einfach nur Sprachnachrichten verschickt, aber das Internet eigentlich links liegen lässt und nicht weiß, wie sie von A nach B kommt, obwohl sie Google Maps hat.

Du merkst in dem Zusammenhang ja vielleicht auch, dass immer mehr Leute im Publikum stehen und Handy-Fotos machen.
Ja, das ist ja schon länger der Fall.

Da gehen dann schon während der Show Bilder ins Netz. Wie empfindest Du das von oben von der Bühne aus?
Ich denk mir einfach immer nur, dass ich so nicht ein Konzert besuchen wollen würde. Die gucken dann meistens auch auf ihren kleinen Monitor und kriegen von außerhalb eigentlich gar nichts mit. Das ist im Prinzip Zeit- und Geldverschwendung für diejenigen, die es machen.

Aber es ist nichts, was Dich irgendwie persönlich stört?
Nein. Anfangs gab es ja Bands, die ein striktes Handyverbot auf Konzerten gemacht haben, damit bloß nichts mitgefilmt wird. Auf der anderen Seite sehe ich es so, dass das im Prinzip ja nur gut sein kann. Die haben nie Millionen Klicks und die Leute, die das angucken, kriegen einen ungefähren Eindruck von dem, was sie verpasst haben, wenn sie nicht da waren.

Dann ist da noch Sunset Devastation auf dem Album. Was ist das für eine morgendliche Zerstörung?
Es geht um den Kreislauf, die Vernichtung auch als Neubeginn zu sehen. Alle Atome, aus denen du und ich bestehen, waren irgendwann mal in einer Sonne. Die Sonne ist vor Milliarden von Jahren explodiert und hat einen Haufen Neues gemacht, es wurde Neues erschaffen. Jetzt sitzen wir hier zusammengeformt durch Zufall auf diesem rotierenden Ball. Das ist die Erkenntnis, dass immer währender Aufbau auch Zerstörung fordert, sonst wäre kein Platz mehr im Universum.

Also eine Art ewiger Kreislauf?
Ja, sieht ungefähr so aus. Wobei: Ob der ewig ist, da streiten sich ja die Wissenschaftler noch, ob das eine ewige Expansion ist oder ein pulsierendes Geschehen. Aber in unserer Lebenszeit ist das ja sehr schwer zu berechnen. Lebensformen, die länger existieren als wir, würden das wohl genauer sehen können und wüssten, wie es läuft.

Zudem ist da Open With Caution. Was ist es, das wir vorsichtig öffnen sollten?
Pandora. Die Büchse der Pandora.

Das Thema ist auf dem Album also zweimal aufgegriffen…
Auf dem Album werden viele Themen zweimal aufgegriffen. Das ist eines davon.

Wenn Du das Album als Ganzes siehst: Wie ist die Erwartungshaltung? Hat man so etwas beim 17. Album überhaupt noch?
Ich hab keine Erwartungshaltung. Ich hoffe, dass es den Leuten gefällt, weil ich es richtig geil finde. Auch meinen Jungs gefällt es sehr gut und jetzt hoffen wir, dass es dem Publikum genauso geht.

Zudem kommt es auch limitiert raus. Unter anderem sind dort auch fünf Remixe von Dir drauf. Wie fühlt sich das an, Dein eigenes Stück da wieder neu anzufassen?
Das ist manchmal schwer, aber man kann ja immer wieder was anderes machen. Das sind im klassischen Sinne so oldschool Remixe, den Song einfach mal länger zu machen. Was zum Beispiel bei diesem Album sehr auffällig ist, ist dass die Songs insgesamt zeitlich kürzer sind als auf manch anderen Alben. Von daher war es einfach, sie zu remixen, weil man einfach kleine Melodiebögen noch dazu macht oder Sachen, die einem jetzt besser gefallen. Das wäre fürs Video schlecht gewesen, aber so macht es Spaß. Aber wenn ich jetzt beispielsweise Remixe für andere Künstler anfertige, ist es so, dass ich meistens erst einmal den gesamten Song wegschmeiße und um die Stimme herum etwas Neues baue. Das mache ich bei Pitchfork nicht.

Klingt logisch.
Ja… Warum?

Bei fremden Stücken hast Du mehr Distanz als bei den eigenen.
Ja, aber ich würde ja auch nie einen eigenen Song, den ich eh schon gut finde, komplett wegschmeißen, um etwas anderes draus zu machen. Ja gut, Du hast schon Recht.

Es hätte sich für mich komisch angehört, wenn Du gesagt hättest, Du schmeißt Deinen ganzen Song um.
Das kann aber auch lustig sein. Dafür müsste aber eine zeitliche Distanz da sein. Das könnte ich mit alten Pitchfork-Songs machen. Aber da denke ich mir auch: Wozu? (lacht) Aber da würde es gehen. Beim neuen Album hat die Produktion jetzt ein halbes Jahr gedauert, da steckt man dann so drin, dass das erstmal nicht ohne weiteres machbar ist. Ich bin da noch nicht willens, das zu machen.

Die limitierte Variante ist auf 2.525 Exemplare limitiert. Erstmal ist da zweimal die 25 wegen der 25 Jahre…
(auf Englisch gesprochen) 2525

Genau. Das wäre jetzt meine Frage gewesen…
Das ist ein Augenzwinkern für alle, die uns schon ganz lange kennen und wissen, dass wir den Song mal gecovert haben. Nach dem Motto „guck mal, hier gibt es kleine lustige Gedankenspiele zu hören“.

Wenn man nun am Merchandise-Stand guckt, sieht man, dass dort auch Dirks Solo-Album verkauft wird. Vor einer Weile habe ich Dirk zu seinem Album interviewt und er meinte, es habe auch eine Ermutigung durch Dich gebraucht, das rauszubringen. Inwieweit würdest Du sagen, hast Du ihn da ermutigt?
Wir sind ja Freunde, ich bin auch in sein Leben involviert, genauso wie er in meins. Das war schon auch aufgrund seiner Krankheit eine sehr wichtige Sache, diesen Schritt endlich mal zu machen. Ich hab ihn ermutigt und ihm geholfen, zum Label zu kommen.

Wir haben jetzt über das Album und die Tour gesprochen. Nach der Deutschland-Tour geht es im Januar ja noch nach Spanien. Gibt es da eine besondere spanische Fanbase?
Es gibt überall auf der Welt Gothic Clubs und es gibt überall auf der Welt Gothics und Elektro-Gothics. Die Szene ist weltweit da. Außerdem ist es da dann schon ein paar Grad wärmer als in Deutschland. (lacht)

Das war es von mir soweit mit Fragen. Wir waren nun schon im Jahr 2017. Gibt es schon weitere Pläne, was 2017 passieren soll?
Wir werden auf einigen Festivals spielen, das steht schon mal fest. Dazu kommt dann noch ein Spielfilm raus irgendwann in 2017, bei dem wir die Filmmusik gemacht haben, wo wir auch vor einem Jahr das Konzert in Dresden für gefilmt haben. Die Filmleute lassen sich da Zeit ohne Ende, da geht nichts voran, da ist man als Musiker dann schon wieder glücklich, dass man teilweise nur einen Monat warten muss.

Gibt es bei den Festivals schon was Konkretes?
Festung Königstein werden wir spielen, das Kasematten-Festival… Und dann kommt natürlich die traditionsmäßige Frühjahrs- und Herbsttour.

Stehen für die Frühjahrstour schon Daten?
Die sind gerade in der Pressung, sozusagen. Die Booking-Agentur macht die gerade. Die kommen.

Weblinks PROJECT PITCHFORK:

Homepage: www.project-pitchfork.eu
Facebook: www.facebook.com/pages/Project-Pitchfork-Official/65663206412
Twitter: www.twitter.com/PPFofficial

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