BLACKFIELD FESTIVAL 2015 – Gelsenkirchen, Nordsternpark (12.-14.06.2015)
Michael Gamon
Wenige Wochen vor dem achten Blackfield Festival kam die traurige Meldung: Das Blackfield Festival 2015 wird das letzte am Standort Nordsternpark in Gelsenkirchen sein… und voraussichtlich auch das letzte Blackfield Festival überhaupt. Keine Frage, dass der Verlust ein spürbares Loch im Festivalkalender hinterlassen wird, vor allem natürlich in dem von vielen Gothic- und Electro-Fans im Ruhrgebiet.
Freitag, 12.06.2015:
Von langen Gesichtern war am Freitag, den 12. Juni 2015 aber nichts zu sehen, denn die Zuschauer waren gekommen, um dem beliebten Festival in solch familiärem Ambiente des wunderschönen Amphitheaters gebührend Adieu zu sagen! Los geht der erste Tag um 16:40 Uhr mit Xiphea und von einer weiblichen Stimme geleitetem Symphic Metal, bevor die Lokalmatadoren Pre/Verse erste elektronische Akzente mit ihrem Independent Electro Rock setzen und sich dabei voll auf ihre Fans verlassen können, die Mitsingen, Klatschen und eine Menge Spaß haben. Noch deutlich elektronischer wird es danach mit den Schweden von Spetsnaz, die die Zuschauer erstmals wirklich richtig zum Tanzen animieren können. Kein Wunder, ziehen sie doch bei ihrem Set alle ihnen zur Verfügung stehenden Register und spätestens bei Apathy ist der Nordsternpark in Bewegung und ein Raunen zieht durch das Rund, bevor That Perfect Body einen gelungenen Auftritt beschließt. Bei den nachfolgenden Absolute Body Control bleibt es elektronisch, doch statt der simpel antreibenden und zum Tanzen einladenden EBM-Beats von Spetsnaz wird es passend zum sich mit ersten Gewitterwolken zuziehenden Himmel etwas düsterer und atmosphärischer. Es ist immer wieder bemerkenswert, über wie viele tolle Songs die Belgier tatsächlich verfügen. Gleich das eröffnende Melting Away setzt die Messlatte weit nach oben und nordet uns richtig ein. Während Eric Van Wonterghem gewohnt konzentriert an seinen Maschinen steht, geht Sänger Dirk Ivens wieder voll in der Musik auf, die er mit seinem Sprechgesang zu einer eingängigen Mixtur garniert, aus der u.a. Is there an Exit? und Figures herausstechen und bei vielen Old Schoolern für freudige Gesichter sorgen. Im Anschluss wird es rockig, denn Lord Of The Lost zeigen sich heute ungewohnt aggressiv auf der Bühne. Vielleicht möchten sie rechtzeitig zur Veröffentlichung ihrer neuen, recht plakativ daherkommenden EP Full Metal Whore den ruhigen Eindruck ihrer Akustik-Shows zum Swan Songs-Album aus den Köpfen ihrer Jünger verbannen, die sich natürlich wieder zahlreich vor der Bühne eingefunden haben. Kill It With Fire heißt der Eröffnungstrack des Sets, doch das Feuer muss erst noch bis zum Headliner warten, dafür übergießt sich Frontmann Chris Harms gerne mit etwas Wasser und kommt immer ganz nah an den Bühnenrand, um seine Botschaften –meist recht rotzig, aber durchaus abwechslungsreich- zu verkünden. Doch natürlich ist im Set auch Raum für etwas ruhigere Songs wie Six Feet Underground und immer wieder bemüht sich die Band, mit ihren Fans zu interagieren, die so beim Auftritt voll und ganz in allerlei dunkelromantischen Emotionen baden können oder wahlweise mit ihren Köpfen bangen. Und auch beim abschließenden Tagesheadliner stehen rockige Elemente im Mittelpunkt. Denn nachdem das zunächst befürchtete Unwetter dankenswerterweise einen großen Bogen um den Nordsternpark gemacht hatte, steht nun Subway To Sally auf dem Programm, worüber sich auch die Jungs von Lord Of The Lost nach eigenem Bekunden sehr freuen. Und es geht gleich mit Pyro und dem Song Warte, Warte hinein in die Show der Mittelalter-Rocker aus Potsdam, die heute wieder ein Programm voller bekannter und beliebter Hits, aber auch -nach eigener Aussage- einen "neuen Song" Kleid aus Rosen 😉 präsentieren, natürlich ein echter Klassiker, der mit seiner Wucht gut beim Publikum ankommt, das aber auch vor allem die weiteren Klassiker wie die Neuinterpretation vom „Veitstanz“ Veitstanz MMXV abfeiert und spätestens nach den beiden Zugaben Sieben und Julia und die Räuber das Amphitheater begeistert verlässt.
Der zweite Tag beginnt mit grauem Himmel und einigen Regenschauern, wovon sich die Fans von X-Divide, dem heutigen Opener, aber nicht abhalten lassen, deren eingängige Synthiepop-Nummern gebührend zu feiern. Stilistisch in eine andere Kerbe schlagen danach Frank The Baptist, eine der interessanten Bands des Festivals, die man sonst auf solchen Großevents nicht so oft zu Gesicht bekommt. Mit ihren stylischen Outfits und guten Postpunk-Songs im Gepäck konnten sie heute sicher den einen oder anderen neuen Fan rekrutieren. Gleiches gilt für She Past Away aus Bursa, der viertgrößten Stadt der Türkei. Ihr dunkler Wavesound weiß jetzt voll davon zu profitieren, dass der Himmel sich zunächst weiter düster gestimmt zeigt und einige ordentliche Tränen vergießt. Das ändert sich dann pünktlich zum Auftritt von .com/kill, dem Projekt von Diary Of Dreams Mastermind Adrian Hates und seinem auch dortigen Kumpanen Gaun.A. Der Bandname erschallt durch das Gelsenkirchener Rund und gleich ist die Stimmung da, denn die Beats gehen sofort in Mark und Bein über. Anders als beim Stammprojekt sind die Vocals bei .com/kill einiges aggressiver und die verzerrten Shouts sind vielleicht nicht jedermanns Sache, aber dafür ist das Resultat etwas tanzbarer und sicher eine willkommene Abwechslung zum „Standardprogramm“, schließlich sieht man .com/kill deutlich seltener auf den Brettern die die Welt bedeuten. Gleiches gilt, natürlich ungleich gefühlvoller und poppiger, auch für die nachfolgenden Sono. Viele Zuschauer haben sich vor allem auf die Jungs aus Hamburg gefreut und entsprechend positiv werden nicht nur die Musiker selbst aufgenommen, sondern auch zwei brandneue Songs, die Lust auf das hoffentlich bald erscheinende neue Album machen. Doch auch alte Hits wie 20.000 Guns oder Keep Control sind Teil des Sets der sympathischen Nordlichter. Auch die nachfolgenden Solar Fake waren mit einem neuen Song im Gepäck angereist: Under Control, der absolut zu überzeugen weiß. Frontmann Sven Friedrich zeigt sich seit er von André Feller (Herzfeind) unterstützt wird deutlich aktiver auf der Bühne, springt oft und die beiden freuen sich spürbar über den guten Zuspruch der Gelsenkirchener Fans. Zum Set gehört neben Eigenkompositionen natürlich auch wieder eine Coverversion und heute präsentierten die beiden mal wieder One Step Closer von Linkin Park, einem Stimmungsgaranten. Beste Stimmung herrscht danach natürlich auch bei Unzucht. Die Band ist aktuell so angesagt wie noch nie, auch wenn ihr Album Venus Luzifer bereits seit über einem halben Jahr auf dem Markt ist. Aber stetiges Touren zahlt sich eben aus und so haben die vier ihr Publikum voll im Griff und strotzen vor Spielfreude, was natürlich besonders für Fronter Daniel Schulz gilt, der immer wieder den Kontakt zu den Fans sucht, während er die „blutgetränkte“ weiße Fahne schwenkt. Die Zuschauer danken es ihnen und singen mit, ganz gleich ob es balladesk zugeht, die Unzüchtigen das Tempo anziehen oder die Kleine geile Nonne besungen wird.
Danach ist es Zeit gleich weiter zu feiern, denn Mesh laden nicht nur zum Tanzen, sondern auch gleichzeitig zur inoffiziellen Geburtstagsfeier für Gründungsmitglied Richard ‚Rich‘ Silverthorn. Und damit auch keinerlei Zweifel an der Partylaune aufkommt, feuern die Jungs aus Bristol recht schnell einen Hit nach dem anderen heraus. You Didn’t Want Me, From This Height oder It Scares Me erklingen schon früh im Set, doch was will man machen, wenn man über so viele Klassetracks verfügt? Die Zeit vergeht wie im Fluge, bis Born To Lie schon das Ende einleitet, das von Taken For Granted und langanhaltenden „I need to start again, take me far away“ Chören besiegelt wird. Die Fans feiern Mesh und Mesh sicherlich hinterher auch noch ausgiebig ihren Keyboarder.
Übrigens wird heute auch zwischen den einzelnen Bands für musikalische Beschallung der feinen Art gesorgt, denn Die Kammer verzückt ihre Fans mit einigen Guerillaauftritten auf der kleinen Bühne nahe der Verkaufsstände und kann hier ordentlich Sympathiepunkte einheimsen, zumal ihre Auftritte auch musikalisch wirklich ansprechend sind. Klasse! Auf der Hauptbühne wird es derweil bei Deine Lakaien ruhiger, vielleicht sogar etwas zu ruhig. Die Lakaien bieten einen Rundumschlag durch ihr musikalisches Oevre und natürlich steht Alexander Veljanov mit seiner dunklen Stimme im Mittelpunkt der Show. Jetzt heißt es genießen und die Augen schließen, was sicherlich auch mal schön ist, die Stimmung im Amphitheater allerdings etwas melancholischer und dadurch auch ruhiger werden lässt. In den ersten Reihen wird zwar getanzt, aber auf den Rängen ist man eher verhalten und schaut das Ganze aus sicherer Entfernung. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen also für einen nachfolgenden Headliner, aber wer Alexander Wesselsky und seine Eisbrecher kennt, der weiß, dass es trotzdem nicht lange dauert, bis der Kapitän das Partyschiff wieder auf Kurs gebracht hat. „Ahoi Rasselbande, geht‘s Euch gut?“ fragt er und bekommt die passende Antwort aus dem jetzt mehr als gut gefüllten Amphitheater. Also eigentlich alles wie gehabt: wo Eisbrecher sind, da ist Stimmung. Da gibt es Trommeltonnen für alle Bandmitglieder, Eisbären fürs Publikum und viele altbekannte und bewährte Songs wie Antikörper, Miststück, Willkommen im Nichts oder Leider sowie den einen oder anderen Track aus dem aktuellen Album Schock. Eisbrecher sind somit wieder einmal die gewohnt sichere Bank auf der Headlinerposition und im Anschluss verlassen die Zuschauer zum bereits vorletzten Mal den Nordsternpark, morgen geht es in die letzte Runde…
Letzter Tag des Blackfield Festivals 2015… und vielleicht auch der kompletten Serie überhaupt. Ein bisschen wehmütig sind wir heute schon, dabei wollten wir das Ganze doch als harte Männer durchziehen… Zum Glück holen uns Herzfeind mit einem ansehnlichen Set bereits um 11 Uhr aus der melancholischen Trauer heraus und [x-rx] setzen dem noch eine härtere Gangart oben drauf um sämtliche Gedanken hinfort zuschlagen. Kaum sind wir nun alle wach, wird es gleich wieder melancholischer, denn The Beauty Of Gemina stehen für emotionale Düstersongs, die sie heute in einer exklusiven Akustikshow zelebrieren. Kein Wunder, dass jetzt so mancher bei diesen Klängen und der einnehmenden Stimme von Sänger Michael Sele ins Träumen gerät. Ein wirklicher Genuss für die Freunde des gepflegten Synthiepops steht als nächstes auf dem Programm: Beborn Beton sprangen für die verhinderten Legend ein und auch wenn sie einen komplett anderen Stil pflegen, wissen sie hier und heute viele zu begeistern. Und sie präsentieren uns sogar einen ansprechenden Einblick in ihr kommendes Album, doch es sind natürlich vor allem die älteren Songs wie das starke Another World, bei dem man förmlich spürt, wie die anfängliche Anspannung von der Band abfällt, oder Im Innern Einer Frau, die das Publikum mit den Zungen schnalzen lassen. Ein wirklich guter Auftritt, der Lust auf mehr macht. Als nächstes sind Clan Of Xymox an der Reihe, die überraschenderweise tatsächlich zum ersten Mal erst beim Blackfield Festival auftreten. Um sicherzustellen, dass diese Premiere ein Erfolg wird, setzt man gleich zu Beginn auf große Hits. Stranger eröffnet ein Best Of Set, bei dem keiner der Hits wie Louise oder A Day fehlen darf. Eine gewohnt starke Leistung dieser festen Szenegröße. In eine ganz andere Kerbe schlagen danach End Of Green, die weniger auf Elektronik, dafür auf zusätzliche Gitarrenpower setzen. Ihre dunklen Rocksongs kommen trotz des Tageslichts gut bei den Zuschauern an. Gegen Ende deuten die Herren um Frontmann Michelle Darkness mit Hurt ein Nine Inch Nails Cover an, das natürlich dankend von den Fans aufgenommen wird. Gute Publikumsreaktionen, vor allem bei ihren eingefleischten Fans, sind Zeichen eines gelungenen Auftritts, dem nun weiterere Publikumsfavoriten folge sollten. Da wären zunächst die Spielleute Letzte Instanz, die mit ihrer Brachialromantik stets ein Garant für Spielfreude und großartige Stimmung sind. Im Auge des Sturms heißt ihr noch aktuelles Album und vielleicht ist es deshalb auch heute etwas ruhiger als bei früheren Gastspielen im Amphitheater Gelsenkirchen. Aber das ist eigentlich Haarspalterei, denn natürlich feiern ihre Fans die Band trotzdem ordentlich ab und auch die Musiker selbst hüpfen und tanzen gewohnt ausgelassen über die Bühne. Sie sind und bleiben eben eine echte Live-Band! Ein Kontrastprogramm steht uns als nächstes bevor: Man kann von den musikalischen Projekten von Thomas Rainer halten was man will, innerhalb der Szene sind sie durchweg erfolgreich und da machen auch die wiederbelebten L’Âme Immortelle keine Ausnahme. Natürlich zieht Frontfrau Sonja Kraushofer gleich zu Beginn alle Blicke auf sich und eröffnet das Set mit Als die Liebe starb, in dessen Verlauf dann auch der schwarzhaarige Österreicher die Bühne betritt. Sonja besitzt eine Gabe für aufsehenerregende Blicke und da muss der Tanzdiktator Thomas Rainer schon alle Boyband-Register ziehen, um mit seiner verzerrten Stimme mitzuhalten. Den Fans gefällt das stimmliche Ping-Pong-Spiel aus böse verzerrt und sanft-verträumt, schließlich hatte man diese Kombination in den letzten Jahren nur recht selten zu Gesicht bekommen. Szenehits wie Bitterkeit oder Life Will Never Be The Same Again sorgen schlussendlich für zufriedene Gesichter bei den Fans, denen als nächstes ein absoluter Festival-Dauerbrenner ins Haus steht. Denn Mono Inc. sind nicht nur ständige Begleiter einschlägiger Festivalbesucher, sondern lassen schon zu Beginn die Flammen lodern. Kurz nach dem Startschuss mit Arabia schießt Pyro-Feuer gen Himmel und es folgt ein Feuerwerk ihrer größten Hits, darunter Gothic Queen, Get Some Sleep oder Voices Of Doom, sowie Songs ihres neuen Albums Terlingua, zu denen dann auch endlich die neuen Cowboyhüte zum Einsatz kommen. Die Stimmung ist wirklich klasse, allerdings sieht man jetzt auch deutlich, dass längst eine neue Ära in der Szene angebrochen ist, mit der viele Ältere nichts mehr anfangen können. Zum Ende gibt es noch ein lautes und verdientes „Danke“ von Band und Fans an die Blackfield Veranstalter, bevor die aktuelle Single Tag X das Mono Inc. Set beschließt. Und dann ist es schon soweit… Den Urgesteinen Project Pitchfork ist es vorbehalten, als letzter Act das wohl letzte Blackfield Festival zu verabschieden. Und das machen Sie richtig fett mit 3 Drummern und allem was dazugehört. Auch songtechnisch wird hier alles gegeben und so schallen schon gleich zu Beginn Timekiller und Alpha Omega an unsere Ohren. Mit jedem Beat beginnt mein Herz nun schneller zu schlagen, genau so einen Abschluss hatte ich mir für das Blackfield gewünscht! Vergessen sind einige Bands des Wochenendes, die mich einfach nicht abholen konnten und bei denen ich froh war, dass man im Amphitheater auch mal einfach nur gemütlich auf den Stufen chillen oder sich auf der Händlermeile umsehen und an den Verzehrständen stärken kann. Project Pitchfork reißen das alles raus, jetzt geht die Post ab und ich bin selig. Souls, Conjure, K.N.K.A., sie alle gehören zum Set und machen mir deutlich, warum ich mich in dieser Szene immer zuhause gefühlt habe. Danke dafür an Peter Spilles und seine Crew!
Der größte Dank geht aber natürlich von meiner Seite an die drei Veranstalter des Blackfield Festivals, Peddy, Dirk und Dirk – es war immer sehr schön bei euch und sollte es doch weitergehen oder mal ein Revival geben: Ich bin dabei. Danke!