Das E-Werk war zu Beginn der Vorband mäßig gefüllt, dies änderte sich aber noch stark zum Anfang der Hauptband, so dass man sagen kann, dass die Halle fast an ihre Kapazitätsgrenze kam.
Bevor jedoch der ersehnte Hauptact die Bühne betrat, wurde zunächst ein Einspieler für eine Organisation gezeigt, welche Kriegsflüchtige unterstützt. Die Reaktionen darauf waren im Publikum sehr verschieden, während die Einen pfiffen und die Anderen sie dafür kritisierten, kommentierten die Nächsten es zynisch. Danach kam die Band immer noch nicht auf die Bühne, denn sie schickten zuvor noch einen jungen Mann im Anzug vor die Menge, welcher auf das 20-jährige Bandjubiläum zu sprechen kam und anschließend jedes der Bandmitglieder persönlich anmoderierte. Endlich war es dann soweit, die Band um Frontmann Dirk von Lowtzow kam auf die Bühne, begrüßte die Menge und erklärte, dass sich der folgende Song mit dem Thema Auferstehung auseinandersetzt. Damit war der Song Im Keller gemeint, welcher sich thematisch mit ihrem diesjährigen Comeback und ihrem gestiegenen Alter in der Deutschrockszene befasst. Von Lowtzow formulierte zu fast jedem Song den sie spielten ein bis zwei einleitende Sätze. Manchmal philosophisch und manchmal auch sehr abstrus und unverständlich, so gesehen also sehr passend zum Musikstil von Tocotronic.
Mit ihrem vierten Song an diesem Abend, Meine Freundin und ihr Freund, gab es einen ihrer Klassiker zu hören, welchen sie schon 1995 auf ihrem ersten Album Digital ist besser veröffentlichten. Hierbei handelte es sich um einen sehr rau klingenden Song, bei dem ihre gesamte Livequalität zu tragen kam. Im nächsten Song, Vulgäre Verse, vom aktuellen Album wurden ruhigere Töne angeschlagen und der Fokus verschob sich vom Sound mehr auf die Lyrik. Aber auch das konnten sie auf der Bühne gut rüberbringen ohne die Stimmung zu drücken. Es folgte mit This Boy is Tocotronic eine ihrer erfolgreichsten Singleauskopplungen, bei der fast niemand mehr still stehen konnte. Dieser Wechsel von stimmungsvollen zu eher lyrisch wertvollen Liedern geschah mehrfach in der insgesamt 18 Songs langen Setlist des
Zu allen Liedern gab es eine visuelle Untermalung via Beamer auf den Bühnenhintergrund. Diese waren zum Teil einfach gestaltete Bilder, von denen verschiedenen Bildausschnitten gezeigt wurden oder kurze, sich über die Länge des jeweiligen Liedes wiederholende Videosequenzen. Wobei man sagen muss, dass es zum Teil schwer war, dabei den künstlerischen Wert oder die Verbindung mit dem jeweiligen Lied zu sehen/verstehen.
Als Fazit des Konzerts kann man nur sagen, dass sie ein ehrliches, geradeaus orientiertes Rockkonzert gespielt haben, welches bestimmt nicht durch innovative Lichteffekte oder sonstige Spielereien geglänzt hat, aber dennoch über die komplette Länge Spaß gemacht hat. Das gehobene Alter schadet ihnen merklich nicht und solange sie diesen Spaß an der Musik weiter auf der Bühne ausleben wollen, sollen sie es auch bitte machen.
Setlist Tocotronic:
01. Im Keller
02. Ich will für dich nüchtern bleiben
03. Drüben auf dem Hügel
04. Meine Freundin und ihr Freund
05. Vulgäre Verse
06. This Boy is Tocotronic
07. Sag alles ab
08. Aber hier leben, nein danke
09. Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools
10. Abschaffen
11. Exil
12. Alles wird in Flammen stehen
13. Auf dem Pfad der Dämmerung
14. Die Revolte ist in mir
15. Mach es nicht selbst
16. Jackpot
17. Hi Freaks
18. Warm und Grau
19. Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen (Z)
20. Wie wir leben wollen (Z)
21. 17 (Z)
22. Let There Be Rock (Z)
Autor: Kevin Linka
Fotos: Markus Hillgärtner