Website-Icon Monkeypress.de

PORTISHEAD – Köln, Palladium (06.04.2008)

Konzert: Portishead
Ort: Palladium, Köln
Datum: 06.04.2008
Zuschauer: 4.500 (ausverkauft)
Konzertdauer: 90 min.

Es gibt diese Konzertabende, bei denen man nach dem ersten Klang weiß, das sie großartig werden, trotz des Palladiums, trotz eingeschränkter Sicht, trotz eigentlich viel zu großer Müdigkeit und trotz 45 Minuten Kling Klang vorher. Als Beth Gibbons die ersten Zeilen des Eröffnungsstücks "Silence" sang, war der Abend schon gelaufen. Da hätte es im Prinzip schon enden können, weil der Moment perfekt war. Das hätte mich und 4.500 andere aber um weitere 90 Minuten eines ganz großen Ereignisses gebracht.

Um nicht zu früh zu pathetisch zu werden, fange ich etwas weiter vorne an. Vor Portishead gab es nämlich noch anderes. Als wir eine Stunde nach dem offiziellen Einlaß (der sich bei Großkonzerten im Palladium aber auch gerne noch einmal zusätzlich nach vorne verschieben kann) angekommen waren, war der Saal schon sehr gut gefüllt. Die Bühne war ziemlich vollgestellt mit Gitarren, Keyboards, Verstärkern und ähnlichem Kram. Pünktlich um acht schlufften ein paar langhaarige zu diesen und begannen, etwas zu spielen, was wie eine achtminütige Version der Dolby Surround Werbung klang, bei der der Ton von moll und schief zu einem strahlenden und triumphierenden Sound wird – nur ohne dieses Happy End. In diesem Stil folgten einige Lieder (besser: Stücke), die kein Ende zu nehmen schienen und vor allem der Band viel Spaß machten. Der Frontmann der Band aus Liverpool (Liverpool!) headbangte ganz begeistert zu dem, was er da fabrizierte. Ich fand es zumindest am Anfang schwer erträglich. Gegen Ende wurden die Lieder kürzer. Das und die Perspektive, daß sie irgendwann aufhören werden, verklärte vielleicht etwas, es wirkte aber am Ende der Dreiviertelstunde weniger schlimm. Beim Namen Kling Klang hatte ich vorher Assoziationen mit Kraftwerk oder den beiden Polizisten bei Pippi Langstrumpf (Herr Kling und Herr Klang), also sehr positive, die fünf oder sechs Instrumentalstücke (bei einem Lied sang der Frontmann sogar) werden sich da nicht einreihen.

Ich gehöre nicht zu denen, die Portishead in den 90ern gesehen haben. Ich hatte zwar eine kurze aber intensive Portishead- (und Massive Attack-) Phase, habe sie da aber nicht gesehen, weil mir Konzerte damals nicht wichtig waren. Daher war ich unglaublich gespannt, was mich erwarten sollte. Daß es ein Ereignis ist, eine Band, die sich so viel Zeit zwischen Alben und Touren läßt, einmal sehen zu können, ist offensichtlich, aber würde das auch gut werden oder nur von der Legende leben? Und wie funktioniert der Portishead-Sound auf der Bühne? Vor allem im Palladium, das noch die meisten Bands in die Knie gezwungen hat?

Diese Gedanken und jeder noch so kleine Anflug von Zweifel waren um Viertel nach neun weg, als eine Projektion des Third-Logos erschien, die Band auf der Bühne auftauchte und die Startsätze von "Silence" erklangen. Der Sound war erdrückend klar, um mich rum brachen die Leute in riesigen Jubel aus, es war schlicht einmalig.

Neben Beth Gibbons, Gitarrist Adrian Utley und Geoff Barrow hatten Portishead, soweit ich sehen konnte, zwei Gastmusiker dabei. Beth Gibbons wirkte ganz und gar nicht so scheu, wie ich es gelesen hatte, sie schien den Auftritt zu genießen.

Dem Eröffnungsstück "Silence" folgte mit "Hunter" ein zweites Lied von dem dritten Studioalbum der Engländer. Das "If I should fall would you hold me?" war so unfassbar wundervoll aber nur einer von ganz vielen solchen Momenten. Schon bei den ersten beiden (ja eigentlich neuen) Liedern brach immer wieder Jubel und Applaus während der Stücke aus, nicht am Anfang, wenn das Lied erkannt wurde, mitten drin, bei besonderen Passagen. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erlebt habe, ich erinnere mich an keinen solchen Moment, mir fällt aber auch kein Künstler ein, bei dem ich das erwartete.

Drittes Lied war mit "Mysterons" ein erstes sehr bekanntes. Dazu strahlten blaue Lichtkreise durchs Palladium. Wundervoll!*

Mit "The rip" folgte ein weiteres neues Stück. Aber neu oder alt, vollkommen egal, alles war harmonisch. Auch wenn z.B. "Machine gun" mit seinen harten Samples und Trommelschlägen zu Beginn deutlich härter klingt, könnten alle neuen Lieder auch von einem der ersten Alben stammen, ohne unoriginell zu sein. Bei vielen Bands dieses Stils, sind Konzerte vermutlich langweilig, weil alles sehr ähnlich klingt. Portishead verstehen es, abwechslungsreiche Musik in einem nicht abwechslungsreichen Genre zu machen, allein das ist lobenswert. Sie schaffen es aber auch, ihren aufwendigen und komplexen Stil live umzusetzen. Das beantwortete meinen Hauptzweifel vor diesem Abend. Daß die neuen Lieder fabelhaft sind, wußte bzw. ahnte ich, daß die Liveperformance traumhaft wird, hatte ich nur gehofft.

An "The rip" schloß sich "Glory box" an, quasi eines der noch gleicheren Lieder des Abends, und die Minuten, die alleine jeden Cent der teuren Eintrittskarten wert waren. Das war der Grund, die Band zu lieben, gar keine Frage. Mit "Numb" kam anschließend ein weiteres Lied des Debütalbums "Dummy", dem ganz konsequent wieder etwas Neues folgte, das schöne "Magic doors".

Mein persönlicher Höhepunkt der Show war allerdings keine der Singles sondern "Wandering stars", ein unbeschreiblich schönes von Beth Gibbons gehauchtes Lied. Meine Güte, war das ergreifend und weit weg.

Die Sängerin war aber ansonsten eben nicht entrückt sondern ganz anders, als von mir erwartet. Sie hatte einen riesigen Plastikbecher in der Hand und prostete damit zu, sie lächelte und schien mit dem Publikum zu flirten. Ein paar Plätze neben mir sah das ein Besucher wohl auch so. Am Absperrgitter stehend winkte er fast das ganze Konzert durch in Beths Richtung!

Die Traumstimmung, die "Wandering stars" hinterlassen hatte, wurde jäh durch das lautmalerische Maschinengewehrfeuer der aktuellen Single beendet. "Machine gun" war der härteste Moment der Show, zwar verstörend aber nicht störend, falls irgendwer versteht, was ich meine. Die Trommeleinsätze bei "Machine gun" beeindruckten mich enorm, denn der Rhythmus war eben nicht gesampelt, er wurde zumindest zum Teil ganz analog erzeugt.

Ein weiteres Highlight schloß sich mit "Over" an. Ich weiß, zu viele Höhepunkte klingen unglaubwürdig, es war aber genau so. Ein großer Moment folgte dem anderen. So wie "Sour times" anschließend! Ein weiterer Song von "Third", "Nylon smile", schon der sechste, und danach "Cowbows" beendeten nach knapp 70 Minuten den Hauptteil. Beth rief uns "Ick liebe dich and everything" zu und ging. Nicht deshalb (naja, ein wenig vielleicht…) war das Publikum wirklich ergriffen von der guten Stunde zuvor.

Nach kurzer Pause war "Threads", das letzte Lied auf "Third" die erste Zugabe. Dabei gefiel mir besonders, wie laut Beths Stimme am Ende des Songs wurde. Und das alles – für regelmäßige Kölner Konzertgänger – glasklar im Palladium! Man hätte Arcade Fire dieses Toningenieure gegönnt!

Ein weiterer… jaja… ein weiteres großes Lied folgte: "Roads" von "Dummy". Dazu muß man eigentlich nichts sagen, es war gigantisch, wie so vieles. Der Abschluß "We carry on" von "Third" war hoffentlich ein Versprechen. Ich bin allerdings sehr entschlossen, Portishead nicht noch einmal zu sehen, um das Erlebnis nicht zu verwässern.

Zum Abschluß stieg Beth von der Bühne, ging langsam im Fotograben von links nach rechts und gab den ergriffenen Menschen die Hand. Ich weiß! Das klingt alles genz schrecklich kitschig und pathetisch – und ich neige ab und zu zu besonderem Enthusiasmus – aber dieser Bericht ist vollkommen untertrieben.


Setlist:

01: Silence
02: Hunter
03: Mysterons
04: The rip
05: Glory box
06: Numb
07: Magic doors
08: Wandering stars
09: Machine gun
10: Over
11: Sour times
12: Nylon smile
13: Cowboys
14: Threads (Z)
15: Roads (Z)
16: We carry on (Z)

Bilder des Konzerts befinden sich auf Christoph’s Flickr-Seite

Autor : Christoph (http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/).

Die mobile Version verlassen