FRAKTUS – Köln, Live Music Hall (28.01.2016)

Fotos: FRAKTUS
Fraktus, (c) Michael Gamon
Geschätzte Lesezeit: 4 Minute(n)

Westbam, Scooter, Blixa Bargeld, Dieter Meier und viele andere sind sich einig: Fraktus, die Erfinder des Techno sollten zu Recht einen Platz im Olymp der Musik inne haben, nur ist dies leider bisher nicht passiert, da sich die Band kurz vor dem großen Durchbruch 1983 nach einem Brand auf einem ihrer Konzerte trennte. Nun will es die Gruppe aber nochmal wissen und geht mit ihrem aktuellen Album Welcome to the Internet auf Tour und die Fans konnten sich letzten Donnerstag in der Live Music Hall in Köln von der Qualität der Kultband überzeugen.

Gegen 20.30 Uhr ertönte ein jazzig-spaciges Intro, bevor auf der Videoleinwand die Band Fraktus vorgestellt wurde, was eigentlich müßig war, denn wer kennt diese Kultband nicht? Nachdem der kleine Film die Erwartungshaltung hochkochte und das Publikum der Live Music Hall zum Zerbersten gespannt war, betraten sie endlich die Bühne: Torsten, Dickie und Bernd, mit grün leuchtenden Technohelmen und roten Weltraumanzügen bekleidet. Und nun gab es kein Halten mehr, denn kaum waren die ersten Takte des Hits Welcome to the Internet des gleichnamigen Albums erklungen, flippten die Fans aus, schrien vor Begeisterung auf, bewegten sich zum Takt der Melodie, ergötzten sich an dem philosophisch-prophetischen Text über diese neue Erfindung, das „World Wide Web“ oder auch „Internet“ genannt. Aber nicht nur der Text war innovativ, sondern auch die Musikinstrumente, die unsere drei Helden eigens erfanden und spielten: eine sogenannte Querflöte (mit der Torsten die schönsten Klänge erzeugte), ein synthetisches Klavier –der Synthesizer-  (welches Dickie gekonnt spielte) und eine Mischung aus Gitarre und Stabtaschenlampe. Nebenbei erfuhr man, dass Fraktus fast die Olympiahymne geschrieben hätten, aber Torsten dagegen war. Skandal. Buhrufe im Publikum. In seiner einfachen, ruhigen Art betitelte Bernd seine Musikerkollegen als zwei kleine Schweinchen, erzählte die Geschichte von Mary Poppins und postwendend erklang der gleichnamige Song des aktuellen Albums.

Fraktus bieten innovative Musik und ihr Merchandise ist wahrlich bahnbrechend
Elektro-Pioniere Fraktus bei der Arbeit
Electro-Pioniere Fraktus bei der Arbeit

Dann war es Zeit für den Track Musik aus Strom. Der revolutionäre Song, bei dem sich klangtechnisch und textlich u.a. vier Herren aus Düsseldorf bedient haben, hat immer noch nichts von seiner Faszination verloren. Erst recht nicht in der Liveversion, die überraschend frisch und druckvoll aus den Boxen schallte. Jeder weiß, dass so eine riesige Tour richtig teuer ist und somit muss auch eine Kultband wie Fraktus Werbung machen. Aber die Jungs geben ihren Astralkörper nicht für irgendwelche Kommerzartikel her, nein, sie priesen ihre selbsterfundenen Produkte an, mit denen sie auch das Bruttosozialprodukt mächtig ankurbeln werden. Den Anfang machte Bernd, der stolz seine Bananensäge präsentierte und Dickie bat seine Flöte mit Seitenspiegel feil. Aber den Vogel schoss Torsten mit seinem eigens programmierten Computerspiel „Smirkey’s Dopehouse“ ab, welches Bernd dann live über die Leinwand zocken durfte und auch prompt den Highscore erreichte. A must have! Schuhe aus Glas, so der programmatische Titel, erfreute als nächstes die Fans und auch hier kann man musikalische Parallelen zu Bands wie den Pet Shop Boys erkennen, die wie viele andere Künstler die Musik von Fraktus als Grundlage für ihre Elektromusik nahmen -und immer noch nehmen. Ein Thema, dass heute leider zu unrecht totgeschwiegen wird, wurde nun von Dickie erörtert: Selbstbefriedigung in spiritueller Gesellschaft der lieben Verstorbenen. Der Song Die Toten schauen dir beim Wichsen zu wühlt auf, legt den Finger in die Wunden und nun weiß man auch, woher die „Deutsch-Amerikanische Freundschaft“ die Ideen für ihre Basslinien hatte. Auch Saugetücher hat dieses Potential und die Massen konnten nicht aufhören zu singen “Saug auf! Vieles, Nasses”! Ein Knaller jagte den anderen und nur einige Highlights finden Platz in dieser kleinen bescheidenen Review, obwohl solch eine Band jenseits jeglicher Kritik steht: man muss sie einfach erlebt haben, um es zu glauben. Jag den Fuchs (Bernds Solonummer) erzählte eine fast nachdenkliche, in sich ruhende Geschichte und avantgardistische Worte bedeutungsschwangerer Ideologien unterstrichen gekonnt die Musik. Experimentell, hart, gemein. Und so wahr. Ein Meisterwerk! Bernd drosch bei dem Track wie ein Berserker auf Metall ein, während die anderen Jungs die Elektronik steuerten. Der letzte Song des ersten Sets war zu Ende. Zugaberufe erschallten, ohnmächtig gewordene Frauen wurden hinausgetragen, die Geburtenrate stieg. Doch gottlob kam das Trio zurück, um doch noch weiter zu musizieren, denn der Klassiker Affe sucht Liebe darf bei keinem Fraktus Konzert fehlen. Leider wurde hier nur der 90er Jahre Remix gespielt und nicht das Original, bei dem man hören konnte, dass sogar New Order für  Blue Monday den Drumloop aus diesem Song gesampelt haben. Dennoch sangen die Fans mutig den „Oh Oh Oh Oh Ejo“ Part tapfer mit, obwohl Dickie beim Vorsingen am Ende nur noch ein Röcheln von sich gab. Nun sollte der narrative Höhepunkt des Abends folgen, aber weit gefehlt! Bernd konnte die Waschbärengeschichte nicht zu Ende erzählen. Denn Torsten beleidigte ihn so sehr, dass Streit ausbrach und beide erzürnt von der Bühne rannten. Dickie schaffte es aber schließlich doch, die beiden Streithähne zum Weitermachen zu überreden, um Freunde sind Friends zu singen und die Zuschauer zum Mitsingen und Händewedeln zu bringen. Wieder verließen sie die Bühne, aber laute Zugabeschreie brachten die Jungs mit den Leuchthelmen zurück auf die Bühne und man konnte die letzten Zugaben Untergrund (hier haben sich die Members of Mayday für ihren Song Sonic Empire bedient!) und Supergau feiern. Nun hieß es aber leider Abschied nehmen von den Technogiganten. Die Legende lebt und die Musikgeschichte muss neu geschrieben werden… aus elektronischer Gitarre und Stabtaschenlampe, auf der Bernd seltsame Töne erzeugte.

Setlist FRAKTUS @ Köln, Live Music Hall (28.01.2016):

01. Intro
02. Welcome to the Internet
03. Maler und Lackierer
04. Kleidersammlung
05. All die armen Menschen
06. Originals
07. Mary Poppins
08. Musik aus Strom
09. Merchandising Break
10. Schuhe aus Glas
11. Die Toten schauen dir beim wichsen zu
12. Saugetücher
13. Jag den Fuchs
14. Affe sucht Liebe (Z)
15. Freunde sind Friends (Z)
16. Untergrund (Z)
17. Supergau (Z)

Fotos: Michael Gamon

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