Am Wochenende des 24. und 25. Juli 2010 fand zum seither 6. Mal das Amphi Festival im Kölner Tanzbrunnen statt und konnte einen neuen Besucherrekord feiern. Waren es im vergangenen Jahr noch rund 12.000 Fans und Freunde der dunklen, vorrangig elektronischen Musik, so konnten die Veranstalter in diesem Jahr 16.000 Besucher aus Deutschland und der ganzen Welt verbuchen. Ein weiterer Rekord und ein weiterer Beweis dafür, dass das Amphi Festival langsam aber sicher aufschließt an Festivals in der Größenordnung von WGT und M’era Luna. Bereits einige Wochen zuvor waren sämtliche Tages- und Wochenendtickets ausverkauft gewesen ? mit gutem Grund! Das Line- Up ließ keine Wünsche offen, fand doch ein wahres Gipfeltreffen der Szenegiganten statt. Ob Skinny Puppy, Project Pitchfork, Frontline Assembly, Anne Clark, And One, Eisbrecher, ASP oder Combichrist ? zufrieden ging sicherlich jeder Besucher schlussendlich vom diesjährigen Amphi Festival nach Hause.
Abgesehen von dem hochkarätigen Line- Up haben sich die Schwachpunkte des Festivals allerdings wenig gebessert. Immer noch waren die Preise für Speis und Trank verhältnismäßig hoch und die Sitzmöglichkeiten, um das Erworbene zu sich zu nehmen, zu gering. Das ließ allerdings wie in den vergangenen Jahren die gute Grundstimmung nicht trüben und so wurde auf und vor den Bühnen gefeiert, was das Zeug hielt.
Pünktlich um 12.00 Uhr fielen am Samstagmittag auf dem Tanzbrunnen- Gelände die Startschüsse für den ersten Act des Tages auf der Hauptbühne. Eröffnet wurde das Festival von den Gewinnern des am Vorabend ausgetragenen New Talents Specials. Die Band Zin aus Leipzig konnte die Fans begeistern und sich bei dem Wettbewerb gegen ihre 3 Konkurrenten durchsetzen und sich somit eine Spielposition auf dem Amphi Festival sichern. Wie am Vorabend konnte die Formation um Sänger Iven Cole auch Samstagmittag die Besucher in ihren Bann ziehen und wurde mit verdientem Applaus entlohnt.
Nach dem erfolgreichen Festivalstart ging es im Staatenhaus mit dem Industrial- Nebenprojekt von Chris Pohl (Blutengel, Terminal Choice) Miss Construction weiter. Miss Construction begeisterten ihre Fans unter anderem mit dem Terminal Choice Cover ?Totes Fleisch? und dem poppigen ?Kunstprodukt?. Fans von Chris Pohls Künsten bekamen hier auf jeden Fall Lust und Appetit auf den nahenden Auftritt von Blutengel.
Auf der Mainstage ging es unterdessen bereits mit der New Wave-/ Elektro- Band Din [A] Tod [GALLERY] weiter. Die 2003 gegründete, experimentierfreudige Band um Sven und Claudia hat es sich zur Aufgabe gemacht, anders zu klingen als andere Bands der Szene. Frühe 80er- Jahre- Sounds im minimalistischen Kleid trifft man heutzutage nicht regelmäßig an und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich nicht nur die treue Fanschar sondern auch viele neugierige Amphi- Besucher vor der Bühne versammelt hatten und sich bei Ohrwürmern wie ?Some Kind Of Hate? oder ?Vorwärts? langsam warm tanzten und vor allem klatschten. Der Minimalismus spiegelte sich dabei nicht nur als musikalische Begleiterscheinung, sondern auch auf der Bühne selbst wieder: wenig Schnick- Schnack und für Sänger und Gitarrist Sven fiel auch die Beinbekleidung etwas minimal aus, trug er doch an diesem noch relativ frischen Samstagmittag nur kurze, sportliche Shorts im 80er- Jahre Stil. Ein insgesamt gelungener Auftritt einer sympathischen Band stimmte uns auf einen ereignisreichen Nachmittag ein.
Im Staatenhaus hatten es sich derweil schon Destroid [GALLERY] auf der Bühne bequem gemacht und empfingen uns mit einer Mischung aus feiner Elektromusik und harten EBM- Klängen. Mit Destroid ist Multitalent und Soundkünstler Daniel Myer (Haujobb, Covenant) ein weiteres Projekt eindeutig gelungen. Unterstützt wird Myer hierbei von Keyboarder und Programmer Sebastian Ullmann. Auf der Bühne jedoch nahte weitere musikalische Unterstützung durch Live- Drummer Achim Färber (Project Pitchfork) sowie einem weiteren Keyboarder. So heizte also ein gut gelaunter und im Vergleich zum Covenant- Auftritt auf dem e-tropolis in Berlin deutlicher entspannterer Daniel den Besuchern mit Songs wie ?Revolution?, ?Judgement Throne? oder dem absolut tanzbaren The Sisters of Mercy Cover ?Lucretia, My Refletion? von der aktuellen EP ein. Destroid stellten sich in meinen Augen als absolute Entdeckung und Überraschung des Tages dar. Das restliche Publikum sah das anscheinend ähnlich und so erhielt das innovative Projekt eine Menge verdienten Applaus und somit die nötige Anerkennung für ihre starke musikalische Leistung auf der Bühne.
Setlist:
01. Silent World
02. Friend Or Foe
03. Revolution
04. Run And Hide
05. Mourn
06. Leaving Ground
07. Lucretia My Reflection (Sisters Of Mercy Cover)
08. Judgment Throne
Draußen auf der Mainstage ging es musikalisch nun etwas härter zu. Die Stuttgarter Goth- Rock Band End of Green [GALLERY] hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Fans mit Hits wie ?Drink Myself To Sleep?, ?Nice Day To Die? und Co zum Rocken und vor allem zum Headbangen zu bringen. Auch die Neuerscheinung ?Goodnight Insomnia? durfte zu einem gelungenen Auftritt nicht fehlen. Sänger und Gitarrist Michelle Darkness und seine Mannen schafften es unter Körper- und Haareinsatz die Menge zu begeistern und animierten neben den eindeutig zu identifizierenden Goth- Rock- Fans auch viele andere Besucher zum mitmachen. End of Green stellten somit eine willkommene Abwechslung zu den das Festival dominierenden Electro- und Industrialbands dar.
Waren auf der Hauptbühne die harten Gitarrensounds langsam verklungen, so begann im Staatenhaus bereits Faderhead [GALLERY] aus Hamburg die Besucher und Fans mit seinen elektronischen und eingängigen Sounds in eine tanzende, bebende Masse zu verwandeln. Anhänger der Cyberszene befanden sich ganz in ihrem Element und hatten sich, bewaffnet mit Knicklicht und Leuchtkugeln, an den Seiten der Halle Platz geschaffen, um ihre ausgefeilten Tänze darzubieten. Vor der Bühne gab es von Faderhead eine Ladung Wodka in die Menge (und auf die Kameras der Fotografen) und von Song zu Song steigerte sich die Stimmung. Neben dem beliebten ?ZigZag Machinery? riss auch das Harsh- Elektro- Stück ?Destroy Improve Rebuild? vom neuen Album die Menge in den Bann und forderte entsprechende Bewegung. Unterstützung bekam der energiegeladene Faderhead von Daniel und Joe Meyer (SAM), die sich am Keyboard und in Form von Backing Vocals sinnvoll einbrachten.
Setlist:
01. Girly Show
02. Acquire The Fire
03. Electrosluts Extraordinaire
04. Zigzag Machinery
05. Destroy Improve Rebuild
06. Horizon Born (Electric Paradise Club Edit)
07. Houston
08. O/H Scavenger
09. Dirtygrrrls / Dirtybois
10. TZDV
Um pünktlich zum nächsten Act zu gelangen, bewegte sich ein Teil der gerade noch wild feiernden Masse in Windeseile wieder nach draußen, um dort von feinem Synthpop des schwedischen Duos Ashbury Heights [GALLERY] glücklich gemacht zu werden. Nachdem Yasmin Uhlin die Band Ende 2008 verlassen hatte, wurde ihr Platz mit der sympathischen Blondine Kari Berg besetzt, die ihrer Vorgängerin optisch und stimmlich gesehen in nichts nachsteht. Die Chemie zwischen Sängerin Kari und Kumpane Anders Hagström stimmt perfekt und so wurde dem Amphi- Publikum eine erotisch- exotisch angehauchte, kokette und spielerische Bühnenshow geboten. Charmant umgarnte Kari, die im Kimono über die Bühne huschte, immer wieder ihre Fans, liebäugelte zwischendurch mit dem energiegeladenen Anders und nach einem kleinen Patzer des Livekeyboarders Johan Andersson zu Beginn lief auch alles wie am Schnürchen. Das Augenmerk im Hinblick auf die Songs lag vorrangig auf der aktuellen Platte, von der es auch das eingängige ?Anti- Ordinary? zu hören gab. Ashbury Heights stellten sich als sympathischer Act heraus, der das Publikum zu unterhalten wusste und hauptsächlich zufriedene Fans zurück ließ.
Als nächstes erwartete uns im Staatenhaus die Berliner Future- Pop Band Solitary Experiments [GALLERY], die sich schon seit Jahren einer großen Anhängerschaft erfreuen darf. An diesem Festivalsamstag war die anwesende Fangemeinde allerdings überschaubar, was sicher auch an dem sich noch im Gange befindlichen Ashbury Heights Auftritt lag oder eben daran, dass der ein oder andere Besucher nach dem bereits durchlebten musikalischen Marathon sicher endlich einen Nachmittags- Imbiss zu sich nehmen wollte. Das alles tat dem Auftritt der Formation um Sänger und Texter Dennis Schober, der mit Solitary Experiment im vergangenen Jahr das 15-jährige Bandbestehen feiern durfte, jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil hatte man als tanzfreudiger Fan nun endlich in Bühnennähe etwas mehr Platz, um sich angemessen zu Songs wie ?Pale Candle Light? oder dem allseits bekannten ?Delight? zu bewegen. Frontmann Dennis heizte seinen Fans von Song zu Song mehr ein und somit war die Stimmung vor und auf der Bühne erwartungsgemäß super. Absolutes Highlight war für jeden Fan sicherlich das beliebte ?Seele Bricht? in der etwas treibenderen Version der Kollegen Feindflug.
Setlist:
01. Road To Horizon
02. Pale Candle Light
03. Immortal
04. Déjà Vu
05. Delight
06. Seele Bricht
07. Point Of View
08. Rise And Fall
Nächste Station des Tages waren Welle:Erdball [GALLERY], die wie gewohnt für die ein oder andere Überraschung zu haben waren. Dass das Minimal-/Electropop- Quartett um den einfallsreichen C64- Genie Honey stets mit einer unterhaltsamen und lohnenswerten Bühneshow daher kommt, ist sicherlich für niemanden etwas Neues. Auch schrecken Welle: Erdball vor keinem Song zurück, den man als Mensch covern kann und sei er noch so szenefremd. Nachdem Kraftwerks ?Die Roboter? und France Galls ?Poupée De Cire? mit C 64- Sounds von der Bühne schallten, erwartete die Fans ein außergewöhnliches Cover des Grand Prix Gewinnersongs aus dem Jahre 1982 ?Ein Bisschen Frieden? (Nicole). Um die Botschaft nicht nur musikalisch, sondern auch optisch zu unterstützen, machten Welle: Erdball es sich zur Aufgabe, die große Menschenmenge mit einer noch größeren Menge an roten Lamettaherzen zu besprühen. Glücklich sein und Freude haben – was dem ein oder anderen Fan beim seichten Geplänkel von ?Ein Bisschen Frieden? wohl als schier unmöglich erschien, funktionierte jedoch sofort wieder bei Welle: Erdball- eigenen Songs wie ?Ich bin aus Plastik? oder ?Starfighter F- 104G?. Honey, A.L.F., Plastique und Frl. Venus lieferten an diesem Amphisamstag das ab, was man von ihnen gewohnt ist und schon nahezu erwartet: Spaß auf der Bühne und mit den Fans.
Setlist:
01. Intro
02. Wir Sind Die Roboter (Kraftwerk)
03. Und Es Geht Ab
04. Fred Vom Jupiter (Andreas Dorau)
05. Poupee De Cire
06. Es Geht Voran (Fehlfarben)
07. Ein Bisschen Frieden (Nicole)
08. Schweben, Fliegen, Fallen
09. Ich Bin Aus Plastik
10. Die Falsche Front
11. 0173-1923954
12. Die Stunde: NULL
13. Monoton Und Minimal
14. Starfighter F104G
Parallel zu den Minimal- Electro- Göttern Welle:Erdball bekamen in der Halle vorrangig Cyberanhänger nahezu gottlosen Hellektro des One- Man- Projekts Nachtmahr [GALLERY] auf die Ohren. Thomas Rainer, der unter anderem bei L’âme Immortelle und Siechtum mitwirkte, hatte sich weibliche Unterstützung auf die Bühne bestellt. 4 junge Damen in Uniform, deren Einsatzgebiet im Gesamtkonzept der Darbietung allerdings noch ziemlich ungewiss erschien, standen auf der Bühne herum und da standen sie und standen und eigentlich tat sich nicht viel. Die treuen Fans hatten dennoch ihren Spaß, denn um ausgeklügelten Ausdruckstanz bei Songs wie ?Mädchen in Uniform? oder ?Tanzdiktator? zu betreiben, reichte die Show allemal und somit hinterließ sicherlich auch Nachtmahr zufriedene Menschen.
Setlist:
01. Deus Ex Machina
02. Leistung
03. Mädchen In Uniform
04. Boom Boom Boom
05. Tanzdiktator
06. War On The Dancefloor
07. Weil Ich’s Kann
08. Feuer Frei!
09. Katharsis
Hatte sich Chris Pohl mit seinem Projekt Miss Construction mittags im Staatenhaus zumindest schon mal geistig seinen Anhängern gezeigt, wurde nun mit größerem Geschütz in Form von Blutengel [GALLERY] auf der Mainstage aufgefahren. Die 1998 gegründete Electropop- Band bestehend aus Sänger und Schöpfer Chris Pohl und den Sängerinnen Constance Rudert und Ulrike Goldmann und ist dafür bekannt, in der Szene zu polarisieren. Viele lieben sie, viele hassen sie; Letzteres wahrscheinlich, weil Blutengel die Szeneklischees so sehr bedienen wie kaum eine andere Band, aber das Ganze trotzdem nicht so schlecht klingt und aussieht, wie man es sich schlecht reden kann. Demnach war es draußen vor der Mainstage brechend voll. Die Fans in den hinteren Reihe versuchten mit aller Mühe, einen Blick auf die Bühne zu erhaschen, auf der Chris an diesem Tag von Ulrike und einer anderen Sangesschönheit (aber nicht von Constance Rudert) begleitet und stets von seinen adretten Bühnenengeln umschwirrt wurde. Er gab dabei einen Blutengel- Hit nach dem anderen zum Besten. Neben älteren Songs wie ?Bloody Pleasures? oder ?Soul Of Ice? verleitete auch der neueste Hit ?Soultaker?, der gewohnt eingängig, im Vergleich zu älteren Stücken aber positiv weitergedacht daher kommt, zum Tanz. Alles in Allem lieferten Blutengel eine außergewöhnliche und exklusive Bühnenshow sowie eine durchdachte Setlist ab.
Setlist:
01. Behind The Mirror
02. The Oxidising Angel
03. Soul Of Ice
04. Winter Of My Life
05. Schneekönigin
06. Dreh Dich Nicht Um
07. Vampire Romance
08. Soultaker
09. Bloody Pleasures
10. Love Killer
11. Engelsblut
Parallel zu Blutengel kamen Funker Vogt [GALLERY] Fans im Staatenhaus auf ihre Kosten. Das Hamelner Elektroprojekt um Gründer Jens Kästel und Gerrit Thomas hat sich die Kriegs- und Militär- Thematik in ihren Darbietungen zu Eigen gemacht und sticht durch Authentizität und Professionalität auf der Bühne hervor. Im Gegensatz zu anderen Mitstreitern des Genres schaffen Funker Vogt es aber gerade in den letzten Jahren, diese Thematik nicht zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Show zu machen und gehen der Gefahr der Lächerlichkeit somit geschickt aus dem Weg. Das Kriegsgeschwader begeisterte seine Fans in gewohnter Funker Vogt Manier und schaffte es mit Hits wie ?White Trash? und ?Gunman?, dass in der Halle sicherlich kein Bein still stand.
Setlist:
01. Child Soldier
02. White Trash
03. Arising Hero
04. Date Of Expiration
05. Maschine Zeit
06. City Of Darkness
07. Thanatophobia
08. Subspace
09. Gunman
10. Tragic Hero
Im Anschluss ging es im Staatenhaus mit der Synth Rock Band The Crüxshadows [GALLERY] energiegeladen weiter. Der quirlige Sänger Rogue hatte seit Bandbestehen und vor allem in den vergangenen Jahren einiges an Besetzungsänderungen innerhalb der Band vorgenommen. Mit Cassandra Luger an der Gitarre, die sie seit 2009 im Rahmen von The Crüxshadows auf der Bühne spielt, und Johanna Moresco und David Woods an den Violinen, die seit 2008 dabei sind, scheint die Band eine optimale Konstellation gefunden zu haben. Wer The Crüxshadows kennt, der weiß, dass ihre Auftritte alles nur keine Langeweile verheißen. Und so war es auch am Samstagabend auf der abgedunkelten und mit Discolicht beleuchteten Bühne im Staatenhaus: es blitze, blinkte, die Tänzerinnen unterstützen Energiebündel Rogue durch eine perfekte, erotische Choreographie und musikalisch blieb kaum ein Wunsch offen.
Stimmungs- und gefühlvoll ging es auf der Mainstage mit Anne Clark [GALLERY] weiter. Mit 17 Alben und mindestens ebenso vielen Singles hat die musikalisch sehr begabte Formation um Wave- Ikone Anne Clark seit 1982 die Fans begeistert und kann somit auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. So ist es nicht verwunderlich, dass der Andrang an der Hauptbühne dementsprechend groß war und jeder Besucher gebannt auf die Bühne schaute, um ein bisschen Wave- Feeling zu erhaschen. Elektronische Klänge vom Feinsten getragen auf Folk-, Klassik- und teils Rockelementen drangen geschmückt mit Annes fast schon poetisch gesprochenen Texten an das Ohr und in den Kopf des Publikums. Ein Jammer, dass ein solcher Act auf einer Open- Air Bühne untergebracht wurde, wo doch diese von Anne Clark geschaffene Intimität und Wärme eigentlich in eine wesentlich atmosphärischere Umgebung gehört. Das Erschaffen einer solch angenehmen, tragenden Stimmung, wie es sich Anne Clark zu Eigen gemacht hat, bedurfte am Amphisamstag keiner weiteren großen Bühneshow, um zu wirken. Musikalisch wurde ein Spagat zwischen älteren und neueren Song erfolgreich gemeistert. Trotz der Statik auf der Bühne wurde jedoch zu dem wohl bekanntesten Song ?Our Darkness? vor der Bühne angeregt getanzt, auf "Sleeper In Metropolis" mussten die Fans allerdings, obwohl auf der Setlist vorhanden, verzichten.
Setlist:
01. The Third Meeting
02. Killing Time
03. Echoes Remain For Ever
04. Alarm Call
05. Short Story
06. The Healing
07. Waiting
08. Off Grid
09. Heaven
10. The Haunted Road
11. Seize The Vivid Sky
12. Full Moon
13. Our Darkness
14. Abuse
15. Boy Racing
Während sich die angetanen Festivalbesucher noch draußen von Anne Clark beflügeln ließen, ging es währenddessen im Staatenhaus bereits mit einem weiteren Highlight des Festivals weiter. Die ebenfalls aus dem Wave- Umfeld stammenden Szenegiganten Project Pitchfork [GALLERY] gaben sich die Ehre und gaben 60 Minuten einwandfreien Synth- Rock zum Besten. Auf die Hamburger Formation um Frontmann Peter Spilles hatten wir uns an diesem Abend ganz besonders gefreut. Leider trat die Band ohne den erkrankten Keyboarder Dirk Scheuber auf, was die Fans zu einem gemeinsamen Genesungsklatschen veranlasste. Musikalisch boten Project Pitchfork beliebte und bekannte Hits aus über nunmehr 20 Jahren Bandgeschichte, die kaum Wünsche offen ließen. Angestimmt wurde ihr Auftritt mit ?God Wrote? vom Album ?Chakra Red? aus dem Jahre 1997. Ebenso intensiv ging es weiter mit Stücken wie ?Conjure?, bei dem das Publikum absolute Textsicherheit bewies, und dem allseits bekannten ?Timekiller?, welches Spilles nebenbei als mittlerweile bestes Stück von And One, welche den Pitchfork- Klassiker coverten, deklarierte. Auch mit dem eingängigen Stück ?Endless Infinity? der am Vortrag erschienenen neuen Pitchfork- Platte ?Continuum Ride? heizte ein kraftvoller und stimmstarker Peter der Menge genauso ordentlich ein wie mit dem mitreißenden ?Darkness? vom Album ?Dream Tiresias? aus dem vergangenen Jahr. Natürlich durften auch Stimmungsträger und Gänsehautgaranten wie ?Souls? und ?I Live Your Dreams?, welches Project Pitchfork lange nicht mehr live dargeboten und auf ihrer Tour in den Staaten neu erprobt hatten, nicht fehlen. Ein musikalischer Glücksmoment jagte den nächsten und so hinterließen Peter Spilles, Achim Färber (Live- Drums), Carsten Klatte (Gitarre) und Jürgen Jansen (Synthesizer) letztendlich ein rundum ausgepowertes und glückliches Publikum.
Setlist:
01. God Wrote
02. Conjure
03. Timekiller
04. Endless Infinity
05. Carrion
06. Teardrop
07. I Live Your Dream
08. Mine
09. Darkness
10. Souls
11. Steelrose
12. I Am
13. Existence
Vor der Hauptbühne sammelten sich während des Pitchfork- Auftritts schon etliche Besucher an und warteten auf den Headliner des Tages. Die ebenfalls seit über 20 Jahren aktive und erfolgreiche Synthie- Pop Band And One [GALLERY] war an der Reihe. Die Crew um Frontmann Steve Naghavi hatte tagsüber bereits massig T- Shirts an seine ?Schlampen? und ?Krieger? an einem And One- eigenen Stand verkauft, so dass man eingefleischte Fans ohne große Umwege sofort ausmachen konnte. Als der rote Vorhang, mit dem die Bühne bis Showbeginn verhangen war, sich endlich öffnete, sprang ein energischer, gut gelaunter Steve hervor und wurde vom Publikum sofort mit tosendem Applaus begrüßt. Passend zu seinem Soldaten- Dress im Front 242- Stil und mit Deutschland- Fähnchen am linken Oberarm stimmte Naghavi nach dem Klassiker ?Die Mitte? auch sofort zu Beginn das absolut tanzbare ?Deutschmaschine? an und versetzte das Publikum in sofortige Tanzlaune. Anlehnend an das Deutschland- und Kriegsgehabe fragte Naghavi darauf seine Fans mit eindringlicher und lauter Stimme ?Wollt ihr den totalen Steve??, was die Menschen bejahten und somit erwartungsgemäß auch bekamen. Es ging weiter mit dem Project Pitchfork- Cover ?Timekiller?, das sicher noch so einigen Besuchern vom vorangegangenen Pitchfork- Auftritt in den Ohren klang. Ab nun gab es kein Halten mehr; Steve feuerte seine Fans immer weiter an und schoss Songs wie ?Get You Closer?, ?Technoman? und ?Bodynerv? in die Menge. Auch ein sehr gelungenes weiteres Cover durften wir vernehmen, nämlich den a-ha Klassiker ?The Sun Always Shines On TV?. Vom angekündigten neuen Album ?Tanzomat? wurde musikalisch hingegen noch nichts verraten, jedoch freut sich jeder Fan spätestens nach dem gelungenen Amphi- Auftritt umso mehr auf Neuigkeiten in Sachen And One. Auch wenn sich zum Ende der Show hin bereits einige Besucher in Richtung Staatenhaus in Gang setzten, wo der zweite Headliner des Abends bereits mit großen Aufbauarbeiten auf der Bühne beschäftigt war, kann man auf einen äußerst gelungenen Auftritt der Synthie- Pop- Helden zurückblicken. Ihre Spielposition als Headliner auf dem Amphi- Festival 2010 haben sich die Mannen um Naghavi allemal verdient.
Setlist:
01. Die Mitte
02. Deutschmaschine
03. Timekiller (Remix Of Project Pitchfork)
04. Love To The End
05. High
06. The Sun Always Shines On T.V. (A-HA)
07. Traumfrau
08. Sometimes
09. The Walk (The Cure)
10. Schwarz
11. Over There
12. Steine Sind Steine
13. Body Nerv
14. Military Fashion Show
15. Get You Closer
16. Techno Man
17. Für
Ebenfalls als verdient schien sich bereits schon während der Aufbauten die Spielposition des zweiten Headliners, den Kanadiern Skinny Puppy [GALLERY], heraus zu stellen. Hatte man bereits Berichten vom Gothic Festival in Waregem eine Woche zuvor Glauben geschenkt, so durfte man an diesem Festivalsamstag ebenfalls Großes der Industriallegende erwarten. Die Bühne füllte sich stetig mit dem für die folgende Show benötigtem Equipment bestehend aus einem mit weißen Laken verhangenen Metalkäfig, einem Drumset und zahlreichen Beamern, Bildschirmen und einer Leinwand, die später für die wirkungsvollen Effekte sorgen sollten. Das experimentierfreudige Duo aus dem begabten cEvin Key an den Instrumenten und der ebenso begabten Stimmgewalt Nivek Ogre ist dafür bekannt, stets skurrile, schaurige und eindrucksvolle Bühneshows abzuliefern. Als Ogre dann schließlich mit einem bizarren Kostüm aus weißen Tüchern, den Kopf mit einem spitzen, großen, weißen Papierhut geschmückt, das Gesicht mit einer schaurigen Maske und einem schwarzen flatterigen Tuch als Bartersatz behangen, die Bühne betrat, riss er schlagartig das Publikum in seinen Bann. Wie ein kranker, alter, gebrechlicher Mann kam er auf einen Gehwagen gestützt daher getrottet und stimmte, das Mikrofon in seiner mit blutigen Laken verbundenen Hand geklammert, den ersten Song des Abends ?Love In Vein? an. Auf der Leinwand im Hintergrund laufen währenddessen Videoshows ab und die Beamer projizierten zahlreiche bunte Bilder auf das weiße Kostüm Ogres. Bei diesen einmaligen Effekten blieb einem jeden Fan gar nichts anderes übrig als gebannt auf die Bühne zu starren und durch das Gespiele auf Ogres Kostüm in eine Art Rauschzustand zu verfallen. Es gab kein Entkommen, denn ein Hit jagte den nächsten und immer wieder blieben die Augen an dem sich krank und abgehackt bewegenden Sänger kleben. Auch der Metalkäfig sollte bald schon zum Einsatz kommen, spielte Ogre doch bereits immer wieder mit den Tüchern, die diesen Zwinger verhangen. Bei ?Dogshit? stieg der brummende Nivek dann selbst in diesen Käfig und wurde von dort aus mit einer Kamera beäugt, was auf der Leinwand und dem am Käfig angebrachten Bildschirm zu sehen war. Surreale Effekte zeigten sich auch hier, denn auf dem kleineren Käfig- Bildschirm wurde das Bild so seltsam gespiegelt, dass es zunächst schwierig zu erkennen war, was dort überhaupt vor sich ging. Immer wieder wurden die staunenden Zuschauer an die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit gebracht. Dabei bewegten sie sich im Takt von großen Hits wie ?Pro- Test? und ?Assimilate?, ließen jeden Ton durch ihre Körper strömen, um schlussendlich bei ?Worlock? explodieren zu können. Die Industrialgurus Skinny Puppy hatten Großes geleistet und sich mit einer der besten Liveshows, die ich persönlich je genießen durfte, als absolute Sieger des gesamten Amphi Festivals herausgestellt.
Mit Skinny Puppy ging ein erfolg- und erlebnisreicher erster Festivaltag dem Ende entgegen. Die 16.000 hauptsächlich zufriedenen Besucher strömten nun entweder in die Nacht und ließen sich noch auf der Aftershowparty im Theater berauschen oder traten wie wir den Heimweg an, um für den zweiten Tag des Amphi Festivals Kraft zu tanken und sich ein bisschen auszuruhen. Ruhe tat nach einem solch vollgepackten Tag durchaus gut, denn wer wirklich viele der durchaus brillanten Acts des ersten Tages miterlebt hatte, wird bemerkt haben, dass es kaum eine Verschnaufpause und Zeit zum Luftholen gab. Fragwürdig ist bei diesem vollen Spielplan auch, wie gut besucht die Vorträge in Wort und Bild tagsüber im Theater tatsächlich gewesen sind, nutzten doch die meisten Besucher eine kleine Pause hauptsächlich dazu, mal relaxed am Strand einen Drink einzunehmen oder sich an den zahlreichen Verkaufsständen der großen Shoppingmeile auf dem Tanzbrunnen- Gelände mit neuem Gewand und Accessoires einzudecken.
Die kompletten Fotosets der aufgetretenen Bands können durch die entsprechenden GALLERY-Links erreicht werden.