Nachdem das deutsche Publikum sich im September 2015 anlässlich des 25jährigen Bandjubiläums Lacrimosas über zwei exklusive Konzerte in Oberhausen und Dresden freuen durfte, kehrten Tilo Wolff und Anne Nurmi im Februar 2016 für neun Konzerte nach Deutschland zurück, die den Abschluss ihrer „Unterwelt-Tour“ bilden sollten. Nach zahlreichen Konzerten auf vier Kontinenten ließen sich es Lacrimosa trotz des unfassbaren Erfolges in u.a. Russland, China und Mexiko nicht nehmen, ihrem deutschen Publikum die Ehre zu erweisen.
Anders als in den letzten Jahren, in denen Lacrimosa konsequent auf Vorbands verzichteten, begrüßte das Berliner Publikum zunächst die Leipziger Band Canterra. Die Melodic Metaller konnten rundum überzeugen, nicht zuletzt wohl vor allem durch die eingängige, wunderschöne Stimme ihrer Frontfrau Korinna, die auch zwischen den Songs das Publikum mit ihrer sympathischen Art bestens zu unterhalten wusste. Das Warten auf die Hauptakteure des Abends verging so wie im Flug und man kann nur hoffen, dass man von dieser Band noch mehr zu hören und sehen bekommt.
Gänsehautstimmung bei Thunder and Lightning
21:07 Uhr ist es dann aber endlich soweit, Lacrimosa betreten – klassisch untermalt vom Lacrimosa Theme – die Bühne und sorgen im vollen Postbahnhof Club sofort für eine phänomenale Stimmung. Alte Klassiker wie Stolzes Herz, Schakal oder Alleine zu zweit, die ja seit Jahren ein Stimmungsgarant auf jedem Lacrimosa-Konzert sind, wechseln sich mit Stücken vom neuen Album ab und garantieren einen unvergesslichen Abend. Seit dem Release von Hoffnung im November ist bereits einiges an Zeit vergangen, sodass im Publikum auch die Lyrics der neuen Titel wie Kaleidoskop, Kelch der Hoffnung oder Unterwelt bereits sitzen und teils lautstark mitgesungen werden. Besonders eindrucksvoll war bei diesem Konzert die Leistung von Anne, deren Stimme diesmal hervorragend mit der Musik harmonierte und die insbesondere mit Thunder and Lightning für Gänsehaut gesorgt hat – ihre Stimme begleitet von wunderschönen Streichern im Wechsel mit harten Gitarrenriffs, das sorgte für Gänsehautstimmung.
Wer meint, Lacrimosa funktioniere nur mit den typischen Band-Evergreens, hatte sich bei diesem Konzert eindeutig getäuscht! Der für mich eindrucksvollste Song war eindeutig Die unbekannte Farbe, ebenfalls vom neuen Album. „Für mich bist du die Farbe, die kein Mensch jemals gesehen hat“ – ein wundervoller Text, vorgetragen voller Gefühl und Tiefe, untermalt von zu Tränen rührenden Pianoklängen. Hier wurde sicher ein Werk geschaffen, welches auch in zehn Jahren noch seine Bühnenberechtigung hat. Dass Tilo Wolff nicht nur bitterernst und melancholisch kann, hat er in den letzten Jahren mehrfach bewiesen und dafür auch viel Kritik eingesteckt. Erneut kann man aber nur sagen, dass Irgendein Arsch ist immer unterwegs live wieder phantastisch funktioniert und dem ein oder anderen Zuschauer ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Und auch Feuer, dessen Refrain von einem Kinderchor gesungen wird, ist zum Publikumsliebling avanciert und wird das treue Lacrimosa-Publikum sicher noch einige Zeit begleiten.
Die Emotionen treffen einen tief im Herzen
Der ganze Abend wurde dominiert durch einen beständigen Wechsel an Stimmungen, was insbesondere durch die fulminante Lightshow unterstrichen wurde. Trauer, Freude, Melancholie und Wut, unterstrichen von orchestralen Streichern, sphärischen Klängen bis hin zu harten Bässen und minutenlangen Gitarrensoli – als Zuhörer wurde man in gewohnter Art und Weise einem zweistündigen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Auch nach einem Vierteljahrhundert Bühnenerfahrung wirken die Emotionen Tilos und Annes noch immer echt und treffen einen tief im Herzen. Einziger Wermutstropfen der Show war die Spielzeit. Das langjährige Lacrimosa-Publikum hatte sich wohl an dreistündige Spielzeiten zu gut gewöhnt, sodass man doch etwas stutzte, als nach 16 Titeln der Abend ein Ende haben sollte. Selbstredend ließen sich Tilo, Anne und ihre großartigen Livemusiker es sich aber nicht nehmen, Berlin noch mit fünf Zugaben zu beglücken und so dem Abend einen perfekten Abschluss zu geben.
Kurzum wieder einmal ein großartiges Konzert der Gothic-Legenden und auch nach 25 Jahren hoffentlich noch kein Anzeichen auf den baldigen Eintritt in die Musiker-Rente. „Berlin, ich meine es wirklich ernst, es war uns eine große Ehre, heute für euch zu spielen.“ – Mit diesen Worten verabschiedete Tilo Wolff sein Publikum in die Nacht. Dem Berliner Publikum war es jedenfalls eine Ehre, die Band in der Hauptstadt begrüßen zu dürfen und wir freuen uns auf das nächste Mal!
Wer Lust hatte, konnte nach dem Konzert noch bLack mOon seCret genießen, die Band von Lacrimosa-Gitarristen JP und so den Abend stimmungsvoll ausklingen lassen.
Setlist – LACRIMOSA – Berlin, PBHFCLUB (18.02.2016)
01. Lacrimosa Theme
02. Kelch der Hoffnung
03. Kaleidoskop
04. Schakal
05. Stolzes Herz
06. Apart
07. Crucifixio
08. Alleine zu Zweit
09. Lichtgestalt
10. Flamme im Wind
11. Die unbekannte Farbe
12. If the world stood still a day
13. Feuer
14. Unterwelt
15. Thunder and Lightning
16. Irgendein Arsch ist immer unterwegs
17. Der freie Fall (Z)
18. Alles Lüge (Z)
19. Keine Schatten mehr (Z)
20. Durch Nacht und Flut (Z)
21. Der Morgen danach (Z)
Foto: Sandro Griesbach (Archiv)