Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)
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Parallel zu And One beim M’era Luna Festival zu spielen, ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber eine, die De/Vision mit Bravour und natürlich einer Menge Hits im Gepäck gemeistert haben. Im Vorfeld der Show hatten wir die erfreuliche Gelegenheit, Songwriter Thomas Adam zu interviewen. Dabei ging es um das Festival selbst, das nahende 30-jährige Jubiläum, die altbekannte Gitarren-Thematik, aber auch fernab der Musik hin zu Themen wie schwindender Meinungsfreiheit, den etablierten Parteien und verzerrter Berichterstattung. Thomas Adam nahm dabei kein Blatt vor den Mund und stand uns gerne ausführlich Rede und Antwort.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Das ist ja jetzt schon Euer siebtes M’era Luna…
Wenn Du das sagt. Ich hab nicht gezählt. (lacht)

Wie ist es für Euch, wieder hier zu sein?
Das ist jedes Mal eigentlich eine Menge Spaß, hier her zu kommen. Man trifft viele Bekannte, die man das Jahr über nicht so oft sieht. Gute Atmosphäre, gutes Essen (lacht), ist ja auch wichtig. Immer wieder schön, hier her zu kommen.

Das erste Mal wart Ihr 2001 hier. Ihr habt die Entwicklung hier quasi mitverfolgen können. Wie habt Ihr das erlebt?
Ehrlich gesagt – was heißt Entwicklung? Als wir 2001 das erste Mal hier gespielt haben, war das wahrscheinlich alles noch ein bisschen kleiner. Ich kann mich nicht mehr so genau dran erinnern. Aber klar, es ist mit den Jahren immer ein bisschen größer geworden. Aber ehrlich gesagt, so wie heute, wenn ich hier rein komme: Für mich ist das jedes Mal so wie immer. Auch beim siebten Mal ist es noch wie beim ersten Mal: Man kommt hier her und irgendwie ist es immer sehr ähnlich. Aber klar, aber das ist eine riesige Szene, unser größtes Dark Festival, das es in Deutschland so gibt. Das ist ein tolles Festival, auch die ganze Organisation ist ziemlich professionell. Das macht einfach Spaß, hier her zu kommen!

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Ihr spielt nachher als Headliner im Hangar. Wie ist die Position für Euch? Ihr habt ja mit And One eine ganz gute Konkurrenz draußen…
Ja, das ist natürlich immer etwas doof. Die fangen eine halbe Stunde nach uns an und für uns ist es insofern doof, weil wir uns halt sagen: Warum zwei Elektro-Acts zur gleichen Zeit? Eine im Hangar, eine auf der großen Bühne… Da wäre es ja eigentlich fast ein bisschen schlauer gewesen, eine Gitarren-Band da zu legen – etwas, das halt anders ist. Aber es ist so wie es ist und man muss irgendwie damit klar kommen. Klar, wir haben auch auf der Fahrt hierher schon viel darüber gequatscht und natürlich hat man auch ein bisschen die Angst, dass sobald And One anfangen, die meisten bei uns weggehen und zur großen Bühne pilgern. Selbst wenn das so ist: Bisher war es eigentlich immer so, dass auch bei uns viele dann noch bis zum Schluss zugeguckt haben. Wenn man jetzt auf die Reaktionen der letzten Jahre schaut, seit wir hier sind, das war immer sehr gut. Den Leuten hat es gut gefallen. Wir machen uns natürlich auch immer unsere Gedanken. Wir sind ja wahrscheinlich eine der poppigsten Bands auf diesem Festival. Da denken wir auch, wir zwischen den ganzen harten Bands… Jedes Mal ist es etwas komisch, aber jedes Mal fahren wir heim und denken: „Das war geil, super.“ Den Leuten hat es auch letztes Mal gefallen. Das war ein sehr gutes Konzert, das war super angekommen. Man macht sich meistens viel zu viele Gedanken um gar nichts.

Wie fühlt sich die Show heute allgemein für Euch an? Das letzte Album ist schon lange draußen, das nächste steht in den Startlöchern. Ihr habt jetzt kein Album zu promoten oder so gerade.
Das nicht. Aber ich muss sagen: Klar, auf so einem Festival machst Du sowieso immer eher ein Best Of, obwohl jetzt auch vom letzten Album doch auch einiges im Programm ist. Es ist eben das Album, mit dem wir immer noch auf Tour sind. Die neuen Songs machen natürlich auch am meisten Spaß. Lieber ein Song vom letzten Album als ein Uralt-Schinken, das macht immer mehr Spaß. Aber du kommst auch um die Uralt-Schinken nicht drumrum. Die Fans wollen das hören. Das ist schon gut so, wie es ist.

Wie stellt Ihr bei so einer Show denn die Setlist zusammen? Bei Eurem Back-Katalog ist eine Stunde relativ wenig…
Das ist immer schwierig. Aber meistens machen wir bei so einem Festival wie hier das so, dass man die Hits dabei hat, die die Leute kennen, wie I Regret, Try To Forget, Hands On My Skin, klar. Die dürfen nicht fehlen. Ansonsten sind wir noch im Tour-Modus, die Tour ist noch nicht so lange her. Die neuen Songs sind noch voll drin und machen Spaß, live zu spielen. Die will man natürlich auch präsentieren. Aber klar, bei so vielen Alben und so vielen Songs ist das total schwierig, die richtige Mischung zu finden, das ist nie einfach. Aber auf jeder neuen Tour ist das Hauptaugenmerk auf den neuen Songs und nicht auf den uralten Songs. Aber auch da versucht man, ein bisschen zu variieren und mal einen Song zu spielen, den man vielleicht seit zehn Jahren nicht gespielt.

Wenn man das mal aus Eurer Perspektive betrachtet: Wie muss so eine Show gelaufen sein, damit Ihr von der Bühne geht und sagt „wow, das war geil“?
Du musst das Gefühl haben, dass es den Leuten gefallen hat. Klar, wir merken es bei jedem Konzert. Auch wenn wir eine Einzel-Show spielen. Da gibt es immer Songs, die kommen ein bisschen besser an und Songs, die kommen ein bisschen weniger gut an. Das ist immer so. Vor allem angesichts der Tatsache, dass unsere Alben ja auch sehr abwechslungsreich sind. Da sind schon sehr poppige Sachen dabei, aber auch der eine oder andere Song, der etwas düsterer ist und auch von der Richtung ein bisschen experimenteller und vielleicht auch – für unsere Verhältnisse – härter ist. Das merkt man natürlich auch an den Publikums-Reaktionen. Die Popper finden die poppigen Songs besser und dann gibt es die Leute, die auf das Experimentellere stehen. Man muss eine gute Mischung finden und im Großen und Ganzen hat das auch immer ganz gut hingehauen. Du merkst es ja am Applaus, ob es letztendlich gut ankommt oder nicht. Bisher sind wir auch hier immer mit einem guten Gefühl wieder gefahren.

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Ihr habt ja schon in sehr vielen Konstellationen gespielt. Würdest Du sagen, dass Ihr jetzt die ideale Konstellation gefunden habt?
Was heißt ideal? Ich sag mal so: Wenn etwas ideal ist, gibt es ja keinen Grund mehr, etwas zu ändern. Wir sind jetzt aber doch schon am Überlegen – wir hatten es eigentlich schon für die letzte Tour geplant – noch einen zweiten Keyboarder mitzunehmen und wieder einen Gitarristen. Einfach weil wir auf dem Album wieder mehr Gitarren dabei hatten als ursprünglich geplant. Das wollten wir dann auch originalgetrau umsetzen, auch die Gitarrenparts. Wir haben aber nicht die richtige Person gefunden. Wir haben gesucht nach einem, der Gitarre spielt und Keyboard und auch noch ein bisschen singen kann eventuell. Da war die Zeit etwas knapp. Mal gucken, vielleicht klappt es für die nächste Tour. Obwohl es da dann auch wieder drauf ankommt, wie das nächste Album wird. Sind da viele Gitarren bei? Wird es rein elektronisch? Es werden auf jeden Fall Gitarren dabei sein, aber inwieweit und wie viel, ob das nur mal hier und da ist oder überhandnimmt, das kann man natürlich noch nicht sagen. Aber rein von der Konstellation ist es super. Wir sind mit unserem Drummer sehr zufrieden, wir kommen mit dem super gut klar, auch menschlich. Das ist ein super Typ. Rein vom Gefühl ist es schon geil, wie es jetzt ist. Aber wenn man bei der nächsten Tour vielleicht noch jemanden mehr dabei hat, ist das auch cool.

Verfolgt Euch diese Gitarren-Thematik irgendwie ein bisschen? Ich erinner mich, dass damals sehr gefeiert wurde, als Ihr ein rein elektronisches Set angekündigt hattet.
Ja klar. Es ist halt immer so: Es gibt solche und solche Stimmen. Ich glaube, das Problem, das wir damals hatten mit dem Gitarristen, bzw. das Problem, das einige Leute mit dem Gitarristen hatten, das hatte vielleicht auch damit zu tun, dass der Gitarrist eben nicht nur da gespielt hat, wo auch auf der Platte tatsächlich eine Gitarre dabei war. Wir haben dann gesagt, „hey, wir haben einen Gitarristen, dann soll der auch von Anfang bis Ende auf der Bühne stehen und bei allen Songs Gitarre spielen“. Ob da letztendlich auf der Platte auch eine Gitarre drin war oder nicht: Scheißegal, der spielt überall mit seiner Gitarre rein. Vielleicht gab es auch etliche Leute, die das einfach nicht gut fanden. Ich glaub, die Songs originalgetreu umzusetzen, da hat keiner was dagegen. Wenn ich ein Lied auf Platte gut finde und da ist eine Gitarre drin, da kann ich auch nichts dagegen haben, wenn auf der Bühne auch eine Gitarre dabei ist. Da kann ja keiner was dagegen haben. Aber ich glaub, die Tatsache, dass der überall gespielt hat, das hat einigen nicht gefallen. Aber wir merken es ja zum Beispiel auch mit dem Drummer. Da gibt es auch heute noch Stimmen, die sagen, ohne Drummer wäre das originaler und geiler. Andere sagen „geil, der Drummer, das macht so viel Stimmung und Energie“. Die wollen einfach nicht darauf verzichten, wie wir auch nicht. Aber da gibt es solche und solche.

Wir hatten es vorhin schon erwähnt: Ihr seid jetzt so zwischen den Alben mit den Shows. Es naht das Jubiläum. Wie fühlt sich das an, dass jetzt diese große 30 naht?
Ehrlich gesagt frage ich mich – das geht wahrscheinlich jedem Menschen so, wenn er seinen 30., 40., 50. Geburtstag feiert – wo die Zeit geblieben ist. Ist das wirklich schon so lange her, dass wir angefangen haben, auf der Bühne zu stehen, Musik zu machen? Es ist halt so, wie es ist. Wir machen natürlich dann nächstes Jahr auch dementsprechend eine große Geburtstagsparty, wo wir auch mit unseren ehemaligen Bandkollegen ein Konzert spielen. Weißte, ich werde in drei Jahren 50 – entweder man findet sich damit ab, wie das Leben funktioniert, wie die Natur funktioniert oder man wird sich an solchen Geburtstagen lieber aufhängen. Ich habe mich irgendwann mal damit abgefunden. Das ist nun mal der Kreislauf der Natur. Die Zeit vergeht, wir bleiben nicht ewig 20. Das gehört halt dazu. Aber wie gesagt: Es fühlt sich immer komisch an: „Wie, schon so lange? Wie lange wollen wir das jetzt eigentlich noch machen?“ Mal gucken. (lacht)

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Hat es denn da Überzeugungsarbeit gebraucht bei den Ex-Mitgliedern?
Überhaupt nicht. Das hat uns auch ein bisschen erstaunt. Bei dem einen war uns eigentlich klar, dass das ziemlich einfach sein könnte, ihn zu überreden – das war es dann auch. Bei dem anderen haben wir gedacht, der würde uns wahrscheinlich komplett absagen, aber er ist auch sofort darauf angesprungen. Einmal gefragt und er war sofort dabei. Da haben wir nicht wirklich mit gerechnet. Wir haben gedacht, das kostet ein bisschen mehr Überzeugungsarbeit. Aber letztendlich hat sich herausgestellt, dass beide da so Bock drauf haben, weil sie es einfach vermissen. Es hat beiden gefehlt.

Probt Ihr schon zusammen?
Nein, aber wir werden auch nur einen Tag zusammen proben, vielleicht zwei. Wir werden das so machen, wie wir das eigentlich auch machen: Jeder probt zuhause für sich und dann vor der Tour treffen wir uns zwei drei Tage, mieten in Berlin einen Proberaum an und spielen alles zusammen mal durch. Das funktioniert auch super. So werden wir das auch mit den anderen machen. Die sind ja beide noch in Bensheim, unserer alten Heimat. Die werden dann da unten für sich proben, wir proben hier oben und dann kommen die eins zwei Tage vorher und wir proben noch einmal zusammen alles durch, dann wird das hoffentlich funktionieren.

Ist man da dann ein bisschen aufgeregt, wenn man weiß, dass man erst zwei drei Tage vorher probt?
Normalerweise nicht, denn guck mal, das ist jetzt noch ein Dreivierteljahr hin bis zum nächsten April und eigentlich sollte da nichts schiefgehen. Die kennen das ja auch, das sind ja keine Leute, die zum ersten Mal Musik machen. Die wissen ja, wie es funktioniert. Das sollte eigentlich kein Problem sein.

Ihr blickt dann ja nicht nur zurück, sondern habt auch ein neues Album mit dabei. Kann man da schon was sagen, wie die musikalische Ausrichtung sein wird?
Ja, elektronisch. (lacht)

Das werden viele gerne hören.
Also es sind auch schon einige Uptempo-Nummern dabei, aber ich sag mal so: Man steckt natürlich immer in seiner eigenen Haut drin, da kommt man auch nach 30 Jahren nicht raus. Du machst halt das, was du machst. Natürlich gibt es wieder Depri-Songs, genauso wie es Pop-Songs gibt. Die Songs selbst haben wir alle rausgesucht, die wir für das neue Album bearbeiten wollen, da sind schon echt schöne Sachen dabei. Ich sitze gerade noch zuhause und muss die Texte schreiben, da habe ich gerade ziemlich viel mit zu tun. Die Songs selbst sind sehr melodiös. Sehr geil, muss man echt sagen. Mal gucken, wie es am Ende klingt. Es ändert sich ja doch noch einiges während so einer Produktionsphase.

Wie ist das denn so nach 30 Jahren? Wo kommen da immer noch neue Ideen dann her?
Das frage ich mich jedes Mal… Aber es ist immer wieder faszinierend, nicht nur mit der Musik. Das ist wahrscheinlich mit der Musik dasselbe wie mit den Texten. Du setzt Dich hin, machst irgendwas und dann passiert es doch. Ich denke zum Beispiel vor jedem neuen Album: „Scheiße, jetzt musste wieder Texte schreiben, aber ich hab doch schon alles gesagt, was es zu sagen gibt.“ Aber ne, eben nicht. Es tut sich einfach doch immer so viel und es gibt immer wieder neue Sachen. Oder alte neue Sachen, über die man schreiben kann. Es tut sich doch einfach immer was. Was ich zum Beispiel für mich als Texter sagen kann: Früher waren Liebe und so immer ein großes Thema. Das ist glaub ich ja auch nichts Außergewöhnliches. Ich habe mal gehört, dass 99% aller Songs letztendlich Liebeslieder sind. Das war bei uns auch früher immer das Hauptthema. Aber mittlerweile, auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so sieht oder hört und wenn man sich die Texte anguckt: Politische Themen sind mir inzwischen sehr wichtig. Auch auf dem letzten Album hatten die meisten Texte einen sehr starken politischen Charakter. Eigentlich fast alle Songs, auch wenn man es nicht sofort sieht oder hört und man denken könnte, da ginge es wieder um typische Beziehungsprobleme. Das ist aber gar nicht der Fall. Auch dieses Mal wird es wieder so sein. Es tut sich so viel bei uns mit Meinungsfreiheit, die jetzt eingeschränkt wird, die man uns weg nimmt. All das, Überwachungsstaat… Es gibt immer was Neues.

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Wo siehst Du die weggenommene Meinungsfreiheit?
Das ist doch gerade das ganz große Thema. Mit Netzüberwachung… Ja, was ist denn da? Das ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Was ist denn das sonst? Und weißt Du was? Das ist ja nichts Neues! Das Gleiche haben die Nazis auch schon gemacht, das gleiche hat das SED-Regime auch schon gemacht. Die haben auch ihre Gesetze gehabt, wo sie die Meinungsfreiheit einschränken. Jetzt fangen die bei uns mit genau dem gleichen Scheißdreck an.

Du würdest da einen Schritt zurück drin sehen…
Natürlich ist das ein Rückschritt. Für die Menschen und für die Freiheit der Menschen – auf jeden Fall! All das, was Freiheit und Demokratie mit sich bringt, das hat man ja dem Menschen nicht geschenkt. Es ist ja nicht so, dass die Eliten irgendwann mal hergegangen sind und meinten „hey, ab heute haben alle die gleichen Rechte, ihr dürft ab heute alles sagen, was ihr wollt, ab heute herrscht Meinungsfreiheit“. So ist es ja nicht gewesen. Das ist etwas, da mussten unsere Vorfahren nicht nur für auf die Straße gehen. Die mussten dafür kämpfen und die sind dafür gestorben, dass wir heute unsere Meinung sagen dürfen. Und wenn man heute her geht und uns das langsam immer mehr wegnimmt, dann ist das doch ein ganz klarer Rückschritt, oder nicht? Oder wie siehst Du das?

Da bin ich bei Dir.
Das ist doch ein ganz klarer Rückschritt, was die Freiheit der Menschen betrifft. Das ist ein ganz klarer Einschnitt in unserer Freiheit, in unsere Meinungsfreiheit. Und das ist doch nicht okay.

Würdest Du das für Euch als Anliegen sehen, diese Nachricht in Euren Stücken rüberzubringen?
Da schreibe ich gerade ganz viele Stücke drüber, genau über diese Themen. Das ist etwas, das mich total beschäftigt. Da kann ich mich so reinsteigern, da kann ich mich so drüber aufregen. Ich rege mich gar nicht mal so über die Politiker und die Leute auf, die uns diese Freiheit wegnehmen wollen, ich rege mich über die Menschen auf, die das mit sich machen lassen. Dieses dumme Volk, darüber rege ich mich auf. Dieses Volk, das einfach zuguckt, wie ihm die Freiheit weggenommen wird. Diese dummen Schlafschafe da draußen, die regen mich auf. Und die trotzdem her gehen und diese Parteien wählen, die uns die Freiheit wegnehmen.

Was meinst Du denn, sollte der Einzelne dagegen machen?
Sich wehren, wie auch immer. Wo ist die Revolution? Entweder auf die Straße gehen oder sie sollen wirklich mal – das ist meine persönliche Meinung – Parteien wählen abseits vom Mainstream. Egal, wer das ist. Da sollen sie doch mal alle die Linken wählen oder wen auch immer. Aber eben nicht mehr die althergebrachten Parteien, die für das verantwortlich sind, wo wir uns gerade befinden. Sollen sie eben nicht mehr die altbekannten Grünen, SPD, CDU/CSU und FDP wählen. Da sollen die mal andere wählen! Solange sie das nicht machen, wird sich auch nichts ändern.

Spiegelt sich die Thematik im neuen Album dann auch schon wider?
Ja natürlich! Diese Thematik ist auch schon auf dem letzten Album drauf. Gasoline zum Beispiel: Das ist eigentlich auch ein Aufruf zur Revolution gewesen auf dem letzten Album. Genau darum geht’s: Auf die Straße gehen, die Lügner zu verfolgen, die Lügen aufzudecken. Holt Euch die Wahrheit zurück! Genau darum geht’s. Thema Lügenpresse usw. Genau darum gegangen ist es in Gasoline zum Beispiel. Das war für mich ein ganz klarer Aufruf zur Revolution. Auf die Straße zu gehen und den Verantwortlichen zu zeigen, dass es so nicht mehr weitergeht. Das war Gasoline. Und das war nicht der einzige Song, der sich damit befasst hat. Auf dem neuen Album ist das auch ein Thema. Das ist ein Thema, das macht mich total fertig gerade. Das geht mir so unter die Haut. Das ist mit ein Hauptthema für mich, ganz klar.

Du erwähntest gerade das Stichwort „Lügenpresse“. Würdest Du denn sagen, dass die Berichterstattung irgendwie verzerrt ist?
Ich glaub, Du hast gerade das richtige Wort gefunden. Genau, sie ist sehr „verzerrt“. Aber ganz klar.

Woran würdest Du das festmachen?
Das ist doch überhaupt keine Frage… Woran macht man das fest? Man muss sich doch nur die Nachrichten angucken. Das ist doch eine ganz klar einseitige manipulative Berichterstattung. Wer das nicht sieht… Ich wunder mich immer noch, dass es Leute gibt, die sagen, das stimmt doch gar nicht. Das ist mir immer noch ein Rätsel. Ich kann das gar nicht verstehen, dass es Leute gibt, die tatsächlich glauben, das stimmt. Es ist doch offensichtlich.

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Womit würdest Du das belegen?
Wir haben hier zwei Seiten. Sagen wir mal zwei Teams. Wenn das eine Team eine Sauerei macht, dann ist das okay. Dann regt sich niemand darüber auf in den Medien, da wird einfach so drüber weggegangen – am besten, man erwähnt es gar nicht. Wenn das andere Team irgendeine Schweinerei macht, heißt es: „Diese Schweine, wie können die nur.“ Dieses Messen mit zweierlei Maß. Willst Du mir sagen, du siehst das nicht? Also bitte! Das Schlimme ist, dass es Leute gibt, die das tatsächlich nicht sehen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Aber es wird mit zweierlei Maß gemessen.

Ich bin auch kein Freund von Russland. Doch, ich bin ein Freund von Russland, ich mag Russland sehr. Ich finde bestimmt nicht alles gut, was der Putin macht und ich sage auch, was er nicht gut macht. Ich sag, was ich an ihm scheiße finde. Und ich sage, wenn da irgendwas nicht in Ordnung ist. Aber ich sage auch, wenn der Westen was macht, was nicht in Ordnung ist. Das sage ich genauso und das sollte man auch genauso sagen. Man sollte nicht hergehen und sagen: „Das, was er macht, ist immer schlecht und das, was wir machen, ist alles gut.“ Aber genau das passiert doch. Da kann man doch nicht drüber hinwegsehen.

Ist das für Dich zu einseitig?
Ja natürlich ist das einseitig. Wenn unsere Freunde, die Amerikaner, Kriegsverbrechen begehen, dann muss man das doch genauso benennen. Dann müssen sich auch deutsche Politiker hinstellen, auch von der SPD, auch von der CDU und von allen Parteien, die gerade in der Regierung sind. Dann muss man sich auch hinstellen und das ansprechen: Das ist ein Kriegsverbrechen und das machen wir nicht mit. Das kann doch nicht sein, dass ich nur die Kriegsverbrechen der anderen sehe.

Würdest Du denn sagen, dass Ihr auch ein bisschen da mit Eurer Musik wachrütteln wollt?
Kannst Du gar nicht, geht doch gar nicht. Hat Musik schon einmal die Welt verändert? Ich kann mich nicht dran erinnern. Ich kann mich nicht dran erinnern, dass das schon einmal funktioniert hätte. Letztendlich kannst Du da niemanden wachrütteln. Hast Du schon einmal mitbekommen, dass jemand in die Disko geht am Wochenenden und rauskommt und sagt „ich hab da einen Song gehört, man hat mich das aufgeputscht, jetzt aber, das hat mir die Augen geöffnet“? Ich hab das noch nie gehört. Ich kenne niemanden, bei dem das so war. Ich kann immer nur sagen, was ich darüber denke, mehr kann ich nicht machen. Ich kann nur wiedergeben, was ich denke, was ich fühle, wie ich das finde, mehr kann man nicht machen, mehr geht nicht. Klar, es gibt Leute, die hören auch extrem auf Texte, aber es gibt welche, denen Texte sowieso komplett am Arsch vorbeigehen. Der Song muss gut sein. Was da gesungen wird, ist völlig egal, weiß man nicht so recht, will man auch nicht wissen. Aber natürlich gibt es auch immer Leute, die gezielt auf die Texte gucken und sich darin auch wiederfinden oder sagen „ja, find ich gut, aber sehe ich anders“. Ich würde aber nie behaupten oder dran glauben, dass Musik tatsächlich die Welt verändern kann. Guck Dir die vielen Festivals für den Frieden an. Hat es was gebracht? Nicht wirklich. Haben die Kriege aufgehört? Ich habe jetzt gerade nicht rausgeschaut, aber ich glaube, irgendwo fallen gerade sicher Bomben. Trotz aller Friedensfestivals wird geschossen und sich umgebracht.

Interview: DE/VISION (THOMAS ADAM)Aber es ist ja an sich trotzdem nicht verkehrt, für den Frieden ein Festival zu machen…
Ist wahrscheinlich gut, ein Festival für den Frieden zu machen. Aber es ist genauso sinnvoll und bringt genauso viel wie ein Festival für Glühbirnen oder für Türen oder für Stühle, das bringt wahrscheinlich genauso viel.

Ist Dir das zu oberflächlich?
Es bringt einfach nichts. Das ist ja nur ein Motto, mehr ist es ja nicht. Ein Festival für den Frieden bringt ja keinen Frieden. Da geht man natürlich gerne hin und alle feiern den Frieden und auf dem Heimweg kriegen sich welche in die Haare und dann war es das schon wieder mit dem Frieden.

Wieder etwas zurück zur Musik…
(lacht) Wir schwiefen ab…

Ein wenig… Im April kommt ja jetzt das Album, die Jubiläums-Shows sind angesetzt – plant Ihr denn auch wieder eine größere Tour?
Klar. Im Herbst nächstes Jahr geht es dann mit der Tour los. Aber das wird alles gerade noch von unserem Manager Jan geplant. Wo überall, das wissen wir jetzt noch nicht. Schön wäre, wenn wir auch wieder ein paar Konzerte im Ausland spielen. Wahrscheinlich wird es auch so sein. Mal gucken, ob es nächstes Jahr dann hinhaut, mal wieder auf US-Tour zu gehen. Durch die ganze Trump-Wahl ist das alles ein bisschen ins Wasser gefallen. Aber mal gucken, dass es dann nächstes Jahr wieder klappt.

Normalerweise würde ich jetzt zum Schluss fragen, wie die weiteren Pläne sind, aber das hatten wir ja schon. Wie würdest Du denn sagen, geht es weiter? Weitere 30 Jahre De/Vision?
Nein. (lacht) Dann wäre ich 77, das wäre zu arg. Aber man soll ja nie nie sagen.

Guck Dir die Stones an.
Bei denen ist es halt so, die müssen ja keinen Handschlag selber mehr machen. Da kann man dann auch mit 70 noch auf der Bühne stehen. Aber wenn man in einer anderen Position ist als die Jungs und noch viel mehr selber machen musst und nicht für alles jemanden hast, der Dein Köfferchen trägt, dann ist das alles etwas schwieriger. Man weiß natürlich nie, was in 30 Jahren ist, ob wir dann überhaupt noch alle da sind, ob es dann überhaupt noch Musik gibt. Wer weiß.

Weblinks DE/VISION:

Homepage: www.devision-music.de
Facebook: www.facebook.com/DEVISION-24741337633/
Twitter: www.twitter.com/DEVISIONMUSIC

Bilder: Dietmar Grabs

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