LACRIMOSA – Dresden, Eventwerk (19.09.2015)

LACRIMOSA - Dresden, Eventwerk (19.09.2015)
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25 Jahre Lacrimosa – ein Vierteljahrhundert ist es inzwischen her, dass Tilo Wolff mit seinem Demotape Clamor erste Schritte in die Welt der schwarzen Musikszene wagte. Für die Plattenfirmen der frühen 90er Jahre war Clamor wohl leider wirklich nichts anderes als „Geschrei“, lies sich doch keine davon überzeugen, dem jungen Künstler einen Plattenvertrag zu geben. LACRIMOSA - Dresden, Eventwerk (19.09.2015)So gründete der Wahl-Schweizer kurzerhand sein eigenes Label Hall of Sermon und legte 1991 mit seinem Debütalbum Angst den Grundstein für eine Musikkarriere, deren Ende noch lange nicht absehbar ist und deren Jubiläum mit zwei exklusiven Konzerten in Oberhausen und Dresden gefeiert werden sollte.

Bevor Tilo Wolff und sein weiblicher Gegenpart Anne Nurmi, die 1994 zur Band stieß, im November 2015 ihre „Unterwelt“-Tournee starten, die die Band u.a. nach Russland, China und Japan führt, sollte das deutsche Publikum unabhängig davon in den Genuss einer chronologischen Zeitreise durch 12 Studioalben kommen dürfen. Und so war es nach langem Warten auch endlich so weit: am 19.09.2015 öffneten sich um 19.30 Uhr die Tore des Eventwerks in Dresden, um Band und Fans auf eine Reise durch 25 Jahre Musikgeschichte zu führen.

Bereits einen Monat vor dem Konzert wurde angekündigt, dass die Location aufgrund der großen Nachfrage von der Reithalle Straße E in das größere, benachbarte Eventwerk wechselt. Sinn und Unsinn dieser Maßnahme sei dahin gestellt, machte das Eventwerk für den Laien keinen deutlich größeren Eindruck als die ursprünglich angedachte Halle – zumindest, wenn man den reinen Platz vor der Bühne betrachtet, der aufgrund der Metallpfeiler stark eingeschränkt war. So war das einstige Großschmiede- und Geschosspresswerk schnell gut gefüllt. Die kurze Wartezeit zwischen Einlass und Konzertbeginn und der für Lacrimosa seit einigen Jahren typische Verzicht auf eine Vorband machten die von Anfang an extrem schlechte, warme Luft wett (was man sich bei dem Langos-Stand in der Location gedacht hat, erschließt sich wohl nur dem Initiator selbst) und passend zum Bandjubiläum durfte sich das Publikum an der Beantwortung diverser Quizfragen rund um die Bandgeschichte üben, die von einer Leinwand auf der Bühne strahlten. 20.40 Uhr war es dann auch endlich soweit, die Lichter verloschen und die Bühne, die mit ihren weißen Stoffbahnen und den Lichterketten ein wenig an eine Zirkusmange erinnerte, war frei für die mehr als 3-stündige Zeitreise durch 25 Jahre Lacrimosa.

Statt des üblichen Lacrimosa Theme, mit dem die Konzertbesucher seit vielen Jahren bei jedem Konzert begrüßt werden, füllten zunächst sakrale Orgelklänge den Raum und entführten das Publikum weit zurück ins Jahr 1990. LACRIMOSA - Dresden, Eventwerk (19.09.2015)Die bereits vor Konzertbeginn genutzte Leinwand zeigte jetzt das Cover von Clamor und sollte auch im weiteren Verlauf des Abends das jeweils zum dargebotenen Titel passende Album abbilden.

„Zunächst waren da nur eine Stimme und ein Keyboard“ – treffender hätte man die Anfänge der musikalischen Entwicklung Lacrimosas nicht beschreiben können und genau das war es, was die ersten 60 Minuten des Abends ausmachen sollte. Minimalistisch, tief-melancholisch, geprägt von einem stetigen inneren Kampf mit sich selbst – die Reise durch die ersten Jahre der Band führt in eine verletzliche, düster-zerbrechliche Welt, die getragen wird von den Klagelauten und der Zerrissenheit ihres charismatischen Protagonisten und sich in Titeln wie Seele in Not, Tränen der Sehnsucht und Der letzte Hilfeschrei niederschlägt. Und doch endet die Reise nicht hier, sondern führt Band und Publikum über die Alben Angst, Einsamkeit, Satura und Inferno hin zu Stille. Still sollte es aber nicht werden, denn zu Stolzes Herz durfte endlich auch die Band in ihrer üblichen Live-Besetzung begrüßt werden und düster-rockige E-Gitarren-Klänge den Raum füllen.

Im Jahr 1999 angekommen, entführt Mastermind Tilo Wolff sein treues Publikum mit den Titeln der Elodia in eine Welt der zerbrochenen Herzen und der Liebesqual, bevor es Richtung Lichtgestalt immer weiter geht mit der beständigen musikalischen und thematischen Weiterentwicklung der Band, die sich von der minimalistischen One-Man-Group zu einem Ensemble gemausert hat, welches insbesondere in Südamerika und Russland große Hallen füllt und zu Beginn der 2000er Jahre bereits große Erfolge feiert. Kraftvoll, opulent arrangiert, mitreißend – vom ursprünglichen Minimalismus ist nur die Stimme Tilos geblieben, die die Zuhörer im Eventwerk wie einen roten Faden durch seine Seelenwelt begleitet.

Angekommen im letzten Drittel des Konzertabends sind es die Titel der letzten sechs Jahre, die den Bogen in die „Neuzeit“ schlagen und dem Publikum alles an Energie beim Tanzen und mitsingen abverlangen. Waren es einst Angst, Einsamkeit und Verlust, so ist es jetzt die Sehnsucht nach Neuem, die tatsächlich eine musikalische Revolution einleitet. Neben den Lacrimosa-Evergreens ließ sich das Dresdener Publikum auch von den neueren Stücken wie Feuer oder irgendein Arsch ist immer unterwegs mitreißen, sang lautstark mit, tanzte und genoss die energiegeladene Show.

Auch wenn der Abend sich dem Ende näherte, sollte nach drei Stunden noch ein Highlight folgen und die zum Teil sogar aus Russland, Brasilien und Mexiko angereisten Fans glücklich machen. LACRIMOSA - Dresden, Eventwerk (19.09.2015)Auf die Ankündigung des neuen Albums Hoffnung, welches im November erscheinen wird und dessen Cover jetzt enthüllt wurde, folgten gleich zwei Titel und weckten die Vorfreude des Publikums. Um erneut in den Genuss von Kaleidoskop und Keine Schatten mehr zu kommen, muss jetzt jedoch noch bis zum 6. November gewartet werden.

Leider ist auch der schönste Abend irgendwann zu Ende und auch über drei Stunden Spielzeit gehen leider zu schnell vorbei. Lacrimosa haben sich erneut selbst übertroffen und ihrem Publikum einen unvergesslichen, einzigartigen Abend beschert – ein Erlebnis, das seines Gleichen noch lange suchen wird. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im Februar 2016, wenn die Welttournee ihren Abschluss in Deutschland finden wird.

Setlist LACRIMOSA @ Dresden, Eventwerk (19.09.2015):
01. Seele in Not
02. Der letzte Hilfeschrei
03. Tränen der Sehnsucht
04. Reissende Blicke
05. Alles Lüge
06. Crucifixio
07. Flamme im Wind
08. Schakal
09. Stolzes Herz
10. Not every pain hurts
11. Alleine zu zweit
12. Halt mich
13. Der Morgen danach
14. Liebesspiel
15. Durch Nacht und Flut
16. Malina
17. Kelch der liebe
18. A.U.S.
19. Feuer
20. Ohne dich ist alles nichts
21. Irgendein Arsch ist immer unterwegs
22. Rote Sinfonie
23. Kaleidoskop
24. Keine Schatten mehr
25. Revolution (Z)
26. If the world stood still a day (Z)
27. Lichtgestalt (Z)
28. Copycat (ZZ)

Fotos: Claudie Helmert

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