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THE LEMONHEADS – Köln, Gebäude 9 (03.10.2008)

THE LEMONHEADS - Köln, Gebäude 9 (03.10.2008)
Es sind schon einige Jahre ins Land gezogen, seit ich die Lemonheads aus Boston zum letzten Mal live gesehen habe, denn das war Anfang der Neunziger Jahre. Damals absolvierte die Band um Sänger Evan Dando einen überragenden Gig in der Essener Zeche Carl, der mir stets in bester Erinnerung geblieben ist. Leider hatte sich danach nicht mehr die Gelegenheit ergeben, und wenn doch, wie vor fast genau zwei Jahren im Kölner Bürgerhaus Stollwerck, dann war ich verhindert. Letztmalig passierte mir dies im Mai, als ihr Auftritt in Essen leider parallel zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig stattfand. Als ich nun hörte, dass die Zitronenköpfe für die Kulturkirche in Köln gebucht waren, schlug ich gleich zu. Glück hatte ich dann knapp eine Woche vor dem Konzert, als mir Christoph rein zufällig schrieb, dass das Konzert ins Gebäude 9 verlegt worden war, so dass ich auf direktem Weg dorthin fahren konnte, statt überrascht vor der geschlossenen Kulturkirche zu stehen. Als Vorgruppe waren Racoon aus Holland gebucht, von denen ich zuvor noch nicht gehört hatte. Wie sich herausstellte, handelte er sich um vier Sympathische Jungs, die zwischen den Songs immer zu Scherzen aufgelegt waren. Musikalisch bekam man zudem gut gemachten Indie-Pop mit leicht folkigem Einschlag geboten, der irgendwo im Spannungsfeld von den Goo Goo Dolls und der Band Live anzusiedeln ist. Nicht unbedingt hochgradig spannend, aber sehr nett anzuhören. Ein schöner (bodenständiger) Auftakt in den Konzertabend, der im Anschluss mit den Lemonheads natürlich seinen Höhepunkt fand.

Hoch war dann auch gleich ein passendes Stichwort, denn eben dies war die von einem Roadie auf die Bühne gebrachte Setlist der Lemonheads definitiv. Ich habe nie zuvor eine derartige Setlist gesehen, auf der in großen Lettern die zu erwartenden Songs standen. Die Songs darauf stammten um es vorweg zu nehmen vornehmlich vom Erfolgsalbum "It’s A Shame About Ray", welches dieser Tage wiederveröffentlicht worden war. Die Erklärung für die ungewöhnlich große Setlist folgte auf dem Fuße, denn Sänger Evan Dando schien ohne Brille arge Probleme zu haben, diese -trotz der großen Schrift- entziffern zu können. So musste ihm sein Bassist ständig mit dem Titel des nächsten Songs unter die Arme greifen. Überhaupt wirkte Evan Dando zunächst etwas deplaziert und variierte die Songs offensichtlich ohne Absprache mit seinen Mitstreitern stets ein kleines bißchen. Hätte er fitter ausgesehen, würde mich dies wohl zu Begeisterungsstürmen ob seiner genialen Einfälle verleiten, so war es eine ständige Gratwanderung zwischen Genialität und Wahnsinn.

Die Setlist des Auftritts stand zunächst ganz im Zeichen des "It’s A Shame About Ray" Albums, welches in identischer Reihenfolge abgespult wurde. Evan wirkte etwas distanziert und am Rande zur Langeweile, doch haben die Songs solch eine großartige Ausstrahlung, dass dies sie nicht zerstören konnte. Und Evan’s Stimme ist sowieso über jeden Zweifel erhaben, einfach nur grandios und Gänsehaut ist vorprogrammiert. Nach "Ceiling Fan In My Spoon" änderte sich die Setlist und mit "It’s About Time" folgte ein Song von "Come On Feel", bei dem ganz besonders auffiel, wie sehr die auf der Albumversion enthaltene Stimme Juliana Hatfields die Songs mitprägt. Schade, dass sie nicht ständige Tourbegleiterin der Lemonheads ist, doch wenigstens verzichtet die Band dankenswerterweise darauf, ihren Part einer anderen Dame zu übertragen, denn dies könnte wohl nur in einem Desaster enden. Somit musste ich mir Juliana’s Stimme selbst in die Songs einflechten, was mir ganz gut gelang.

Nach "Hospital" vom 2006er Album und "Tenderfoot" von "Car Button Cloth" verließen Bassist und Drummer die Bühne und Evan Dando spielte die nächsten sechs Songs solo, darunter das schöne "The Outdoor Type", das dem Musical "Hair" entliehene "Frank Mills" und die Misfits Coverversion "Skulls". Hier entwickelte Evan eine noch intimere Stimmung und jetzt taute er auch endlich etwas mehr auf, lächelte bei einsetzendem Applaus nach den Songs verschämt und versuchte sich sogar an kurzen Ansagen der Marke "The Disco Is Coming Soon, Don’t You Worry". Trotzdem schwebte wohl ein anderer Songtitel dieser Soloeinlage thematisch über dem gesamten Abend: "Why Do You Do This To Yourself"? Nachdem Bassist und Drummer zurückkehrten folgten noch drei weitere Songs, bevor das Konzert nach insgesamt knapp 75 Minuten mit "The Great Big No" endete.

Insgesamt ein Konzert, das gemischte Gefühle bei mir hinterlässt. Einerseits war es schon grenzwertig, Evan in dieser Verfassung zu sehen, auf der anderen Seite war ich froh, die Lemonheads bzw. besser Evan Dando, überhaupt noch einmal gesehen zu haben und mir bewusst zu machen, wie stark die Songs der Lemonheads tatsächlich waren. Leider fehlten jedoch (noch) ältere Songs komplett. Mir war zwar klar, dass man mit Songs von "Create Your Friends" und Co kaum rechnen konnte, insgeheim hatte ich aber zumindest auf Songs von "Lick" gehofft. Schade auch, dass kurz vor dem konzert die Bitte kam, dass Evan ungern fotografiert werden möchte, man möge das wenn bitte eher von etwas weiter hinten tun, so dass ich hier nur wenige Fotos bei widrigen Bedingungen präsentieren kann. Gerne hätte ich den lemonheads bessere Fotos "gewidmet".

Hoffnung soll dann aber auch das Stichwort zum Ende hin sein: Hoffentlich fängt sich Evan Dando wieder, bringt neues Material heraus und ist in der Lage, die Songs in Zukunft wieder so zu präsentieren wie sie es verdienen: Als Meisterwerke!


Setlist:

01. Rockin Stroll
02. Confetti
03. It’s A Shame About Ray
04. Rudderless
05. My Drug Buddy
06. The Turnpike Down
07. Bit Part
08. Alison’s Starting To Happen
09. Hannah And Gabi
10. Ceiling Fan In My Spoon
11. It’s About Time
12. No Backbone
13. Hospital
14. Tenderfoot
15. The Outdoor Type (Evan Dando Solo)
16. Being Around (Evan Dando Solo)
17. Why Do You Do This To Yourself (Evan Dando Solo)
18. Frank Mills (Evan Dando Solo)
19. Skulls (Misfits Cover) (Evan Dando Solo)
20. All My Life (Evan Dando Solo)
21. Style
22. Down About It
23. The Great Big No

Ein paar wenige Bilder des Abends befinden sich in unserer Concert-Pictures Sektion oder direkt hier:

The Lemonheads:


Racoon:

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