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Christmas Ball Festival 2010 – Köln, Theater am Tanzbrunnen (27.12.2010)

Christmas Ball Festival 2010 - Köln, Theater am Tanzbrunnen (27.12.2010)

Die Christmas Ball Festivals gehören seit dem Jahre 2007 zu Weihnachten, wie Spekulatius oder Spritzgebäck und fanden natürlich auch 2010 wieder statt. Dieses Mal waren Hannover, Köln, Würzburg und Berlin die Anlaufstellen. In Hannover übernahmen die spaßigen Synthpopper And One den Spot des Headliners, bei den drei anderen Terminen die Gothrocker Fields Of The Nephilim. Doch auch der Rest des Lineups konnte sich sehen lassen, denn Project Pitchfork sind für ihre großartigen Konzerte ebenso bekannt, wie Laibach ihre Fans sprichwörtlich magnetisch anziehen und jedes Konzert zu einer Kultveranstaltung machen. Komplettiert wurde das Programm durch die von Agonoize und Faderhead vertretene Electro-Fraktion. Wir waren für euch im Kölner Theater am Tanzbrunnen dabei.

Der Startschuss für den inoffiziellen dritten Weihnachtstag wurde vom Aggrotech- Elektro- Projekt Faderhead [GALLERY] gesetzt. Wo es vor der Bühne auf dem Amphi Festival diesen Jahren noch eng war und gedrängelt wurde, hatten die Fans des Hamburgers an jenem Tag genug Platz, um vor der Bühne ausgiebig den angefutterten Weihnachtsspeck wieder abzutanzen. Faderhead Sami Mark Yahya wurde von XP8-ler Marco Visconti auf der Bühne tatkräftig unterstützt und so konnte Song für Song von der etwas höher angelegten Bühne hinunter in die tanzende Menge drängen. Einige Songs wie beispielsweise „Acquire The Fire“ erinnern im ersten Moment stark an Combichrist, lassen aber die starke Dynamik auf der Bühne vermissen, so dass Faderhead trotz energiegeladener Show stets hinter derartigen Elektrogrößen etwas zurück zu bleiben scheint. Dennoch freute sich Mr. Faderhead enorm über die erschienenen Gäste, stieß direkt mit ihnen auf den tollen Abend an und genehmigte sich einen Schluck aus seiner Flasche, von der er behauptete, nicht zu wissen, was darin sei. Auch seine Fans konnten eine ordentliche Ladung aus der mysteriösen Pulle ergattern, womit er sie noch weiter anheizte, ordentlich mit ihm zu feiern. Faderhead präsentierte eine gelungene Mischung aus seinen bisherigen Stücken, wobei der Schwerpunkt deutlich auf dem aktuellen Album „Black Friday“ lag. Neben den neueren Stücken wie „Escape From The Machine“, „Baby Firefly“ und „Destroy Improve Rebuild“ durften aber auch Dancefloor- Hymnen wie „TZDV“, „ZigZag Machinery“ und „Dirtygrrls Dirtybois“ nicht fehlen. Für den, der es mag, war der Auftritt Faderheads sicherlich extrem gelungen. Einige verausgabten sich sogar so sehr, dass die Halle in deren Umgebung schon roch, als wurde in ihr bereits seit Tagen nur getanzt.

Weiter ging es mit den üblichen Verdächtigen von Agonoize [GALLERY]. Das Aggrotech- Projekt um Frontmann und Rampensau Chris L. ist seit Jahren nicht mehr wegzudenken von Events wie diesem, gleichwohl einige sicher durchaus auf die Omnipräsenz des psychisch leicht angeknackst wirkenden Projekts verzichten könnte. In der Pause spielten die Veranstalter – wie für Vorbereitungen auf Agonoize Auftritte gewöhnlich – zahlreiche Schlager ein. „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ – die Frage ist wohl eher, wer in wenigen Momenten wieder knallrot mit Blut verschmiert sein würde.

Von einem Intro wurden die Jungs von Agonoize auf die Bühne begleitet; Chris war gefangen in einer Zwangsjacke und sein Gesicht war blutig und verwundet – eigentlich wie immer. Er stimmt die ersten Töne an und schaut sich wie im Wahn immer wieder in alle Richtungen um. Bei „Schaufensterpuppenarsch“ hatte er sich schließlich aus der verworrenen Jacke befreit und sang und schrie die skurrilen Verse. Teilweise sah er wirklich unheimlich, nein, wirklich krank aus. Zumindest seine Rolle auf der Bühne spielte er wie immer gut, auch wenn man sich nicht wirklich sicher sein kann, wie viel Prozent wirklich Show ist und was von der Persönlichkeit Chris’ tatsächlich mit einfließt. Bei „Bis Das Blut Gefriert“ war es nun langsam an der Zeit, das erste Blut in die Menge zu befördern. Wie gelegen kam Chris da das Messer, das er zu Beginn des Songs in seinem Mund auf die Bühne brachte und zwischendurch sowohl auf sich als auch auf die Fans richtete. Schwubbdiwubb- und da war dann auch schon die Pulsader des linken Arms durch und Unmengen Kunstblut strömten hinaus und spritzten in die Menge. Und es dauerte auch gar nicht lange, da wurde ein- zwei Songs später auch schon die Halsschlagader mit durchgeschnitten. Nun stand er da, vollgeblutet, aber stets vergnügt singend. Faszinierend wie oft sich ein Mensch alle möglichen großen Körperarterien aufschneiden kann, ohne dass etwas Ernsthaftes passiert. Um ehrlich zu sein, wäre es wünschenswert, wenn die Band sich für die Auftritte im neuen Jahr eine spektakulärere Show ausdenken würde, denn allmählich bin zumindest ich müde von Blut, Selbstmord und dergleichen, die wir bei Agonoize stets auf der Bühne antreffen. Der Kracher „Koprolalie“ rundete den Auftritt ab – natürlich war der Song auch hier wieder nur dann gelungen, wenn Imitate von Körperflüssigkeiten auf der Bühne in Wallung kamen und zu fließen begannen.
Wie dem auch sei, die Songs waren unverändert gut und tanzbar. Die Show war ebenfalls unverändert, aber leider nicht mehr so gut.

Setlist Agonoize:
01. Intro
02. A Cut Inside My Soul
03. Schaufensterpuppenarsch
04. Bis Das Blut Gefriert
05. Alarmstufe Rot
06. Death Murder Kill
07. Staatsfeind
08. Bäng Bäng Goodbye
09. Femme Fatale
10. Koprolalie

Als nächsten Act erwarteten wir die Slowenen Laibach [GALLERY], die leider im Sommer auf dem M’era Luna ganz und gar nicht überzeugen konnten. Daher waren meine Erwartungen an den Auftritt jenes Abends auch nicht besonders groß. Dennoch üben die Mitbegründer der Neuen Slowenischen Kunst stets eine derartige Anziehungskraft aus, dass ich ihnen den Ausreißer auf dem M’era Luna nicht übel nehme und ihren Auftritten auch in Zukunft beiwohnen möchte. Das 1980 in Jugoslawien gegründete Musikprojekt ist abwechslungsreich wie kein anderes, weswegen es einem schwer fällt, Laibach musikalisch wirklich richtig einzuordnen. Neben Songs, die eine ganz deutliche Industrial- Basis vermuten lassen, haben sich die Mannen um Kopf Milan Fras auch zahlreiche sphärische, drückende und düstere Stücke zu Eigen gemacht. Der Hang zu den Begriffen Heimat, Ehre, Arbeit und Kampf/Krieg ist in jedem ihrer Songs deutlich zu spüren.

Als das slowenische Intro erklang, wurde die Halle des Tanzbrunnen Theaters komplett verdunkelt. Die Stimmung war angespannt, wollte doch jeder endlich wissen, was da kommen möge. Nach einer kurzen Dunkelphase schaltete sich die große Bühnenleinwand ein, auf der Szenen in schwarz- weiß, die mit der Thematik der oben genannten Begrifflichkeiten assoziiert waren, abliefen.
Als dann die ersten Töne erklangen, war klar, dass es ein guter Auftritt werden würde, denn statt düsterer Melancholie wie auf dem M’era Luna, war die Dunkelheit an jenem Tag viel mehr treibend und überraschend gut. Immer wieder waren auch kurze Verse oder Anweisungen auf der Leinwand zu sehen wie „Schreite mit uns zum neuen Lichte empor“ beim Song „Brat Moy“. Stimmstärke bewies Milan bei jedem einzelnen Ton und man war von der Show richtig gefesselt, obgleich alles etwas unheimlich und beängstigend wirkte. Immer wieder huschten sowohl industrielle als auch sexuelle Bilder über die Leinwand und gepaart mit den verschiedenen Texten war die Leinwandshow schon sehr vereinnahmend. Der Ton stand neben dem vereinnahmenden Bild natürlich nicht zurück und so wurden verschiedenste Songs aus diversen Schöpfungsjahren Laibachs zum Besten gegeben, darunter verschiedene slowenische Songs, die amerikanische Nationalhymne sowie der Song „Turkiye“. Natürlich durfte auch das allseits bekannte „Tanz Mit Laibach“ nicht fehlen, bei dem die Stimmung im Theatersaal unheimlich gut und ausgelassen war. Beim D.A.F. Cover „Alle Gegen Alle“ ging dann auch die Band auf der Bühne so richtig ab. Beendet wurde das abwechslungsreiche Set passenderweise mit „Das Spiel Ist Aus“. Ein wahrlich gelungener Auftritt!

Nachdem die Stimmung bei Laibach schon ordentlich aufgeheizt wurde, freute ich mich nun umso mehr auf meinen Favoriten an diesem Abend. Project Pitchfork [GALLERY] konnten bereits beim Amphi Festival im Sommer überzeugen; ob sie es auf demselben Gelände abermals schaffen oder sich selbst sogar noch übertreffen würden? Man durfte gespannt sein. Zumindest kann die seit Anfang der 90er bestehende Formation um Frontmann Peter Spilles für dieses Jahr zahlreiche erfolgreiche Auftritte sowie ein einmalig geniales Album verbuchen.

Bemalt und wie gewohnt energiegeladen betrat dann schließlich die Band die Bühne und legte mit dem Kracher „Conjure“ sofort ordentlich los. Ein Kracher kam an diesem Tag bei Pitchfork jedoch nicht allein und so wurde direkt mit „Endless Infinity“, einem absolut tanzbaren und treibenden Stück von der aktuellen Platte, direkt nachgelegt. Die Band und das Publikum hatten sichtlich Spaß an der Sache und so war es auch nicht verwunderlich, dass direkt mit dem Dancefloor- Klassiker „Timekiller“ weitergemacht wurde. Die Beats und Peter Spilles dunkle, brummende Stimme schrien einem von der Bühne nur so entgegen und steckten die gesamte Band an, die ebenfalls ordentlich abfeierte, was beispielsweise für einen Carsten Klatte (Gitarre) nicht allzu gewöhnlich ist, aber mehr und mehr zu seinem Naturell wird. „Souls“ bildetet relativ früh im Set einen angemessenen Ruhepunkt, um einen Moment zu verschnaufen und in sich zu gehen. Die Stimmung bei diesem gefühlvollen und ergreifendem Stück war einfach unbeschreiblich und es fühlte sich alles plötzlich so vertraut an, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gemacht, als dieser genialen Synth- Rock Band zuzuschauen und zuzuhören. Schnell wurde man aber mit „Beholder“ – ebenfalls vom aktuellen Album „Continuum Ride“ – wieder zum tanzen und feiern bewegt. Und es ging mit den darauffolgenden Songs wie „Carnival“ oder „The Longing“ ebenso gut weiter, wie es begonnen hatte. Der Auftritt Project Pitchforks war ein Nehmen und Geben: Die Band gab uns die Musik und wir gaben ordentlich Stimmung zurück, worauf hin die Band noch mehr Gas gab und unsere Stimmung abermals anhob. Als mehr als nur gelungen kann dieser einmalige Auftritt verbucht und in meinem Erinnerungsschatz abgespeichert werden. Große Klasse!

Setlist Project Pitchfork:
01. Conjure
02. Endless Infinity
03. Timekiller
04. En Garde
05. Souls
06. Beholder
07. Human Crossing
08. Carnival
09. Continuum
10. The Longing
11. Fire & Ice
12. Existence
13. Rescue

Ganz besonders hatte ich mich im Vorhinein auf den Auftritt der britischen Gothicrock Legende Fields Of The Nephilim [GALLERY], dem Headliner der diesjährigen Christmas Ball Festivals gefreut. Schon vor 27 Jahren gründete Frontmann Carl McCoy die Band und die stets in mehligen Lederkutten gehüllten Mannen etablierten sich seinerzeit schnell neben The Cure, The Mission und den Sisters Of Mercy an der Sperrspitze der wavigen Rockmusik. 1991 folgte dann der Split und die Mitglieder verteilten sich in aller Herren Formationen (Nefilim, Rubicon), bis Carl die Fields 2005 mit neuen Bandmitgliedern reformierte und es seither zu einem neuen Album (Mourning Sun) und einigen Festivalauftritten kam. Schon 2009 traten die neu gegründeten Fields dabei auch am Kölner Tanzbrunnen auf, da aber im Rahmen des Amphi Festivals auf der Openair-Bühne der Location. Nun also auf der Theaterbühne, welche der Band spürbar besser zu Gesicht stand. Mit überraschend wenig Nebel umhüllt betraten zunächst die vier Mitmusiker beim Intro die Bühne, bevor Mastermind Carl bei „Shrout“ nachfolgte und in der Folgezeit klar im Mittelpunkt des Geschehens agierte.

Der Sound war atmosphärisch wie eh und je und das Set reichte von getragenen Nummern der Marke „Love Under Will“ und „Sumerland“ über Klassiker wie „Psychonaut“ und „Moonchild“ bis hin zu schnelleren und härteren Stücken a la „Chord Of Souls“ oder „Preacher Man“. Carl’s Stimme hatte auf mich dabei immer noch die gleiche hypnotische Wirkung wie vor mehr als 20 Jahren, als sie mich bereits voll und ganz in ihren Bann zog und ich das Gefühl bekam mit der Musik zu verschmelzen. Auch dieses Mal war ich sprichwörtlich im höllischen Himmel. Einziger Wehrmutstropfen: Auf den Übersong „Last Exit For The Lost“, jenes knapp zehnminütige Epos, das sich von Minute zu Minute steigert und alle Stärken der Band voll ausspielt, musste man heute leider verzichten. Schade, aber auch so waren die Fields ein würdiger Headliner der Show und entließen die glücklichen Fans gegen 2 Uhr nachts hinaus in die dunkle, kalte Nacht.


Setlist Fields Of The Nephilim:

01. Shroud (Exordium)
02. Straight to the Light
03. Preacher Man
04. Watchman
05. Love Under Will
06. Endemoniada
07. Moonchild
08. From the Fire
09. For Her Light
10. Sumerland (What Dreams May Come)
11. Psychonaut
12. Chord of Souls
13. Mourning Sun (Z)

Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands können durch Anklicken der entsprechenden Fotos oder GALLERY-Links erreicht werden.

Bericht: Tanja Pannwitz (FOTN: Michael Gamon)
Fotos: Michael Gamon

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