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BEADY EYE & STEVE CRADOCK – Köln, E-Werk (14.03.2011)

BEADY EYE & STEVE CRADOCK - Köln, E-Werk (14.03.2011)

Zwei wirklich gute Songs („The Roller“, „Four letter word“) und ansonsten durchschnittliche Britpopware machen ein Debüt nicht wirklich zu einem Aufhorcher, so mag man denken. Heißt die dazugehörige Band allerdings Beady Eye, und kennt man ihre Vorgeschichte, so ist es nicht wirklich überraschend, dass 51:34 Minuten „Different gear, still speeding“ reichen, um das Kölner E-Werk auszuverkaufen und eine Begeisterung zu entfachen, die zeigt, dass im Britpop im Allgemeinen und bei den Gallaghers im Speziellen Gesetzmäßigkeiten wenig gelten. Ob der überschwängliche Enthusiasmus gerechtfertig ist oder nicht, lass ich dahingestellt sein. Objektiv betrachtet muss man dies sicherlich verneinen, mit der Fanbrille auf der Nase ist sie allerdings sehr gerechtfertigt.

Nie kam man Liam Gallagher näher als an diesem Abend (das Oasis Gloria Radiokonzert von einigen Jahren mal außer Acht gelassen), spielte doch die musikalisch logische Oasis-Nachgeburt oder – wie ich es in letzter Zeit oft im Radio gehört habe – Oasis ohne Noel (was für ein Unsinn) im relativ überschaubaren E-Werk. Da reichte die Enge sogar zum Abklatschen mit den ersten Reihen. Was für eine nie gesehen Fannähe!

Beady Eye setzen nahtlos dort an, wo dreiviertel der Band vor gut zwei Jahren aufgehört haben. Sie schreiben Songs. Liam Gallagher, Gem Archer und Andy Bell machten dies bereits auf den letzten Oasis Alben und nun eben hauptverantwortlich bei Beady Eye. Dass da kein großer Stilbruch zur Vorgängerband zu erwarten ist, war klar. So wurde „Different gear, still speeding“ ein merkwürdiges und typisch britisches Album. Kinks, Beatles, Status Quo. Uninspiriert, altbacken und schlecht zitierte Britbeatmelodien über dreizehn Songs auf der einen aber auch quasi Evergreens mit „The Roller“ oder „The beat goes on“ auf der anderen Seite.

Muss man das mögen, kann man das hassen? Ja und nein.

Die Geburt von Beady Eye fiel auf denselben Tag wie der Tod von Oasis, auf den 28. August 2009. Minuten vor einem Auftritt beim Pariser Rock-en-Seine-Festival eskalierte ein Streit zwischen den Gallagher-Brüdern, Liam soll Noels Gitarre zerstört haben. Noel verließ die Band. Liam und die anderen drei gingen zurück ins Hotel und beschlossen an der Bar, weiterzumachen. Allen war klar, dass sich ihre Zukunft nicht unter dem Namen Oasis abspielen wird".

Als der Bandname verkündet wurde, raunzte Noel: „Der Typ hat ein Jahr Zeit, sich einen Namen zu überlegen und es fällt ihm nichts Besseres ein als Beady Eye‘?“

„Beady, Beady, Beady fucking eye“. Grölen kann man den Bandnamen wunderbar. Es ist die kleine britische Fan-Kolonie, die für Stadionatmosphäre vor dem E-Werk sorgt. Gerade biegt der Tourbus um die Ecke, gute zwei Stunden vor Konzertbeginn. Ich finde es immer wieder überraschend und lustig zu gleich, den Enthusiasmus englischer Musikfans auf Konzerten zu beobachten. Heldenverehrung über alle Maßen. So etwas können wir nicht, wir verehren anders. Wie muss ein Heldenkonzert erst auf der Insel sein? Ich kann es mir nur schwer vorstellen. Die Band war also vor Ort, der gespielte Größenwahn konnte beginnen.

Aber bevor Liam Gallagher, Andy Bell, Gem Archer, Chris Sharrock und die live zur Band gehörenden Jeff Wootton und Matt Jones an Bass und Keyboards die Bühne betreten, ist Stevie Cradock mit seiner Band an der Reihe.
Stevie Cradock, früher Ocean Color Scene, heute ständiger Gitarrist in der Paul Weller Band. In dieser Funktion habe ich ihn schon oft gesehen, nun erlebte ich sein Solodebüt. Er präsentierte Songs seines zweiten Soloalbums. Das erscheint im April und beinhaltet, wenn ich das aus diesem ersten Höreindruck richtig schließe, typisch britisches Songwriting. Ein bisschen Weller, ein bisschen La’s. Das geht immer, damit macht man nur selten etwas verkehrt. Im September kommt Steve Cradock erneut nach Köln, zuvor spielt er beim allseits beliebten Haldern Open Air. Also mehr als eine gute Gelegenheit, diesen ersten Höreindruck ein weiteres Mal live zu vertiefen.

Es war ein guter Start in den Abend, auch wenn die feinen Akustikparts im E-Werk ob der Größe der Halle nicht hundertprozentig zum Vorschein kamen. Auch das Publikum schien nur bedingt etwas mit der guten halben Stunde der Steve Cradock Band anfangen zu können. Es war spürbar unruhig im Innenraum.
Die Unruhe legte sich um kurz vor halb neun.

Liam rotzte zweimal auf die Bühne, dann konnte die große Beady Eye Show beginnen. „Four letter word“. Ein Brett, um nicht zu sagen, das Beady Eye Brett bisher, direkt zu Beginn. Wow, impulsiver hätten sie nicht in den Abend starten können. Als wollten sie den Schwung der Umbaupausenmusik mitnehmen.

Wer passt hier nicht hinein? The Who, Iggy Pop, The Sex Pistols, The Jam, The Stone Roses, Beady Eye?

Aus zwei Gründen Beady Eye. Erstens: Alle sonst genannten Bands sind große Bands, und zweitens: Alle übrigen Bands bestritten die Umbaupausenmusik. Und die war – wie oft bei sogenannten Britpopkonzerten – der Knaller. Allein die letzten Minuten vor Konzertbeginn waren ein erstklassiger Marsch durch 30 Jahre Musikgeschichte: My generation, Lust for life, God save the queen, English rose, I am the resurrection.

Und dann „Four letter word“. Nicht dass dieser Song schon Musikgeschichte wäre, aber er passte perfekt in den Augenblick. Das E-Werk dampfte. „Beatles and Stones“ (hat nichts zu tun

BEADY EYE & STEVE CRADOCK - Köln, E-Werk (14.03.2011)
mit dem tollen House of love Song) und „Millionaire“ vervollständigten die erste Viertelstunde. Das ging gut los, und mein erster Eindruck ist: Beady Eye kommen energiereicher rüber als Oasis. Der Sound ist wuchtiger, die Lichtshow „aggressiver“ – soweit Lichtshows das sein können.

Ohne einen zweiten Frontmann konzentriert sich das Augenmerk allein auf Liam Gallagher. Und der zeigt wieder, dass er der derzeit charismatischste Frontmann der Welt ist. Man möge von ihm halten, was man wolle, aber auf der Bühne ist seine Präsenz unerreicht. Jede Bewegung, jedes nach den Songs in Mikrofon genuschelte „a nice one“ strotzt nur so vor Arroganz und Coolness. Großartig!

Einmal jedoch kommt er ins Straucheln. Die ersten Momente des Beatles Cover „The beat goes on“ passen so überhaupt nicht. Es dauert eine gute Strophe bis Liam sich in den nasalierten Lennon-esken Gesang eingefunden hat und die Töne trifft. Der Rest des Songs ist kick and rush, ein Kampf gegen die Melodien.

Zu diesem Zeitpunkt ist das Konzert schon fast beendet. Seinen grünen Parka aus eigener Kollektion hat er angeschwitzt. Schlechte Stoffqualität, schlechter Feuchtigkeitstransport? So warm ist es im E-Werk eigentlich nicht. „Er könne ja nicht nackt auf der Bühne stehen“, erzählte Liam Gallagher heute Morgen in einem Interview, „daher der Parka.“

Überdies sieht das verdammt nach Mod aus.

In einer knappen Stunde spielen Beady Eye bis auf „Wigwam“ ihr Debütalbum komplett runter. Mehr kann man nicht erwarten, mehr erwartet niemand.
Also Zusatz gibt es die B-Seite Sons of stage (“Bring the light“). „Man of misery“ vervollständigt endgültig das Set.

Nach dem Konzert sind die Gesichter leer. Was war das jetzt für ein Abend? Wie soll man ihn einordnen? Ich kann diese Fragen nicht so recht beantworten. Es war irgendwie überragend, irgendwie aber auch nicht. Möge das in den nächsten Tagen jeder mit sich selbst ausmachen. Fest steht, diese Band ist nicht so schlecht wie einige ihrer Songs.

Don’t look back in anger.

Setlist:
01. Four Letter Word
02. Beatles and Stones
03. Millionaire
04. For anyone
05. The roller
06. Wind up dream
07. Bring the light
08. Standing on the edge of the noise
09. Kill for a dream
10. Three ring Circus
11. The beat goes on
12. Man of misery
13. The morning son
14. Sons of the stage (World Of Twist Cover) (Z)

Bilder des Konzerts befinden sich in unserer Konzertfotos Sektion (Bildkommentare sind durch Anklicken der Sprechblase möglich) oder direkt durch Anklicken des jeweiligen Bandfotos. Leider durften die Fotos von Beady Eye selbst gemäß Vertrag nur 60 Tage verwendet werden und sind daher nicht mehr auf unserer Seite zu finden…

Steve Cradock:

Autor: Frank Struwe
Fotos: Michael Gamon

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