Nachdem die deutsche Kultband Kraftwerk in der Vorwoche bereits in der Essener Lichtburg ihre 3-D Multimediashow zum Besten gegeben hatte, war es nun an der Zeit, die vier Herren in Kölner Palladium zu besuchen und es hat sich mal wieder gelohnt. Die Kraftwerker zeigten alle Facetten ihres Gesamtwerkes und schmeichelten allen Sinne mit einer genialen Videoshow, drückenden Beats und High-Tech Effekten.
Um genau 20.10 Uhr ertönten die ersten Takte des Intros und die 3D-Beamer projizierten das Kraftwerk Logo auf den schwarzen Vorhang, bis die Spannung schier unendlich stieg. Zehn Minuten später war es dann endlich soweit. Noch hinter verschlossenem Vorhang ertönte die bereits sehnsüchtig erwartete Roboterstimme, die verkündete: „Meine Damen und Herren, Ladies and Gentleman. Heute Abend: die Mensch Maschine. Kraftwerk.“ Der Vorhang lüftete sich und machte den Blick frei auf die vier Herren, die hinter ihren illuminierten Pulten standen: Ralf Hütter (Keyboards und Vocals), Fritz Hilpert (Audio Operator), Henning Schmitz (Audio Operator) und Falk Grieffenhagen (Video Operator). Beim ersten Stück Nummern flogen dem Zuschauer die Zahlen in der Videoprojektion ins Gesicht, der Bass drückte in den Magen und schon war man gefangen in der phantastischen Welt von Kraftwerk.
Computerwelt offenbart Kraftwerk als Propheten eines hochtechnologischen, doch düsteren Zeitalters
Fließend war dann der Übergang zu Computerwelt, das visionäre, fast prophetische Lied aus 1982, in dem bereits die Zukunft vorausgesagt wurde, in der in jedem Eigenheim Computer regieren und die Menschheit ausspioniert werden (siehe NSA Skandal). Computerliebe brachte anschließend mit seinen trancigen Beats das mit 3D-Brillen bewaffnete Publikum endgültig zum Tanzen. Bei Die Mensch-Maschine des gleichnamigen Albums von 1978 kam der Vocodergesang Hütters erstmals voll zur Geltung, während grafische Elemente auf der Leinwand umher flitzten und die Zuschauer fast zu erschlagen drohten. Gottlob nur rein virtuell. Eine sehr interessante 12″ Version des Stückes Spacelab mit retro-futuristischem Video verzückte nicht nur Science Fiction Liebhaber, sondern auch die Fans, die sich im Takt der Musik bewegten.
Als dann als kleines Geschenk auch noch ein Bild des Kölner Doms auf der Leinwand eingeblendet wurde, gab es einen begeisterten Aufschrei im Publikum. Ein weiterer Titel des letztgenannten Albums dröhnte durch die Boxen des gut gefüllten Palladiums: der wohl erste richtige Synthiepop Song aller Zeiten: Das Modell. Aufgrund der alten Videosequenzen aus den 50er Jahren gab es zwar keinen 3D Effekt zu bestaunen, es wurde aber verzückt mitgeklatscht. „Korrekt“! Es ging Schlag auf Schlag und ein Klassiker jagte den anderen. Autobahn zum Beispiel. Der Song, der die Düsseldorfer Elektropioniere sogar in den USA bekannt machte. Basierend auf alten Comiczeichnungen des Künstlers Emil Schult sah man eine Art Road Movie auf dem Schirm und bei Ätherwellen wurde es dann musikalisch ruhiger und viel 70s-Feeling kam auf, bevor ein moderner Rhythmus den Song in die Gegenwart katapultierte. Bei dem genialen Stück Musik namens Radioaktivität sang Herr Hütter die Strophe in japanischer Sprache und auch die Roboterstimme durfte zeitaktuell „Fukushima“ sprechen, wobei die eine oder andere Gänsehaut über die Nacken der Zuschauer wanderte. Als kleines Bonbon erweiterten die vier Herren die Setlist mit dem Song Ohm Sweet Ohm, was mit einem rauschenden Beifall belohnt wurde. Kraftwerk servierten einen guten Überblick über das Schaffenswerk der „Godfathers of Electro“ und auch „neue“ Stücke wie Planet der Visionen oder Aéro Dynamik fügten sich gut in die Setlist ein. „Detroid – Germany – we´re so Electro!“ Und eben durch diesen Querschnitt konnte man die oft unterschätzte Bandbreite der Gruppe erkennen, die von New Wave, Electropop, Trance und sogar Industrial (Metall auf Metall) reicht. Am Ende des Hauptsets schloss sich der Vorhang und nach kurzer Wartepause, die die Kraftwerk Anhänger durch langen Applaus und „Zugabe“-Rufe überbrückten, kamen die Musiker zurück auf die Bühne. Nun ja, nicht ganz: denn statt der menschlichen Wesen standen dort nun die täuschend echt wirkenden Roboterdummies von Ralf, Fritz, Henning und Falk und wurden im Takt von Die Roboter gesteuert. Konsequenter kann man so etwas nicht machen und nur Kraftwerk dürfen das. Nach diesem Intermezzo kamen anschließend die echten Männer zurück auf die Bretter und läuteten so langsam das Ende des Konzertes ein – mit Stücken wie Boing Boom Tchak und Techno Pop vom 1986er Album Electric Café. Bei den ersten Klängen von Music Non Stop wusste sofort jeder im Raum, was jetzt folgte: nach und nach verließ jeder „Operator“ nach einem kleinen Solo und einer Verbeugung die Bühne, bis nur das einzige Gründungsmitglied Ralf Hütter übrig blieb, der sich schlussendlich mit der Hand auf seinem Herzen und den Worten: „Gute Nacht! Auf Wiedersehen!“ unter brausendem Applaus verbeugte und gemächlich hinter der Bühne verschwand. Und die Worte „Musique non stop“ ertönten nach einem repetierenden Muster ganz dem Motto: „Es wird immer weiter gehen, Musik als Träger von Ideen“!
Setlist KRAFTWERK @ Köln, Palladium (25.11.2015):
01. Nummern
02. Computerwelt
03. It’s More Fun to Compute / Heimcomputer
04. Computerliebe
05. Die Mensch-Maschine
06. Spacelab
07. Das Modell
08. Neonlicht
09. Autobahn
10. Ätherwellen
11. Geigerzähler
12. Radioaktivität
13. Ohm Sweet Ohm
14. Electric Café
15. Tour de France 1983
16. Tour de France Étape 2
17. Tour de France 2003
18. Trans Europa Express
19. Metall auf Metall
20. Abzug
21. Die Roboter (Z)
22. Aéro Dynamik (Z)
23. Planet der Visionen (Z)
24. Boing Boom Tschak (Z)
25. Techno Pop (Z)
26. Music Non Stop (Z)
Fotos: Frank Güthoff