Freitag mit dem erstmals ausgetragenen Amphi Cup Fußballturnier eröffnet wurde,
bei dem sich einige der beim Festival auftretenden Künstler mit Veranstaltern,
Medienvertretern und Fans am runden Leder vergnügten, wurde der musikalische
Event am Samstag pünktlich zur Mittagszeit eröffnet. In diesem Jahr konnten die
Veranstalter bereits eine Woche vor dem Festival "Ausverkauft"
vermelden und so strömten den gesamten Samstag Mittag die insgesamt 12.000 Besucher in das wunderschöne
Areal des Kölner Tanzbrunnens, wo Mina Harker gegen 12 Uhr auf der Hauptbühne
den Auftakt machten. Für uns ging es allerdings erst mit Zeromancer knapp zwei
Stunden später so richtig los.
Zeromancer kommen aus Norwegen und sind 1999 aus der in ihrer Heimat recht
erfolgreichen Band Seigmen hervorgegangen. Sie stehen für rockigen Synthpop mit
eingängigen Melodien und konnten im Jahre 2000 mit ihrer ersten Single
"Clone Your Lover" gleich einen Clubhit landen, der auch gleichzeitig
Vorbote für das gleichnamige Debutalbum war, welches sich ebenfalls in der
Szene durchsetzen konnte und den weiteren Weg für die Norweger ebnete.
Insbesondere live machte sich die Band in der Folgezeit einen Namen, was sie
auch beim diesjährigen Amphi Festival wieder unter Beweis stellte. Sänger Alex
steht dabei deutlich im Vordergrund, stolziert über die Bühne und posiert was
das Zeug hält, während seine Band den entsprechenden Rock-Teppich unter ihm
ausbreitet. Natürlich durfte auch die im letzten Jahr erschienene aktuelle
Single "Doppelganger I Love You" nicht im Set fehlen, auf das
seinerzeit angekündigte neue Album muss man indes weiter warten.
Anders als zwei Wochen zuvor beim Blackfield Festival finden die Konzerte beim
Amphi Festival auf zwei Bühnen zeitversetzt statt, was es dem Veranstalter
erlaubt, mehr Bands aufzubieten, wobei weitestgehend auch darauf geachtet
wurde, dass sich Bands die ein ähnliches Publikum ansprechen, nicht zeitlich
überlappen. Für uns hieß das aber, dass wir oftmals während der Konzerte zwischen
Hauptbühne und Theater wechseln mussten und so nur selten einen Auftritt
komplett sehen konnten. Dies war auch gleich am Anfang der Fall als wir noch
während der Zeromancer Show ins Theater
abwanderten, um den Auftritt von Grendel nicht zu verpassen.
Grendel stammen aus den Niederlanden und haben im letzten Jahr, pünktlich zum
zehnjährigen Bestehen, ihr drittes Album "Harsh Generation"
veröffentlicht, wobei der Name schon andeutet, in welche Richtung es geht, denn Grendels Musik ist irgendwo im Spannungsfeld
zwischen Electro und Industrial beheimatet und die Band kann bereits auf einige
Clubhits zurückblicken, darunter die Kernkraft 400 Coverversion von
"Zombie Nation", die das Original sogar noch übertrifft.
Auch live konnten [VLRK], [M4RC] und [MRKO], wie sich die Bandmitglieder
szenekonform nennen, überzeugen und ließen die Menge zu ihren Basslinien tanzen. Eine Aufforderung, der die Anwesenden nur zu gerne
nachkamen und den Pulsschlag schon mal etwas nach oben pushten.
Zunächst etwas kurios ging es auf der Hauptbühne weiter, denn Moderator Honey
ließ es sich nicht nehmen, die nächste Band
selbst anzukündigen: Welle:Erdball, deren Sänger er "zufälligerweise"
bekanntlich selbst ist. Zunächst enterten er und A.L.F. die Bühne und während
sie den Set eröffneten, betraten auch Fräulein Venus und Plastique die Bühne
und begannen, eine Kunststoffplane im Hintergrund der Bühne zu bemalen. Ein
Kunstwerk, welches im Laufe des Auftritts immer weiter Form annahm.
Wie bei einem Festival üblich setzte sich die Tracklist, oder wie es bei
Welle:Erdball wohl besser heißt, die
Live-Sendung, hauptsächlich aus den bekannteren Songs der Band zusammen und
auch die aktuelle Single "Ich bin aus Plastik", selbstverständlich
vorgetragen von "Plastique", durfte nicht fehlen. Restlos begeistert
war das Publikum natürlich wieder beim Tophit "Starfighter F-104G",
bei dem es kein Halten mehr auf dem schönen Gelände des Tanzbrunnens gab.
Weiter ging es aber erst einmal mit einem kurzen Wechsel ins Theater, wo sich
mit Ashbury Heights aus Schweden, die
Senkrechtstarter des Jahres 2007, die Ehre
gaben. Ich hatte sie bereits im letzten Jahr im Rahmen der Out Of Line
Festivals gesehen und damals hatten sie mir recht gut gefallen, wenn mir auch
einige ihrer Songs zu sehr in die Blutengel-Ecke abdrifteten, was wiederum
andere Songs zum Glück wieder wett machten.
Beim Amphi blieb der Auftritt in meinen Augen jedoch etwas farblos, zumal sich
die beiden eigentlich gerade für diesen Auftritt eine Menge vorgenommen hatten. Zu Beginn übernahm Yasmine
den Gesang und Anders stellte sich ans Keyboard, beim nächsten Track wurden
diese Aufteilung wie des öfteren während des Gigs gewechselt, die extra
verpflichtete Tänzerin tanzte meist am hinteren Bühnenrand und war wegen der
spärlichen Bühnenbeleuchtung selten oder kaum zu sehen. Und auch wenn die
vorderen Reihen gut mitgingen, war es aus meiner Sicht ein akzeptabler Auftritt, aber
sicher nicht das, was man sich zuvor erhofft hatte.
Auf der Hauptbühne ging es weiter mit Zeraphine, neben den Dreadful Shadows und
Solar Fake (welche beide vor zwei Wochen beim Blackfield Open Air auftraten),
das dritte Projekt von Workaholic Sven Friedrich. Dieser hatte Zeraphine im
Jahre 2000 gemeinsam mit Dreadful Shadows Mitstreiter Norman Selbig gegründet
und die beiden veröffentlichten mit drei weiteren Bandmitgliedern bisher
insgesamt vier Studioalben, wovon das letzte 2006 erschien und auf den Namen
"Still" hört. Zeraphine sind sozusagen die würdigen Nachfolger der
Dreadful Shadows, da sie deren Stil ins neue Jahrtausend transportierten und
die Sounds durch Alternative-Einflüsse weiterentwickelten.
Live wirken die fünf dann auch tatsächlich wie eine etwas gemächlichere Version
der Dreadful Shadows und natürlich steht Sänger Sven Friedrich auch hier ganz
klar im Rampenlicht und zieht die Blicke gekonnt auf sich. Obwohl die Musik
nicht direkt meinen Geschmack trifft, ein netter Auftritt und die Sven Fans
unter den Anwesenden konnten dem Gig natürlich noch einiges mehr abgewinnen und
waren durchweg zufrieden.
Noch mehr als das, nämlich restlos begeistert waren wir hingegen vom letzten
Lebenszeichen der Ausnahmeband Haujobb im Theater. Mastermind Daniel Myer muss
kaum noch vorgestellt werden, zu sehr hat er die musikalische Entwicklung in
der Szene durch solch Projekte wie Destroid, Architect, Cleen, Cleener und vor
allem eben Haujobb vorangetrieben und seine Zuhörer mit immer komplexeren
Soundgebilden begeistert. Nun sollte es also soweit sein: Haujobb hatten für
das Amphi Festival zum Live-Abschied aus Zeitgründen geladen und
verabschiedeten sich endgültig von den Konzertbühnen der Welt. Klar, dass das
Theater daher auch schon zu dieser Zeit prall gefüllt war und die Anwesenden
den letzten Minuten von Haujobb entgegen fieberten.
Und es ging auch gleich ordentlich zu Sache, denn Sänger Daniel war von Beginn
an äußerst konzentriert und peitschte das Publikum mit seinem teils
hypnotischen, dann wieder energischen Gesang nach Vorne und es folgten vierzig
unvergessliche Minuten, die leider wie im Flug vergingen und somit viel zu kurz
angelegt waren. Den Song "Yearning" widmete Daniel emotional dem in
der Szene vielen durch seine Arbeiten für Raveline oder den Bodystyler
bekannten "Niels 23", der am 02.12.2007 urplötzlich verstarb. Er galt
als absoluter Musikfachmann und prägte u.a. den Begriff
"Weiberelectro", der noch heute vielfache Verwendung findet. Ein
wirklich sehr ergreifender Moment, der keinen geeigneteren Rahmen hätte finden
können. In der Folgezeit ging es mit einigen großartigen Stücken weiter, bevor
gegen kurz nach 17 Uhr auch die Ära Haujobb, zumindest im Hinblick auf deren
Live-Aktivitäten, zuende ging und sich Daniel mit den Worten "Wir waren
und sind für immer Haujobb, machen jetzt aber Platz für all die neuen
Bands" verabschiedete, woraufhin die Anwesenden durch Pfiffe versuchten,
die vier doch noch zum weitermachen zu bewegen. Bleibt zu hoffen, dass sie es
sich tatsächlich noch einmal irgendwann anders überlegen, denn die Fans und
Bühnen der Republik werden Haujobb schmerzlich vermissen.
Vermutlich um schnell mit dem gerade Erlebten abschließen zu können, stand
Daniel Myer nur eine knappe Viertelstunde später bereits wieder auf der Bühne,
dieses Mal allerdings im feinen Zwirn am Keyboard der schwedischen Band
Covenant auf der Hauptbühne des Festivals. Die Band existiert bereits seit mehr
als zwanzig Jahren, doch ihr grandioses Debutalbum "Dreams Of A Cryotank"
datiert erst aus dem Jahre 1994. Mittlerweile können Covenant auf sechs
Studio-, zwei Live- und ein Best Of-Album zurückblicken, hatten die Futurepop
Szene entscheidend mitgeprägt und ein neuer Longplayer wird derzeit
aufgenommen.
Neben Daniel Myer betrat zunächst Joakim Montelius auf Krücken die Bühne, er
hatte sich am Vortag beim Amphi Cup verletzt, wollte sich diesen Auftritt aber
natürlich nicht entgehen lassen. Als letzter im Bunde betrat dann Sänger Eskil
Simonsson die Stage und los ging es. Es folgte Hit auf Hit und ich war froh,
dass dem letzten -eher schwächeren Album- Skyshaper keine übergroße Rolle
zugedacht war. Eskil hatte die Massen wie immer gleich im Griff, tanzte freudig
über die Bühne und unterhielt das Publikum prächtig und es wurde ausgelassen
gefeiert. Joakim übernahm wie gewohnt die Backingvocals und Daniel Myer
ersetzte seine Keys zeitweise durch ein Drumkit, was stets zusätzliche Energie
auf der Bühne freisetzte. Nach einem knappen Jahr der Kooperation lässt sich
festhalten, dass Covenant von der Hinzunahme von Daniel Myer ins Lineup
profitiert und noch einmal zugelegt haben und man darf gespannt sein, wie sich
Daniels Einflüsse auf dem kommenden Album bemerkbar machen werden.
Weiter ging es auf der Hauptbühne mit einem weiteren charismatischen Sänger,
denn Alexander Veljanov betrat gemeinsam mit seinem Mitstreiter Ernst Horn,
sowie drei Livemusikern die Stage und Deine Lakaien eröffneten ihren Set.
Gegründet 1985 machten sich der mit einer Ausnahmestimme gesegnete Alexander Veljanov
und der Vollblutmusiker Ernst Horn schnell einen Namen in der Dark Wave Szene
und bereicherten diese stets mit avantgardistischen Einflüssen. Der endgültige
Durchbruch gelang Ihnen 1991 mit ihrem zweiten Album "Dark Star" und
der darauf enthaltenen Hit-Single "Love Me To The End". Mittlerweile
haben Deine Lakaien sieben Alben veröffentlicht und immer versucht, ihre Musik
auf verschiedenste Arten darzubieten. So traten sie neben regulären
Konzerten auch vielfach mit Acoustic-Sets auf oder wie beim letztjährigen M’era
Luna mit einem kompletten Orchester.
Dieses Mal wurden sie wie Veljanov mitteilte gebeten, auf dem Amphi Festival
ein Best Of Programm aufzuführen und dieser Bitte kamen sie auch gerne nach.
Und so wurden die Zuschauer mit einigen der schönsten Songs der Bandgeschichte
verwöhnt, natürlich ganz zu deren Zufriedenheit, zeichneten sich doch gerade
die Frühwerke der beiden durch höchste Qualität aus. Für mich war es nach einem
Acoustickonzert beim Secret Garden Festival 2004 und dem Orchesterkonzert beim
M’era Luna 2008 das erste "reguläre" Deine Lakaien Konzert und mir
gefällt diese Variante am besten. Akustisch wurde es mir nach einer Weile
einfach zu langweilig da gleichförmig und der Auftritt mit Orchester erschien
bei einem Open Air Festival etwas deplaziert. Im üblichen Gewand präsentiert
entfalten die Songs hingegen genau den Charme, der sie seinerzeit auf den Alben
auszeichnete und so waren die Zuschauer entsprechend begeistert.
Kontrastprogramm gab es derweil im Theater, wo die belgischen
Post-Industrial-Urväter The Klinik auftraten.
Marc Verhaeghen gründete The Klinik 1981 im Alleingang, verstärkte die Band aber von
Zeit zu Zeit mit weiteren Musikern, zu denen von 1985 bis 1991 unter anderem
auch Dirk Ivens von Dive gehörte. Im Gegensatz zu den warmen Klängen von Deine
Lakaien schien die Luft im Theater abzukühlen als die Band die Bühne betrat.
The Klinik stehen für kühle und raue Electronicsounds und es war zu Beginn
stockdunkel im Theater.
Dirk Ivens stand dabei ganz klar im Rampenlicht der Show, Marc Verhaeghen hielt sich etwas zurückhaltend im linken Hintergrund am Keyboard auf und
überlies dem Frontman den nötigen Platz für seine Wege über die Bühne. Er sang
und schrie und das Publikum war gebannt und natürlich begeistert, als auch
solch illustre Hits wie "Moving Hands" oder "Black Leather"
zum Besten gegeben wurden. Gerade für Freunde des Old School Industrials ganz
sicher einer der Höhepunkte des Festivals.
Im Anschluss machte sich auf der Hauptbühne der Headliner des diesjährigen
Amphi Festivals bereit: Oomph! Die Band wurde vor fast 20 Jahren gegründet und
besteht aus den Gründungsmitgliedern Dero, Crap und Flux, live werden die drei
durch Hagen und Léo verstärkt. Nachdem man sich zunächst hauptsächlich in der
Elektroszene tummelte, begann die Band Anfang der Neunziger Jahre ihre Sounds
mit Crossover-Elementen zu vermischen und konnte ihren Bekanntheitsgrad weiter
steigern, wozu auch ihre energiegeladenen Liveauftritte beitrugen. Noch heute
gelten Oomph! als Vorbilder für Rammstein, mit denen sie auch den Drang zu
provozieren teilen und so wurde u.a. ihre Single "Gott Ist Ein
Popstar" im Jahre 2006 von einigen Medien sogar boykottiert, der Band
geschadet hat dies allerdings ganz sicher nicht.
Beim Amphi Festival 2008 nahmen zunächst die Musiker Crap, Flux, Hagen und Léo
ihre Plätze ein, bevor Sänger Dero wie gewohnt in eine Zwangsjacke gepresst die
Bühne des Tanzbrunnens betrat und das Lineup komplettierte. Von Beginn an wurde
klar, dass die fünf hier waren um den Fans eine ordentliche Show abzuliefern
und so hüpften sie was das Zeug hielt und schmetterten dem Publikum ihre Hymnen
entgegen, das diese begeistert aufnahm und mitsang. Gleich als ersten Song
präsentierte die Band den Siegtitel des letztjährigen Bundesvision Song
Contests "Träumst Du" (seinerzeit im Duett mit Die Happy
Frontsängerin Marta Jandová) und von da ab hatten die Niedersachsen das Ruder
fest in der Hand und die Anwesenden genossen jede der knapp 80 Minuten
Spielzeit.
Für den Abschluss des ersten Festivaltages sorgten derweil aber Combichrist,
die im Theater rockten. Combichrist ist ein norwegisches Projekt um Icon
Of Coil Sänger Andy La Plegua, der Combichrist 2003 aus der Wiege hob und
seither die Tanzflächen zum beben bringt. Anders als bei Icon Of Coil geht es
hier etwas härter und fordernder zur Sache und Combichrist gelten als
Mitbegründer des Techno Body Music (TBM) Stils. Die Band feierte gleich zu
Beginn große Erfolge und insbesondere mit dem 2005er Werk "Everybody Hates
You" und den darauf enthaltenen Songs "This Shit Will Fuck You
Up" und "Blut Royale" stellte sich auch kommerzieller Erfolg
ein. Derzeit tummelt sich die Band mit ihrer aktuellen Veröffentlichung
"Frost EP : Sent To Destroy" in den Deutschen Alternative Charts (DAC).
Sänger Andys Styling erinnerte an das des Blackfield Auftritts mit Icon Of
Coil, allerdings hatte er seine hintere Kopfhälfte eingeschwärzt, was in
Verbindung mit den pyramidenartigen Haaren etwas merkwürdig, fast ritterlich
oder zwergenhaft, wirkte. Wie bei seinen Auftritten üblich war die Stimmung von
Beginn an nur als phänomenal zu bezeichnen. Andy La Plegua ist einfach ein
Entertainer par excellence und hat sein Publikum stets im Griff, animiert
dieses zum mitmachen und pusht sich auch selbst ständig weiter nach Vorne. Die
energiegeladenen Songs tun dann das Übrige, um den gefüllten Saal entgültig zum
Kochen zu bringen. Combichrist boten alles auf, was das Electroherz in den
Clubs höher schlagen lässt, "Blut Royale" und "Get Your Body
Beat" gehörten natürlich ebenso zum Set wie "This Shit Will Fuck You
Up" als umjubelte Zugabe.
Gegen halb elf verließen die vier Musiker die
Bühne ebenso erschöpft wie die anwesenden Fans das Theater und der Tag fand
einen würdigen Abschluss, der die Vorfreude auf den nächsten Tag nur noch mehr
steigerte.
Köln, um dem zweiten Tag des Amphi Festivals beizuwohnen und gleich um 12
Uhr Mittags ging es wieder los, als die Mediaeval Babes das Geschehen auf
der Hauptbühne eröffneten. Die Genesis der Mediaeval Babes beginnt, wie
die Geschichte erzählt 1996, als sich eine Gruppe von Freundinnen
zusammenscharte, um ein paar musikalische Maifeiertagsscherze in Hampstead
Heath, London zu genießen. Sie drangen in ein abgesperrtes Areal ein, daß,
wie sie bald heraus fanden, ein Hexenkreis war und sangen, tanzten und
tranken bis ein Gewitter sie weg spülte.
Sie erkannten, dass da etwas in ihnen schlummerte und so organisierte
Miranda Sex Garden-Sängerin Katharine Blake einen richtigen Gig in der
begrünten und atmosphärischen Kulisse des Abney Park Friedhofs in London.
Stilecht in weißen Roben, mit Efeukronen und Kerzen sangen sie hauptsächlich
Arrangements von mittelalterlichen Motetten ? und die Mediaeval Babes waren
geboren! Ihre Musik ist irgendwo zwischen Wave und Mittelaltermusik mit
klassischen Elementen beheimatet und bisher hat die Band neben einem Best Of
Album und einer Live-CD bzw. DVD immerhin schon sechs Alben veröffentlicht.
Die sechs beim Amphi Festival auftretenden Sängerinnen waren in feinsten
grünen Roben gekleidet und sangen in verschiedensten Sprachen, darunter
Englisch und Latein. Begleitet wurden sie zudem durch drei weitere Musiker
im Bühnenhintergrund. Ein interessanter Auftakt, der zwar noch den richtigen
Aha-Effekt vermissen ließ, doch gerade für die noch recht frühe Tageszeit
war der Auftritt äußerst passend angelegt.
Weiter ging es auf der Hauptbühne mit den Italienern von The Lovecrave,
einer Gothic-Rock Band, deren Mitglieder bereits auf längere
Musikerlaufbahnen zurückblicken können, in der aktuellen Besetzung und unter
dem Namen The Lovecrave firmiert man aber erst seit wenigen Jahren und das
Debutalbum "The Angel And The Rain" datiert aus dem Jahre 2006. Die Band
besteht aus Gitarrist Tancredi ‘Tank’ Palamara, Sängerin Francesca Chiara,
Basser Simon Dredo und Drummer Iak, wobei die gesamte Show ganz auf die
energiegeladene Sängerin Francesca ausgerichtet ist. Francesca flitzte über
die Bühne und ihre zum Teil an Bonnie Tyler erinnernde Rockröhre erklang
über das ganze Gelände und holte auch die letzten Anwesenden aus ihrem
Halbschlaf, so dass sie dem Treiben auf dem Gelände folgen konnten.
Noch während die Italiener auf der Bühne rockten, war es für uns Zeit das
Theater aufzusuchen, wo sich mit Spectra*Paris das neueste Projekt von
Kirlian Camera-Sängerin Elena Alice Fossi vorstellte. Elena hat bereits im
letzten Herbst mit Gästen von den Dope Stars Inc. und Punto Omega das
Debutalbum von Spectra*Paris veröffentlicht, welches auf den interessanten
Titel "Dead Models Society (Young Ladies Homicide Club)" hört und schon
andeutet, dass es textlich hauptsächlich um die Rolle der Frauen in der
Gesellschaft und insbesondere in Sparten wie dem Model oder Musikbusiness
geht. Live bestand das Lineup aus vier Damen, wobei interessanterweise
Angelo Bergamini samt Kirlian Camera Mitstreiter beim Aufbau der
Gerätschaften mithalf.
Der Auftritt kann nur als gelungen bezeichnet werden. Die Band und
insbesondere Elena Alice Fossi besitzt eine gute Bühnenpräsenz, die durch
Videoclips unterstützt wird, welche teilweise alltägliche Situationen
zeigten, zumeist aber einen erotischen bis trashigen Touch hatten. Elenas
Outfit war dementsprechend sexy ausgefallen, mit hochhackigen Stiefeln und
einem knappen, mantelähnlichen Lackkleid. Ihre Stimme passte ideal zu den
Songs und ich bin mir sicher, dass die Band an diesem Tag einige neue Fans
hinzugewonnen hat.
Auf der Hauptbühne wurde derweil das Ruder von der Letzten Instanz in die
Hand genommen, welche ihren Set bereits etwas vor der angekündigten Zeit
eröffneten und somit einigen Fotografen das Laufen beibrachten. Bisher hatte
ich die Band noch nicht live gesehen, hatte jedoch bereits unzählige Fotos
der Band bewundern können, die insbesondere mit Benni Cellini an seinem
Cello samt Aufbau einen absoluten Blickfang auf der Bühne präsentieren kann.
Letzte Instanz stammen aus Dresden, machen Mittelalterrock mit klassischen
Elementen und sind für ihre energiegeladenen Shows bekannt, was sie auch auf
dem Amphi Festival 2008 wieder unter Beweis stellten.
Holly D. und Oli an Akustik- bzw. Elektrogitarre, Michael Ende am Bass und
Specki T.D. am Schlagzeug sind für den Rhythmus zuständig, der mit Cello und
Violine garniert wird und aus dem sich die deutschsprachigen Gesänge von
Sänger Holly erheben. Natürlich präsentierte die Band Songs aus ihrem
aktuellen regulären Studioalbum "Wir Sind Gold", aber auch
Fremdinterpretationen gehören seit jeher zu ihrem Repertoire, dieses Mal
wurde live Alice Coopers "Poison" von den sieben Jungs gecovert.
Wir bleiben gleich draußen, denn als nächstes standen Das Ich auf dem Plan,
die ja für ihre exzentrischen Auftritte bekannt sind. Das Ich sind Stefan
Ackermann und Bruno Kramm, die beiden werden live allerdings von einem
zusätzlichen Live-Keyboarder unterstützt. Die Band galt Anfang der Neunziger
Jahre schnell als Vorreiter der "Neuen Deutschen Todeskunst" und war gleich
mit einem ihrer ersten Songs ("Gottes Tod") in aller Munde. Für die meist
elektronischen Wavesounds ist Bruno Kramm zuständig, seine Songs erhalten
daraufhin durch Stefan Ackermanns direkte Texte und seinen deutschsprachigen
Sprachgesang den letzten Schliff, der sie in der Szene unverwechselbar
macht.
Unverwechselbar sind sie dann auch auf der Bühne, denn Bruno Kramm gefällt
sich in der Form des teuflischen Harlekins, während Stefan Ackermann seinen
schmächtigen Körper stets bemalt zur Schau stellt, was seine Wirkung niemals
verfehlt. In Köln betrat Stefan Ackermann die Bühne komplett rot bemalt und
es ist wirklich interessant, seine Gestik auf der Bühne zu verfolgen, zumal
die Band in der Lage ist, ihre Songs live sehr energisch zu präsentieren und
auch die an einer Mittelkonstruktion befestigten, schwenkbaren Keyboards
führen zu mehr Dynamik auf der Bühne, so dass auch dieser Auftritt wieder
einmal die Massen anzog und in seinen Bann zog. Selbstverständlich durften
Hits wie "Gottes Tod" und "Kain Und Abel" im Set ebenso wenig fehlen, wie
ihr wohl größter kommerzieller Erfolg "Destillat", welches dank eines
überaus tanzbaren VNV Nation-Remixes ständiger Gast in deutschen Tanztempeln
ist.
Hinter der österreichischen Band L’âme Immortelle verbergen sich
hauptsächlich Thomas Rainer und Sonja Kraushofer. Die in 1996 gegründete
Band konnte bereits kurz nach ihrer Gründung einen Szenehit landen, denn
"Bitterkeit" war seinerzeit in aller Munde. Damit war der Szenezugang
geschafft und die Band brachte es bisher auf neun Studioalben, wovon das
letzte "Namenlos" in diesem Jahr als Doppel-CD erschien. Seit ihrem vierten
Album "Dann Habe Ich Umsonst Gelebt" aus 2001 hat die Band mit ihren Alben
zudem stets den Sprung in die Charts geschafft, ihr Album "Gezeiten"
kletterte immerhin auf Platz 16. Sprachlich wechseln sich deutsche und
englischsprachige Songs bei LAM ab, wobei man thematisch zumeist
melancholische Töne anschlägt. Musikalisch ist die Band in den letzten
Jahren ruhiger und mainstreamorientierter geworden, ihre Songs leben aber
noch immer aus dem Kontrast von Thomas’ dunklem, verzerrtem Gesang und
Sonjas emotionaler weiblicher Stimme.
Den Set beim Amphi eröffnete dann auch passenderweise gleich der
"Pfortenöffner" der Band: "Bitterkeit". Thomas schritt die Bühne ab und
intonierte wüst seine Lyrics, während Sonja während ihrer Gesangseinlagen
konzentriert wirkte, dann aber ihren Körper wild verbog und schnell über die
Bühne schwang, was zu einigen merkwürdigen Verrenkungen führte. Mir
persönlich gibt die Musik von L’âme Immortelle nicht so viel, doch ihre Fans
wurden unterhalten und waren mit dem Auftritt offensichtlich zufrieden.
Uns zog es derweil ins Theater, wo man bereits gespannt auf den Auftritt von
Untoten-Mitglied David A. Line und seinem Projekt SOKO Friedhof wartete.
Soko Friedhof besteht bereits seit 1997 und Sänger David umschreibt sein
Projekt auf der Bandhomepage wenig schmeichelhaft mit "Wenn die Untoten die
Feier sind, dann sind SOKO Friedhof das Kotzen danach". Bei den Electrosongs
verwendet David diverse Filmzitate und bedient textlich mit humoristischem
Unterton sämtliche Klischees, die der Wavebereich zu bieten hat. Zu Ruhm der
etwas anderen Art gelang die Band (wie auch :Wumpscut:) durch den im Jahre
2001 durch das Ehepaar Ruda begangenen Ritualmord an Frank Hackert, da diese
einen SOKO Friedhof-Aufkleber auf ihrem Auto geklebt hatten und die
Boulevardpresse sich nur zu gerne auf eine mögliche Verbindung stürzte.
Aufgrund des humoristischen Hintergrunds und des Kultcharakters der die Band
umgibt, waren wir gespannt, was sich uns im Theater bieten würde, doch
entwickelte sich der Auftritt wider erwartend zu einem halbwegs regulären
Konzert einer Electroband, wobei Sänger David mit einem Mundschutz versehen
zunächst allein im Mittelpunkt stand, aber schnell von seiner Mitstreiterin
Greta Csatlós gesangliche Unterstützung bekam. An der linken und rechten
Bühnenseite tanzten derweil zwei ansehnliche Damen zu den Rhythmen der Band,
während Greta hippieähnlich über die Bühnenmitte hüpfte. Ein recht guter
Auftritt, auch wenn wir etwas anderes erwartet hatten.
Kurz darauf auf der Hauptbühne bekam man aber dann genau das, was man auch
erwarten konnte, denn Johan van Roy und sein Suicide Commando betraten die
Bühne und das kann nur bedeuten, dass es elektronisch nun ordentlich zur
Sache geht und Johan dem Publikum mit seinem verzerrten Gesang ordentlich
einheizen wird. Suicide Commando existieren bereits seit über zwanzig Jahren
und machen vom Industrial beeinflussten Electro, der neuerdings auch gerne
mit dem Prädikat "Hellectro" vermarktet wird. Nach einigen
Kassettenveröffentlichungen in den Achtzigern und frühen neunziger Jahren,
erschien 1994 das erste Album "Critical Stage" auf CD und der Feldzug des
Belgiers durch die Clubs konnte beginnen. Songs wie "See You In Hell",
"Hellraiser", "Desire" oder "Dein Herz, Meine Gier" sind aus der Szene nicht
mehr wegzudenken und profitieren alle von den für Suicide Commando
charakteristischen Beats und ihren zum Teil makaber direkten Lyrics, denn
Johan van Roy hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und das ist auch
gut so.
Beim Amphi Festival ging es gleich zur Sache, ein Herantasten war nicht
notwendig. Wie üblich hatte sich Johan mit einigen Live-Musikern verstärkt
und schrie seine Messages über die Beats hinaus ins Publikum, welches
angeregt mitfeierte und Hit über Hit nur so in sich aufsog. Es herrschte
Partystimmung und ein Zuschauer mit auffälliger Suicide Commando Tätowierung
lies es sich sogar nicht nehmen die Bühne zu stürmen, was ihm überaus
schnell gelang. Die anwesende Security blickte zunächst etwas überrascht
drein, wollte dann einschreiten, was jedoch nicht weiter nötig war, denn als
sie den Fan erreicht hatten, lag dieser schon freundschaftlich Johan van Roy
in den Armen, drückte ihn kurz und verließ dann in lockerer Begleitung der
Security die Bühne auf freiwilliger Basis. Johan hatte ganz offensichtlich
seinen Spaß an dieser Aktion und wirkte danach sogar noch enthusiastischer
und riss das Publikum geschlossen mit. Ein toller Auftritt des Belgiers und
ein Signal an die noch folgenden Bands.
Während des Auftritts von Suicide Commando entschwanden wir kurzfristig um
einen Blick auf den Auftritt der niederländischen Formation Clan Of Xymox um
Sänger Ronny Moorings zu werfen, welche ich vor einigen Jahren immer mal
wieder live gesehen hatte und die mir stets gefielen. Auch sie kann man
bereits als Urväter des Electro-Waves bezeichnen, sind sie doch bereits seit
Mitte der Achtziger Jahre aktiv, doch gehören sie noch lange nicht zum alten
Eisen. Erst im letzten Jahr veröffentlichten Clan Of Xymox die Coverversion
des alten David Bowie Hits "Heroes" als Single und in diesem Jahr erschien
mit "Visible" auch die erste DVD mit Liveaufnahmen und Interviews. Für den
Auftritt beim Amphi Festival hatte die Band all ihre Hits im Gepäck und so
wurde man gleich mit Songs wie "Louise" und Co verwöhnt. Die Songs haben
noch immer nichts von ihrer Faszination verloren und somit war der Auftritt
ganz sicher eines der Highlights im Theater.
Auf der Hauptbühne machten sich derweil die Co-Headliner des Sonntags warm,
die -auf Geheiß von Keyboarder Dirk Scheuber- von Funker Vogt Sänger Jens
Kästel als "beste Band der Welt" angekündigt wurden: Project Pitchfork!
Nachdem Peter Spilles im letzten Jahr bereits mit seinem Project Imatem Gast
beim Amphi Festival war, war es in diesem Jahr Zeit für einen Auftritt mit
seiner Stammformation und diesem Auftritt fieberten viele bereits entgegen.
Neben Das Ich waren Project Pitchfork Anfang der Neunziger Jahre die
deutschen Lieblinge des Zillo Magazins, dem sie auch eine Menge Promotion zu
verdanken hatten, dies jedoch alles andere als zu Unrecht, denn gerade die
Frühwerke Pitchforks waren Wegweiser für den deutschen Electrobereich und
Songs wie "Conjure" oder "Souls" sind heute absolute Klassiker. Project
Pitchfork bestehen aus Sänger Peter Spilles, Dirk "Scheubi" Scheuber
(Keyboard), Jürgen Jansen (Keyboard), Achim Färber (Drums) und Carsten
Klatte an der Gitarre. Schon von jeher waren ihnen ihre Texte enorm wichtig,
die zumeist religiösen oder geschichtlichen Themen entliehen sind. Aktuelles
Album der Band ist Wonderland / One Million Faces aus dem Jahr 2007, in 2008
veröffentlichte die Band zudem mit "Earth Song" eine EP in Zusammenarbeit
mit Sara Noxx.
Da ich mit den Bandwerken des aktuellen Jahrhunderts zum Teil so meine
Probleme hatte, war ich zunächst gespannt, was da live auf mich zukommen
würde, doch mit einer wunderbaren Version von "God Wrote" gleich zu Beginn
des Konzerts waren diese Zweifel wie weggewischt und es begann eine Reise
durch die besten Tracks der Band und ich war restlos überzeugt. Zum Earth
Song kam Sara Noxx als Gastsängerin auf die Bühne und überhaupt war es ein
perfekter Gig. Alte Klassiker paarten sich mit neueren Stücken und
insbesondere Peter Spilles und Scheubi waren bester Laune, die sich
natürlich auch auf das gesamte Rund des Tanzbrunnens und dessen Besucher
ausbreitete und somit den perfekten Nährboden setzten für die nachfolgend
auftretenden Headliner And One, die übrigens bereits während des Auftritts
eine Rolle spielten, als Peter Spilles zu Beginn des Tracks "Timekiller"
einige Male "Die Deutschmaschine Lebt" ins Mikro schrie, in Anspielung auf
And Ones Coverversion zu "Timekiller".
Bevor die Konzerte der Hauptbühne aber mit And One ein Ende fanden, machten
wir noch einen kurzen Abstecher zu den Eisbrechern ins Theater. Ihnen oblag
es diesmal, die Fans von solchen Bands wie Rammstein, Unheilig und Co quasi
im Alleingang zu befriedigen, einer Aufgabe, der sie sich natürlich gerne
stellten. Und so war das Theater trotz des parallel stattfindenden grandiosen
Auftritts von Project Pitchfork sehr schnell sehr gut gefüllt und das
Publikum war bereit für den Capitano Alexander ?Alexx? Wesselsky und seine
Mannen. Die Eisbrecher zählen wie schon angedeutet zur "Neuen Deutschen
Härte" und haben sich in diesem Bereich bereits etabliert und traten ja auch
schon im letzten Jahr auf der Hauptbühne des Amphi Festivals auf. Diesmal
also der Umzug ins Theater, welches sie ordentlich rocken sollten und auch
taten. Das Theater war mittlerweile restlos gefüllt und das Publikum
begeistert, auch wenn die Band keine neuen Songs vom am 22.08. zur
Veröffentlichung anstehenden Album "Sünde" präsentierte.
Der Spaßfraktion von And One war es vorbehalten, das Amphi Festivalprogramm
auf der Hauptbühne zu beenden. And One wurden 1989 von Steve Naghavi und
Chris Ruiz gegründet, der die Band bereits 1992 verlies, 2001 aber wieder
zur Formation stieß. Seit 2002 ist auch Gio van Oli mit von der Partie und
die drei sind seit jeher für ihre äußerst unterhaltsamen Shows bekannt. Und
auch beim Amphi Festival ließen sie sich nicht lumpen und bescherten dem
Publikum einen stimmungsreichen Abschluss. Dies begann gleich mit dem ersten
Song, bei dem And One wie schon bei ihrer kurzen Cover-Lover-Tour im
Frühjahr den a-ha Hit "The Sun Always Shines On TV" coverten und das
Publikum gleich voll mitging. Der Set war gespickt mit alten und neuen Hits,
wie zum Beispiel als zweiten Song "Stand The Pain" vom aktuellen Album
Bodypop. Weiterhin warten muss man nebenbei bemerkt übrigens auf die
Veröffentlichung der Coverversionscompilation "Bodypop 1 1/2".
And One mischten geschickt Klassiker, aktuelle Hits und Coverversionen und
so war es nach "Recover You" Zeit für eine weitere Coverversion, diesmal das
beliebte "Fools", eine B-Seite der And One Heroen Depeche Mode. Höhepunkt
der Show war aber wohl der fünfte Song, den Sänger Steve Naghavi bei nun
trockenem Wetter mit den Worten "Nun gibt es die regenfreie Version des
Timekillers" ankündigte. Die Begeisterung der Zuschauer kannte keine Grenzen
mehr, als Peter Spilles und Scheubi von Project Pitchfork ganz zur
Überraschung der SynthPop-Combo die Bühne enterten, und And One den Song
fortan gemeinsam mit dessen Urhebern intonierten und allen Beteiligten der
Spaß in den Gesichtern stand.
Schweren Herzens verließen wir nach "Sometimes" die Hauptbühne und wohnten
dem Beginn des Diary Of Dreams Auftritts im Theater bei. Diary Of Dreams
sind das Baby von Sänger Adrian Hates, der die Band 1989 gemeinsam mit
Alistair Kane gründete und seither zu den ganz Großen des Darkwave-Bereichs
zu zählen ist. Nach dem Ausstieg von Kane stießen weitere Mitglieder zur
Band, die derzeit aus Adrian Hates (Gesang, Rhythmusgitarre, Musik), Gaun:A
(E-Gitarre, Gesang), Taste (Keyboard, Gesang) und DNS am Schlagzeug besteht.
Auch Diorama Frontman Torben Wendt ist vielfach als Gast-Keyboarder dabei.
Diary Of Dreams Werke zeichnen sich insbesondere durch eine große
Melancholie und Adrians düsteren Texte aus, was ihnen erst kürzlich von
Polnischen Fanatikern eine Ausladung vom dort stattfindenden Alternatywna
Twierdza Festival einbrachte, die leider mit Erfolg versuchten, den falschen
Anschein zu erwecken, bei DOD handele es sich um eine extreme Band mit
gefährlichen Messages.
Einem Auftritt beim Amphi Festival stand aber natürlich nichts im Wege und
so kamen die Bandmitglieder zu einem düsteren Intro und in Mönchskutten
gehüllt auf die Bühne und nachdem sie die Kapuzen abgestreift hatten, ging
es mit "Nekrolog 43" und "The Plague" vom aktuellen Album los. Bekanntlich
können Diary Of Dreams auf eine treue Fangemeinde zählen, die natürlich auch
beim Amphi Festival geschlossen dem Konzert beiwohnte und andächtig den
Klängen lauschte und die Texte mitsang. Neben Songs des aktuellen Albums war
auch genug Platz für ältere Hits der Band und so gehörten natürlich auch
Klassiker wie "Amok", "Butterfly:Dance" und ?The Curse" zum Set, was die
Zuschauer vollends begeisterte. Wir machten uns nach einer Weile aber wieder
hinaus zur Hauptbühne um weiter an der dort stattfindenden Party mit And One
teilzuhaben.
Die Jungs blieben ihrem Konzept derweil weiter treu und unterhielten ihre
Fans mit Hits am Fließband. Zum Teil übernahm Chris Ruiz wie z.B. bei
"Fernsehapparat" das Mikrofon und peitschte die Zuschauer weiter nach vorne.
Dem Ende entgegen ging es mit dem Klassiker "Take Some More", gefolgt vom
umjubelten "Military Fashion Show". Stimmungstechnisch auf dem Gipfel waren
die drei dann aber bei "Technoman", wo es nun endgültig kein Halten mehr bei
den Fans gab und diese tanzten, jubelten, mit den Händen winkten und eine
absolut großartige Partystimmung erzeugten. Mit der ironischen Ballade "So
Klingt Liebe" endete ein wieder einmal absolut überzeugender und auch
erschöpfender Auftritt von And One und somit auch das Programm auf der
Hauptbühne des Amphi Festivals.
Doch die Veranstalter hatten sich in diesem Jahr noch etwas ausgedacht und,
vielleicht in Anlehnung an die Midnight Specials des Wave-Gotik-Treffens,
nach einer Pause von knapp eineinhalb Stunden einen letzten Gig für das
Theater angesetzt, bei dem niemand geringeres als die deutschen
Electro-Pioniere Die Krupps auf der Bühne standen. Allerdings mussten sich die
Anwesenden erst noch ein Weilchen gedulden, denn nachdem die DJ-Sets von
Daniel Myer und Gillian beendet waren und es los gehen sollte, hatte man
noch mit einigen Soundcheckproblemen zu kämpfen, durch die es zu einer
Verspätung von knapp dreizig Minuten kam. Doch dann war es soweit und die
"Stahlarbeiter" betraten die Bühne.
Die Krupps wurden 1980 in Düsseldorf gegründet und sind die Vorzeigeband was
den deutschen Electro-Industrialbereich der ersten Jahre angeht. Ihr erstes
Album "Stahlwerkssymphonie" wurde gleich im ersten Jahr ihres Bestehens zur
LP des Monats im berühmten britischen New Musical Express (NME) gewählt und
ihre Single "Wahre Arbeit, Wahrer Lohn" ist damals wie heute einfach nur
herausragend. Mitte der Achtziger Jahre wurde es dann still um die Band,
doch schlugen sie 1989 erneut zu, als sie gemeinsam mit den Briten Nitzer
Ebb eine englischsprachige Neuauflage ihres ersten Hits aufnahmen, welches
als "The Machineries Of Joy" veröffentlicht wurde, dem Original weitere
EBM-Einflüsse einhauchte und die Charts stürmte. Es begann die
arbeitsreichste Phase der Band, die es stets verstand, ihren Stil
weiterzuentwickeln und heraus kamen solch Hymnen wie "Fatherland" oder auch
das großartige "To The Hilt". 1997 wurde es erneut ruhig um Die Krupps, doch
derzeit arbeitet man nach der Veröffentlichung von zwei Best Of Alben an
einem neuen Longplayer, auf den man mehr als gespannt sein darf.
Beim Amphi Festival gab es für das ausharrende Publikum noch einmal die
volle Breitseite, denn die Band überzeugte nicht nur mit den schon
angesprochenen Hits, sondern baute auch alte Klassiker wie "Tod Und Teufel"
oder "Zwei Herzen, Ein Rhythmus" vom "Volle Kraft Voraus"-Album mit in ihren
Set ein, was natürlich für zusätzliche Begeisterung sorgte. Sänger Jürgen
Engler präsentierte sich wie die gesamte Band in Topform und stachelte seine
Band und das Publikum zu Höchstleistungen an und lies dieses am Ende von
"Wahre Arbeit, Wahrer Lohn" sogar selbst ins Mikrofon singen. Ein absolut
krönender Abschluss eines tollen Festivals und jeder, der die Wartezeit bis
zum Auftritt der Krupps nicht auf sich nehmen wollte, hat einiges verpasst.
So ging ein anstrengendes, aber durchweg zufriedenstellendes Festival seinem
Ende entgegen und nur noch die letzten Tanzwütigen blieben im Theater, um
der abschließenden Aftershowparty noch beizuwohnen, bevor auch sie in der
Nacht entschwanden und größtenteils im nächsten Jahr sicher wieder zum
Kölner Tanzbrunnen pilgern werden… uns eingeschlossen.