Erstmals fand das Amphi Festival 2015 im neuen Amphi Eventpark in und um die Lanxess Arena Köln statt. Dass der erste reguläre Tag des Festivals dann in den Augen einiger (vieler?) Besucher eher unbefriedigend verlief, lag dann vor allen Dingen an einer schweren Unwetterwarnung. Beide Außenbühnen mussten auf städtische Anordnung den gesamten Samstag über geschlossen bleiben, zumindest die Verpflegungs- und Merchstände konnten am frühen Abend dann endlich ihren Betrieb aufnehmen. Das größere Problem lag aber nun darin, möglichst alle der 13 für die „Green Stage“ und „Orbit Stage“ vorgesehenen Künstler irgendwie noch im restlichen Programm unterzubringen – was natürlich von vorneherein zum scheitern verurteilt war und somit nicht gänzlich gelang. Dass zudem die Informationspolitik, welche Band denn nun wann oder überhaupt auftreten kann, sehr schleppend lief, war einer der Hauptkritikpunkte, welche die Besucher nachträglich an die Festivalleitung richteten. Trotzdem muss man anmerken, dass ein Amphi Festival im alten Rahmen des Tanzbrunnens an diesem Samstag aufgrund der Unwetterwarnungen gar nicht hätte stattfinden können und dürfen.. Das Ende vom Lied: Je nach persönlichem Geschmack wurde der Samstag dank der Lanxess Arena zu einem Erfolg oder zur großen Enttäuschung. DAF knackten zum Leidwesen vieler sogar die magische Stundenmarke, während X-RX nur vier Songs darbieten durften, einige Acts wie Diorama und Inkubus Sukkubus wurden auf den Sonntag verschoben, die Auftritte anderer Bands wie The Devil & The Universe, Aeon Sable und Lebanon Hanover mussten sogar komplett gecancelt werden.
Einen Kommentar dazu gibt es hier bei uns:
So freuten sich aber sicher die Gothic-Rocker von Schöngeist wie auch die Electro-Popper vom Chrom, nach den kurzfristig auf 10.30 Uhr gelegten Centhron vor einer fünfstelligen Kulisse in der auch während der Umbaupausen dunkel gehaltenen Arena performen zu dürfen. Den ersten so richtig aufsehenerregenden Auftritt lieferte dann Rabia Sorda, das Zweitprojekt von Hocico-Frontmann Erk Aicrag. Mehrere technische Probleme sowie ein immer wieder in sich selbst zusammenfallender Keyboardständer sorgten für einige Totalausraster des Tastenmanns, der daraufhin zwei der mehrere hundert Euro teuren Instrumente schrottete. Die Fans freuten sich über einige ins Publikum geworfene Tastenfetzen sowie über einen ansonsten wie gewohnt hochenergetischen Auftritt, der mit einer Torte im Gesicht von Gitarrist Marcus Engel endete. Denn dieser feierte seinen Geburtstag…
Setlist RABIA SORDA @ Amphi Festival 2015: 01. I’m Tragedy 02. Die in Berlin 03. Out of control 04. D.E.A.F. 05. Obey Me (abgebrochen wegen technischer Probleme) 06. Eye M the blacksheep 07. Abuse me 08. Radio Paranoia 09. Indestructible 10. Hotel Suicide
Was folgte, war der nächste Schock. Der Solo-Auftritt von Eisbrecher-Frontmann Alex Wesselsky musste krankheitsbedingt abgesagt werden. Bis dann aber das Banner der Kölner Horrorpunk-Fraktion The Other auf der Bühne sichtbar wurde, hatte mangels Informationen keine(r) von dem kurzfristigen Line-up-Wechsel Notiz genommen. Es folgte ein circa 40-minütiger Gig des Quintetts mit Heimvorteil. In Folge dessen überzogen The Crüxshadows ihre Spielzeit deutlich. Zum Leidwesen von X-RX und deren feierwütigem Anhang, die plötzlich nur noch vier Songs spielen durften.
Setlist X-RX @ Amphi Festival 2015: 01. Escalate 02. Stage 2 03. Hard Bass Hard Soundz 04. A to A and D to D
Und es waren nicht wenige, die sich lieber den harten Beats der Gruppierung mit dem markanten „Sägezahn-Turntable“-Logo hingegeben hätten als dem dann folgenden Auftritt der Deutsch Amerikanischen Freundschaft. So kraftvoll Robert Görl und Gabi Delgado mit ihrem textlich wie musikalisch äußerst minimalen Electro-Punk in kleinen Clubs auch über 30 Jahre nach Bandgründung rüberkommen: Auf der Riesenbühne der Lanxess Arena wirkten sie ein wenig verloren und zogen die Stimmung – wenn man nicht gerade „Die hard“-Fan des Düsseldorfer Duos ist – vor allem mit dem recht langsamen Mittelteil etwas in den Keller.
Setlist DAF @ Amphi Festival 2015: 01. Verschwende deine Jugend 02. Ich und die Wirklichkeit 03. Der Mussolini 04. Ich will 05. Muskel 06. Tanz mit mir (Remix) 07. Mein Herz macht Bum 08. Die Lippe 09. Liebeszimmer 10. Der Sheriff (mit „Du bist DAF“-Instrumental) 11. Osten währt am längsten 12. Sato-Sato 13. Alle gegen Alle 14. Nachtarbeit 15. Verlier nicht den Kopf 16. Die Lüge 17. Als wär’s das letzte Mal 18. Der Räuber und der Prinz
Mit dem kompletten musikalischen Kontrastprogramm sollte sich dies aber flott wieder ändern. Denn die Kanadier von The Birthday Massacre zeigten sich bei einem ihrer seltenen Deutschland-Auftritte von ihrer besten Seite. Die Goth-Rocker rund um die wie gewohnt aufgedrehte und immer für eine doofe Grimasse aufgelegte Sängerin Chibi hätten ihre Mischung aus Klassikern wie Blue oder Lovers End mit Songs der kürzlich veröffentlichten Superstition-LP nach dem Geschmack der Masse in der gut gefüllten Arena wohl noch ein wenig länger zelebrieren dürfen und haben sicher den einen oder anderen Fan hinzugewonnen.
Setlist THE BIRTHDAY MASSACRE @ Amphi Festival 2015: 01. Red Stars 02. Destroyer 03. Divide 04. Diaries 05. Superstition 06. Pins and needles 07. Video kid 08. Lovers End 09. Alibis 10. Kill the lights 11. Leaving tonight 12. Blue 13. In the dark 14. Sleepwalking
Agonoize sparten sich ihre Aggrotech-untermalende Blutspritz-Orgie nach einem „sauberen“ Auftritt auf dem „Call the ship to port“-Eröffnungsevent am Freitagabend für den Samstag auf und ließen heute also ordentlich rote Flüssigkeit regnen. Die zahlreich anwesende Fangemeinde dankte es ihnen und sorgte bei Clubhits wie Femme Fatale, Koprolalie oder Bis Das Blut Gefriert in den vorderen Reihen für ordentlich Bewegung.
Setlist AGONOIZE @ Amphi Festival 2015: 01. Returns a King 02. Glaubenskrieger 03. Nekropolis 04. I against me 05. Open the gate 06. Running 07. Pavillon 5 08. Kind der Nacht 09. Sacrifice 10. Toxin 11. Femme fatale 12. Staatsfeind 13. Koprolalie 14. Bis das Blut gefriert
Danach zeigte sich mal wieder, was ein „Schwarze Szene“- Festival so spannend macht. Es folgte der nächste radikale Stilwechsel hin zur experimentellen Kunst der Goethes Erben. Der wie gewohnt stimmgewaltige Oswald Henke führte mit Unterstützung einer zehnköpfigen Band mit klassischen und elektronischen Instrumenten sowie einiger Schauspieler viele ältere Fan-Favoriten auf, bot aber auch bereits einen ersten Vorgeschmack auf das neue Musiktheaterstück Menschenstille dar. Dieses wird im Oktober an zwei Terminen in Bayreuth aufgeführt, allerdings ist keine Tour geplant. Wenig verwunderlich zeigten sich die gut gefüllten Reihen im Innenraum dankbar, zumindest einen Teil der neuen Produktion live sehen zu können.
Setlist GOETHES ERBEN @ Amphi Festival 2015: 01. Was war bleibt 02. Nichts bleibt wie es war 03. Himmelgrau 04. Tage des Wassers 05. Sie wusste mehr 06. Kopfstimme 07. Neues Stück aus Menschenstille 08. Die Sonne schmilzt 09. Mensch sein 10. Ironie im Plattenbau 11. Sitz der Gnade (Nick Cave & The Bad Seeds Cover)
Front 242 hingegen spalteten die Meinungen der Massen, wie man aus den Kommentaren in der Audienz sowie auf der Facebook-Page des Festivals vernehmen konnte. „EBM ist die Art von Musik, die Front 242 in den 80er Jahren produziert haben“, hieß es aus Bandkreisen. Und in der Tat: Seit Jahren wären die vier Belgier sowie Live-Drummer Tim Kroker auf dem Maschinenfest wohl besser aufgehoben als auf dem Familientreffen in Sandersleben. Was zum einen an dem klackernden und eben nicht treibenden EBM-typischen Drumsound liegt, zum anderen daran, dass selbst die uralten Stücke aus No comment-Tagen mit Rauschen, Noise-Sounds und teilweise völlig übertriebenen Bässen übertönt werden. Sätze wie „Da klingt ja nichts mehr so, wie ich es von meinen alten Platten kenne“ und „Ich habe die ganzen Lieder nicht mehr wiedererkannt“ waren des Öfteren zu hören und zu lesen. Verwirrend war zudem die Setlist: Das ohnehin sehr experimentelle und lange Commando Mix an den Anfang zu stellen, erscheint ebenso fragwürdig wie das Spielen des krachigen Klassiker-Rausschmeißers Punish your machine an Position zwei. Zu allem Überfluss ließen 242 dann sogar den Überhit Headhunter weg, den viele schmerzlich vermissten. Interessant, wenngleich mangels Stampfbeats in seiner Ausführung nicht ganz zufriedenstellend: Die Rückkehr des Official Version-Openers W.Y.H.I.W.Y.G. in die Setlist nach 28 Jahren. Und immerhin blieb den Anwesenden dieses Jahr ein Technik-Crash wie im Vorjahr erspart, als 242 aufgrund eines kaputten Mischpults nur ein halbes Set spielen konnten.
Setlist FRONT 242 @ Amphi Festival 2015: 01. Commando Mix 02. Punish your machine 03. Im Rhythmus bleiben 04. Take one 05. U-Men 06. Together 07. Kampfbereit 08. Happiness 09. W.Y.H.I.W.Y.G. 10. Masterhit 11. Welcome to paradise 12. Funkahdafi
Einig über die Qualität des Headliners And One waren dann aber all diejenigen, die tapfer bis nach 2 Uhr nachts durchhielten. Die Berliner zogen wie schon am Freitag auf dem Schiff alle Party-Register und brachten nicht nur den Innenraum, sondern auch die vorderen Sitzplatzblöcke in Gänze zum Tanzen. Stücke wie Steine sind Steine, Männermusik, Krieger, Deutschmaschine und das Project Pitchfork-Cover Timekiller sind aber auch einfach prädestiniert dazu, die Massen zum Abzappeln zu bringen und gute Laune zu versprühen. Vor allem für eine (wie gewohnt nicht ganz ernst gemeinte) Zwischenansage wurde Rampensau Steve Naghavi vom Publikum gefeiert. Er habe das Amphi für 2.000 Euro gekauft und will es 2016 wieder am Tanzbrunnen stattfinden lassen. Da die Arena-Premiere aufgrund des Unwetters und der damit verbundene Enge mangels offener Außenbereiche unter keinem guten Stern stand, erntete der Berliner für seinen „Vorschlag“ viel Applaus. Aber auch ein Steve Naghavi muss eines zugeben: Vor fast 15.000 Menschen auf der Bühne in einer geschlossenen Halle zu stehen und von diesen frenetisch bejubelt zu werden, ist ein tolles Gefühl. Und man will irgendwie nicht so recht glauben, dass der „konzertgeile“ Deutsch-Iraner dieses Gefühl in den kommenden Jahren nicht noch ein paar Mal erleben will…
Setlist AND ONE @ Amphi Festival 2015: 01. An alle Krieger 02. Steine sind Steine 03. Krieger 04. Unter meiner Uniform 05. Für 06. The Walk (The Cure-Cover) 07. Männermusik 08. Deutschmaschine 09. Timekiller (Project Pitchfork-Cover) 10. Second Voice 11. High 12. Back Home 13. Techno Man 14. Military Fashion Show 15. Sometimes 16. Shouts of joy
So ging der erste vollwertige Tag des Amphi 2015 nach der Hymne Shouts of joy mit einem 80-minütigen Partyset vom Feinsten bei bestmöglicher Akustik zu Ende. Und der Sonntag sollte dann doch noch um einiges mehr „Festivalstimmung“ aufkommen lassen, da dann der große Außenbereich mitsamt zweier Bühnen geöffnet war…
Tag 2 des Amphi Festivals, welches in seiner elften Auflage zum ersten Mal in und um die Kölner Lanxess Arena stattfand, zeigte den Besuchern nach einem für viele ernüchternden Samstag, was das Gelände alles bieten kann. Eine im Vergleich zum Tanzbrunnen nochmal erweiterte Händlermeile sowie ein deutlich breiteres Spektrum an Essen und Trinken stellten dann doch viele zufrieden, die sich am Vortag über mangelndes „Festival-Feeling“ beschwerten. Musikalisch begann der Tag um einiges früher als ursprünglich geplant, was der Sturm-bedingten Absage der Außenbühnenkonzerte vom Samstag geschuldet war. So eröffneten [:SITD:], Inkubus Sukkubus und Diorama das musikalische Programm. Ab 11.30 Uhr gab es dann vor allem auf der Mainstage ein hochgradig abwechslungsreiches Programm zu bestaunen, bei dem sowohl Patenbrigade:Wolff, als auch die NDH-Rocker von Stahlmann und die verrückten Schweden von S.P.O.C.K. das Publikum begeistern konnten.
Setlist PATENBRIGADE:WOLFF @ Amphi Festival 2015: 01. Feind hört mit! 02. Die Brücke 03. Freunde der Technik 04. Volksarmee 05. Voyage 06. Gefahrstoffe 07. Der Brigadier trinkt Bier 08. Demokratischer Sektor
Setlist STAHLMANN @ Amphi Festival 2015: 01. Willkommen 02. Adrenalin 03. Stahlmann 04. Süchtig 05. Der Schmied 06. Spring nicht 07. Schwarz 08. Plasma 09. Tanzmaschine
Setlist S.P.O.C.K @ Amphi Festival 2015: 01. Borg 02. E.T. Phone Home 03. Dr. McCoy 04. Astrogirl 05. Trouble with tribbles 06. All E.T.’s aren’t nice 07. Not human 08. Astrogirl’s secret 09. Out there 10. Never trust a klingon
Den Härtegrad nach oben trieben dann Pokémon Reaktor auf der Green Stage. Bei sonnigem Wetter taten sich nun sogar einige Mitgereiste aus den östlichen Gefilden Deutschlands im Publikum hervor – die von der sechsköpfigen Band erhoffte „Wall of Death“ sollte aber dann doch noch mal geübt werden… Nichtsdestotrotz kam der Mix aus EBM und Aggrotech bei vielen gut an und eignete sich perfekt als „Warm-Up“ für das, was noch kommen sollte.
Auf der Mainstage feierte der lange Zeit schwer erkrankte Stefan Ackermann sein Amphi-Comeback. Das Ich versetzten die vorderen Reihen in der Arena in Bewegung, wirkten aber fast schon enttäuscht, dass die Fans die obligatorische Frage nach dem Wunschsong zum Abschluss immer nur mit dem Club-Hit Destillat beantworten. Der aber natürlich frenetisch bejubelt wurde.
Setlist DAS ICH @ Amphi Festival 2015: 01. Kannibale 02. Kain und Abel 03. Der Schrei 04. Das dunkle Land 05. Nahe 06. Uterus 07. Kindgott 08. Gottes Tod 09. Destillat
Im Anschluss daran wurde die Arena „zweckentfremdet“. Der Tod – Death Comedy unterbrach das musikalische Programm und konnte mit seiner Mischung aus Slideshow-Bilderbeschreibungen und einigen interaktiven Gimmicks (u.a. mit Kriminalbiologe und Amphi-Urgestein Mark Benecke) den Großteil des Publikums auf seine Seite ziehen. Was direkt danach auch Combichrist gelang. Mit einem brutal krachigen Auftritt, der sogar zwei Stücke des Hardcore/Punk/Metal-Spielsoundtracks zu Devil may cry DMC namens No Redemption beinhaltete, sollte auch dem letzten klar geworden sein, dass die Truppe um Frontmann Andy LaPlegua mittlerweile ganz andere S(a)eiten aufzieht als in der Techtrance/Cyber-geprägten Frühphase. Natürlich bekam auch der Bühnenroadie einmal mehr viel zu tun. Dass bei der norwegisch-amerikanischen Combo Schlagzeugteile im Minutentakt durch die Luft fliegen, gehört ebenso traditionell zum Liveset wie die Verschmelzung neuerer Kracher wie Can’t Control mit Klassikern wie Blut Royale und Get your body beat.
Setlist COMBICHRIST @ Amphi Festival 2015: 01. The evil in me 02. Just like me 03. No redemption 04. Zombie fistfight 05. Throat full of glass 06. Can’t control 07. Maggots at the party 08. Denial 09. Never surrender 10. Blut royale 11. Get your body beat 12. What the fuck is wrong with you?
Danach präsentierten die Braunschweiger von Oomph! dem weiten Rund zum ersten Mal einen Song des neuen Albums XXV. Alles aus Liebe bildete den Startschuss für eine souverän heruntergespielte Show, der vielleicht der letzte mitreißende Kick fehlte. Schön für die anscheinend zahlreich vorhandenen Altfans: Sänger Dero und Konsorten ließen es sich wie schon auf der Tour zum letzten Longplayer Des Wahnsinns fette Beute nicht nehmen, die mittlerweile 23 Jahre alten EBM-Klassiker Mein Herz und Der neue Gott zu spielen. Der Rest des Sets füllte sich mit dem von älteren Gigs gewohnten Liedgut, in welchem die Tophits Augen auf, Gott ist ein Popstar und Labyrinth natürlich nicht fehlen durften.
Setlist OOMPH! @ Amphi Festival 2015: 01. Alles aus Liebe 02. Labyrinth 03. Träumst du? 04. Mein Schatz 05. Das weiße Licht 06. Mein Herz 07. Der neue Gott 08. Mitten ins Herz 09. Niemand 10. Gekreuzigt 11. Gott ist ein Popstar 12. Augen aufzieht
Ähnlich souverän agierten dann auch Welle:Erdball bei Frischluft trotz des einsetzenden Regens. Lady Lila konnte auf der proppevollen Green Stage unter Beweis stellen, dass sie ein absolut würdiger Ersatz für die vor knapp zwei Jahren ausgeschiedene Fräulein Plastique ist. Eine gute Mischung aus Neuem und Alten, wie immer untermalt von Papierfliegern, riesengroßen Luftballons, Ölfässern und anderen Gimmicks, sorgten für einen lautstark beklatschten Auftritt von einer der Bands, die beim Kölner Szene-Festival fast schon zum Inventar gehören. Da ließ es sich auch verschmerzen, dass das ursprünglich für Samstagnachmittag geplante „Interaktive Songwriting“ aufgrund des Sturms und der damit verbundenen Verlegung mehrerer Bands in die Arena ausfiel und der von den Anhängern mitverfasste Song so noch ein wenig auf seine „Geburt“ warten muss. Der Auftritt endete mit einer von Lady Lila gesungenen, bislang noch unbekannten Ballade.
Setlist WELLE:ERDBALL @ Amphi Festival 2015: 01. Des Wahnsinns fette Beute 02. Wir wollen keine Menschen sein 03. Mensch aus Glas 04. Telefonsex 05. Der Türspion 06. Hoch die Fahnen 07. Schweben, fliegen und fallen 08. VW Käfer 09. Arbeit adelt! 10. Die Liebe der 3. Art 11. Starfighter F-104G 12. Es geht voran 13. Neuer Song
Weniger zufrieden waren leider zunächst die meisten Fans, welche sich den Co-Headliner-Auftritt der lebenden Goth-Legenden von The Mission ansahen. Sänger Wayne Hussey war aufgrund einer schweren Erkältung stimmlich nicht gerade in Bestform, zog es allerdings vor, sich mit Medikamenten vollzupumpen, anstatt die Show komplett abzusagen. Mit der Unterstützung zweier kurzfristig eingesprungener Gastvokalisten, welche mit der Band zuvor nicht einmal proben konnten, brachten The Mission ihre 60 Minuten unter den gegebenen Umständen ordentlich über die Runden.
Zeitgleich baten Samsas Traum und Rome auf den Außenbühnen zum Tanz. Sowohl die Luxemburger auf der Orbit Stage, als auch das Ensemble rund um Frontmann Alex Kaschte auf der Green Stage konnten sich von einer stattlichen Besucherzahl abfeiern lassen.
Setlist SAMSAS TRAUM @ Amphi Festival 2015: 01. Igel im Nebel 02. Für immer 03. Stromausfall im Herzspital 04. Schenk mir deine Flügel 05. Endstation Eden 06. Niemand, niemand anderem als dir 07. Heiliges Herz 08. Die Zärtlichkeit der Verdammten 09. Ein Foetus wie du 10. K.haos-Prinz und Wind-Prinzessin 11. Kugel im Gesicht
Setlist ROME @ Amphi Festival 2015: 01. The Accidents of gesture 02. Der Brandtaucher 03. Les îles noires 04. A pact of blood 05. The consolation of man 06. To teach obedience 07. A farewell to Europe 08. Ballad of the long litte 09. Skirmishes 10. Automation 11. Mine 12. Birds of prey 13. Die Querkraft 14. A legacy of unrest 15. Reversion 16. Swords to rust 17. One fire
Diary of Dreams begeistertern ihre Anhänger im Anschluss an Samsas Traum und waren gleichzeitig auch der letzte Open-Air-Act des Festivals. Bei starker Lichtshow in der Abenddämmerung und klarem Sound boten Adrian Hates und Band 13 Stücke aus verschiedensten Bandepochen dar.
Setlist DIARY OF DREAMS @ Amphi Festival 2015: 01. Malum 02. Psycho-Logic 03. The Wedding 04. Haus der Stille 05. O’Brother Sleep 06. Butterfly:Dance! 07. Daemon 08. Dogs of war 09. King of nowhere 10. A dark embrace 11. Kindrom 12. Undividable 13. A day in December
Und dann waren da noch VNV Nation. Ja, die Truppe rund um Sänger Ronan Harris geht vielen mit ihrer Omnipräsenz bei Grufti-Festivals auf den Wecker. Aber die ständigen Buchungen für Headliner-Slots haben ihren Grund. Kaum einem Szene-Act gelingt es, eine derartige Stimmung und Atmosphäre aufzubauen wie VNV. Die goldrichtige Entscheidung, mit Space and Time direkt einen der größten Hits an den Anfang zu stellen, die nahezu perfekte Akustik (zumindest im Innenraum), ein guter Mix aus jungen und alten Klassikern und ein wie gewohnt rastloser Ronan Harris trieben das Amphi 2015 definitiv zum Stimmungs-Höhepunkt des Wochenendes. Selbst eine Laola-Welle ging mehrfach durchs Publikum. Einen absoluten Gänsehautmoment lieferte dann – und auch dies ist nichts sonderlich Neues – einmal mehr Nova. Die Synthpop-Ballade, welche sich in den letzten Jahren quasi ihren Platz vor dem Abschlusssong Perpetual gesichert hat, wurde nicht nur von der Lichttechnik bestmöglich in Szene gesetzt. Auch ein Großteil der in fünfstelliger Anzahl anwesenden Fans brachte die Smartphones und Feuerzeuge zum Leuchten. Kein Wunder, dass Harris vor Rührung mehrfach in seinem Gesang stockte. Spätestens während Nova müsste dann auch dem größten Kritiker der Lanxess Arena aufgefallen sein, welches atmosphärische Potenzial die Multifunktionshalle am Kölner Messegelände mit sich bringt. Eine derartige Szenerie wäre am Tanzbrunnen niemals so zustande gekommen. VNV Nation verabschiedeten sich mit dem lautstark mitgesungenen Perpetual und der Ankündigung, im Dezember fünf spezielle Deutschland-Konzerte zum 20-jährigen Bandjubiläum zu spielen.
Setlist VNV NATION @ Amphi Festival 2015: 01. Space and time 02. Tomorrow never comes 03. Darkangel 04. Genesis 05. Illusion 06. Epicentre 07. Control 08. Standing 09. Everything 10. Farthest Star 11. Resolution 12. Nova 13. Perpetual
So ging es also mit einem mehr als würdigen Headliner-Set zu Ende, das erste Amphi im sogenannten „Eventpark“. Natürlich gibt es für die kommenden Jahre noch Verbesserungspotenzial. Die Innenraumbühne verkam aufgrund des mangelnden Becherpfands zu einer Müllkippe, die Informationspolitik am durch den Sturm völlig durcheinander gebrachten Samstag war sicherlich nicht optimal und der ein oder andere meckerte (wie eigentlich bei jedem Festival in der heutigen Zeit) über die Getränke- und Essenspreise. Zudem verhielt sich die Arena-Security nicht immer einwandfrei, worüber sich so mancher auf der Facebook-Seite des Festivals ausführlich ausließ.
Aber: Das Gelände mit der Arena als Herzstück liefert von vielen Dingen, die ein Festival in seiner gesamten Form erlebenswert machen, mehr, als es der Tanzbrunnen jemals könnte. Spektakulärere Lichtshows, deutlich bessere Akustik (vor allem im Vergleich zum Staatenhaus), bessere klimatische Bedingungen (vor allem im Vergleich zum Staatenhaus), mehr Verpflegungsstände, mehr Raum für Händler und Merchandise, mehr Toiletten (darüber freute sich vor allem die weibliche Zunft) und wohl auch ein größerer Reiz für die Bands, die sonst nicht das Vergnügen haben, die große Arena mit ihren knapp 15.000 Plätzen bespielen zu können.
So ist durchaus zu hoffen, dass es den Veranstaltern für das kommende Jahr gelingt, vielleicht auch mal den einen oder anderen ganz großen Act zu buchen, der eben nicht jedes Jahr auf dem Amphi, dem Blackfield oder dem M‘era Luna spielt. Acts wie die Editors, Nightwish oder die Einstürzenden Neubauten – um nur mal drei Beispiele für zugkräftige potenzielle Headliner zu nennen – dürften sich doch eigentlich die Finger danach lecken, die Gelegenheit zu erhalten, vor einer derartig großen Anzahl an Leuten zu spielen. Die ersten Bands werden wohl schon in Kürze bekanntgegeben. Eins lässt sich als Fazit festhalten: Amphi zog um – die meisten zogen mit! Und werden trotz so mancher Kinderkrankheit, mit der sie sich in diesem Jahr auseinandersetzen mussten, am 23. und 24. Juli 2016 wiederkommen.